Leitsatz (amtlich)
Für die Berechnung des Berufsschadensausgleichs ist das tatsächliche Einkommen nur dann dem Durchschnittseinkommen aus dem "derzeitigen Beruf" gegenüberzustellen, wenn der Beschädigte auch ohne die Schädigung diesen Beruf ausgeübt hätte.
Leitsatz (redaktionell)
Der Anspruch auf Berufsschadensausgleich setzt nach BVG § 30 Abs 3 ua einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Schädigungsfolge und dem Einkommensverlust voraus; der wirtschaftliche Schaden ergibt sich aus einem Vergleich zwischen dem Zustand vor und nach Eintritt der Schädigungsfolgen.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 3 Fassung: 1960-06-27, Abs. 4 Fassung: 1960-06-27
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 31. Oktober 1967 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
Der ... 1918 geborene Kläger war vor dem zweiten Weltkrieg als Heizer in einem Sägewerk tätig. Nachdem er im zweiten Weltkrieg infolge einer Minenexplosion erblindet war, wurde er auf den Beruf eines Bürstenmachers umgeschult; hierüber wurde ihm ein Abschlußzeugnis erteilt. Nach Kriegsende eröffnete der Kläger einen Handwerksbetrieb als Bürstenmacher, den er zusammen mit seiner Ehefrau führt und der auch in die Handwerksrolle eingetragen ist. Wegen seiner Schädigungsfolgen bezieht der Kläger Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v. H., Ausgleichsrente, Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe II und Pflegezulage.
Im Jahre 1960 beantragte er die Bewilligung von Berufsschadensausgleich. Diesen Antrag lehnte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 31. Oktober 1962 ab. Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 1964). Während des Klageverfahrens hat der Beklagte durch die Bescheide vom 11. und 14. Juni 1965 einen Berufsschadensausgleich vom 1. Oktober 1962 an bewilligt, wobei es den Kläger als angelernten Arbeiter in die Leistungsgruppe 2 für Arbeiter im Wirtschaftsbereich Sägerei und Holzverarbeitung einstufte. Durch einen weiteren Bescheid vom 10. Mai 1966 wurde der Berufsschadensausgleich vom 1. Juni 1966 an neu festgestellt, wiederum unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe 2 für Arbeiter.
Der Kläger hat vor dem Sozialgericht (SG) begehrt, der Berechnung des Berufsschadensausgleichs das Durchschnittseinkommen seines nach der Schädigung ausgeübten Berufes als selbständiger Bürstenmacher zugrunde zu legen. Das SG hat mit Urteil vom 12. November 1965 die Klage abgewiesen.
Durch Urteil vom 31. Oktober 1967 hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG und die Bescheide des Beklagten vom 31. Oktober 1962, 6. Mai 1964, 11. Juni und 14. Juni 1965 und 10. Mai 1966 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger über seinen Antrag auf Berufsschadensausgleich einen neuen Bescheid zu erteilen und dabei für die Zeit vom 1. Juni 1960 bis zum 31. Dezember 1963 das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 6 und für die Zeit seit dem 1. Januar 1964 das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 7 als Vergleichsgrundlage zugrunde zu legen.
In den Entscheidungsgründen hat das LSG ausgeführt, daß beim Berufsschadensausgleich (§ 30 Abs. 3 BVG) der Beruf, den der Beschädigte nach Eintritt der Schädigung ausgeübt habe oder noch ausübe, uneingeschränkt zu berücksichtigen sei. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck des § 30 BVG. Hierzu hat das LSG eingehende Ausführungen gemacht. Es ist insbesondere der Auffassung, daß der nach der Schädigung vom Beschädigten ausgeübte Beruf bei der Gewährung des Berufsschadensausgleichs auch dann berücksichtigt werden müsse, wenn der Beschädigte diesen Beruf ohne die Schädigungsfolge nicht ausgeübt hätte. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 30 Abs. 3 BVG in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 27. Juni 1960 (BGBl I, 453 - 1. NOG), in welchem der "derzeitige Beruf" ausdrücklich erwähnt werde. Allerdings sei in § 30 Abs. 4 BVG (in der jeweils gültigen Fassung) der "derzeitige Beruf" nicht erwähnt, woraus jedoch nicht geschlossen werden könne, daß dieser Beruf bei der Ermittlung des Einkommensverlustes unberücksichtigt bleiben müsse. Insoweit bestehe zwischen den Absätzen 3 und 4 des § 30 BVG ein gewisser Widerspruch und hinsichtlich der Bewertung des Einkommensverlustes "im derzeitigen Beruf" des Beschädigten eine Gesetzeslücke.
Da der Berufsschaden nach Abs. 3 und 4 im Gegensatz zu Abs. 2 des § 30 BVG nicht individuell, sondern nach Durchschnittssätzen berechnet werde, könne ohne weiteres auf den Durchschnittssatz des "derzeitigen Berufs" abgestellt werden.
Für die Auffassung des Beklagten, daß die Berücksichtigung des "derzeitigen Berufs" nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG nur dann möglich sei, wenn die Beeinträchtigung in diesem Beruf durch eine nach der Aufnahme des jetzigen Berufs eingetretene wesentliche Veränderung der Schädigungsfolgen herbeigeführt worden sei, biete das Gesetz keinen Anhaltspunkt. Der "derzeitige Beruf" sei offenbar mit Rücksicht auf Art. 12 Grundgesetz (GG) in das Gesetz eingefügt worden, wodurch zum Ausdruck komme, daß der Beschädigte jederzeit das Recht haben solle, sich einem Beruf zuzuwenden, und daß Nachteile in diesem Beruf uneingeschränkt ausgeglichen werden sollten. Es brauche nicht entschieden zu werden, ob etwas anderes dann gelten müsse, wenn der Berufswechsel deshalb vorgenommen worden sei, um höhere Versorgungsbezüge zu erlangen. Ein solcher Fall liege hier nicht vor, weil der Kläger auf Veranlassung der Wehrmacht auf einen ausgesprochenen Blindenberuf umgeschult worden sei.
Die vom LSG vertretene Auffassung könne zwar dazu führen, daß der Berechtigte unter Umständen besser gestellt werde, als er ohne die Schädigung stehen würde, weil ein Beruf berücksichtigt werde, den er sonst nicht ergriffen hätte. Dadurch könne einer der wichtigsten Grundsätze des Schadensersatzrechts, den Ersatzberechtigten wirtschaftlich so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, durchbrochen werden.
Ob der Gesetzgeber diese weitgehende Konsequenz gesehen habe, sei zweifelhaft. Hierauf komme es aber nicht an, weil die uneingeschränkte Berücksichtigung des derzeitigen Berufs gewollt gewesen und die Rechtsprechung an diese Entscheidung des Gesetzgebers gebunden sei.
Es brauche daher nicht mehr erörtert zu werden, ob die Einstufung des Klägers in die Besoldungsgruppe A 6 bzw. A 7 schon auf Grund seiner früheren Tätigkeit als Heizer und mutmaßlicher Landwirt berechtigt sei.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 26. Februar 1968 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 7. März 1968, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 8. März 1968, Revision eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Er beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 31. Oktober 1967 aufzuheben, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Konstanz vom 12. November 1965 zurück- sowie die Klage gegen den nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in das Berufungsverfahren einbezogenen Bescheid des Versorgungsamts Radolfzell vom 10. Mai 1966 als unbegründet abzuweisen.
Er rügt die Verletzung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG. In einem weiteren Schriftsatz vom 7. Mai 1968, eingegangen beim BSG am 9. Mai 1968, hat der Beklagte zur Begründung seiner Revision insbesondere ausgeführt, das LSG habe gegen den auch im Recht des Berufsschadensausgleichs geltenden Grundgedanken verstoßen, wonach der Berechtigte wirtschaftlich nur so zu stellen sei, wie er stehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG sei eine selbständige Versorgungsleistung, die - unabhängig von der Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG - nur unter den im Gesetz näher geregelten eigenen Voraussetzungen gewährt werden könne. Als Vergleichsberuf könne nicht der vom Kläger zur Zeit der Antragstellung ausgeübte, sondern nur der Beruf berücksichtigt werden, den er ohne die Schädigung wahrscheinlich ausüben würde. Zur weiteren Darstellung des Vorbringens des Beklagten wird auf seinen Schriftsatz vom 7. Mai 1968 verwiesen.
Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen;
hilfsweise, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger ist der Auffassung, daß das angefochtene Urteil sachlich zutreffend ist. Wollte man der Auffassung des Beklagten folgen, so würden erwerbsunfähige Beschädigte bei dem Ausgleich eines durch die Schädigungsfolgen bedingten wirtschaftlichen Schadens gegenüber anderen nicht erwerbsunfähigen Beschädigten benachteiligt. Dies sei mit den Grundsätzen des Sozialstaates nicht vereinbar. Im übrigen wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 30. Mai 1968 Bezug genommen.
Die durch Zulassung statthafte (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) Revision ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Zur Begründung seiner Revision hat der Beklagte in der Revisionsschrift vom 7. März 1968 nur "gerügt, daß das oben angefochtene Urteil § 30 Abs. 3 und 4 BVG verletzt" und sich "weitere Ausführungen zur Begründung des Rechtsmittels" vorbehalten. Diese weiteren Ausführungen sind sodann in dem Schriftsatz vom 7. Mai 1968 enthalten, der nach der am 26. April 1968 abgelaufenen Revisionsbegründungsfrist beim BSG eingegangen ist. Zwar muß auch den sachlich-rechtlichen Revisionsangriffen eine sorgfältige, über ihren Umfang keinen Zweifel lassende Begründung zuteil werden, und es besteht nicht nur für verfahrensrechtliche Rügen das Erfordernis, die Tatsachen, die den Mangel ergeben, in der Begründungsschrift bestimmt anzugeben (BGH in LM ZPO § 554 Abs. 2 Nr. 22); jedoch hat der 8. Senat des BSG in seinem Urteil vom 27. September 1965 (8 RV 385/65) ausgesprochen, daß eine Revisionsbegründung den Anforderungen des § 164 Abs. 2 SGG genüge, wenn der Revisionskläger "die seines Erachtens verletzte Rechtsnorm bezeichnet und damit dem Revisionsgericht den Umfang angegeben hat, in dem er eine rechtliche Nachprüfung für geboten erachtet". Bei dieser vom 8. Senat des BSG vorgenommenen weiten Auslegung des Begriffs Revisions-"begründung" i. S. des § 164 Abs. 2 SGG ist demnach die in der Revisionsschrift des Beklagten vom 7. März 1968 nach dem Sachantrag gemachte Bemerkung, "zur Begründung ... wird gerügt, daß das oben angefochtene Urteil § 30 Abs. 3 und 4 BVG verletzt", als eine den Formerfordernissen des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG entsprechende Revisionsbegründung anzusehen. Somit ist die Revision auch formgerecht begründet worden und daher zulässig. Sie ist auch begründet, denn das LSG hat im vorliegenden Fall zu Unrecht den vom Kläger nach seiner Schädigung (Erblindung) erlernten Beruf eines selbständigen Bürstenmachers für die Ermittlung des Durchschnittseinkommens bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs herangezogen.
Da der Kläger für die Zeit vom 1. Juni 1960 an einen Anspruch auf Berufsschadensausgleich geltend macht und es sich hierbei um eine laufende Leistung handelt, sind die seit dieser Zeit jeweils geltenden Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 27. Juni 1960 (BGBl. I 453 - 1. NOG) sowie des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 21. Februar 1964 (BGBl. I 85 - 2. NOG) und des Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 20. Januar 1967 (BGBl. I 141 - 3. NOG) anzuwenden. Nach § 30 Abs. 3 BVG idF des 1. NOG erhält ein Erwerbsunfähiger, der durch die Art der Schädigungsfolgen beruflich besonders betroffen ist und deshalb ein um mindestens 100,- DM geringeres Einkommen erzielt, als er ohne die Schädigungsfolgen in seinem derzeitigen oder früher ausgeübten, dem begonnenen oder nachweislich angestrebten Beruf erzielt hätte, einen Berufsschadensausgleich in bestimmter Höhe. Der § 30 Abs. 3 BVG idF des 2. NOG sieht vor, daß ein Schwerbeschädigter, der durch die Schädigungsfolgen beruflich insoweit besonders betroffen ist, als er einen Einkommensverlust von monatlich mindestens 70,- DM hat, nach Anwendung des Abs. 2 einen Berufsschadensausgleich in bestimmter Höhe erhält, während nach § 30 Abs. 3 BVG idF des 3. NOG Schwerbeschädigte, deren Erwerbseinkommen durch die Schädigungsfolgen gemindert ist (Einkommensverlust), nach Anwendung des Abs. 2 einen Berufsschadensausgleich in bestimmter Höhe erhalten. Einkommensverlust ist nach § 30 Abs. 4 BVG - dessen Fassung seit dem Inkrafttreten des 1. NOG unverändert geblieben ist - der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente und dem höheren Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte. Trotz der unterschiedlichen Wortfassung des § 30 Abs. 3 BVG im 1., 2. und 3. NOG ist Voraussetzung für die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs, daß der Beschädigte einen wirtschaftlichen Schaden erlitten hat, der durch die Schädigungsfolgen verursacht worden ist, und ferner, daß dieser Schaden im Zeitpunkt der Antragstellung noch und für die Dauer der Geltendmachung des Berufsschadensausgleichs weiterhin besteht. Das bedeutet, daß zwischen dem wirtschaftlichen Schaden und der Schädigung ein ursächlicher Zusammenhang bestehen muß (s. dazu BSG 29, 208, 210; Urteil des erkennenden Senats vom 23. Juli 1969 - 10 RV 711/67 - und vom 2. Juni 1970 - 10 RV 186/67 - sowie Urteil des 9. Senats des BSG vom 17. März 1970 - 9 RV 88/69), d. h., daß die Schädigungsfolge eine wesentliche Bedingung für den wirtschaftlichen Schaden - also den Einkommensverlust - ist. Der Kausalzusammenhang zwischen Schädigungsfolge und Einkommensverlust ist für den Anspruch auf Berufsschadensausgleich erforderlich, aber auch genügend (s. dazu Urteil des erkennenden Senats vom 23. Juli 1969 - 10 RV 711/67 - sowie des 9. Senats des BSG vom 17. März 1970 - 9 RV 88/69). Dies hat das LSG nicht verkannt; jedoch ist es bei der Ermittlung des wirtschaftlichen Schadens, den der Kläger durch die bei ihm anerkannten Schädigungsfolgen erlitten haben will, von falschen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen. Das LSG durfte nämlich für die Festsetzung des Durchschnittseinkommens i. S. des § 30 Abs. 4 BVG nicht von dem jetzigen Beruf des Klägers als Bürstenmacher ausgehen, sondern hätte prüfen müssen, welchen Beruf der Kläger ohne die Schädigungsfolgen ausüben würde und ob er infolge seiner anerkannten Schädigung im Zeitpunkt der Antragstellung einen Einkommensverlust i. S. des § 30 Abs. 4 BVG hat. Dies folgt aus Wortlaut, Sinn und Zweck der Vorschriften über den Berufsschadensausgleich. Das Wort "Berufsschadensausgleich" besagt schon, daß ein beruflicher (wirtschaftlicher) Schaden ausgeglichen, also ein Schadensersatz gewährt werden soll, wobei der Umfang dieses Ersatzes im Gesetz näher bestimmt wird. Insoweit ist der § 30 Abs. 3 und 4 BVG die nähere Ausgestaltung des in § 1 Abs. 1 BVG enthaltenen Grundsatzes, wonach ein Beschädigter wegen der gesundheitlichen "und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung" Versorgung erhält. Aber auch Sinn und Zweck der Vorschriften über den Berufsschadensausgleich zielen darauf ab, den Beschädigten neben der Rente, deren Höhe sich grundsätzlich nach dem Umfang der MdE richtet, eine zusätzliche Versorgungsleistung zu gewähren, deren Bemessungsgrundlage die durch die Schädigungsfolge verursachte wirtschaftliche Einbuße (Schaden-Einkommensverlust) ist. Wie bei einem Schadensersatzanspruch kann dieser wirtschaftliche Schaden allein aus der Gegenüberstellung desjenigen Zustandes, der ohne die Schädigung vorhanden wäre, mit demjenigen ermittelt werden, der durch die Schädigung vorhanden ist. Diesen Grundsatz bringt auch § 30 Abs. 4 BVG zum Ausdruck, wenn er vorsieht, daß bei der Ermittlung des Einkommensverlustes das derzeitige Einkommen des Beschädigten - zuzüglich der Ausgleichsrente - dem Durchschnittseinkommen der Berufsgruppe gegenüberzustellen ist, das der Beschädigte "ohne die Schädigung ... voraussichtlich erhalten würde". Entscheidend ist demnach, in welchem Umfang die Schädigungsfolge bei ihrem Eintritt die wirtschaftliche Existenz des Beschädigten getroffen hat. Grundsätzlich ist somit von demjenigen Beruf bei der Ermittlung des Durchschnittseinkommens auszugehen, den der Beschädigte vor dem Eintritt des schädigenden Ereignisses ausgeübt hat; denn in aller Regel kann nach der Lebenserfahrung angenommen werden, daß der Beschädigte ohne die Schädigung in diesem Beruf weiter tätig gewesen wäre. Allerdings läßt das Gesetz auch die Möglichkeit offen, einen anderen als den vor der Schädigung ausgeübten Beruf zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens für die Berechnung des beruflichen Schadens heranzuziehen, wenn festgestellt werden kann, daß der Beschädigte diesen - anderen - Beruf ohne die Schädigung ergriffen hätte (§ 30 Abs. 4 BVG iVm § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG in der jeweils gültigen Fassung - DVO -). Es kommt also darauf an, ob der Beschädigte denjenigen Beruf, den er ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich ausüben würde, ganz oder teilweise nicht mehr ausüben kann, und daß er dadurch einen wirtschaftlichen Schaden, nämlich einen Einkommensverlust, erleidet, wobei dieser Einkommensverlust im Zeitpunkt der Antragstellung noch bestehen muß (Urteil des erkennenden Senats vom 2. Juni 1970 - 10 RV 186/67). Hiervon ausgehend, besteht zwischen dem § 30 Abs. 3 BVG idF des 1. NOG, in welchem der "derzeitige Beruf", also derjenige Beruf, den der Beschädigte nach dem Eintritt der Schädigung ausübt, besonders erwähnt wird und dem § 30 Abs. 4 BVG, in dem der "derzeitige Beruf" nicht erwähnt wird, kein Widerspruch, wie das LSG und der Kläger meinen. Der nach Eintritt der Schädigung vom Beschädigten ausgeübte - "derzeitige" - Beruf muß nämlich dann zur Ermittlung des wirtschaftlichen Schadens und damit des Einkommensverlustes i. S. des § 30 Abs. 4 BVG herangezogen werden, wenn der Beschädigte diesen "derzeitigen Beruf" auch ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen voraussichtlich ausgeübt hätte. Dieses Ergebnis folgt aus dem oben dargelegten Grundsatz über Sinn und Zweck des Berufsschadensausgleichs. Damit scheiden bei der Betrachtung diejenigen Berufe aus, die ein Beschädigter ohne die Schädigung nicht ergriffen hätte; hierzu zählen aber gerade diejenigen Berufe, die ein Beschädigter unter normalen Umständen und Lebensverhältnissen nicht ergriffen hätte, denen er sich - wie im vorliegenden Fall - gerade wegen seiner Schädigung zugewandt hat. Kommt es - wie oben ausgeführt - bei der Beurteilung des wirtschaftlichen Schadens auf die Gegenüberstellung derjenigen wirtschaftlichen Verhältnisse an, wie sie ohne die Schädigung bestehen würden, mit denen, wie sie durch die Schädigung bestehen, so muß zwangsläufig der nach der Schädigung gerade wegen der Schädigung ergriffene Beruf für die Ermittlung des Durchschnittseinkommens i. S. des § 30 Abs. 4 BVG außer Betracht bleiben. Dieser Beruf ist nur insoweit relevant, als das aus ihm erzielte Einkommen bei der Ermittlung des Einkommensverlustes dem heranzuziehenden Vergleichseinkommen (Durchschnittseinkommen) gegenübergestellt werden muß. Der dieser Rechtsauffassung entgegenstehenden Meinung des LSG, wonach der wegen der Schädigung erlernte Beruf des Klägers als Bürstenmacher als "derzeitiger Beruf" bei der Ermittlung des Durchschnittseinkommens heranzuziehen ist, weil auch in § 30 Abs. 2 BVG der "derzeitige Beruf" bei der Höherbewertung der MdE berücksichtigt werden muß, kann nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, daß die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG nicht davon abhängig ist, daß die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BVG erfüllt sind, handelt es sich bei dem Berufsschadensausgleich um eine völlig selbständige, auf den Einkommensverlust bezogene Leistung, die nicht in ihren Voraussetzungen mit denjenigen des § 30 Abs. 2 BVG verknüpft ist (s. dazu BSG 29, 208, 210). Der § 30 Abs. 3 BVG enthält vielmehr eine Legaldefinition der hier behandelten Art der Abgeltung eines schädigungsbedingten Berufsschadens, bei dem - anders als bei § 30 Abs. 2 BVG - der konkrete wirtschaftliche Schaden besonders berücksichtigt werden kann. Wenn aber der "derzeitige Beruf" des Beschädigten nur dann bei der Ermittlung des Durchschnittseinkommens herangezogen werden kann, wenn der Beschädigte auch ohne die Schädigungsfolgen nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten diesen Beruf ausgeübt hätte, so kann im vorliegenden Fall der Beruf des Klägers, den er aufgrund seiner Umschulung nunmehr als Bürstenmacher ausübt, nicht zur Grundlage der Ermittlung des Durchschnittseinkommens herangezogen werden. Der Kläger behauptet selbst nicht, und das LSG hat insoweit auch keine Feststellungen treffen können, daß er ohne die Schädigung - seiner Kriegserblindung - Bürstenmacher geworden wäre; er hat diesen Beruf vielmehr erst aufgrund von Umschulungsmaßnahmen wegen seiner Schädigung ergriffen. Die Auffassung des LSG und des Klägers, daß die Nichtberücksichtigung seines derzeitigen Berufs gegen Art. 12 GG verstoße, geht fehl. Der Art. 12 GG, der die Freiheit der Berufswahl garantiert, wird nicht dadurch verletzt, daß der derzeitige Beruf des Klägers als Bürstenmacher nicht zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens herangezogen werden kann. Die Berufswahl wird in § 30 Abs. 3 und 4 BVG überhaupt nicht angesprochen; diese Bestimmungen regeln allein Grundlage und Umfang des Berufsschadensausgleichs nach den im Einzelfall gegebenen tatsächlichen Verhältnissen. Wenn der Kläger tatsächlich nicht in der Lage ist, den Beruf seiner Wahl zu ergreifen, so wird er daran nicht durch die Vorschriften über den Berufsschadensausgleich, sondern wegen der Schwere seiner anerkannten Schädigungsfolgen, also aufgrund der nunmehrigen tatsächlichen Verhältnisse gehindert. Gleichermaßen ist nicht ersichtlich, inwieweit Art. 3 GG verletzt sein soll. Eine ungleiche Behandlung gleicher Tatbestände besteht nicht, und zwar auch nicht deshalb, weil bei dem Kläger, der schon wegen der medizinischen Folgen seiner Kriegserblindung erwerbsunfähig ist, die MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins i. S. des § 30 Abs. 2 BVG in dem "derzeitigen Beruf" nicht erhöht werden kann. Dieser Umstand beruht nämlich nicht auf den Vorschriften des BVG (§ 30 Abs. 2 BVG), sondern auf der Schwere seiner Kriegsbeschädigung, also auf tatsächlichen Gegebenheiten. Im übrigen übersieht der Kläger, daß das Gesetz insofern dieser tatsächlichen Lage Rechnung trägt, als der Berufsschadensausgleich bei denjenigen Beschädigten gemindert wird, bei denen die Rente nach § 30 Abs. 2 BVG - wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins auch im derzeitigen Beruf - erhöht worden ist (§ 30 Abs. 4 letzter Satz BVG idF des 1. NOG und § 30 Abs. 5 BVG idF des 2. und 3. NOG). Diesen Beschädigten wird der durch die Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG erzielte Mehrbetrag der Grundrente auf den Berufsschadensausgleich angerechnet, so daß - bei gleichem wirtschaftlichen Schaden der Beschädigten mit und ohne Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG - eine Schlechterstellung derjenigen Beschädigten, deren MdE gemäß § 30 Abs. 2 BVG nicht erhöht werden konnte, gegenüber denjenigen, deren MdE nach § 30 Abs. 2 BVG erhöht worden ist, nicht vorliegt.
Da somit der jetzige Beruf des Klägers als Bürstenmacher zur Ermittlung seines Durchschnittseinkommens gemäß § 30 Abs. 4 BVG nicht herangezogen werden kann, hat das LSG § 30 Abs. 3 und 4 BVG verletzt, so daß die Revision begründet ist. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben.
Das LSG hat aufgrund seiner anderweitigen Rechtsauffassung nicht geprüft, welcher Beruf des Klägers für die Ermittlung des Durchschnittseinkommens maßgebend ist. Der Kläger war vor seiner Schädigungsfolge als Heizer tätig; er hat ferner behauptet, er wäre ohne die Schädigung als Landwirt, also in einem selbständigen Beruf, tätig geworden. Die Feststellung darüber, welchen Beruf der Kläger ohne die Schädigung ausüben würde, ist für eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich. Da das Revisionsgericht gehindert ist, tatsächliche Feststellungen zu treffen, konnte die Sache noch nicht abschließend entschieden werden, vielmehr mußte sie an das LSG zurückverwiesen werden, damit dieses die insoweit erforderlichen Feststellungen trifft (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Fundstellen