Leitsatz (amtlich)
1. Wenn eine OHG ein landwirtschaftliches Unternehmen betreibt, das seiner Größe nach eine Existenzgrundlage iS von GAL § 1 Abs 3 bildet, so kann nur die Gesellschaft als solche, nicht aber der einzelne Gesellschafter "Unternehmer" sein (Fortsetzung der Rechtsprechung des 7. Senats in BSG 1964-11-24 7 RLw 24/63 = BSGE 22, 87).
2. Beitragspflichtig nach GAL § 14 Abs 1 ist nur, wer zum anspruchsberechtigten Personenkreis iS dieses Gesetzes gehört, dh nur eine natürliche Person.
Normenkette
GAL § 14 Abs. 1 Fassung: 1965-09-14, § 1 Abs. 3 Fassung: 1965-09-14
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. November 1966 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger ist Gesellschafter einer OHG, der als weitere Gesellschafter seine beigeladenen Brüder bzw. deren Rechtsnachfolger angehören. Diese Handelsgesellschaft betreibt verschiedene industrielle Unternehmen; daneben ist sie auch Eigentümerin und Pächterin von rd. 8 ha Grundstücken, die teils landwirtschaftlich (rd. 5 ha), teils für den Weinbau (rd. 3 ha) genutzt werden. Dieser landwirtschaftliche Grundbesitz bildet eine Existenzgrundlage im Sinne von § 1 Abs. 3 und 4 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL).
Die Beklagte verlangte vom Kläger mit Bescheid vom 15. März 1958 Beiträge nach dem GAL vom 1. Oktober 1957 an; zunächst begründete sie die Beitragspflicht damit, daß er der für den landwirtschaftlichen und Weinbaubetrieb zuständige Gesellschafter sei. Der Widerspruch des Klägers wurde zurückgewiesen, weil er jedenfalls als derjenige anzusehen sei, der diesen Betrieb überwiegend leite (Bescheid vom 10. Oktober 1961). Ab 1. Januar 1962 verlangte die Beklagte auch von jedem der Beigeladenen als weiteren Gesellschaftern der OHG Beiträge (Bescheide vom 15. Juli 1963).
Das Sozialgericht (SG) hob die den Kläger betreffenden angefochtenen Bescheide auf. Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurück (Urteil vom 22. November 1966). Nach der Ansicht des LSG ist der Kläger nicht Unternehmer im Sinne des GAL; er sei daher trotz seiner nahen Verwandtschaft mit den Beigeladenen auch nicht nach § 8 Abs. 6 GAL aF beitragspflichtig. Aber auch die OHG, als deren Gesellschafter er möglicherweise zur Beitragsleistung herangezogen werden könne, sei nicht beitragspflichtig. Sie sei zwar keine juristische Person, aber in ihrer rechtlichen Eigenart als Handelsgesellschaft einer juristischen Person privaten Rechts weitgehend angeglichen und schon nach dem Zweck des Handelsgeschäfts kein landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des GAL. Im übrigen fehle es bei ihr an der Unternehmereigenschaft im Sinne des GAL auch schon deshalb, weil sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Zweck dieses Gesetzes juristische Personen, Personengesellschaften oder Personengemeinschaften als solche gar nicht anspruchsberechtigt werden könnten; sei somit die OHG selbst kein landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des GAL, entfalle auch ihre Beitragspflicht und deshalb gleichfalls eine Haftung des Klägers aus § 128 des Handelsgesetzbuches (HGB).
Die Beklagte legte frist- und formgerecht die vom LSG zugelassene Revision ein mit dem Antrag,
die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie rügt die unrichtige Anwendung der §§ 1 und 14 GAL 1965. Entgegen dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. November 1964 (BSG 22, 87), auf das sich das LSG berufe, sei auch der einzelne Gesellschafter einer OHG ggf. als landwirtschaftlicher Unternehmer anzusehen und somit beitragspflichtig, zumal er beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen später Anspruch auf Altersgeld habe. Es sei kein überzeugender Grund ersichtlich, § 1 Abs. 2 GAL und den gleichlautenden § 658 Abs. 2 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) idF des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) verschieden auszulegen. Die OHG stelle einen Unterfall der BGB-Gesellschaft dar; sie sie von der Person ihrer Gesellschafter nicht zu trennen. Deshalb sei der Kläger als Unternehmer im Sinne von § 1 GAL anzusehen.
Der Kläger beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für richtig.
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Dem angefochtenen Urteil ist im Ergebnis und in der Begründung beizutreten.
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Bescheide der Beklagten vom 15. Juli 1963, durch die auch die Beigeladenen zur Beitragsleistung herangezogen werden, nicht Gegenstand dieses Verfahrens geworden sind; denn durch diese Bescheide wird die hier streitige Beitragspflicht des Klägers ab 1. Oktober 1957 nicht unmittelbar berührt.
Die Beitragspflicht des Klägers könnte - wie das LSG mit Recht ausgeführt hat - aus verschiedenen Gründen gegeben sein, nämlich einmal, falls er selbst als landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des GAL anzusehen wäre, oder aber als Gesamtschuldner auf Grund seiner Eigenschaft als Gesellschafter der OHG, die möglicherweise als solche beitragspflichtig wäre (§ 128 HGB). Beide Möglichkeiten für eine Verpflichtung des Klägers zur Beitragsleistung scheiden jedoch aus.
Nach § 14 Abs. 1 GAL 1965 (= § 9 Abs. 1 GAL 1961/63) ist "jeder landwirtschaftliche Unternehmer (§ 1)" beitragspflichtig, nach § 8 Abs. 1 GAL 1957 war es "jeder hauptberufliche landwirtschaftliche Unternehmer (§ 1)". Durch den Klammerzusatz "(§ 1)" wird jeweils auf § 1 Absätze 2 bis 4 des Gesetzes verwiesen, in denen der Begriff "Unternehmer" erläutert ist. Hiernach ist Unternehmer derjenige, für dessen Rechnung das Unternehmen bzw. Betrieb, Einrichtung oder Tätigkeit gehen. Landwirtschaftliche Unternehmer im Sinne des GAL sind solche, die eine Land- oder Forstwirtschaft (einschließlich Weinbau) betreiben, wenn das Unternehmen unabhängig vom jeweiligen Unternehmer eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende Existenzgrundlage bildet, was hier unstreitig zutrifft.
Der Kläger ist - wie das LSG zutreffend angenommen hat - kein landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des GAL. Das LSG hat sich dabei auf das Urteil des BSG vom 24. November 1964 (BSG 22, 87) gestützt, dessen insoweit maßgeblicher Begründung der erkennende Senat nach eigener Prüfung der Rechtslage beitritt. Hiernach richtet sich, sofern mehrere Personen an einem landwirtschaftlichen Unternehmen beteiligt sind, die Unternehmereigenschaft nach dem für diese Personenverbindung sonst maßgeblichen Rechtsgebiet unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnes und Zweckes des GAL. Der 7. Senat des BSG hat demzufolge dargelegt (aaO S. 88), daß bei einer OHG oder KG nur die Gesellschaft als solche, nicht aber der einzelne Gesellschafter der "Unternehmer" sein kann, weil die Gesellschaft das Wagnis (Risiko) des Gesamtunternehmens trägt. Zwar treffen Gewinn und Verlust im Endergebnis auch den einzelnen Gesellschafter jeweils nach seinem Beteiligungsverhältnis; eine solche nur mittelbare Beteiligung am Unternehmerrisiko reicht aber nicht aus, um als Unternehmer angesehen werden zu können (vgl. BSG 12, 91, 95 und 22, 90). Da der Kläger demnach als Gesellschafter einer OHG schon nicht Unternehmer ist, scheidet auch die Möglichkeit aus, § 8 GAL 1957 auf ihn anzuwenden, weil dessen Absatz 6 die Unternehmereigenschaft im Sinne von Abs. 1 voraussetzt. Wenn die Revision demgegenüber meint, jeder einzelne Gesellschafter einer OHG könne unter Umständen später Altersgeld beanspruchen, so trifft das nicht zu; das ist schon deshalb nicht möglich, weil ein Nichtunternehmer nach dem GAL keinen Altersgeldanspruch erwerben kann.
Der Kläger selbst kann deshalb nicht beitragspflichtig sein. Er kann aber auch nicht als Gesamtschuldner (§ 128 HGB) zur Beitragsleistung herangezogen werden, weil auch die OHG als solche nicht beitragspflichtig ist. Das LSG hat diese Frage zu Recht geprüft und ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß die OHG nicht landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne von § 1 GAL sein kann. Das LSG hat dies sowohl daraus hergeleitet, daß im vorliegenden Falle die OHG ein ausgesprochen industrielles Unternehmen betreibt, neben dem der landwirtschaftliche Besitz keine selbständige Betriebs- oder Unternehmensfunktion habe, als auch daraus, daß eine Personengesellschaft wie die OHG schon deshalb nicht landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des GAL sein könne, weil sie nicht nach diesem Gesetz anspruchsberechtigt werden kann. Der Senat kann offenlassen, ob der Begründung des LSG im ersten Teil zu folgen ist; im zweiten Teil ist dem LSG jedenfalls beizupflichten. Dem steht das Urteil des 7. Senats vom 24. November 1964 (BSG 22, aaO S. 91) nicht entgegen, obwohl dort die Gesellschaft als landwirtschaftlicher Unternehmer bezeichnet worden ist. Dieser Ansicht - die im übrigen nicht zu den tragenden Gründen jenes Urteils gehört - kann nämlich nicht gefolgt werden. Der 7. Senat, der damals für Streitigkeiten im Recht der landwirtschaftlichen Altershilfe zuständig war, hat diese Äußerung seinerzeit nur beiläufig getan; er hat die Beitragspflicht der KG in seinem Urteil dahinstehen lassen.
Ihm war es nur darauf angekommen klarzustellen, daß nicht der Gesellschafter, sondern die Gesellschaft der Unternehmer ist. Das ist richtig, bedeutet aber andererseits noch nicht, daß sie damit zugleich landwirtschaftlicher Unternehmer i. S. des GAL wäre. Nicht alle ein landwirtschaftliches Unternehmen (mit Existenzgrundlage) betreibenden Unternehmer sind landwirtschaftliche Unternehmer im Sinne des GAL. Nach dem Sinn und Zweck, nicht zuletzt aber auch nach dem Aufbau des Gesetzes und mangels entgegenstehender Vorschriften sind vielmehr - wie das LSG zutreffend dargelegt hat - landwirtschaftliche Unternehmer im Sinne des GAL und damit beitragspflichtig nur solche, die nach diesem Gesetz auch anspruchsberechtigt werden können, also die "potentiell anspruchsberechtigten landwirtschaftlichen Unternehmer", wie sie das LSG zutreffend bezeichnet hat. Das ergibt sich daraus, daß im dritten Abschnitt des Gesetzes (Aufbringung der Mittel) in § 14 GAL 1965 - Kreis der Beitragspflichtigen - (bzw. § 8 GAL 1957 und § 9 GAL 1961/63) für den Begriff beitragspflichtiger landwirtschaftlicher Unternehmer durch den Klammerzusatz "(§ 1)" auf § 1 des Gesetzes und damit auf eine Bestimmung im ersten Abschnitt verwiesen wird, der den "anspruchsberechtigten Personenkreis" umfaßt. Mit der Abgrenzung dieses Kreises beginnt das GAL den Gesetzestext. Das GAL bestimmt in § 1 Abs. 1, daß die (ehemaligen) landwirtschaftlichen Unternehmer nach dem GAL Altersgeld erhalten, und gibt in den folgenden Absätzen die näheren Erläuterungen zum Kreis der Anspruchsberechtigten. An diesen knüpft das Gesetz in späteren Vorschriften die Beitragspflicht an. Die Beitragspflicht setzt also die Zugehörigkeit zum anspruchsberechtigten Personenkreis voraus. Eine Anspruchsberechtigung kann aber, wie die in § 2 des Gesetzes zusammengefaßten Leistungsvoraussetzungen erkennen lassen und wie auch die Beklagte selbst einräumt, nur für natürliche Personen bestehen. Das besagt auch der Erlaß des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 17. Dezember 1957 - GS - 65/01 - 1565/57 (vgl. Rink's Gesetzestexte zur Sozialversicherung und Kriegsopferversorgung 1957, August bis Dezember), der klarstellt, daß nur natürliche Personen landwirtschaftliche Unternehmer im Sinne des GAL sind. Die OHG kann hiernach kein landwirtschaftlicher Unternehmer im Sinne des GAL sein; dann aber ist sie auch nicht beitragspflichtig; denn das GAL enthält keine Ausnahmevorschrift, nach der die OHG oder eine entsprechende Personengesellschaft zur Beitragsleistung verpflichtet wäre, obwohl sie nicht anspruchsberechtigt werden kann. Die Meinung von Schewe-Zöllner (vgl. "Alterssicherung der Landwirte" 1958, Seiten E 10 u. K 29), daß die Beiträge zu den landwirtschaftlichen Alterskassen als "berufsständische Umlage" anzusehen seien und deshalb der Kreis der Beitragspflichtigen dem der Anspruchsberechtigten nicht zu entsprechen brauche, hält der Senat nicht für richtig, zumal der Aufbau des Gesetzes sowie sein Sinn und Zweck dagegen sprechen (vgl. Klink in ZfS 1968, S. 33). Damit entfällt auch die Möglichkeit, den Kläger aus § 128 HGB zur Beitragsleistung heranzuziehen.
Das LSG hat in dem angefochtenen Urteil die Revision u. a. deshalb zugelassen, weil es geglaubt hat, seine Entscheidung weiche von der Rechtsauffassung des BSG in dem Urteil vom 15. September 1966 - 7 RLw 12/65 - ab. Diese Ansicht ist irrig; das LSG verkennt, daß die hier interessierende Frage (Beitragspflicht einer OHG) für das Urteil des BSG nicht entscheidend gewesen ist, weil darin schon die Frage, ob das landwirtschaftliche Unter nehmen eine Existenzgrundlage bildet, verneint worden ist; im übrigen geht aus jenem Urteil auch nicht hervor, ob dort das landwirtschaftliche Unternehmen von einer OHG betrieben worden war.
Die Revision der Beklagten ist somit unbegründet und muß deshalb zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen