Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung der Kassenzulassung. Gefährdung des Vertrauensverhältnisses durch öffentliche Kritik. Verhältnis zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und Kassenarzt. Grundrechtsbeschränkung in Sonderstatusverhältnissen
Orientierungssatz
1. Die Versagung der (Wieder-) Zulassung als Kassenarzt ist nur zulässig, wenn die in der Person des Arztes liegenden Mängel so beschaffen sind, daß sie die Funktionsfähigkeit des Systems der kassenärztlichen Versorgung gefährden können. Dies ist auch der Fall, wenn der Arzt durch sein Verhalten das zur reibungslosen Durchführung der kassenärztlichen Versorgung als Verwaltungsaufgabe notwendige Vertrauensverhältnis gegenüber den Organen der kassenärztlichen Selbstverwaltung so grob gestört hat, daß diesen eine weitere Zusammenarbeit mit ihm nicht zugemutet werden kann.
2. Äußerungen des Kassenarztes in der Öffentlichkeit sind dann geeignet, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu gefährden, wenn sie unsachlich sind und besonders grobe Herabsetzungen (des Ansehens der Kassenärztlichen Vereinigung als Institution) enthalten.
3. Als Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung unterliegt der Kassenarzt deren Hoheitsbefugnissen. Damit steht er vergleichbar einem Beamten - zur Kassenärztlichen Vereinigung in einem "Sonderverhältnis" oder auch "besonderem Gewaltverhältnis".
4. Die Frage der Grundrechtsbegrenzung (hier: freie Meinungsäußerung) in Sonderstatusverhältnissen ist grundsätzlich genauso zu lösen, wie im allgemeinen staatsbürgerlichen Status. Die sachliche Eigenart des jeweiligen Sonderstatusverhältnisses ist jedoch maßgeblich für die Verhältnismäßigkeit der Grundrechtsbeschränkung im Einzelfall.
Normenkette
ZO-Ärzte § 21 Fassung: 1977-07-20; GG Art 12 Abs 1 Fassung: 1968-06-24; GG Art 5 Abs 2 Fassung: 1949-05-23; RVO § 368a; RVO § 368a Abs 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als Kassenarzt - wieder - zuzulassen ist.
Der 1921 geborene Kläger, 1950 als Facharzt für Chirurgie und 1954 als Facharzt für Orthopädie anerkannt, wurde am 24. April 1974 in L als Kassenarzt zugelassen.
Auf Antrag der Beigeladenen zu 1) - K V - S - H - leitete der Zulassungsausschuß für Ärzte in S - H gegen den Kläger ein Verfahren zur Entziehung der Zulassung als Kassenarzt ein. Die Beigeladene zu 1) hatte ihren Antrag damit begründet, dem Kläger fehle die Eignung als Kassenarzt, weil er - wie sich aus mehrfachen öffentlichen Erklärungen ergebe, nicht bereit sei, sich in das geltende Kassenarztsystem einzufügen. Nachdem der Kläger am 9. Februar 1977 in der mündlichen Verhandlung vor dem Zulassungsausschuß erklärt hatte, seiner Überzeugung nach habe er sich nicht außerhalb des Kassenarztrechts gestellt und wolle dies auch in Zukunft nicht tun, wurde das Verfahren durch Beschluß vom selben Tage eingestellt.
Mit Schreiben vom 13. Juni 1977 teilte der Kläger dem Zulassungsausschuß für Ärzte in S - H sodann ua folgendes mit: Ihm sei zur Gewißheit geworden, daß das "Krankheits-Zwangs-Versicherungs-Verarztungs-System (KZVVS)" in der praktizierten Form unmenschlich sei, die Patienten zu Sklaven und Opfern der KZVVS-Funktionäre mache und die Vertragsärzte zu seelenloser Fließbandarbeit, Massenverarztung, Fehlern, Pfusch, Verschwendung und Veruntreuung von Patientengeldern bis hin zum Betrug nötige. Er sei nicht länger zur Mitarbeit in diesem inhumanen System bereit und werde - im Interesse seiner Patienten - seinen Kassenarztvertrag nur noch bis zum 30. Juni 1977 erfüllen. Der Zulassungsausschuß für Ärzte in S - H bestätigte mit Schreiben vom 14. Juni 1977 den Verzicht und bat den Kläger noch um Abgabe einer entsprechenden Verzichtserklärung für die Ersatzkassenpraxis. Daraufhin unterzeichnete der Kläger eine vorformulierte Erklärung, wonach er ab 1. Juli 1977 auch auf seine Beteiligung an der Ersatzkassenpraxis als Facharzt für Chirurgie in L verzichte. Durch Beschluß vom 20. Juli 1977 stellte der Zulassungsausschuß für Ärzte in S - H sodann fest, daß aufgrund des Verzichts des Klägers seine Zulassung mit dem 30. Juni 1977 beendet sei. Mit Schreiben vom 29. Juli 1977 beantragte der Kläger seine Wiederzulassung. Dies lehnte der Zulassungsausschuß mit der Begründung ab, dem Kläger fehle die nach § 21 der Zulassungsordnung für Kassenärzte (ZOÄ) erforderliche Eignung als Kassenarzt. Denn er sei nach seinen eigenen Erklärungen nicht bereit, sich in das geltende Kassenarztsystem einzufügen. In einem "Rundbrief an meine Patienten" vom 13. Juni 1977 habe er erklärt, er könne und wolle in diesem unmenschlichen "KZVVS" nicht länger mitarbeiten und in einem diesem Rundbrief beigefügten Begleitschreiben an die Kassenärzte in seinem Niederlassungsbereich habe er zum Ausdruck gebracht, daß er um die Abschaffung dieses Systems kämpfe. Widerspruch und Klage dagegen sind erfolglos geblieben.
Auf die Berufung des Klägers hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) die Beschlüsse des Zulassungs- und Berufungsausschusses für Ärzte in S - H sowie das Urteil des Sozialgerichts (SG) aufgehoben und den Beklagten verurteilt, den Kläger als Facharzt für Chirurgie in L zur Kassenpraxis zuzulassen. Den erstmals im Berufungsverfahren gestellten Antrag, festzustellen, daß der Beschluß des Zulassungsausschusses nichtig und der Kläger als Facharzt für Chirurgie in L zur Kassenpraxis zugelassen sei, hat es abgewiesen. Zur Begründung ist dazu ua ausgeführt: Die Zulassung des Klägers habe aufgrund des von ihm erklärten Verzichts mit Ablauf des 30. Juni 1977 geendet, so daß die insoweit erhobene Feststellungsklage abzuweisen sei. Die Zulässigkeit eines solchen Verzichts ergebe sich aus § 368a Abs 7 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sowohl in der bis zum 30. Juni 1977 als auch der ab 1. Juli 1977 geltenden Fassung. Daß das Schreiben des Klägers vom 13. Juni 1977 als Verzicht aufzufassen sei, folge aus dessen Wortlaut sowie unzweifelhaft daraus, daß der Kläger auf Anforderung des Zulassungsausschusses ausdrücklich auch den Verzicht auf die Zulassung zur Ersatzkassenpraxis erklärt habe. Der Kläger sei jedoch als Kassenarzt wieder zuzulassen. § 21 ZOÄ stehe dem nicht entgegen. Der Kläger sei als Kassenarzt nicht ungeeignet. Soweit er sich zum bestehenden Kassenarztsystem und bestimmten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (zB im Rahmen der Krebsvorsorge und -Therapie) in Publikationen, Zeitungsartikeln und Fernsehinterviews geäußert habe, mache er von seinem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch. Sollte er damit gegen Standespflichten verstoßen haben, bestünde die Möglichkeit der berufsgerichtlichen Ahndung. Wenn der Beklagte und die Beigeladene zu 1) sich auf das Entfallen des Vertrauensverhältnisses zum Kläger infolge seines "Kampfes" gegen das geltende Kassenarztrecht beriefen, rechtfertige dies die Verweigerung der Wiederzulassung nicht. Denn das erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen kassenärztlicher Vereinigung, Krankenkasse und Kassenarzt beziehe sich auf die Abrechnung, die Einhaltung geltenden Rechts und die Versorgung der Patienten. Insoweit sei dem Kläger jedoch nichts vorzuwerfen. Zwar solle er nach Auffassung des Beklagten in vier Fällen wegen Überschreitung von gezielten Überweisungsaufträgen insgesamt 142,-- DM zuviel an Honorar gefordert haben. In den darauf folgenden Rechtsstreiten habe der Kläger aber - jedenfalls vor dem LSG - obsiegt. Bedenklich sei allerdings, daß der Kläger als Nichtkassenarzt mehreren Kassenärzten empfohlen habe, auf Verordnungsblättern, die er noch als Kassenarzt erhalten hätte, Versorgungsgut für von ihm beabsichtigte Operationen zu verschreiben. Da sich daraus aber jeweils deutlich ergeben habe, daß die Operationen vom Kläger durchgeführt werden sollten, sei ihm keine Täuschungsabsicht vorzuwerfen, so daß auch dieser Sachverhalt nicht hinreiche, die Zulassung als Kassenarzt zu versagen. Das gleiche gelte für die Anerkennung einer Schadensersatzforderung durch den Kläger in Höhe von 2.000,-- DM in einem Rechtsstreit vor dem SG Kiel. Dieser Sachverhalt habe vor der Entscheidung des Zulassungsausschusses vom 9. Februar 1977 gelegen und sei schon damals nicht als ausreichender Grund für eine Zulassungsentziehung angesehen worden.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Beklagte die unrichtige Anwendung von § 21 ZOÄ durch das LSG sowie eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht. Die Ungeeignetheit des Klägers als Kassenarzt könne auch darin liegen, daß er durch sein Verhalten das zur reibungslosen Durchführung der kassenärztlichen Versorgung notwendige Vertrauensverhältnis gegenüber den Organen der kassenärztlichen Selbstverwaltung so grob gestört habe, daß diesen eine weitere Zusammenarbeit mit ihm nicht zuzumuten sei. Das Urteil des LSG lasse jedoch eine Gesamtwürdigung seines Fehlverhaltens vermissen. Aus den Vorgängen des Beklagten sowie den Vorgängen über das Entziehungsverfahren, die dem LSG vorgelegen hätten, ergebe sich, daß gegen den Kläger schon 1976 ein Berufsgerichtsverfahren wegen nachteiliger Äußerungen über seinen Nachfolger als Chefarzt am Städtischen Krankenhaus L, wegen Verstoßes gegen das Werbeverbot sowie wegen Verwendung unzulässiger Zusätze in Briefköpfen wie zB "mit Kunstfehler-Gutachtenstelle" eingeleitet worden sei und mit einem Verweis wegen Verletzung der Berufspflichten geendet habe. Die Akten des Berufsgerichts S seien vom LSG nicht beigezogen und gewürdigt worden. Weiter sei das LSG einem aus den Beiakten ersichtlichen Hinweis des Vorsitzenden der Beigeladenen zu 1) auf einen erneuten Wettbewerbsverstoß des Klägers sowie einen Verstoß gegen die Generalpflichtenklausel des § 1 Abs 3 der Berufsordnung für Ärzte nicht nachgegangen. Insoweit hätte zumindest eine Auskunft der Ärztekammer S - H eingeholt werden müssen. Schließlich habe das LSG ein Rundschreiben vom 15. Dezember 1977 des Klägers an Patienten und Ärzte, in dem er Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen patientenfeindliche Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen vorgeworfen und dazu aufgerufen habe, dagegen gegebenenfalls durch Klage bei den zuständigen SG vorzugehen, nicht beigezogen, obwohl es - wie sich aus dem Beschluß des Beklagten ergebe - diesem bei seiner Entscheidung vorgelegen habe.
Aus den Beiakten ergebe sich ferner, daß der Kläger mit Schreiben vom 25. Juni 1976 durch Anwendung eines "Erschwernis-Multiplikators" eine höhere Honorierung bestimmter Leistungen beansprucht habe als in der Gebührenordnung vorgesehen und auch Belehrungen nicht zur Einhaltung der gebührenordnungsmäßigen Grundsätze geführt hätten. Ein Arzt, der sich so verhalte wie der Kläger, biete keine Gewähr dafür, daß er die Vorschriften des Kassenarztrechts in Zukunft einhalten werde.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgerichts vom 18. April 1980
aufzuheben und die Berufung des Klägers
gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom
12. Oktober 1978 zurückzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an das Landessozialgericht
zurückzuverweisen.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) schließen sich dem Hauptantrag des Beklagten an.
Die Beigeladene zu 1) macht geltend, aus den vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen ergebe sich ein evidenter Eignungsmangel des Klägers zur Ausübung kassenärztlicher Tätigkeit. Das LSG habe den Eignungsbegriff in § 21 ZOÄ im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) fehlinterpretiert.
Der Beigeladene zu 2) rügt ebenfalls eine fehlerhafte Anwendung von § 21 ZOÄ durch das LSG. Die Kritik des Klägers an der kassenärztlichen Versorgung könne dann nicht mehr als zulässiger Gebrauch des Rechts auf freie Meinungsäußerung angesehen werden, wenn sie geeignet sei, die Versicherten zu verunsichern.
Der Kläger beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladenen zu 3) bis 5) haben keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1) und 2) sind zulässig und insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen ist.
Aufgrund der Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob der Zulassungsausschuß für Ärzte in S - H die Wiederzulassung des Klägers als Kassenarzt zu Recht abgelehnt hat.
Zutreffend ist das LSG zwar zunächst davon ausgegangen, daß dem Kläger ein Rechtsanspruch auf Wiederzulassung zusteht, sofern die in der ZOÄ vom 28. Mai 1957 idF der 1. Änderungsverordnung vom 20. Juli 1977, gültig ab 27. Juli 1977 (BGBl I 1332), normierten Voraussetzungen gegeben sind (vgl Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung Stand: April 1980 § 368a RVO Anm 3). Darüber, daß der Kläger aufgrund seines Verzichts vom 13. Juni 1977 seine Zulassung verloren hat, besteht unter den Beteiligten mit Recht kein Streit mehr. Zutreffend hat das LSG weiter ausgeführt, daß einer Wiederzulassung des Klägers hier nur § 21 ZOÄ entgegenstehen kann. Danach ist ungeeignet für die Ausübung der Kassenpraxis ein Arzt mit geistigen oder sonstigen in der Person liegenden schwerwiegenden Mängeln, insbesondere ein Arzt, der innerhalb der letzten fünf Jahre vor seiner Antragstellung rauschgiftsüchtig oder trunksüchtig war. Der Wortlaut der Vorschrift ("sonstige") erfaßt grundsätzlich alle nur denkbaren Mängel (vgl Heinemann/Liebold Kassenarztrecht 4. Aufl Stand: Oktober 1980 § 21 ZOÄ Anm 2). Dem Sinn und Zweck der Vorschrift nach müssen die Mängel jedoch so geartet sein, daß dadurch eine reibungslose kassenärztliche Versorgung der Versicherten gefährdet werden kann. Nur bei einer solchen Auslegung ist § 21 ZOÄ mit Art 12 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) zu vereinbaren. Denn bei der Versagung der Zulassung handelt es sich um eine Einschränkung der Berufsfreiheit, die in ihrer Wirkung, nämlich durch Ausschluß von weiterer Berufstätigkeit, einer Beschränkung der Berufswahl iS von Art 12 Abs 1 GG gleichgeachtet werden muß (vgl BSGE 15, 177, 182; 28, 80, 82; 34, 252, 254). Solche Eingriffe sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft (vgl BVerfGE 7, 377 ff, vgl Leitsatz 6 b; BVerfG NJW 1961, 2011; BVerfGE 44, 105, 117 f; BVerfGE 48, 292, 296 f). Die Versagung der Zulassung als Kassenarzt ist deshalb nur zulässig, wenn die in der Person des Arztes liegenden Mängel so beschaffen sind, daß sie die Funktionsfähigkeit des Systems der kassenärztlichen Versorgung gefährden können (vgl dazu Urteil des Senats vom 8. Juli 1980 - 6 RKa 10/78 -; bestätigt durch Beschluß des BVerfG vom 5. September 1980 - 1 BvR 727/80 -). Dies ist einerseits der Fall, wenn der Arzt nicht willens oder in der Lage ist, die Versicherten sachgemäß zu behandeln, andererseits auch dann, wenn er durch sein Verhalten das zur reibungslosen Durchführung der kassenärztlichen Versorgung als Verwaltungsaufgabe notwendige Vertrauensverhältnis gegenüber den Organen der kassenärztlichen Selbstverwaltung so grob gestört hat, daß diesen eine weitere Zusammenarbeit mit ihm nicht zugemutet werden kann (vgl BSGE 15, 177, 183; 34, 252, 254; Urteil vom 8. Juli 1980 aaO). Diese Grundsätze hat der Senat in ständiger Rechtsprechung zum Entzug der Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzung nach § 368a Abs 3 RVO entwickelt. Dabei ist er davon ausgegangen, daß ein solches Verhalten des Kassenarztes die fehlende Eignung zur Fortführung der kassenärztlichen Tätigkeit ergebe, was Voraussetzung für die Entziehung sei (vgl BSGE 15, 177, 182, 183; SozR Nr 23 zu § 368a RVO; BSGE 43, 250, 252; Urteil vom 8. Juli 1980 aaO). In gleicher Weise müssen diese Grundsätze deshalb bei der Wiederzulassung gelten. Denn diese verlangt die Eignung als Kassenarzt (§ 21 ZOÄ). Hat ein Arzt sich in der Vergangenheit als ungeeignet für die kassenärztliche Tätigkeit erwiesen, so läßt dies in der Regel auch auf seine fehlende Eignung in der Zukunft schließen.
Sofern das LSG die vom Kläger in der Öffentlichkeit geäußerte Kritik am bestehenden Kassenarztsystem für unerheblich gehalten hat, weil der Kläger dabei von seinem Grundrecht der freien Meinungsäußerung nach Art 5 GG Gebrauch mache, trifft dies so nicht zu. Nach Art 5 Abs 2 findet dieses Grundrecht seine Schranken ua in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Darunter sind alle Gesetze zu verstehen, die nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, die vielmehr dem Schutze eines schlechthin ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsgut dienen, und zwar dem Schutze eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit Vorrang hat (vgl BVerfG 7, 198, 209 f; 26, 186, 205; 28, 175, 185 f; 33, 52, 66; 50, 234, 240 f). Als derart allgemeines Gesetz ist § 21 ZOÄ zu werten. Die Vorschrift richtet sich nämlich nicht gegen die freie Meinungsäußerung von Kassenärzten. Sie dient vielmehr der Funktionsfähigkeit des kassenärztlichen Systems und damit einer reibungslosen ärztlichen Versorgung der Versicherten. Daß es sich dabei um ein Gemeinschaftsgut handelt, dessen Schutz einen Eingriff in die Freiheit der Berufswahl rechtfertigt, ist oben bereits ausgeführt worden. Der damit bezweckte Schutz der Gesundheit eines großen Teils der Bevölkerung, nämlich aller bei gesetzlichen Krankenkassen und Ersatzkassen Versicherten, verdient in gleicher Weise Vorrang vor dem Grundrecht des einzelnen Arztes auf freie Meinungsäußerung. Allerdings bleibt zu prüfen, ob die Äußerungen im einzelnen tatsächlich geeignet sind, die kassenärztliche Versorgung der Versicherten zu gefährden. Inwieweit der Kläger - insbesondere der Form nach - Einschränkungen seiner Meinungsfreiheit hinnehmen mußte, hing ua auch von seiner Stellung als Kassenarzt ab. Als Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung unterlag er deren Hoheitsbefugnissen. Sie war berechtigt, für ihn verbindliches autonomes Recht wie Satzungen und Honorarverteilungsmaßstab zu erlassen, Verwaltungsakte zu setzen und disziplinarisch gegen ihn vorzugehen. Mit der Zulassung war er zugleich berechtigt und verpflichtet, an der kassenärztlichen Versorgung teilzunehmen (§ 368a Abs 4 RVO). Erfüllte er seine spezifisch kassenärztlichen Pflichten nicht, so hatte die Kassenärztliche Vereinigung ihn dazu anzuhalten (vgl Krauskopf/Siewert Das Kassenarztrecht, 3. Aufl 1980 S 47). Damit stand der Kläger als Kassenarzt - vergleichbar einem Beamten - zur Kassenärztlichen Vereinigung in einem "Sonderverhältnis" oder auch "besonderem Gewaltverhältnis" (zur Definition dieses Begriffs vgl Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland 12. Aufl 1980, S 136f). Daß das besondere Gewaltverhältnis als solches - wie auch nach Inkrafttreten des GG zunächst noch vertreten (vgl zB Forsthoff Lehrbuch des Verwaltungsrechts 9. Aufl 1966 S 121) - Grundrechtsbeschränkungen nicht rechtfertigt, sondern auch dort eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist, hat das BVerfG für den Bereich des Strafvollzugs entschieden (BVerfGE 33, 1, 9 ff). Damit ist die Frage der Grundrechtsbegrenzung in Sonderstatusverhältnissen grundsätzlich genauso zu lösen, wie im allgemeinen staatsbürgerlichen Status. Die sachliche Eigenart des jeweiligen Sonderstatusverhältnisses ist jedoch maßgeblich für die Verhältnismäßigkeit der Grundrechtsbeschränkung im Einzelfall (vgl dazu Hesse aaO S 139). Wenn also die Äußerungen des Klägers in der Öffentlichkeit ihrer Form nach geeignet sind, das Ansehen der Kassenärztlichen Vereinigung als Institution herabzusetzen, ist die Befürchtung des Beklagten und der Beigeladenen durchaus gerechtfertigt, der Kläger werde auch in Zukunft sich nicht so verhalten, daß eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gewährleistet ist. Ob die Äußerungen des Klägers diese Voraussetzungen erfüllen, vermag der Senat nicht zu entscheiden, weil das LSG sie nicht konkret genug festgestellt hat. Es wird deshalb die pauschal "nach Form und Inhalt als hart" bezeichnete Kritik im einzelnen prüfen müssen. Eine Äußerung ist freilich nur dann geeignet, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu gefährden, wenn sie unsachlich ist und besonders grobe Herabsetzungen enthält. Denn es widerspräche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und könnte eine die Berufsfreiheit derart einschränkende Maßnahme nicht rechtfertigen, wenn man weniger strenge Anforderungen stellte. Allein schon durch das (Verzichts-)Schreiben vom 13. Juni 1977 und die Patientenrundschreiben vom 13. Juni und 15. Dezember 1977 hat der Kläger aber die Kassenärztliche Vereinigung in unsachlicher Weise abqualifiziert. Dem LSG ist zuzustimmen, wenn es die angebliche Überschreitung von Überweisungsaufträgen nicht als gröbliche Verletzung kassenärztlicher Pflichten gewertet hat, weil die Rechtsauffassung des Klägers insoweit in vier anderen Verfahren vom LSG geteilt worden ist (vgl hierzu das Urteil des Senats vom 6. Juli 1981 - 6 RK 3/79 -).
Zu Recht als bedenklich hat das LSG erachtet, daß der Kläger als Nicht-Kassenarzt mehrere Kassenärzte dazu bewogen hat, Versorgungsgut für von ihm durchzuführende Operationen zu verschreiben. Zwar war der Kläger zu diesem Zeitpunkt als Nicht-Kassenarzt nicht an die Wahrnehmung spezifisch kassenärztlicher Pflichten gebunden. Aus seiner vorherigen kassenärztlichen Tätigkeit mußte ihm aber bekannt sein, daß dies unzulässig war. Nach § 368 Abs 2 Satz 2 RVO umfaßt nämlich die kassenärztliche Versorgung auch die Verordnung von Arznei- und Verbandmitteln. Durch die Verordnung verpflichtet der Kassenarzt die Krankenkasse, die von Apotheken oder vom medizinisch-technischen Fachhandel abgegebenen Leistungen zu bezahlen (vgl Krauskopf/Schroeder-Printzen aaO § 368 Anm 4.5.). Verordnet dagegen ein nichtzugelassener Arzt Arzneien, ohne daß ein Notfall (§ 368d Abs 1 Satz 2 RVO) gegeben ist, so wird die Krankenkasse hierdurch nicht verpflichtet, ohne Rücksicht darauf, ob die Verordnung sich im Rahmen des Notwendigen gehalten hat oder nicht (vgl BSGE 19, 270, 274). Diese Konsequenzen, die sich bei einer Verordnung durch den Kläger ergeben hätten, sollten mit seinem Vorgehen vermieden werden. Daraus wird deutlich, daß er sich nicht nur verbal kritisch gegen das System der kassenärztlichen Versorgung gewandt hat, sondern auch tatsächlich versucht hat, dieses zu unterlaufen. Daß dem Kläger insoweit keine Täuschungsabsicht vorzuwerfen ist - wie das LSG festgestellt hat -, läßt sein Verhalten - entgegen der Ansicht des LSG - nicht minder schwerwiegend erscheinen. Das BSG hat im Rahmen der Entziehung der Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzungen nach § 368a Abs 6 RVO wiederholt entschieden, daß es dabei auf Verschulden grundsätzlich nicht ankomme. Denn eine Zulassungsentziehung sei nicht Sanktion für strafwürdiges Verhalten, sondern eine Maßnahme der Verwaltung, die allein dazu diene, das System der kassenärztlichen Versorgung vor Störungen zu bewahren und damit funktionsfähig zu erhalten (vgl BSG SozR Nr 24 zu § 368a RVO; BSGE 34, 252, 253).
Zu Unrecht hat das LSG den Tatsachenkomplex unberücksichtigt gelassen, der dem Rechtsstreit vor dem SG Kiel (- S 8 Ka 15/76 -) zugrunde gelegen hat und durch Anerkennung einer Schadensersatzverpflichtung durch den Kläger in Höhe von 2.000,-- DM beendet worden ist. Daß dieser Sachverhalt bei Einleitung des Entziehungsverfahrens im Dezember 1976 bekannt war und nicht als hinreichender Grund für die Entziehung der Zulassung angesehen wurde, hindert nicht, ihn bei der Frage zu werten, ob für die Zukunft eine mangelnde vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und Kläger zu befürchten ist. Damit wird nicht etwa eine frühere Pflichtverletzung, die bereits geahndet bzw vergleichsweise erledigt worden ist, nochmals "bestraft", indem sie zur Begründung einer weiteren Maßnahme herangezogen wird; vielmehr gewinnen die jetzt zu wertenden Verhaltensweisen dadurch lediglich ein stärkeres Gewicht (vgl BSGE 43, 250, 253). Da das LSG die Akten des SG nicht beigezogen und auch im übrigen insoweit keine Feststellungen getroffen hat, konnte der Senat nicht prüfen, ob die Verhaltensweise des Klägers, die Anlaß jenes Rechtsstreits war, geeignet ist, mangelnde vertrauensvolle Zusammenarbeit bei der kassenärztlichen Versorgung für die Zukunft befürchten zu lassen. Dies wird das LSG nachzuholen haben.
Zu Unrecht hat das LSG ferner die aus den - von ihm beigezogenen - Akten über das Entziehungsverfahren ersichtliche Verwendung eines sog "Erschwernis-Multiplikators" bei der Abrechnung bestimmter Leistungen nicht gewürdigt. Zwar liegt auch dieser Sachverhalt zeitlich vor der Einleitung des - eingestellten - Entziehungsverfahrens. Dies steht jedoch der Berücksichtigung im jetzigen Wiederzulassungsverfahren nicht entgegen (vgl oben). § 3 Abs 3 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vom 18. März 1965 (BGBl I 89) findet auf die Abrechnung des Klägers mit der Kassenärztlichen Vereinigung (der Beigeladenen zu 1) keine Anwendung. Danach kann eine höhere Gebühr berechnet werden, soweit besondere Schwierigkeiten der ärztlichen Leistung oder ein erheblicher Zeitaufwand dies rechtfertigen. Diese Vorschrift ist jedoch nicht Teil des Bewertungsmaßstabes - Ärzte (BMÄ) in der jeweils bis zum 1. Juli 1978 geltenden Fassung gewesen (vgl Wezel-Liebold Kurzkommentar zur Gebührenordnung für Ärzte Stand: 1. Juli 1978 Anm zu § 3 Satz 16. Seitdem erfolgt die Bewertung der kassenärztlichen Leistungen nach der wegen der Änderung des § 368g Abs 4 RVO durch Art 1 § 1 Nr 34 des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes (KVKG) vom 27. Juni 1977 - BGBl I 1069 - erforderlich gewordenen Neufassung des BMÄ - vgl Krauskopf/Siewert aaO S 133 -). Dies folgt aus den Grundsätzen für die Berechnung der kassenärztlichen Gesamtvergütung vom 25. Februar 1971 (DOK 1971, 201), die nach § 7 unmittelbar Bestandteil sämtlicher Gesamtverträge geworden sind. § 1 Abs 1 dieser Grundsätze bestimmte ausdrücklich, daß nur die §§ 4, 5 und 7 der allgemeinen Bestimmungen der GOÄ gelten sollten. Wenn der Kläger bei der Abrechnung dennoch - obwohl er von der Beigeladenen zu 1) auf die Unzulässigkeit dieses Verfahrens hingewiesen worden ist - einen sog Erschwernis-Multiplikator entsprechend § 3 Abs 3 GOÄ verwendet, verstößt er damit gegen eine der wesentlichsten Grundpflichten eines Kassenarztes, nämlich die Pflicht zur genauen und gewissenhaften Leistungsabrechnung (vgl BSGE 43, 250, 252; SozR Nr 23, 24 zu § 368a RVO). Dieser Verstoß mag zwar - betrachtet man seine Auswirkungen - nicht so schwer wiegen wie etwa die Abrechnung nicht erbrachter Leistungen, weil durch die Verwendung eines Stempels die Fehlerhaftigkeit offensichtlich ist. Jedoch kann dies - insbesondere im Wiederholungsfall - zu Störungen des Abrechnungsverfahrens führen. Gerade ein geordnetes und reibungsloses Abrechnungsverfahren ist aber eine der Voraussetzungen für die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung (vgl BSG SozR Nr 24 zu § 368a RVO).
Zu Unrecht hat das LSG ferner einen in der Person des Klägers liegenden schwerwiegenden Mangel verneint, ohne - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - den Anhaltspunkten aus den Akten über das Entziehungsverfahren auf Verstöße des Klägers gegen die Berufsordnung nachzugehen. Zwar sind unter "kassenärztlichen Pflichten", deren Verletzung die Entziehung der Zulassung oder die Verweigerung der Wiederzulassung (vgl oben) zur Folge haben kann, grundsätzlich nicht die Pflichten zu verstehen, die jedem Arzt nach der ärztlichen Berufsordnung obliegen. Doch kann ein Verhalten, dessen Ahndung grundsätzlich der ärztlichen Berufsgerichtsbarkeit vorbehalten ist, gleichzeitig eine Verletzung der besonderen "kassenärztlichen Pflichten" darstellen und die Annahme der Ungeeignetheit zur weiteren kassenärztlichen Tätigkeit rechtfertigen (vgl BSG KVRS 6000/13). Dies verkennt das LSG, wenn es bei einer Verletzung ärztlicher Standespflichten ausschließlich die Ahndung durch berufsgerichtliche Instanzen für möglich hält. Darin liegt kein Verstoß gegen den Rechtsgrundsatz "ne bis in idem", der über seinen strafrechtlichen Kernbereich hinaus eine Verkörperung des für jedes Rechtsgebiet unabdingbaren Prinzips der Rechtskraft enthält (vgl Peters Handbuch der Krankenversicherung Stand: September 1980 § 368a Anm 9 f, bb S 17/1528). Denn bei der Entziehung der Zulassung bzw der Verweigerung der Wiederzulassung handelt es sich nicht um eine Strafe, sondern eine Verwaltungsmaßnahme, die der Sicherung der kassenärztlichen Versorgung der Versicherten dient (vgl oben, s auch BSGE 10, 292, 298). Die einzelnen Verstöße des Klägers gegen die Berufsordnung sind also daraufhin zu prüfen, ob sie geeignet sind, die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Organen der kassenärztlichen Selbstverwaltung zu gefährden. Sofern es sich dabei um Verstöße gegen das Gebot kollegialen Verhaltens, wie es zB in § 15 der Berufsordnung für die deutschen Ärzte nach den Beschlüssen des 79. Deutschen Ärztetages in der Zeit vom 10. bis 15. Mai 1976 (Deutsches Ärzteblatt 1976, 1543, 1545) normiert ist, gehandelt hat, ist zu beachten, daß durch massive Kritik an ärztlichen Kollegen eine Verunsicherung der Patienten eintreten kann, die sich wiederum negativ auf deren ordnungsgemäße kassenärztliche Versorgung auswirken kann. Dies hängt jedoch von Art und Umfang der geäußerten Kritik ab. Auch hierzu wird das LSG die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Die sich dabei ergebenden Sachverhalte wird es daraufhin zu würdigen haben, ob sie im Zusammenhang mit den bereits festgestellten und rechtlich erheblichen Tatsachen die Ungeeignetheit des Klägers zur kassenärztlichen Tätigkeit ergeben.
Der Rechtsstreit war deshalb an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit zu entscheiden haben wird.
Fundstellen