Leitsatz (amtlich)
Hat ein Berechtigter zunächst eine Rente der Rentenversicherung von einem Versicherungsträger außerhalb der Bundesrepublik erhalten und gewährt ihm anschließend - nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik - ein hiesiger Versicherungsträger auf Grund desselben Versicherungsverhältnisses und desselben Versicherungsfalles ebenfalls eine Rente, so ist Jahr des Rentenbeginns im Sinne von AnVNG Art 2 § 31 Abs 1 § 33 Abs 2 das Jahr, von dem an die Rente bereits außerhalb der Bundesrepublik bewilligt worden war.
Normenkette
AnVNG Art. 2 § 31 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, § 33 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art. 2 § 32 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, § 34 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Mai 1958 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Rechtsstreit wird um die Höhe des Ruhegeldes des Klägers geführt. Dieser wurde im März 1892 geboren. Er entrichtete im Verlauf seines Arbeitslebens nur Beiträge zur Allgemeinen Pensionsanstalt (APA) in Prag, und zwar bis 1945 für weit über 180 Monate. Von Oktober 1946 bis März 1952 erhielt er von der Sozialversicherungsanstalt Thüringen eine Invaliditätsrente und anschließend - nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik im März 1952 - eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Die Beklagte stellte 1957 diese Rente auf Grund des "Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten" (AnVNG) vom 23. Februar 1957 um. Bei der Ermittlung des Umstellungsfaktors (vgl. Art. 2 § 31 Abs. 1 AnVNG) ging sie von dem Geburtsjahr des Klägers 1892 und dem Jahr des Rentenbeginns 1946 aus. Den sich aus der Vervielfältigung des monatlichen Steigerungsbetrages der bisherigen Rente, dessen Höhe (= 117,13 DM) nicht bestritten ist, mit dem so gewonnenen Umstellungsfaktor (= 4,3) ergebenden Betrag (= 503,70 DM) kürzte sie auf den Rentenhöchstbetrag von 450,- DM, wobei sie eine Versicherungsdauer (Zeit zwischen der Vollendung des 15. Lebensjahres des Versicherten 1907 und dem Jahr des Rentenbeginns 1946, vgl. Art. 2 § 33 AnVNG a. F.) von weniger als 40 Jahren annahm. Eine Erhöhung dieses Rentenbetrages auf 15/13 für die Zeit nach der Vollendung des 65. Lebensjahres des Klägers im März 1957 (vgl. Art. 2 § 37 Abs. 3 AnVNG) lehnte sie im Hinblick darauf, daß bereits der Rentenhöchstbetrag gewährt werde, ab (Bescheid vom 6. August 1957). Der Kläger vertritt demgegenüber die Ansicht, daß als Jahr des Rentenbeginns i. S. der Umstellungsvorschriften für ihn das Jahr 1952 - anstelle des Jahres 1946 - gewählt werden müsse, weil dies das Jahr des Beginns seines Rentenbezuges in der Bundesrepublik sei. Sein jetziges Ruhegeld sei ihm nicht deshalb vom 1. April 1952 an gewährt worden, weil er bis März 1952 Leistungen von der Sozialversicherungsanstalt Thüringen erhalten habe, sondern weil an diesem Tage das Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz (FremdRG) vom 7. August 1953 in Kraft getreten sei und dieses Gesetz die Rechtsgrundlage für die Zahlung seines Ruhegeldes bilde; nur zufällig schlösse sich die Rentenzahlung in der Bundesrepublik an die in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) an. Bei der Annahme des Jahres 1952 als Jahr des Rentenbeginns ergebe sich eine entsprechend längere Versicherungsdauer und damit ein günstigerer Höchstbetrag. Das Jahr 1946 dürfe auch deshalb nicht als das maßgebliche Jahr des Rentenbeginns angesehen werden, weil die Leistungen in der SBZ den Renten in der Bundesrepublik nicht vergleichbar seien und in diesem Zusammenhang nicht als Renten gewertet werden könnten. Der Kläger ist weiter der Auffassung, daß er nach der Erreichung des 65. Lebensjahres einen Anspruch auf Erhöhung seiner Rente um 2/13 habe.
Vor dem Sozialgericht (SG) Münster hatte der Kläger Erfolg. Dieses Gericht legte als Jahr des Rentenbeginns das Jahr 1956 zugrunde und stützte sich dabei auf die Übergangsregelung für Fremdrenten in Art. 2 § 42 Abs. 1 Satz 2 AnVNG Nach seiner Meinung gelten die Höchstgrenzen für Renten, wie sie in Art. 2 § 33 AnVNG festgelegt sind, dann nicht, wenn die Voraussetzungen des Art. 2 § 37 Abs. 3 AnVNG zur Erhöhung der Rente gegeben sind. Auf Grund dieser Rechtsauffassungen berechnete es das Ruhegeld des Klägers auf 513,60 DM statt auf 450,- DM (Urteil vom 12. November 1957). Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hob auf die Berufung der Beklagten hin dieses Urteil wieder auf und wies die Klage ab; es ließ die Revision zu (Urteil vom 2. Mai 1958).
Der Kläger legte gegen das ihm am 28. Juni 1958 zugestellte Urteil des LSG am 10. Juli 1958 Revision ein mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen. Er begründete die Revision - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 29. September 1958 - am 26. September 1958 mit der Rüge, das LSG habe die Vorschriften in Art. 2 §§ 31, 33, 37 und 42 AnVNG nicht richtig angewandt.
Die Beklagte beantragte, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger bezog bei der Rentenumstellung nach AnVNG im Jahre 1957 eine Fremdrente (§ 1 FremdRG). Wer damals eine solche Rente bezog, war den übrigen Anspruchsberechtigten des AnVNG gleichgestellt und seine Rente war in gleicher Weise wie die der übrigen Rentner umzustellen (Art. 2 § 42 Abs. 1 Satz 1 AnVNG). Für die Berechnung von Fremdrenten jener Berechtigten, bei denen der maßgebliche Versicherungsfall erst nach dem Inkrafttreten des AnVNG (1. Januar 1957) eingetreten war oder noch eintrat, galten bis zur Neuregelung des Fremdrentenrechts, die erst zum 1. Januar 1959 erfolgte, Sondervorschriften (Art. 2 § 42 Abs. 1 Satz 2 bis 4 AnVNG). Auf den Kläger finden diese Sondervorschriften jedoch keine Anwendung, weil seine Rente auf einem Versicherungsfall aus der Zeit vor dem 1. Januar 1957 beruht. Deshalb scheidet, wie schon das LSG zutreffend angenommen hat, das dieser Ausnahmeregelung als Jahr des Rentenbeginns allgemein zugrunde gelegte Jahr 1956 für die Umstellung der Rente des Klägers aus (ebenso Jantz/Zweng, Das neue Recht der Arbeiter und Angestellten S. 329, 330). Es bleibt zu klären, ob im vorliegenden Rechtsstreit das Jahr 1946 oder das Jahr 1952 das Jahr des Rentenbeginns ist.
Die Rente des Klägers war nach den Vorschriften des Art. 2 §§ 30 ff AnVNG umzustellen. Soweit bei der Umstellung dieser Rente das Jahr des Rentenbeginns von rechtlicher Bedeutung ist, also bei der Ermittlung des Umstellungsfaktors (Art. 2 § 31 Abs. 1 AnVNG) und der Versicherungsdauer (Art. 2 § 33 Abs. 2 AnVNG), sind die Beklagte und das LSG zu Recht von dem Jahr 1946 ausgegangen. Hierfür ist entscheidend, daß der Gesetzgeber das Jahr des Rentenbeginns lediglich als Kriterium für das Jahr, in dem der Versicherungsfall liegt, gewählt hat; auf diese Weise konnte bei der Rentenumstellung von einer leicht feststellbaren, den Beteiligten bekannte und im allgemeinen auch unbestrittene Tatsache ausgegangen werden.
Wie der Senat schon früher klargestellt hat (Bundessozialgericht - BSG - 8, 234 ff), liegen dem gesamten Umstellungsrecht pauschalierende Annahmen zugrunde. So ist bei der Berechnung der Vervielfältigkeitswerte und der Höchstbeträge für die umzustellenden Renten schematisiert eine Versicherungszeit unterstellt worden, die die Zeit von der Vollendung des 15. Lebensjahres des Versicherten bis zum Eintritt des Versicherungsfalls umfaßt (vgl. Rechnungsgrundlagen zum AnVNG, Bundesarbeitsblatt 1957 S. 221 ff). Als Abgrenzungsmerkmal für die Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls hat der Gesetzgeber im Übergangsrecht des AnVNG eben das Jahr des Rentenbeginns genommen. Das konnte er tun, weil in der Regel Versicherungsfall und Rentenbeginn zeitlich nahe zusammenliegen. Mit dieser Regelung wäre es unvereinbar, bei einem durchgehenden Rentenbezug als Jahr des Rentenbeginns ein späteres Jahr als das Anfangsjahr der Rente anzunehmen. Lediglich das tatsächliche Anfangsjahr der Rente deckt sich, worauf es ankommt, mit dem Jahr des Eintritts des Versicherungsfalls oder liegt diesem doch zeitlich nahe und wird der Annahme des Gesetzes gerecht, daß sich die Zeit des Rentenbeginns mit dem - für die mathematischen Berechnungen zum AnVNG wesentlichen - Eintritt des Versicherungsfalls gleichsetzen läßt. Daher ist im vorliegenden Fall die Rentenumstellung auf den Rentenbeginn im Jahre 1946, das zugleich das Jahr des Eintritts des Versicherungsfalls ist, abzustellen.
Der Kläger hat die Rente seit dieser Zeit auch durchgehend bezogen. Seine Beiträge zur APA in Prag und die 1946 eingetretene Berufsunfähigkeit bildeten die Voraussetzungen für die Rentenbewilligungen sowohl in der SBZ als auch in der Bundesrepublik. Die Rentengewährungen von 1946 bis März 1952 und von April 1952 an beruhen auf demselben Versicherungsverhältnis und demselben Versicherungsfall und müssen als einheitlicher Rentenbezug gewertet werden. Der Umstand, daß die Rente zunächst von einem Versicherungsträger außerhalb der Bundesrepublik festgestellt und nach dessen eigenen Richtlinien berechnet worden war, ist insoweit ohne Bedeutung (ebenso Jantz/Zweng aaO S. 311). Es ist unerheblich, daß die Rentenhöhe in beiden Bezugsabschnitten unterschiedlich war und daß sich die Renten, die in der SBZ gezahlt werden, wertmäßig nicht mit denen in der Bundesrepublik vergleichen lassen. Die Leistungen in der SBZ verlieren dadurch nicht, wie der Kläger annimmt, ihre Eigenschaft als Renten. Sie werden auch in der Gesetzgebung der Bundesrepublik wie Renten behandelt. Sie gelten als Leistungen im Sinne des FremdRG und werden auf die Renten der deutschen Rentenversicherung angerechnet (vgl. § 1 Abs. 5, § 4 Abs. 4 Satz 4 FremdRG aF, § 31 FremdRG vom 25. Februar 1960).
Eine in diesem Zusammenhang rechtlich bedeutsame Unterbrechung im Rentenbezug könnte selbst dann nicht angenommen werden, wenn der Kläger, was tatsächlich aber nicht der Fall ist, eine vorübergehende Einbuße an Rente dadurch erlitten hätte, daß er statt im März 1952 schon früher in die Bundesrepublik gezogen wäre, also zu einer Zeit, als das FremdRG noch nicht in Kraft war. Weil die mathematischen Grundlagen der Umstellungsvorschriften ua auf die Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls ausgerichtet sind, kommt es entscheidend auf den Fortbestand der Berufsunfähigkeit und nicht darauf an, ob die Rente aus anderen Gründen zwischenzeitlich nicht gezahlt worden ist. Der Kläger ist seit 1946 durchgehend berufsunfähig geblieben; seine Rente ist ihm nie entzogen worden. Die Umstellungsvorschriften verlangen keine "Nahtlosigkeit" in der tatsächlichen Rentenzahlung. Die dahingehende Meinung des Klägers ist nicht haltbar. Im übrigen hätte der Kläger, wenn er im Bereich eines der süddeutschen Länder gewohnt hätte, auch schon vor dem Inkrafttreten des FremdRG eine Rente aus der Rentenversicherung in unmittelbarem Anschluß an die Übersiedlung aus der SBZ erhalten, weil diese Länder die zur APA in Prag entrichteten Beiträge auf Grund ihrer - insoweit übereinstimmenden - Flüchtlingsrentengesetze anerkannten und anrechneten (vgl. Bayerisches Gesetz Nr. 93 vom 3. Dezember 1947, Württemberg-Badisches Gesetz Nr. 909 vom 4. Dezember 1947, Hessisches Gesetz über Flüchtlingsrenten vom 5. Dezember 1947). Dort war also schon zeitig die "Nahtlosigkeit" im Rentenbezug gewährleistet. Im Bereich der früheren britischen Zone, in der der Kläger wohnte, sind tatsächlich vor dem Inkrafttreten des FremdRG keine Renten auf Grund von Beiträgen, die zur APA in Prag geleistete worden sind, bewilligt worden, es sei denn, es habe sich um solche gehandelt, welche die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte nach dem Abkommen vom 14. März 1940 und der Verordnung vom 27. Juni 1940 zu berücksichtigen hatte. Die Ablehnung wurde auf die Sozialversicherungsanordnung (SVA) Nr. 1 vom 29. Januar 1947 gestützt. Es kann aber zweifelhaft sein, ob diese Auslegung der SVA Nr. 1 zwingend war. Das BSG hat schon einmal in einer Entscheidung, die allerdings zu einem anderen Sachverhalt ergangen ist, die Auffassung geäußert, daß die Protektoratsversicherungen im Verhältnis zum Deutschen Reich als inländische Versicherungen angesehen werden müssen (BSG 10, 118 ff). Nach den Grundsätzen dieser Entscheidung wäre es auch im Bereich der SVA Nr. 1 möglich gewesen, die Beiträge des Klägers ähnlich wie Beiträge zur deutschen Rentenversicherung oder solche in den sog, eingegliederten Gebieten zu werten und zur Grundlage einer Rentengewährung zu machen. Dann hätte sich die Fremdrente des Klägers nicht nur zufällig, wie er vorträgt, an die Rente der Sozialversicherungsanstalt Thüringen angeschlossen. Auf diese Überlegung kommt es jedoch in diesem Rechtsstreit nicht an, weil der Rentenbezug des Klägers seit 1946 weder rechtlich noch tatsächlich unterbrochen worden ist. Der maßgebliche Rentenbeginn liegt daher im Jahre 1946.
Das vom Senat gewonnene Ergebnis bringt den Berechtigten einen höheren Umstellungsfaktor und führt deshalb in der Regel, nämlich dann, wenn die Höchstbeträge für Renten nicht erreicht werden, zu höheren Renten; es ist also in der Mehrzahl aller Fälle für die Berechtigten günstiger.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Erhöhung seiner Rente um 2/13 über den Rentenhöchstbetrag hinaus, obschon er eine umgestellte Rente bezieht und erst nach dem Inkrafttreten des AnVNG das 65. Lebensjahr vollendete (Art. 2 § 37 Abs. 3 AnVNG). Bei der Rentenumstellung ist dem Kläger bereits der gesetzlich vorgesehene Höchstbetrag zuerkannt worden (Art. 2 § 33 AnVNG). Eine Überschreitung dieses Rentenbetrages, bei Erreichung der Altersgrenze um 2/13 ist nicht zulässig. Renten, bei deren Umstellung Art. 2 § 33 AnVNG angewandt worden ist, scheiden für eine Erhöhung nach Art. 2 § 37 Abs. 3 AnVNG aus. Dies hat der erkennende Senat bereits früher entschieden und aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang aller Umstellungsvorschriften näher begründet. Die Höchstbeträge richten sich nach der Versicherungsdauer; sie sind bei Bestands- und Zugangsrenten gleich hoch und gelten gleichmäßig für Renten wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit sowie für das Altersruhegeld, weil sie nach der höchsten Bemessungsgrundlage (§§ 32 Abs. 1, 122 Abs. 2 AVG i. Verb. m. Art. 2 § 11 AnVNG) und mit 1, 5 v. H. für jedes Versicherungsjahr berechnet sind. Die Begrenzung der Zahlbeträge, die also auch im neuen Rentenrecht gilt (§ 32 Abs. 1 AVG), darf nicht zu Gunsten der Altrentner teilweise beseitigt werden. Nach der Ansicht des Senats ist diese Regelung auch mit dem Grundgesetz vereinbar (BSG 13, 61 ff). An dieser Rechtsauffassung wird nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage festgehalten.
Das angefochtene Urteil ist daher im Ergebnis richtig und muß bestätigt werden (§§ 170 Abs. 1, 193 SGG)
Fundstellen