Leitsatz (amtlich)

Der in AnVNG Art 3 § 5 Abs 2 (= ArVNG Art 3 § 6 Abs 3) genannte, für die Umstellung von Renten mit früheren Berliner Beiträgen während einer Übergangszeit maßgebliche "Rentenbeginn im Jahre 1956" gilt nicht nur für die Ermittlung des Umstellungsfaktors nach den Tabellen der Anlagen 3 und 4 des Gesetzes, sondern auch für die Begrenzung durch den Rentenhöchstbeitrag nach AnVNG Art 2 § 33 (= ArVNG Art 2 § 34).

 

Normenkette

AnVNG Art. 3 § 5 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, Art. 2 § 33 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art. 3 § 6 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23, Art. 2 § 34 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 28. April 1961 und des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juli 1960 werden aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen

 

Gründe

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Altersruhegeldes des Klägers, insbesondere über die Frage, wie der Höchstbetrag nach den Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzen für die Renten mit alten Berliner Beiträgen zu berechnen ist.

Der 1895 geborene Kläger bezieht seit dem 1. Februar 1960 Altersruhegeld aus der Rentenversicherung der Angestellten (AnV). Weil bei ihm Beiträge nach dem Berliner Rentenversicherungsüberleitungsgesetz ( RVÜG ) vom 10. Juli 1952 zu berücksichtigen waren, berechnete die Beklagte die Rente nach den besonderen Vorschriften des Art. 3 § 5 Abs. 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG). Sie ermittelte dabei den monatlichen Steigerungsbetrag nach dem bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Recht, vervielfältigte ihn mit dem für das Geburtsjahr des Klägers und den Rentenbeginn im Jahre 1956 geltenden Umstellungsfaktor (3,8) der Anlage 3 des AnVNG und erhöhte den so errechneten Betrag nach Art. 2 § 37 Abs. 3 AnVNG um 2/13 (= 687,80 DM). Den “Rentenbeginn im Jahre 1956„ sehe die Beklagte auch für die Begrenzung durch den Höchstbetrag nach Art. 2 § 33 AnVNG als maßgeblich an und kürzte die Rente - unter Berücksichtigung des zweiten Rentenanpassungsgesetzes - auf den für eine Versicherungsdauer von 46 Jahren vorgesehenen Zahlbetrag von 552,- DM (Bescheid vom 21.1.1960).

Der Kläger ist der Auffassung, für den Rentenhöchstbetrag sei der tatsächliche Rentenbeginn (1960) zugrunde zu legen (Versicherungsdauer: 50 Jahre). Während des Klageverfahrens erteilte die Beklagte einen neuen Bescheid über den Rentenanspruch des Klägers, weil die vorläufige Regelung des AnVNG durch die endgültige des inzwischen verkündeten Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) ersetzt worden war; die nach Art. 3 Nr. 10 dieses Gesetzes errechnete Rente beträgt 519,30 DM. Nach Art. 6 § 17 Abs. 1 Satz 3 FANG wird jedoch die bisherige Rente (552,-) weitergezahlt (Bescheid vom 28.5.1960).

Das Sozialgericht (SG) Berlin hob die Bescheide der Beklagten auf und verurteilte sie, dem Kläger die bisherige Rente unter Berücksichtigung einer Versicherungsdauer von 50 Jahren weiterzuzahlen (Urteil vom 15.7.1960). Das Landessozialgericht (LSG) Berlin wies - unter Zulassung der Revision - die Berufung der Beklagten zurück. Nach der Auffassung des LSG bezieht sich der in Art. 3 § 5 AnVNG festgelegte Rentenbeginn (1956) nur auf die Tabellenwerte der Anlagen 3 und 4 des AnVNG. Die Umstellungsvorschriften in Art. 2 §§ 30 ff AnVNG seien bei der Rentenberechnung unmittelbar, nicht etwa nur entsprechend anzuwenden; deshalb sei es nicht gerechtfertigt, bei der Begrenzung durch den Höchstbetrag vom tatsächlichen Rentenbeginn abzuweichen und die Versicherungsdauer zu verkürzen. Mit dem sozialen Zweck der Rentenanhebung sei immer vereinbar, daß eine Rente gezahlt werde, die der tatsächlichen Versicherungsdauer entspreche (Urteil vom 28.4.1961).

Mit der Revision beantragte die Beklagte, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen. Sie begründete die Revision, indem sie die Verletzung des Art. 2 § 33 AnVNG rügte. Nach ihrer Auffassung muß der für die Umstellung der Rente während einer Übergangszeit angeordnete “Rentenbeginn im Jahre 1956„ auch für die Ermittlung der Versicherungsdauer nach Art. 2 § 33 AnVNG maßgebend sein.

Der Kläger war in der Revisionsinstanz nicht vertreten.

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet.

Der Versicherungsfall, auf den der Kläger den Rentenanspruch stützt (Vollendung des 65. Lebensjahres), ist im Februar 1960, also unter der Geltung des AnVNG, eingetreten. Weil bei der Berechnung des Altersruhegeldes Beiträge nach dem RVÜG zu berücksichtigen waren, konnte die Beklagte in dem Bescheid, den sie bereits am 21. Januar 1960 erließ, nicht die Vorschriften in Art. 1 AnVNG (neue Rentenformel) anwenden; sie mußte die Rente vielmehr nach Art. 3 § 5 Abs.2 AnVNG berechnen. Nach dieser Vorschrift werden bis zur Anpassung des RVÜG an die Vorschriften des AnVNG Renten, auf die das RVÜG anzuwenden ist, nach dem bis zum Inkrafttreten des AnVNG geltenden Recht berechnet und nach Art. 2 §§ 30 ff dieses Gesetzes in bestimmter Weise umgestellt. Der Gesetzgeber hielt diese Regelung, die sich in ähnlicher Fassung auch für die Berechnung der Rente nach dem Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz (FAG) vom 7. August 1953 in Art. 2 § 42 AnVNG findet, während einer Übergangszeit für erforderlich, weil die seit 1945 in Berlin abweichend vom Recht der Bundesrepublik entrichteten Beiträge nicht ohne weiteres in das Berechnungsschema der Neuregelungsgesetze einzufügen waren (vgl. Jantz/Zweng/Eicher, Vorbemerkungen zu Art. 2 § 56 AnVNG). Mit dem Inkrafttreten des FANG vom 25. Februar 1960 war die Übergangsregelung aufgehoben (Art. 7 § 3 FANG); die seit dem 1. Januar 1957 festgesetzten Renten mußten nunmehr nach den Vorschriften der - durch das FANG ergänzten - Art. 1 und Art. 2 AnVNG neu berechnet werden (Art. 6 § 17 Abs. 1 Satz 2 FANG). Diese Neuberechnung hat die Beklagte in dem während des Klageverfahrens ergangenen Bescheid vom 18.5.1960 vorgenommen; dabei hat sie den vorausgegangenen Bescheid vom 21. Januar 1960 ausdrücklich aufgehoben. Trotz dieser Aufhebung ist aber der frühere Rentenbescheid für den Ruhegeldanspruch des Klägers nicht bedeutungslos geworden, weil die Besitzstandsgarantie in Art. 6 § 17 Abs. 1 Satz 3 FANG die Höhe des im Bescheid vom 18. Mai 1960 neu berechneten Altersruhegeldes weiterhin beeinflußt. Wegen dieser Auswirkungen der Übergangsregelung muß der Senat die Rentenberechnung im Bescheid vom 21. Januar 1960 nachprüfen.

Einwendungen gegen die Richtigkeit der früheren Rentenberechnung hat der Kläger nur insoweit erhoben, als die Beklagte den Rentenbeginn im Jahre 1956 auch für die Begrenzung der Rente durch den Höchstbetrag nach Art. 2 § 33 AnVNG angenommen hat. Das Begehren des Klägers, insoweit den tatsächlichen Rentenbeginn im Jahre 1960 zugrunde zu legen und damit zu einer Versicherungsdauer von 50 Jahren zu kommen, ist nicht berechtigt und steht im Widerspruch zu Art. 3 § 5 Abs. 2 AnVNG. Wenn es in dieser Vorschrift heißt, daß die (nach bisherigem Recht berechneten) Renten nach Art. 2 §§ 30 bis 34 des AnVNG mit den Werten der Tabelle der Anlagen 3 und 4 zu diesem Gesetz “für den Rentenbeginn im Jahre 1956„ umgestellt werden, so kann dies nur bedeuten, daß in allen von der Vorschrift erfaßten Fällen nicht der tatsächliche, sondern der vom Gesetz fingierte Rentenbeginn (1956) maßgebend sein soll. Dies gilt entgegen der Auffassung des LSG nicht nur für die Ermittlung des Umstellungsfaktors aus den Anlagen 3 und 4 des Gesetzes, sondern ebenso für die Begrenzung durch den Rentenhöchstbetrag nach Art. 2 § 33 AnVNG. Sowohl die Tabellenwerte für die pauschale Rentenumstellung, die hier in Art. 2 § 31 AnVNG ihre Grundlage haben, wie auch die Rentenhöchstbeträge nach Art. 2 § 33 AnVNG gehen auf eine angenommene Versicherungsdauer zwischen der Vollendung des 15. Lebensjahres und dem Rentenbeginn (Eintritt des Versicherungsfalls) zurück. Diese Versicherungsdauer bildet die rechnerische Grundlage für die Bestimmung der Umstellungsfaktoren und ist im Gesetz für die Ermittlung der Höchstbeträge ausdrücklich genannt (Art. 2 § 33 Abs. 2 AnVNG). Die Versicherungsdauer ist in den beiden Vorschriften nach gleichen Maßstäben schematisch festgelegt. Wenn daher das Gesetz für die Berechnung der Rente in Art. 3 § 5 Abs. 2 AnVNG den Rentenbeginn im Jahre 1956 als maßgeblich bezeichnet, so muß dies für beide Berechnungselemente, also für den Umstellungsfaktor und den Rentenhöchstbetrag gleichermaßen gelten.

Für diese Auslegung spricht auch die Regelung, welche die nach Art. 3 § 5 Abs. 2 AnVNG festgesetzten Renten im ersten und zweiten Rentenanpassungsgesetz gefunden haben. Diese Renten unterliegen nach § 2 des ersten Rentenanpassungsgesetzes vom 21. Dezember 1958 (BGBl I 956) und nach § 2 des zweiten Rentenanpassungsgesetzes vom 21. Dezember 1959 (BGBl I 765) auch dann der Anpassung aus Anlaß der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1958 bzw. 1959, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. Dezember 1957 bzw. nach dem 31. Dezember 1958 eingetreten ist. Bei den im Jahre 1958 bzw. 1959 festgesetzten Renten wäre aber diese Anpassung wenig sinnvoll, wenn bei der Rentenberechnung auch nur hinsichtlich des Rentenhöchstbetrages der tatsächliche Rentenbeginn in diesen Jahren zugrunde zu legen gewesen wäre.

Zu Unrecht meint das LSG, schon aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 1 in Art. 3 AnVNG ergebe sich, daß das Jahr 1956 nur für den Umstellungsfaktor gelten könne. Nach der Fassung der Vorschrift besteht, auch wenn die Worte “für den Rentenbeginn im Jahre 1956„ am Satzende stehen und auf den ersten Blick für den Satzteil zu gelten scheinen, in dem von den Tabellenwerten die Rede ist, kein zwingender sprachlicher Grund, die Zeitbestimmung nur auf die Tabellenwerte zu beziehen. Sie kann sprachlich ebenso die §§ 30 bis 34 dieses Gesetzes und damit den letzten Halbsatz in § 5 Abs. 2 Satz 1 insgesamt betreffen. Da der Rentenbeginn auch in der in Bezug genommenen Vorschrift des § 33 (Abs. 2) wesentlich ist, liegt es nach allgemeinem Sprachgebrauch sogar nahe, daß die Zeitbestimmung (Rentenbeginn im Jahre 1956) beide Anwendungsfälle umfaßt. Bei dem vom Gesetzgeber gewählten Satzbau wäre eine Klarstellung erforderlich gewesen, wenn sie nur für einen Anwendungsfall gelten sollte.

Aus dem Umstand, daß das Gesetz nicht ausdrücklich die “entsprechende„ Anwendung der Umstellungsvorschriften anordnet, ist entgegen der Auffassung des LSG nicht zu schließen, § 33 müsse unmittelbar angewendet und der tatsächliche Rentenbeginn zugrunde gelegt werden. Wenn das Jahr des Rentenbeginns auch für Art. 2 § 33 fingiert wird, so ist es gerade nicht erforderlich, wegen der Abweichung vom tatsächlichen Rentenbeginn von einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift zu sprechen. Im übrigen ist die Folgerung, die das LSG aus dem Fehlen eines Hinweises auf die entsprechende Anwendung der Umstellungsvorschriften zieht, schon deshalb nicht schlüssig, weil in anderer Hinsicht eine unmittelbare Anwendung ohnehin ausscheidet. Das unmittelbare Anwendungsgebiet der Umstellungsvorschriften beschränkt sich nämlich auf die vor dem 1. Januar 1957 eingetretenen Versicherungsfälle, während Art. 3 § 5 Abs. 2 AnVNG schon tatbestandsmäßig nur für Versicherungsfälle nach dem 31. Dezember 1956 gilt.

Die Festlegung des Rentenbeginns auf das Jahr 1956 führt zwar beim Rentenhöchstbetrag praktisch zu einer Herabsetzung der fiktiven Versicherungsdauer, die um so größer ist, je mehr Jahre entfernt vom Inkrafttreten des AnVNG der Versicherungsfall liegt. Die Auswirkungen des Art. 3 § 5 Abs. 2 AnVNG, der nur eine Übergangslösung darstellt, sind jedoch nicht so, daß für die Betroffenen nicht vertretbare, unangemessene Ergebnisse erzielt werden. Denn die Fiktion der Zurückverlegung des Rentenbeginns bei Versicherungsfällen nach dem 31. Dezember 1956 auf das Jahr 1956 hat andererseits zur Folge, daß der Umstellungsfaktor höher ist, als er sein würde, wenn im Gesetz auch für die Jahre nach 1956 Umstellungsfaktoren bestimmt worden wären und wenn die Umstellung mit diesen - die Werte für das Jahr 1956 mit jedem Jahr weiter unterschreitenden - Faktoren für den tatsächlichen Rentenbeginn vorgenommen werden könnte. Das bewirkt, daß die nach § 5 Abs. 2 errechnete Rente vielfach höher ist als bei “normaler„ Umstellung und - wie der vorliegende Streitfall zeigt - bei Berechnung nach neuem Recht. Daß dem Kläger deshalb, weil seine Rente nach Art. 3 § 5 Abs. 2 AnVNG mit einem Rentenbeginn im Jahre 1956 berechnet wurde, kein Unrecht geschehen ist, zeigt die endgültige Berechnung seiner Rente im Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 1960. Nach dieser Berechnung hätte der Kläger nur Anspruch auf eine wesentlich niedrigere und nach der tatsächlichen Versicherungsdauer von 40 1/2 Jahren berechnete Rente. Demgegenüber wird ihm wegen der Besitzstandsgarantie in Art. 6 § 17 Abs. 1 Satz 3 FANG die einer Versicherungsdauer von 46 Jahren entsprechende Rente gezahlt. Sein Verlangen, die Rente nach einer noch höheren Versicherungsdauer zu bemessen, ist nicht berechtigt.

Die von der gegenteiligen Annahme ausgehenden Urteile des LSG und des SG müssen daher aufgehoben und die Klage abgewiesen werden (§§ 170 Abs. 2, 193 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2603720

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