Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 15.11.1988)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 15. November 1988 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob der in der CSSR geleistete Grundwehrdienst des Klägers als Beitragszeit iS von § 15 Abs 1 Satz 1 des Fremdrentengesetzes (FRG) rentensteigernd zu berücksichtigen ist.

Der 1929 geborene Kläger, der bis Juli 1966 in der Tschechoslowakei gewohnt hat, besitzt den Vertriebenenausweis A. In der Zeit vom 1. November 1951 bis 31. Oktober 1953 hatte er dort Militärdienst (Grundwehrdienst) geleistet. Anläßlich der Wiederherstellung von Versicherungsunterlagen nach § 11 Abs 2 der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) lehnte es die Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen ab, den Grundwehrdienst als Versicherungszeit anzuerkennen, weil ein Ersatzzeittatbestand iS von § 1251 Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht vorliege (Bescheid vom 9. Januar 1981). Mit Bescheid vom 15. Februar 1985 bewilligte die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) ab August 1984 Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit. Der wegen der Nichtberücksichtigung der Militärdienstzeit eingelegte Widerspruch blieb, nachdem die Beklagte die insoweit zugesagte sachliche Überprüfung des früheren Bescheides vom 9. Januar 1981 durchgeführt und eine Neufeststellung der Rente unter Berücksichtigung der streitigen Zeit als Beitragszeit abgelehnt hatte, ebenfalls ohne Erfolg (Bescheid vom 2. Januar 1986; Widerspruchsbescheid vom 19. März 1987). Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) den Bescheid der LVA Hessen vom 9. Januar 1981 „zurückgenommen” und die Beklagte unter Änderung ihrer Neufeststellungsbescheide verurteilt, die streitige Militärdienstzeit als Beitragszeit nach § 15 FRG rentensteigernd zu berücksichtigen. Auf die Berufung der Beklagten wurde das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil des SG Frankfurt vom 5. Oktober 1987; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts -LSG- vom 15. November 1988).

Das LSG hat im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe aufgrund der zugesagten sachlichen Überprüfung des von der LVA Hessen erteilten Bescheides vom 9. Januar 1981 eine Zugunstenentscheidung nicht erteilen müssen, weil der tschechoslowakische Grundwehrdienst des Klägers nicht die Voraussetzungen erfülle, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) an eine „beitragslose Beitragszeit” iS des § 15 FRG zu stellen seien. Zu den Beitragszeiten im Sinne dieser Vorschrift gehörten nicht solche Zeiten, deren Anrechnung an bestimmte Voraussetzungen im Versicherungsverlauf geknüpft sei, wie zB Ausfallzeiten und Ersatzzeiten (Hinweis auf den Beschluß des Großen Senats des BSG vom 25. November 1987 – GS 2/85BSGE 62, 255 = SozR 5050 § 15 Nr 35). Sowohl nach den alten Regelungen von 1948 als auch nach dem Gesetz von 1975 verlange der tschechoslowakische Gesetzgeber für die Anrechenbarkeit der Militärzeit eine mindestens einjährige Beschäftigungszeit, wie sich aus der gutachtlichen Stellungnahme des Instituts für Ostrecht München eV vom 28. Juli 1988 ergebe. In dem vorgenannten Beschluß habe das BSG beispielhaft die in § 7 des tschechoslowakischen Gesetzes Nr 101 vom 4. Juni 1964 geregelten Ersatzzeiten nicht als mit Beitragszeiten gleichgestellte Zeiten angesehen, weil ihre Anrechnung von einer vorausgegangenen mindestens einjährigen Beschäftigungsdauer abhängig sei. Gleiches gelte für den hier streitigen – unter der Geltung des Gesetzes Nr 99 vom 15. April 1948 zurückgelegten tschechoslowakischen Militärdienst des Klägers. Das entgegenstehende Urteil des BSG vom 8. April 1987 (- 5a RKn 4/86 BSGE 61, 267 = SozR 5050 § 15 Nr 33) sei durch die Entscheidung des Großen Senats vom 25. November 1987 (aaO) überholt.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 15 FRG. Er hält nach wie vor das Urteil des 5. Senats des BSG vom 8. April 1987 (aaO) für beachtlich, wonach der tschechoslowakische Militärdienst für Zeiten nach Beendigung des 2. Weltkrieges als Beitragszeit nach § 15 FRG anzuerkennen sei. Eine Abweichung hiervon wäre nur möglich, wenn der 5. Senat auf Anfrage seine bisherige Rechtsprechung aufgebe oder wenn der Große Senat des BSG die Rechtsfrage anders beantworte als der 5. Senat. Es liege jedoch kein überzeugender Grund vor, von der Entscheidung des 5. Senats abzurücken. Denn die vom LSG festgestellte tschechoslowakische Regelung habe offensichtlich nur den Zweck, eine rentenrelevante beitragsfreie Zeit an das Bestehen einer beitragspflichtigen Beschäftigung anzuknüpfen. Das mache die tschechoslowakische Militärdienstzeit einer bundesdeutschen Beitragszeit ohne Beitragsleistung nicht unvergleichbar. Ihre Entschädigung nach § 15 FRG bleibe daher gerechtfertigt. Dem stehe die Entscheidung des Großen Senats vom 25. November 1987 (aaO) nicht entgegen, denn diese habe nur die Anrechenbarkeit von Beschäftigungszeiten betroffen, die ein entsandter Angestellter eines tschechoslowakischen Betriebes im Ausland verrichtet habe, und habe zur rechtlichen Bewertung tschechoslowakischer Militärdienstzeiten weder Stellung genommen noch nehmen dürfen. Der Große Senat sei im übrigen bei dieser Entscheidung nach § 43 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und nicht nach § 42 SGG angerufen worden, um etwa von der Entscheidung des 5. Senats vom 8. April 1987 abweichen zu können. Folglich sei der 5. Senat auch an der Entscheidung des Großen Senats vom 25. November 1987 nicht beteiligt gewesen, so daß seine Entscheidung durch diese nicht „überholt” sei.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 15. November 1988 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 5. Oktober 1987 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, daß das LSG zu Recht die Voraussetzungen des § 15 FRG hinsichtlich des Wehrdienstes in der CSSR für nicht erfüllt angesehen habe, weil nach dem – im einzelnen dargestellten – tschechoslowakischen Recht eine vollständige Gleichstellung mit Beitragszeiten im Sinne der Beschlüsse des Großen Senats vom 4. Juni 1986 (- GS 1/85BSGE 60, 100 = SozR 5050 § 15 Nr 32) und 25. November 1987 (aaO) nicht gewährleistet sei. Sowohl nach dem Gesetz Nr 99 vom 15. April 1948 als auch nach dem Gesetz Nr 101 vom 4. Juni 1964 und dem Gesetz Nr 121 vom 12. November 1975 idF vom 28. März 1983 sei zwischen Beschäftigungszeiten im eigentlichen Sinne und den wie Beschäftigungszeiten zu berücksichtigenden „Ersatzzeiten” unterschieden, wobei Voraussetzung für die Berücksichtigung des Grundwehrdienstes als „Ersatzzeit” in allen Gesetzen sei, daß eine mindestens einjährige Beschäftigungszeit vorliege. Danach sei in der CSSR der Grundwehrdienst nicht als originäre, anspruchsbegründende Beschäftigungszeit eingestuft; er sei am ehesten einer Ersatzzeit im Sinne des deutschen Rechts vergleichbar. Das die Ansicht des Klägers bestätigende Urteil des BSG vom 8. April 1987 dürfte im übrigen durch die Entscheidung des Großen Senats vom 25. November 1987 überholt sein.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Zutreffend hat das LSG entschieden, daß der tschechoslowakische Grundwehrdienst des Klägers vom 1. November 1951 bis 30. Oktober 1953 nicht als Beitragszeit iS von § 15 FRG, die hier allein in Betracht kommt, auf die Erwerbsunfähigkeitsrente angerechnet werden kann. Der Kläger hat keinen Anspruch auf entsprechende Änderung des Rentenneufeststellungsbescheides vom 2. Januar 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 1987, mit dem die Beklagte die wegen des Grundwehrdienstes zugesagte sachliche Überprüfung durchgeführt hat. Diese bezog sich auf den außerhalb des Leistungsfeststellungsverfahrens gemäß § 11 Abs 2 VuVO erteilten Bescheid der LVA Hessen vom 9. Januar 1981, der auch gegenüber der Beklagten bindend geworden ist (vgl BSG SozR 1500 § 77 Nr 61). Die Beklagte als der für die Leistungsfeststellung im Rahmen der Wanderversicherung zuständige Leistungsträger ist iS von § 44 Abs 3 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, – Verwaltungsverfahren – (SGB X) „zuständige Behörde”, die über die Rücknahme des von der LVA Hessen erteilten Bescheides zu entscheiden hat, nachdem deren Zuständigkeit zur Herstellung von Versicherungsunterlagen mit dem Eintritt in das Verfahren zur Feststellung der Leistung geendet hatte (vgl § 12 VuVO). Einer Beiladung dieses Versicherungsträgers hat es nicht bedurft, denn er ist an dem Leistungsfeststellungsverhältnis nicht derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen könnte, § 75 Abs 2 Alternative 1 SGG.

Die Beklagte hat zu Recht die Voraussetzungen des § 15 Abs 1 Satz 1 FRG für die Anerkennung der streitigen Zeit als Beitragszeit verneint. Nach dem insoweit maßgeblichen tschechoslowakischen Recht ist die aus dem Grundwehrdienst erlangte rentenrechtliche Position einer bundesdeutschen Beitragszeit nicht vergleichbar im Sinne der Rechtsprechung des Großen Senats des BSG zu § 15 FRG (Beschluß vom 4. Juni 1986 – GS 1/85BSGE 60, 100 = SozR 5050 § 15 Nr 32 und Beschluß vom 25. November 1987 – GS 2/85BSGE 62, 255 = SozR 5050 § 15 Nr 35). Es handelt sich vielmehr um eine der bundesdeutschen Ersatzzeit entsprechende Position, die nicht nach § 15 FRG zu entschädigen ist.

Bereits in seinem ersten Beschluß vom 4. Juni 1986 (aaO) hat der Große Senat im einzelnen dargelegt, daß und warum der für das bundesdeutsche Rentenrecht zentrale Begriff der Beitragszeit in § 15 Abs 1 Satz 1 FRG nicht anders verstanden werden kann als in § 1250 Abs 1 Buchst a RVO/§ 27 Abs 1 Buchst a Angestelltenversicherungsgesetz (AVG). Beitragszeiten iS von § 15 Abs 1 Satz 1 FRG sind danach sowohl solche Zeiten, für die „Beiträge wirksam entrichtet sind” (Beitragszeiten im engeren Sinne bzw „echte” Beitragszeiten), als auch solche, „für die Beiträge als entrichtet gelten” (Beitragszeiten ohne Beitragsleistung bzw beitragslose Beitragszeiten). Dabei ist auch auf die rechtstechnisch erhebliche Tragweite des Begriffs der Beitragszeit hingewiesen worden, von dem sich rentenrechtlich „Versicherungszeiten” als Oberbegriff und weitere „Zeiten ohne Beitragsleistung”, zB „Ersatzzeiten” nach § 1251 RVO/§ 28 AVG und Ausfallzeiten nach § 1259 RVO/§ 36 AVG abgrenzten. Auch diese Begriffe hätten im FRG (§ 21, § 29 Abs 1 Satz 1 FRG) keinen anderen Inhalt als in den genannten Bestimmungen der allgemeinen Rentengesetze. Allerdings ist hinsichtlich der Prüfung, ob eine außerhalb der Bundesrepublik iS von § 15 Abs 1 Satz 1 FRG nach nichtdeutschem Recht (oder DDR-Recht) zurückgelegte Zeit anrechnungsfähige „Beitragszeit ohne Beitragsleistung” ist, in Rechnung gestellt worden, daß die im Herkunftsland erworbenen Ansprüche und Anwartschaften im Vergleich zu denjenigen der einheimischen Versichertern stark variierten, so daß im Rahmen des § 15 Abs 1 FRG nicht verlangt werden könne, daß sie ganz präzise den in § 1250 Abs 1 Buchst a RVO gestellten Anforderungen entsprächen; vielmehr müsse es genügen, wenn die bei einem fremden Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegte Zeit einer bundesdeutschen Beitragszeit nach § 1250 Abs 1 Buchst a RVO in den wesentlichen Kriterien so weit vergleichbar sei, daß eine Entschädigung im Wege der Gleichstellung mit ihr gerechtfertigt erscheine. Das ist vom GS für einen in der DDR abgeleisteten Grundwehrdienst mit der Begründung bejaht worden, daß dieser Dienst nach dortigem Recht als versicherungspflichtige Tätigkeit zähle bzw gelte und daher der bundesdeutschen Beitragszeit entspreche.

In einer zweiten Entscheidung vom 25. November 1987 (aaO) hat der Große Senat diese Grundsätze näher konkretisiert und dabei hinsichtlich der Gleichstellungsvoraussetzungen, die im Recht des Herkunftslandes erfüllt sein müßten, nunmehr für erforderlich gehalten, daß sowohl nach dem jeweils im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht als auch nach dem Recht, das in der streitigen Zeit gegolten habe, eine Gleichstellung der beitragslosen Zeiten mit echten Beitragszeiten gesetzlich vorgesehen sei. In diesem Zusammenhang hat der Große Senat erneut betont, daß zu den nach dem Recht des Herkunftslandes gleichgestellten Zeiten nicht solche Zeiten gehören, deren Anrechnung an bestimmte Voraussetzungen im Versicherungsverlauf geknüpft sind, „wie zB Ausfallzeiten und Ersatzzeiten”. Als bloße Ersatzzeit im diesem Sinne hat der Große Senat – allerdings nur in einem obiter dictum – die in § 7 des tschechoslowakischen Gesetzes Nr 101 vom 4. Juni 1964 über die soziale Sicherung geregelten Ersatzzeiten bezeichnet, die nur angerechnet würden, wenn ihnen eine Beschäftigungsdauer von mindestens einem Jahr vorausgehe. Eine derartige Einschränkung steht, wie sich aus dem weiteren Zusammenhang der Entscheidung ergibt, der Anrechenbarkeit als Beitragszeit im Rahmen des § 15 FRG entgegen.

Nach diesen Grundsätzen kann der hier streitige Grundwehrdienst nicht als beitragslose Beitragszeit iS von § 15 FRG angerechnet werden. Der Kläger war, wie sich aus den unangegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des LSG zum tschechoslowakischen Recht ergibt, weder zur Zeit der Ableistung des Grundwehrdienstes noch zur Zeit der Entscheidung über seinen Anspruch in gleicher Weise wie durch eine Beitragszeit abgesichert.

Nach § 2 Abs 1 des Gesetzes Nr 99 vom 15. April 1948 (abgedruckt in: Gesetze osteuropäischer Staaten über die Rentenversicherung, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger) waren in der Rentenversicherung seinerzeit ua Arbeitnehmer pflichtversichert, ausgenommen Berufssoldaten im aktiven Dienst. Nach § 61 dieses Gesetzes wurde für das Entstehen eines Leistungsanspruchs gefordert, daß der Berechtigte während der letzten fünf Jahre vor dem Leistungsfall oder vor seinem Ableben wenigstens vier Jahre versichert war (Abs 1). War eine Versicherungszeit von wenigstens einem Jahr zurückgelegt, so wurden den Versicherungszeiten ua die Zeiten des – aus welchem Grund auch immer – geleisteten Militärdienstes in der tschechoslowakischen Armee als „Ersatzzeit” gleichgestellt (Abs 2 Buchst b). Das spätere Gesetz Nr 121 vom 12. November 1975 in der bereinigten Fassung des Gesetzes Nr 30/1983, das an die Stelle des bereits genannten, zwischenzeitlich geltenden Gesetzes Nr 101 vom 4. Juni 1964 getreten ist, unterscheidet wie dieses zwischen Beschäftigungszeiten im eigentlichen Sinne und den wie Beschäftigungszeiten zu berücksichtigenden „Ersatzzeiten”. Nach § 10 Abs 1 des Gesetzes Nr 121 zählen zu ersteren ua Beschäftigungszeiten in einem Arbeitsverhältnis und Dienstzeiten der Berufssoldaten; zu den „Ersatzzeiten” nach § 11 gehört ua „die Dienstzeit in den tschechoslowakischen bewaffneten Streitkräften, sofern diese Zeit nicht schon als Dienst des Berufssoldaten gewertet wird” (Abs 1 Buchst a). Voraussetzung für die Anrechnung als „Ersatzzeit” ist auch hier, wie bereits in den früheren Gesetzen Nr 99 und Nr 101, daß eine mindestens einjährige Beschäftigungszeit vorliegt. Da mithin die Ersatzzeit des Grundwehrdienstes bei der Beschäftigungszeit nur dann berücksichtigt wird, wenn eine Beschäftigungszeit von bestimmter Dauer (iS von § 10 Abs 1) vorliegt, steht dieser Dienst (anders als der Dienst der Berufssoldaten, der selbst Beschäftigungszeit iS von § 10 ist) nicht einer bundesdeutschen Beitragszeit ohne Beitragsleistung iS von § 1250 Abs 1 Buchst a RVO/§ 27 Abs 1 Buchst a AVG, sondern eher einer sonstigen „Zeit ohne Beitragsleistung” iS von § 1250 Abs 1 Buchst b RVO/§ 27 Abs 1 Buchst b AVG gleich. Auch nach bundesdeutschem Recht unterscheiden sich Zeiten ohne Beitragsleistung nach § 1251 RVO/§ 28 AVG (Ersatzzeiten) von den Beitragszeiten ohne Beitragsleistung dadurch, daß erstere grundsätzlich nur angerechnet werden, wenn eine Versicherung vorher bestanden hat oder sonstige Voraussetzungen im Versicherungsverlauf erfüllt sind (§ 1251 Abs 2 RVO/ § 28 Abs 2 AVG), was bei den beitragslosen Beitragszeiten, für die Beiträge als entrichtet gelten, nicht erforderlich ist. Die Zeit des tschechoslowakischen Grundwehrdienstes des Klägers ist mithin keine Beitragszeit iS des § 15 Abs 1 Satz 1 FRG (so auch Bay LSG Urteil vom 22. März 1989 – L 13 Kn 7/88 –).

Damit weicht der erkennende Senat von dem Urteil des 5a-Senats vom 8. April 1987 (- 5a RKn 4/86BSGE 61, 267 = SozR 5050 § 15 Nr 33) schon deshalb nicht ab, weil diesem Urteil andere Feststellungen als im vorliegenden Fall zugrunde liegen. Dort hat der 5a-Senat zunächst auf das – im vorliegenden Fall nicht einschlägige – tschechoslowakische Gesetz Nr 101 vom 4. Juni 1964 abgestellt, das zur Zeit des Wegzugs des dortigen Klägers aus dem Herkunftsland gegolten habe, und hat zu diesem Gesetz näher ausgeführt, daß die Rentenansprüche jeweils eine bestimmte Beschäftigungsdauer voraussetzten (§ 11 Abs 1). Die nicht als Beruf ausgeübte Dienstzeit in den tschechoslowakischen bewaffneten Streitkräften werde gemäß § 7 Abs 1 Buchst a des Gesetzes Nr 101 „zu der Beschäftigungszeit angerechnet”, wenn diese mindestens ein Jahr gedauert habe. Auch nach dem inzwischen in der Tschechoslowakei geltenden Gesetz Nr 121 vom 12. November 1975 in der bereinigten Fassung des Gesetzes Nr 30/1983 richteten sich die Rentenansprüche nach der Dauer der Beschäftigungszeit, wobei als solche nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 9 Abs 2 Buchst a des Gesetzes Nr 121 auch der Dienst in den bewaffneten Streitkräften zu verstehen sei. Daraus folgert der 5a-Senat (allerdings ohne die Differenzierung in Beschäftigungszeiten und Ersatzzeiten in §§ 10, 11 des genannten Gesetzes zu beachten), daß damit die Beschäftigungszeit in den bewaffneten Streitkräften in der tschechoslowakischen Rentenversicherung der Beitragszeit im Bundesgebiet entspreche. Hiervon weicht die Entscheidung des LSG nicht ab, weil sie gemäß dem – späteren – Beschluß des Großen Senats vom 25. November 1987 auf das zur Zeit des streitigen Grundwehrdienstes geltende Recht sowie auf das zur Zeit der Entscheidung für diesen Dienst geltende Recht abgestellt hat, mithin auf Bestimmungen wie § 61 des Gesetzes Nr 99 und § 11 des Gesetzes Nr 121, die der 5a-Senat bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt hat. Danach ist der Grundwehrdienst in den bewaffneten Streitkräften nach den insoweit für den Senat bindenden Feststellungen zum tschechoslowakischen Recht nicht selbst eine – originäre – Beschäftigungszeit bzw Versicherungszeit, sondern wird einer solchen bei der Rentenberechnung nur unter der Voraussetzung gleichgestellt, daß eine bestimmte Beschäftigungszeit bzw Versicherungszeit vorliegt. Insoweit fehlt es an der Identität der vom 5a-Senat entschiedenen und der hier zu entscheidenden Rechtsfrage, weil beide Entscheidungen hinsichtlich der zugrunde gelegten tschechoslowakischen Normen keine übereinstimmende Begrenzung aufweisen, so daß auch eine übereinstimmende Entscheidung nicht zwingend geboten ist. Eine Anfrage beim 5a-Senat war insoweit nicht erforderlich (vgl zur Bedeutung unterschiedlicher Sachverhaltsgestaltungen im Hinblick auf § 42 SGG BSGE 29, 225, 228; 49, 175, 179 = SozR 5050 § 15 Nr 13 S 34; BSGE 58, 183, 186 f = SozR 1500 § 42 Nr 10 S 14).

Aber selbst dann, wenn der erkennende Senat zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine erneute Anrufung des Großen Senats für erforderlich hielte, wären die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt; denn dieser hat bereits in seiner Entscheidung vom 25. November 1987 (aaO) klargestellt, daß zu den Beitragszeiten iS von § 15 FRG nicht solche Zeiten gehören, „deren Anrechnung an bestimmte Voraussetzungen im Versicherungsverlauf geknüpft sind” (Ersatzzeiten), und als Beispiel hierfür gerade diejenige Norm zitiert – § 7 des tschechoslowakischen Gesetzes 101 –, die dem Urteil des 5a-Senats zugrunde liegt. Daß der genannte Beschluß des Großen Senats nicht speziell Grundwehrdienstzeiten, sondern eine Auslandstätigkeit (Entsendung nach Tunesien) betraf, ist insoweit unerheblich, denn der nach § 43 des Sozialgerichtsgesetzes SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung einer die Auslegung des § 15 FRG betreffenden Rechtsfrage angerufene und insoweit nicht allein auf den durch die Vorlagefrage abgegrenzten Tatbestand beschränkte Große Senat hatte Veranlassung, die in seinem Beschluß vom 4. Juni 1986 dargelegten Grundsätze hinsichtlich ihrer Tragweite weiter zu konkretisieren und dabei auch abzugrenzen, welche Typen von beitragslosen Versicherungszeiten fremden Rechts nicht zu den Beitragszeiten iS von § 15 FRG gehören bzw welche Einschränkungen ihrer Anrechenbarkeit im fremden Recht für § 15 FRG rechtserheblich sind. Insoweit ist das LSG mit Recht davon ausgegangen, daß die Entscheidung des 5a-Senats durch die spätere Entscheidung des Großen Senats vom 25. November 1987 „überholt” ist. Eine erneute Anrufung dieses Senats nach § 43 SGG wäre unzulässig, weil die hier zu entscheidende Frage bereits beantwortet und daher nicht mehr von grundsätzliche Bedeutung ist.

Nach allem konnte die Revision des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173331

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