Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 16.12.1987)

SG Berlin (Urteil vom 27.09.1985)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 1987 und des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 1985 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt worden ist, auch die Zeiten vom 1.1.1937 bis 30.11.1938 und vom 1.1.1939 bis 16.9.1939 als Beitragszeiten bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen.

Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Im übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers

auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob Beamtendienstzeiten in der polnischen Finanzverwaltung und Berufsmilitärdienstzeiten in der polnischen Volksarmee als Beitragszeiten iS von § 15 Fremdrentengesetz (FRG) zu berücksichtigen sind.

Der 1911 in Galizien/Polen geborene, deutschsprachig aufgewachsene Kläger ist Verfolgter iS des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Nach einem Studium der Rechtswissenschaften war er als Jurist tätig, und zwar in der hier streitigen Zeit von Januar 1937 bis September 1939 als Finanzpraktikant bzw Beamter in der polnischen Finanzverwaltung und – nach dem Ende der Verfolgung und dem anschließenden Kriegsdienst – von Mai 1945 bis Juli 1955 im Dienst der polnischen Volksarmee sowie von August 1955 bis Dezember 1957 im Justizministerium in Warschau. Noch zur Zeit seiner Auswanderung aus Polen im Dezember 1957 gehörte der Kläger dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) an. Seither lebt der Kläger in Israel und besitzt die israelische Staatsangehörigkeit.

Nachdem die Beklagte zunächst die beantragte Anerkennung von polnischen Beschäftigungszeiten abgelehnt hatte (Bescheid vom 14. August 1979), bewilligte sie während des Widerspruchsverfahrens das beantragte Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres und legte dabei die Zeiten vom 1. Januar 1937 bis zum 30. November 1938, vom 1. Januar 1939 bis zum 16. September 1939 und vom 9. Mai 1945 bis zum 31. Juli 1955 als Beschäftigungszeiten iS von § 16 FRG zugrunde (Bescheid vom 21. April 1981). Nach Aufhebung des Rentenbescheides und Neufeststellung der Rente wegen einer zwischenzeitlichen Beitragsnachentrichtung (Bescheid vom 2. November 1982) wies die Beklagte den wegen der Bewertung von Beschäftigungszeiten als Beitragszeiten iS von § 15 FRG aufrechterhaltenen Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 1983).

Im anschließenden Klageverfahren wurde die Beklagte antragsgemäß verurteilt, die vorgenannten Zeiten als Beitragszeiten gemäß § 15 FRG bei der Berechnung des Altersruhegeldes zugrunde zu legen (Urteil des Sozialgerichts -SG- Berlin vom 27. September 1985). Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg (Urteil des Landessozialgerichts -LSG- Berlin vom 16. Dezember 1987). Das LSG hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger, der unstreitig die Voraussetzungen für die Anwendung des FRG erfülle, habe nach dem seit 1. Juli 1954 geltenden polnischen Recht aufgrund seiner in Polen zurückgelegten Beamtenund Berufssoldatenzeiten eine Rentenanwartschaft erworben, die unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 15 FRG als Beitragszeit zu entschädigen sei. Dabei seien auch die bis zum 30. Juni 1954 in dem bisherigen Versorgungssystem für Beamte und Berufssoldaten zurückgelegten – versicherungsfreien – Zeiten ex tunc in das seit 1. Juli 1954 (im wesentlichen noch heute) bestehende polnische Rentensystem einbezogen und den polnischen Beschäftigungszeiten gleichgestellt worden. Das genüge auch den in der Rechtsprechung geforderten zeitlichen Gleichstellungsvoraussetzungen, weil der Kläger zur Zeit des Inkrafttretens dieser Regelung noch als Berufssoldat in der polnischen Armee tätig gewesen sei. Dabei habe sich die rückwirkend vorzunehmende Neubewertung im Sinne einer „Nachversicherung” nach bundesdeutschem Recht gleichzeitig auch auf die Beschäftigungszeiten bei der Finanzverwaltung in den Jahren von 1937 bis 1939 erstreckt. Unschädlich sei ferner, daß für den Personenkreis der Berufssoldaten auch nach dem 1. Juli 1954 ein besonderes Versorgungssystem bestanden habe und daß die Gleichstellung ihrer Militärdienstzeiten mit den Beschäftigungszeiten der polnischen Rentenversicherung den Berufssoldaten auch damals nur einen – subsidiären – Rentenanspruch für den Fall gesichert habe, daß sie nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch aus dem besonderen Versorgungssystem für Berufssoldaten erfüllt gehabt hätten oder aber – wie nach derzeitigem Recht – die nach dem allgemeinen polnischen Rentensystem festgelegten Leistungen günstiger seien. Auch einer solchen subsidiären Rechtsposition komme im Falle des Klägers eine im Rahmen des § 15 Abs 1 FRG rechtsbegründende Wirkung zu, weil ihm zu der Zeit, zu der er Polen verlassen habe, nach den maßgeblichen polnischen Rechtsvorschriften und den vorgelegten Bescheinigungen ein Versorgungsanspruch aus dem besonderen Versorgungssystem nicht zugestanden habe, schon weil er bis dahin nicht die dafür geforderte Mindestversicherungszeit von 15 Jahren zurückgelegt gehabt habe. Schließlich fehle es für die vom Kläger in Polen erlangte Rechtsposition auch nicht an einem Äquivalent im deutschen Rentenrecht. Denn auch hier wäre ein an sich versicherungsfreier Beamter oder Berufssoldat, wenn er ohne Versorgung aus diesen Beschäftigungen ausgeschieden wäre, nachzuversichern gewesen mit der Folge, daß die nachentrichteten Beiträge als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge zu gelten hätten. Da das Eingliederungsprinzip als Schranke der Entschädigung nach § 15 FRG nur die prinzipielle Vereinbarkeit der nach fremdem Recht erlangten Rechtsposition mit dem Rentensystem der Bundesrepublik verlange, brauchten die Nachversicherungserfordernisse nach deutschem Recht nicht im einzelnen erfüllt zu sein.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 15 FRG. Sie meint, die streitigen Zeiten genügten nicht den Anforderungen, die die Rechtsprechung des BSG hinsichtlich der Art und Zeit der Gleichstellung und der Eingliederungsfähigkeit der „beitragslosen” Fremdbeitragszeiten aufgestellt habe. Hinsichtlich der in der polnischen Finanzverwaltung zurückgelegten Beamtendienstzeiten sei eine Entschädigung nach § 15 FRG schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil weder während ihres Verlaufs noch bei ihrer Beendigung im Jahre 1939 nach polnischem Recht eine Gleichstellung mit Beitragszeiten vorgesehen gewesen sei. Dieses Ergebnis werde auch nicht durch den vom LSG herangezogenen Gesichtspunkt der „Nachversicherung” in Frage gestellt. Denn bei den Dienstzeiten in der Finanzverwaltung habe es sich um ein anderes Beschäftigungsverhältnis gehandelt als bei den späteren Dienstzeiten in der polnischen Volksarmee. Für die als gesondertes Beschäftigungsverhältnis zu wertende Beamtenzeit sei ein Versichertenstatus erst nachträglich – ab 1. Juli 1954 – gewährt worden. Dies reiche aber für die Anwendung des § 15 FRG nicht aus. Auch eine Entschädigung der Berufssoldatenzeiten des Klägers von 1945 bis 1955 erscheine nach den in der Rechtsprechung des BSG aufgestellten Maßstäben nicht gerechtfertigt. Gegen eine solche Entschädigung spreche sowohl die Art als auch die Zeit der Gleichstellung und schließlich die fehlende Eingliederungsfähigkeit. Eine nur subsidiäre Einbeziehung berufsmäßiger Militärdienstzeiten in die polnische Rentenversicherung genüge nicht der erforderlichen qualitativen Gleichwertigkeit mit einer durch Beitragsleistung begründeten Rentenanwartschaft. Selbst wenn diese Gleichwertigkeit bejaht werde, dürfte es an den zeitlichen Anforderungen an eine derartige Gleichstellung fehlen. Müsse diese schon während des gesamten Verlaufs der streitigen Beschäftigung vorgesehen sein, wären allenfalls die Militärzeiten des Klägers ab 1. Juli 1954 für eine Entschädigung in Betracht zu ziehen. Würde es hingegen genügen, daß der Betroffene spätestens am Ende seiner Beschäftigung – ex tunc – in ein auf Beitragsleistung beruhendes Sicherungssystem einbezogen ist, fehle es an der erforderten Eingliederungsfähigkeit dieser Zeiten; denn für Berufssoldaten bestehe im deutschen Rentenrecht nur eine Nachversicherungsregelung, hingegen keine „normale” Versicherungs- und Beitragspflicht.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 1987 und des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 1985 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Anders als die Beklagte und auch das LSG meinten, seien jedoch die streitbefangenen Zeiten nicht als „beitragslose” Beitragszeiten, sondern als „echte” Beitragszeiten iS von § 15 FRG zu werten, weil sowohl während seiner Beamtentätigkeit Beiträge zur polnischen Emiritalanstalt als auch aufgrund seines Militärdienstes Versicherungsbeiträge entrichtet worden seien. Deshalb seien diese Zeiten ohne weiteres von § 15 FRG erfaßt. Aber auch wenn dieser Auffassung nicht gefolgt werde, könne das Ergebnis aufgrund der Rechtsprechung des BSG zu den sog beitragslosen Beitragszeiten nicht anders sein.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist nur zu einem geringen Teil begründet. Die Voraussetzungen für eine Entschädigung der streitbefangenen Zeiten als Beitragszeiten iS von § 15 Abs 1 FRG sind nur für die in den Jahren von 1937 bis 1939 zurückgelegten Beamtendienstzeiten zu Unrecht bejaht worden, so daß der Revision insoweit stattzugeben war. Hingegen sind die polnischen Berufsmilitärdienstzeiten von 1945 bis 1955 zu Recht als entschädigungspflichtig angesehen worden; insoweit war die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Darüber, daß das FRG – und damit dessen § 15 – auf den Kläger Anwendung findet, besteht kein Streit; die Beklagte hat die streitbefangenen Zeiten bereits als Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG bei der Rentenberechnung berücksichtigt, weil der Kläger als vertriebener Verfolgter einem anerkannten Vertriebenen iS von § 1 Buchst a FRG gleichsteht (§§ 20, 19 Abs 2 Buchst a, 2. Halbsatz WGSVG iVm §§ 1, 6 BVFG). Das Rechtsschutzbedürfnis des in Israel wohnenden Klägers an einer Bewertung der streitbefangenen Zeiten als Beitragszeiten ergibt sich daraus, daß Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG nicht zu einer Auslandsrentenzahlung führen (§ 99 Abs 1 Satz 3 Angestelltenversicherungsgesetz -AVG- iVm Art 3 Abs 1 des deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommens).

Während der streitbefangenen Zeiten hat der Kläger nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG in der polnischen Finanzverwaltung Beamtendienst und in der polnischen Armee Berufsmilitärdienst geleistet, ohne daß für ihn Beiträge zu einem nichtdeutschen Rentenversicherungsträger entrichtet worden sind. Er war vielmehr bis zum 30. Juni 1954 in das bis dahin bestehende Pensionsversorgungssystem für Staatsbeamte und Berufssoldaten und nach dem 1. Januar 1954 in das (seither bestehende) besondere Versorgungssystem für Berufssoldaten einbezogen, die beide nicht als gesetzliche Rentenversicherung iS von § 15 Abs 2 Satz 1 FRG gelten, weil sie vorwiegend zur Sicherung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst geschaffen worden sind (§ 15 Abs 2 Satz 3 FRG). Deshalb können die dort zurückgelegten Zeiten – entgegen der Ansicht des Klägers – ungeachtet einer etwaigen Beitragsentrichtung zu diesen Systemen nicht als „echte” Beitragszeiten iS von § 15 FRG anerkannt werden. Gleichwohl können sie von § 15 FRG erfaßt werden, wenn und soweit sie den Begriff der Beitragszeit in § 27 Abs 1 Buchst a AVG erfüllen. Danach werden in der Rentenversicherung unter dem Begriff „Beitragszeiten” neben den Zeiten, für die Beiträge entrichtet worden sind, auch solche Zeiten verstanden, für die Beiträge als entrichtet gelten (sog beitragslose Beitragszeiten). Diese Definition gilt auch für den Begriff der Beitragszeiten in § 15 FRG.

Die Grundsätze, nach denen zu beurteilen ist, ob Zeiten ohne Beitragsleistung als Beitragszeiten im vorgenannten Sinne anerkannt werden können, hat der Große Senat (GS) des BSG bereits in seinem Beschluß vom 4. Juni 1986 (BSGE 60, 100 = SozR 5050 § 15 Nr 32) herausgearbeitet und in seinem weiteren Beschluß vom 25. November 1987 (BSGE 62, 255 = SozR 5050 § 15 Nr 35) näher konkretisiert. Danach bestimmt in erster Linie das Recht des Herkunftslandes, ob Beiträge als entrichtet gelten bzw ob beitragslose Zeiten in qualitativer und zeitlicher Hinsicht den Zeiten, für die Beiträge zu entrichten sind, gleichgestellt worden sind.

Das LSG hat zum polnischen Recht festgestellt, daß durch das am 1. Juli 1954 in Kraft getretene Dekret vom 25. Juni 1954 über die Pensionsversorgung der Arbeitnehmer und ihrer Familien für alle abhängig Beschäftigten in Polen ein allgemeiner Rentenschutz aufgrund eines Pflichtversicherungssystems eingeführt worden sei. Aufgrund dieses Dekrets, das den Grundstein für das auch zur Zeit noch in Polen bestehende Rentensystem bilde, werde seither zwischen Beschäftigungszeiten, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (das polnische Rentenrecht kenne den Begriff der Beitragszeit nicht), ferner gleichgestellten Zeiten, wie zB den Dienstzeiten als Berufssoldat, und sog hinzutretenden Zeiten unterschieden. In dieses Rentensystem seien die bis zum 30. Juni 1954 aufgrund des Gesetzes vom 11. Dezember 1923 über die Pensionsversorgung der Staatsbeamten und Berufssoldaten zurückgelegten – bisher versicherungsfreien – Dienstzeiten jedenfalls in den Fällen übernommen worden, in denen – wie hier – aus den bis 30. Juni 1954 zurückgelegten Zeiten noch keine Versorgungsansprüche aus dem früheren Versorgungssystem erwachsen gewesen seien. Dabei habe sich die aufgrund des Dekrets vom 25. Juni 1954 rückwirkend vorzunehmende Neubewertung der früheren Zeiten im Sinne einer „Nachversicherung” nach bundesdeutschem Recht gleichzeitig auch auf die Beschäftigungszeiten bei der Finanzverwaltung in den Jahren von 1937 bis 1939 erstreckt. Allerdings habe für den Personenkreis der Berufssoldaten auch nach dem ab 1. Juli 1954 geltenden Recht ein besonderes Versorgungssystem bestanden. Insoweit habe die Gleichstellung der Militärdienstzeiten mit den Beschäftigungszeiten den Berufssoldaten auch damals nur einen – subsidiären Rentenanspruch für den Fall gesichert, daß bei Beendigung des Militärdienstes nicht die Leistungsvoraussetzungen des besonderen Versorgungssystems erfüllt gewesen seien. Der Kläger habe bis zu seiner Ausreise aus Polen einen Versorgungsanspruch aus dem besonderen Versorgungssystem für Berufssoldaten nicht erworben gehabt, schon weil er die dafür erforderliche Mindestzeit von 15 Dienstjahren mit den vom polnischen Versorgungsträger mitgeteilten Dienstzeiten von 1945 bis 1955 nicht erfüllt gehabt habe.

An diese Feststellungen zum polnischen Recht und die darauf beruhende Rechtsauslegung des LSG ist das Revisionsgericht gebunden, weil es sich insoweit um nichtrevisibles Recht handelt (§ 162 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Eine andere Auslegung dieses Rechts ist dem Revisionsgericht verwehrt; es muß die rechtlichen Schlußfolgerungen aus dem irrevisiblen Recht ebenso hinnehmen wie die tatsächlichen Feststellungen des LSG nach § 163 SGG (so bereits die Urteile des erkennenden Senats in BSGE 44, 221, 222 und 25, 20, 23 mwN).

Auf der Grundlage dieser – bindenden – Feststellungen ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, daß die im polnischen Berufsmilitärdienst zurückgelegten Zeiten nach § 15 FRG zu entschädigen sind. Die im polnischen Rentenrecht vorgesehene Gleichstellung der Berufssoldatenzeiten mit polnischen Beschäftigungszeiten, die ihrerseits – verglichen mit bundesdeutschem Recht – den Charakter echter Beitragszeiten haben, erfüllt zunächst die inhaltlichen Voraussetzungen, die die Rechtsprechung des BSG insoweit verlangt (vgl die genannten Beschlüsse des GS; s dazu im einzelnen auch Buczko, DAngVers 1988, 392, 395f). Danach muß die beitragslose Zeit nach fremdem Recht sowohl hinsichtlich der versicherungsrechtlichen als auch der leistungsrechtlichen Anrechnungsvoraussetzungen wie eine echte Beitragszeit behandelt werden, dh den gleichen Versichertenstatus wie eine solche vermitteln. Das wird auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.

Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Voraussetzungen für eine Entschädigung der Berufsmilitärdienstzeit auch insoweit erfüllt, als die vor dem 1. Juli 1954 zurückgelegten Zeiten erst aufgrund des Dekrets vom 25. Juni 1954 rückwirkend in die polnische Rentenversicherung einbezogen worden sind. Zwar kann die Gleichstellung beitragsloser Zeiten mit echten Beitragszeiten – was den Zeitpunkt der Gleichstellung betrifft – nicht uneingeschränkt zur Anerkennung einer Beitragszeit iS von § 15 FRG führen. Der GS hat insoweit in seinem Beschluß vom 25. November 1987 (aaO, S 261) die frühere Rechtsprechung bestätigt, wonach die nachträgliche Gewährung eines Versichertenstatus durch den fremdstaatlichen Gesetzgeber nicht genügt (Hinweis auf BSG SozR 5050 § 15 Nrn 1 und 11; Urteil vom 27. September 1979 – 4 RJ 17/78 –). Es muß vielmehr sowohl nach dem Recht, das zum Zeitpunkt der Entscheidung über § 15 FRG gilt, als auch nach dem Recht, das in der streitigen Zeit gegolten hat, im Herkunftsland eine Gleichstellung der beitragslosen Zeiten mit echten Beitragszeiten vorgesehen sein.

Das bedeutet entgegen der Ansicht der Beklagten nicht, daß der Versicherte während des gesamten Verlaufs der streitigen Zeit in ein fremdstaatliches Rentenversicherungssystem einbezogen gewesen sein muß; es genügt vielmehr, wenn der Versicherte während dieser Zeit, spätestens aber mit ihrem Ende – in diesem Falle: ex tunc in ein solches System einbezogen worden ist (BSG SozR 5050 § 15 Nr 11 unter Hinweis auf BSG SozR Nr 16 zu § 15 FRG; SozR 5050 § 15 Nrn 8 und 9). Dies gilt schon im Hinblick auf § 9 Abs 5a AVG insbesondere für solche Sachverhalte, die – wie für den vorliegenden Fall noch auszuführen sein wird – der Nachversicherung nach innerstaatlichem Recht vergleichbar sind (vgl BSG SozR 5050 § 15 Nr 19). Entgegen der Ansicht der Beklagten erfüllt deshalb die Berufsmilitärdienstzeit des Klägers die zeitlichen Gleichstellungsvoraussetzungen nicht nur insoweit, als sie nach dem 1. Juli 1954 zurückgelegt worden ist; auch die vorhergehende Zeit vom 9. Mai 1945 bis zum 30. Juni 1954 ist noch vor dem Ende dieser Beschäftigung (31. Juli 1955) durch – rückwirkende – Gleichstellung mit den polnischen Beschäftigungszeiten in das allgemeine polnische Rentenversicherungssystem einbezogen worden.

Daß diese Einbeziehung auch für Zeiten ab 1. Juli 1954 nur für den Fall erfolgt ist, daß dem Versicherten aus dem nach diesem Stichtag eingerichteten besonderen Versorgungssystem für Berufssoldaten kein Versorgungsanspruch oder – nach neuerem polnischen Recht – kein höherer Versorgungsanspruch zusteht, steht der Entschädigung nach § 15 FRG ebenfalls nicht entgegen. Da der Kläger – wie das LSG festgestellt hat – im Juli 1955 ohne Versorgung aus dem Berufsmilitärdienst ausgeschieden ist – ein Versorgungsanspruch konnte bis dahin schon mangels Erfüllung der erforderlichen Mindestdienstzeit von 15 Jahren nicht erworben worden sein –, ist die ursprünglich nur „subsidiär” (unter einer aufschiebenden Bedingung) gewährte rentenrechtliche Rechtsposition aus dem Dienst als Berufssoldat spätestens mit Aufgabe dieses Dienstes wirksam geworden. Seitdem ist der Kläger nicht mehr in ein Versorgungssystem iS des § 15 Abs 2 Satz 3 FRG, sondern nur noch in ein solches nach § 15 Abs 2 Satz 1 FRG einbezogen gewesen. Deshalb hat das LSG diese – bei der Ausreise aus Polen noch vorhandene – Rechtsposition im Rahmen des § 15 FRG zu Recht als „entschädigungsfähig” angesehen. Diese Qualifizierung ist auch aus dem diese Bestimmung maßgeblich prägenden Entschädigungsgedanken gerechtfertigt: Dem Versicherten soll mindestens die Rechtsposition erhalten bleiben, die er aus den im Herkunftsland anzurechnenden Beitragszeiten erworben hat (BT-Drucks III/1109, S 39 f).

Für diese Rechtsposition fehlt es schließlich auch nicht an der erforderlichen Vereinbarkeit mit den Grundstrukturen des innerstaatlichen Rentenrechts. Wie der GS in seinen og Beschlüssen (aaO) im einzelnen zur Einschränkung des Entschädigungsgedankens durch das Eingliederungsprinzip dargelegt hat, ist der Entschädigung von im Herkunftsland erworbenen Rentenansprüchen und -anwartschaften eine rechtliche Grenze dort gesetzt, wo deren Anrechnung mit der Struktur des innerstaatlichen Rentenrechts schlechthin und offenkundig unvereinbar wäre. Das ist bezüglich der streitigen Berufssoldatenzeit nicht der Fall. Denn auch das innerstaatliche Recht kennt für die primär in ein besonderes Versorgungssystem einbezogenen Berufssoldaten eine – subsidiäre Einbeziehung in das allgemeine Rentenrecht für den Fall, daß sie ohne Versorgungsanspruch aus dem Soldatendienst und damit aus dem besonderen Versorgungssystem ausgeschieden sind. Zu Recht hat das LSG darauf hingewiesen, daß der Kläger als Berufssoldat wegen seiner Einbeziehung in die Soldatenversorgung zwar nach § 6 Abs 1 Nr 5 AVG versicherungsfrei gewesen wäre, jedoch nach Bundesrecht dann, wenn er ohne Versorgung aus diesem Dienst ausgeschieden wäre, gemäß § 9 Abs 3 AVG nachzuversichern gewesen wäre mit der Folge, daß die nachzuentrichtenden Beiträge als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge gelten (§ 124 Abs 4 AVG) und der geleistete Dienst einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit gleichsteht (§ 9 Abs 5a AVG). Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, daß eine derartige Nachversicherungsregelung nicht der „normalen” Zurücklegung von Beitrags- bzw Versicherungszeiten entspreche und deshalb ein vergleichbarer fremdstaatlicher Tatbestand nicht von § 15 FRG erfaßt sein könne. Daß Sachverhalte, die einer innerstaatlichen Nachversicherung vergleichbar sind, im Rahmen des § 15 FRG entschädigt werden können, hat das BSG bereits entschieden und ausgeführt, daß es ausreicht, wenn das fremde Recht versicherungsfreie Dienstzeiten (erst) nach dem Ausscheiden aus dem Dienst und ohne Durchführung einer dem bundesdeutschen Recht vergleichbaren Nachversicherung einer Versicherungszeit gleichstellt (BSGE 44, 221, 222 = SozR 5050 § 15 Nr 8; ferner SozR aaO Nr 19). Hiervon abzugehen sieht der Senat keinen Anlaß. Daß auch nach Bundesrecht versicherungsfreie Beschäftigungszeiten durch die Nachversicherung nicht nachträglich in versicherungspflichtige Beschäftigungszeiten umgewandelt werden, sondern ein Versicherungsverhältnis erst mit dem Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung begründet wird (vgl BSGE 1, 219, 221/222; 11, 278, 285), bedeutet nicht, daß diese mit dem Nachversicherungsfall erworbene Rechtsposition gegenüber einer von Anfang an versicherten Beschäftigung eine Rechtsposition minderen Rechts gewährte, die deshalb auch im Rahmen des § 15 FRG nicht als „zurückgelegte Beitragszeit” berücksichtigt werden könnte. Ebenso wie die Fiktionen des § 124 Abs 4 AVG und des § 9 Abs 5a AVG versicherungsrechtlich und leistungsrechtlich eine vollinhaltliche Gleichstellung mit einer echten Beitragszeit bewirken, dh eine Beitragszeit nach bundesdeutschem Recht als zurückgelegt gilt, reicht es auch für die Zurücklegung einer Beitragszeit iS von § 15 FRG aus, wenn die in fremdem Berufsmilitärdienst zurückgelegten Dienstzeiten nach dem Ausscheiden aus diesem Dienst aufgrund des fremden Rechts mit Wirkung ex tunc den Versicherungszeiten gleichgestellt werden.

Schließlich kann es für die Vereinbarkeit der vom Kläger erlangten Rechtsposition mit bundesdeutschem Recht nicht darauf ankommen, daß der vom LSG herangezogene § 9 AVG erst am 1. März 1957 – also nach Beendigung der hier streitigen Berufssoldatenzeit des Klägers – in Kraft getreten ist und grundsätzlich nur Nachversicherungsfälle betrifft, die nach dem 28. Februar 1957 eingetreten sind. Das Rechtsinstitut der Nachversicherung war schon lange vor dieser Regelung Bestandteil des deutschen Rentenrechts. Auch für Berufssoldaten gab es schon nach früherem Recht eine Nachversicherungsregelung (§ 18 AVG aF iVm § 1242b RVO). Die Neuregelungsgesetze aus dem Jahre 1957 haben dieses Rechtsinstitut aufrechterhalten bzw wieder auf Berufssoldaten erstreckt (§ 9 Abs 3 AVG). Dabei hat der Gesetzgeber, wie sich aus dem Übergangsrecht ergibt, nicht nur die vor dem 1. März 1957 zurückgelegten Dienstzeiten in die Nachversicherung nach § 9 AVG einbezogen (Art 2 § 4 Abs 1 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz -AnVNG-), sondern prinzipiell auch in Fällen, in denen eine vor dem genannten Stichtag durchzuführende Nachversicherung nicht durchgeführt oder nicht fingiert worden ist, ein Wiederaufleben der Nachversicherungsschuld mit Wirkung vom 1. März 1957 an vorgesehen (Art 2 § 4 Abs 2 AnVNG). Jedenfalls im Hinblick auf diese bundesdeutsche Rechtslage kann es für die geforderte prinzipielle Vereinbarkeit der fremdrechtlichen Rechtsposition mit dem innerstaatlichen Recht nicht darauf ankommen, ob der Kläger bei einer entsprechenden Tätigkeit im Bundesgebiet nachversichert worden wäre bzw ob er hier überhaupt vor 1956 Berufssoldatendienst hätte leisten können. Da das Eingliederungsprinzip als Schranke der Entschädigung nach § 15 FRG nur die mit der Struktur des innerstaatlichen Rechts schlechthin unvereinbaren Rechtspositionen ausgrenzt, brauchen – wie das LSG zu Recht ausgeführt hat – die für eine Nachversicherung nach bundesdeutschem Recht normierten Erfordernisse nicht im einzelnen erfüllt zu sein. Insbesondere kann nicht verlangt werden, daß der streitige Dienst zur Zeit seiner Ableistung (1945 bis 1955) auch im Bundesgebiet seiner Art nach möglich und insoweit „zeitgleich” nachversicherungsfähig gewesen ist. Eine derartige zeitliche Übereinstimmung „zeitgleiche” Vereinbarkeit) mit dem bundesdeutschen Rentenversicherungsrecht ist weder vom GS in seinem Beschluß vom 25. November 1987 gefordert worden noch kann ein solches Erfordernis aus dem Eingliederungsgedanken hergeleitet werden, der lediglich verhindern soll, daß fremdstaatliche Gleichstellungsregelungen im Rahmen des § 15 FRG zu einer gegenüber Einheimischen nicht hinnehmbaren, systemfremden Besserstellung führen (BSG SozR 5050 § 15 Nr 33 S 111; aA Buczko, aaO S 399). Würde aber die Entschädigung des Militärdienstes – trotz fremdstaatlicher „Nachversicherungsfiktion” und trotz des im innerstaatlichen Recht seit langem bekannten Instituts der Nachversicherung – versagt, so würde dies gegenüber versicherungspflichtig beschäftigten Einheimischen eine Schlechterstellung bedeuten, die mit dem Eingliederungsgedanken nicht vereinbar wäre. Denn wenn der Versicherte im Inland während der streitigen Zeit keinen Berufssoldatendienst hätte leisten können (weil dieser hier noch nicht möglich war), wäre er wahrscheinlich in einem ähnlichen – nachversicherungsfähigen – Dienst (zB im Beamtendienst) oder sonst versicherungspflichtig tätig gewesen. Ob etwas anderes in Fällen gilt, in denen die im Fremdstaat zurückgelegten Versicherungszeiten im damaligem Bundesrecht ihrer Art nach gänzlich unbekannt waren und dort erst später zu Versicherungszeiten geworden sind, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung.

Hingegen konnte dem LSG insoweit nicht gefolgt werden, als es eine Entschädigungspflicht nach § 15 FRG auch für die vor dem 2. Weltkrieg geleisteten Dienste in der polnischen Finanzverwaltung bejaht hat. Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, daß weder während der in den Jahren von 1937 bis 1939 zurückgelegten Dienstzeiten in der polnischen Finanzverwaltung noch bei deren Ende eine Gleichstellung dieser Zeiten mit versicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten im polnischen Recht vorgesehen war. Die erst lange nach Beendigung dieser Beschäftigung – mit Wirkung ab 1. Juli 1954 – nachträglich erfolgte Einbeziehung in die polnische Rentenversicherung reicht nicht aus. Der Annahme des LSG, daß die mittels des Dekrets vom 25. Juni 1954 rückwirkend erfolgte Neubewertung der bis dahin zurückgelegten Zeiten im Hinblick auf ihre Gleichartigkeit mit einer Nachversicherung nach bundesdeutschem Recht sich gleichzeitig auch auf die Beschäftigungszeiten in der Finanzverwaltung erstreckt habe, und deshalb auch diese Zeiten gemäß § 15 FRG zu entschädigen seien, läßt sich unter Beachtung der in der Rechtsprechung entwickelten zeitlichen Gleichstellungserfordernisse nicht folgen. Dies wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn es sich bei den streitigen Dienstzeiten um das gleiche – lediglich durch Verfolgung und Kriegsdienst unterbrochene – Beschäftigungsverhältnis gehandelt hätte. Das ist aber nicht der Fall. Bei den Dienstzeiten des Klägers, die in den Jahren 1937 bis 1939 bei den Finanzkontrollämtern zurückgelegt worden sind, hat es sich um ein anderes Beschäftigungsverhältnis gehandelt als bei dem späteren Berufsmilitärdienst in den Jahren von 1945 bis 1955. Für jene als gesondertes Beschäftigungsverhältnis zu wertende Beamtenzeit des Klägers fehlt es mithin an den zeitlichen Gleichstellungsvoraussetzungen, weil dem Kläger ein Versichertenstatus vom polnischen Recht erst nach Beendigung dieser Beschäftigung gewährt worden ist.

Nur insoweit waren daher auf die Revision der Beklagten die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen; im übrigen war die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; dabei hat das Gericht nach seinem Ermessen von einer Minderung der Erstattungspflicht der Beklagten gemäß dem Anteil ihres Obsiegens abgesehen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173333

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