Beteiligte
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. August 1997 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, den Kläger wegen der Folgen eines Unfalls zu entschädigen.
Der im Jahre 1983 geborene Kläger war als Ministrant (Meßdiener) in der Pfarrei Pax Christi in E. tätig. Diese Pfarrei veranstaltete am 17./18. September 1994 eine „Jugendherbergsfahrt” der „Jugend an Pax”; von insgesamt 35 Teilnehmern waren 26 Meßdiener. Der Kläger, der an dieser Fahrt teilnahm, stürzte am 17. September 1994 in der Jugendherberge bei dem Versuch, auf dem Treppengeländer von der ersten Etage zum Treffpunkt für eine Nachtwanderung im Erdgeschoß zu rutschen und verletzte sich dabei schwer.
Die Beklagte lehnte es ab, diesen Unfall als Arbeitsunfall zu entschädigen, weil der Kläger im Unfallzeitpunkt nicht der versicherten Tätigkeit als Meßdiener nachgegangen sei (Bescheid vom 4. April 1995 idF des Widerspruchsbescheides vom 21. August 1995). Das Sozialgericht Duisburg (SG) hat die Beklagte nach Vernehmung des Pfarrers der Kirchengemeinde als Zeugen zur Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall und zur Entschädigung verurteilt, weil es sich bei der Fahrt um eine versicherte kirchliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt habe (Urteil vom 14. Juni 1996).
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen (Urteil vom 19. August 1997). Als Ministrant habe der Kläger zwar grundsätzlich eine ehrenamtliche Tätigkeit iS des § 539 Abs 1 Nr 13 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ausgeübt, sei jedoch im Zeitpunkt des Unfalls nicht in dieser Funktion tätig gewesen, da die Teilnahme an der Fahrt nicht zum Kernbereich seiner ehrenamtlichen Tätigkeit gehört und auch nicht in Zusammenhang damit gestanden habe. Denn speziell auf das Ministrantenamt abgestimmte Inhalte seien während der Fahrt nicht behandelt oder vermittelt worden; die allgemeine Zielsetzung, soziales Verhalten zu üben und christliche Werte zu vermitteln, reiche hierfür nicht aus. Auch wenn den Ministranten Vorbildfunktion bei den Veranstaltungen der Kirchengemeinde zukomme, rechtfertige dies insoweit keine Zuordnung ihrer Teilnahme an der Fahrt zu dem versicherten Bereich. Auch sei nicht ersichtlich, daß die Ministranten als Repräsentanten der Kirche aufgetreten seien. Die Fahrt sei auch keine versicherte Gemeinschaftsveranstaltung speziell für Ministranten gewesen, sondern habe im Rahmen der allgemeinen kirchlichen Jugendarbeit stattgefunden. Zwar sei sie nach Organisation und personeller Ausstattung der Gemeinde zuzurechnen, habe aber weder ausschließlich für die ehrenamtlichen Meßdiener stattgefunden noch wesentlich der Förderung der Verbundenheit der Ministranten untereinander oder mit der Kirchengemeinde gedient; letzteres sei allenfalls ein Nebenzweck gegenüber der allgemeinen sozialpädagogischen und religiösen Zielsetzung gewesen. Daß überwiegend Ministranten an der Fahrt teilgenommen hätten, ändere daran nichts. Dieser Umstand erkläre sich daraus, daß die Ministranten nach den Angaben des Gemeindepfarrers den Kern der jüngeren aktiven Gemeinde bildeten; eine reine Ministrantenfahrt hätte sich nach dessen Ausführungen aber nicht durchhalten lassen und wäre nach dem pädagogischen Ansatz nicht erwünscht gewesen. Auch die Finanzierung der Fahrt durch Beiträge und Spenden anläßlich einer nicht nur von Ministranten durchgeführten Altpapiersammlung sprächen gegen eine Gemeinschaftsveranstaltung. Die positive Beeinflussung des „Betriebsklimas im kirchlichen Raum” ohne konkreten Zusammenhang mit dem Ehrenamt reiche zur Begründung eines Unfallversicherungsschutzes nicht aus.
Die Jugendherbergsfahrt sei auch nicht mit einem Schulausflug vergleichbar. Die nach der Rechtsprechung dort zu berücksichtigenden mit dem „natürlichen Spieltrieb” verbundenen Risiken könnten erst dann eine Rolle spielen, wenn sie im Rahmen einer versicherten Veranstaltung aufträten. Dies sei hier aber gerade nicht der Fall gewesen.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 548, 539 Abs 1 Nr 13 RVO. Entgegen der Auffassung des LSG sei die Teilnahme an der Jugendherbergsfahrt Bestandteil seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Meßdiener gewesen. Aus der Aussage des Gemeindepfarrers sei ersichtlich, daß die Funktionen des Meßdieners weit über die bloße Teilnahme am Gottesdienst bzw die Verrichtung liturgischer Handlungen hinausgingen. Nehme er an einer kirchlichen Veranstaltung teil, symbolisiere und personifiziere er zusammen mit dem Pfarrer und den anderen Meßdienern die Kirche als Idee und Institution. Die Jugendherbergsfahrt, eine kirchliche Veranstaltung, sei maßgeblich durch die überwiegende Teilnahme von Meßdienern geprägt gewesen, weswegen er sich im Hinblick auf sein Ehrenamt als Ministrant zur Teilnahme habe gedrängt fühlen müssen. Eine solche Beteiligung gehöre mithin auch zu den Aufgaben des Meßdieners. Dabei reiche es für die Annahme eines inneren Zusammenhangs mit der Meßdienertätigkeit aus, wenn die Teilnahme an der unfallbringenden Veranstaltung vom Standpunkt des Ministranten geeignet gewesen sei, dem „Unternehmen” zu dienen, was hier der Fall gewesen sei.
Private Interessen an der Teilnahme stünden der Annahme eines inneren Zusammenhangs nicht entgegen. Entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Frage, ob eine – dann vorliegende – gemischte Tätigkeit wesentlich versicherten Interessen gedient habe, sei, ob diese Tätigkeit auch bei Entfallen des privaten Zwecks vorgenommen worden wäre. Da im Vordergrund gestanden habe, daß er als Meßdiener gewissermaßen dem Ruf der Kirche habe folgen müssen, sei sein privates Interesse an der Freizeitgestaltung allenfalls ein willkommener Nebeneffekt gewesen.
Bei der Betrachtung vergleichbarer Fälle zeige sich, daß er auf der Jugendherbergsfahrt mehr gefordert gewesen sei als etwa der ehrenamtlich tätige Beigeordnete in der Entscheidung des Senats vom 18. März 1997 (= SozR 3-2200 § 539 Nr 38), da nicht lediglich passive, sondern aktive Teilnahme gefragt gewesen sei. Der Gemeindepfarrer habe den Ausbildungscharakter der Fahrt ausdrücklich bejaht. Es wäre nicht nachvollziehbar, wenn ehrenamtlich Tätige anders als Arbeitnehmer auf Betriebsausflügen keinen Versicherungsschutz genössen.
Das Berufungsurteil beruhe auch auf einer Verletzung des § 2 Abs 2 Satz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I). Danach erscheine es geboten, bei der wertenden Ermittlung des inneren Zusammenhangs zugunsten des Versicherten bis an die Grenzen des Vertretbaren zu gehen. Bereits der Umstand, daß die erste Instanz den Versicherungsschutz bejaht habe, erscheine als Indiz für Vertretbarkeit; den Entscheidungsgründen des LSG sei nicht zu entnehmen, daß die Auffassung des SG als schlechterdings unvertretbar und falsch erscheine. Die Zulassung der Revision durch das LSG indiziere zudem Bewertungsunsicherheit.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. August 1997 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 14. Juni 1997 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
II
Die Revision ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Entschädigungsanspruch nicht zu.
Der Anspruch des Klägers richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da der von ihm als Arbeitsunfall geltend gemachte Unfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz ≪UVEG≫, § 212 SGB VII).
Wie das LSG zutreffend entschieden hat, erlitt der Kläger keinen Arbeitsunfall, als er am 17. September 1994 bei der Jugendherbergsfahrt der Gemeinde Pax Christi verunglückte. Nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Zur Annahme eines Arbeitsunfalls in diesem Sinne ist in der Regel erforderlich, daß das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und daß diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muß also eine sachliche Verbindung mit der geschützten Tätigkeit bestehen, der innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92; BSG SozR 2200 § 548 Nr 95; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 27). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84).
Der Kläger gehörte zwar als Ministrant zu dem nach § 539 Abs 1 Nr 13 RVO versicherten Personenkreis. Nach dieser Vorschrift sind gegen Arbeitsunfall versichert ua die für eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ehrenamtlich Tätigen, wenn ihnen nicht durch Gesetz eine laufende Entschädigung zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts gewährt wird. Der Senat hat bereits entschieden, daß die römisch-katholische Kirche in der Bundesrepublik Deutschland und ihre Kirchengemeinden, die gemäß Art 140 des Grundgesetzes (GG) iVm Art 138 Abs 5 Satz 1 der Weimarer Reichsverfassung Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, diese Voraussetzung auch iS des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO erfüllen und daß Ministranten eine ehrenamtliche Tätigkeit iS dieser Vorschrift ausüben (BSGE 39, 24, 27 = SozR 2200 § 539 Nr 4). Der Ministrant bekleidet ein kirchliches Amt, denn er hat vor allem im Rahmen der Meßfeier, aber auch bei anderen kirchlichen Veranstaltungen (zB Andachten und Beerdigungen) einen durch kirchliche Regelungen bestimmten – umgrenzten, geordneten – Wirkungskreis; ihm obliegt ein Pflichtenbereich für andere, nämlich sowohl gegenüber der Kirche als auch gegenüber den von der Pflichtausübung betroffenen Gemeindegliedern. Dieses Amt wird auch als Ehrenamt ausgeübt; dem Ministranten wird nicht durch Gesetz eine laufende Entschädigung zur Sicherstellung des Lebensunterhalts gewährt (BSGE 39, 24, 28 f = SozR 2200 § 539 Nr 4).
Bei der unfallbringenden Handlung – Teilnahme an der Jugendherbergsfahrt – stand der Kläger jedoch nicht gemäß § 539 Abs 1 Nr 13 RVO (und auch unter keinem anderen Gesichtspunkt) unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Zwar umfaßt auch der durch § 539 Abs 1 Nr 13 RVO gewährleistete Unfallversicherungsschutz alle mit der eigentlichen ehrenamtlichen Tätigkeit in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang stehenden Tätigkeiten, insbesondere auch notwendige Vorbereitungshandlungen (vgl BSG SozR 2200 § 539 Nr 95; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 5; Poll, BG 1993, 555, 556). Entscheidend für die Beurteilung, ob eine bestimmte Handlung in einem solchen rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem Kernbereich der versicherten Tätigkeit steht, ist die Gesamtheit aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 31; Burchardt, ZTR 1998, 109, 113).
Die Auffassung des LSG, die Teilnahme des Klägers an der Jugendherbergsfahrt habe nicht in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem Ministrantenamt gestanden, hält der Senat auf der Grundlage der von den Beteiligten nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und daher bindenden (§ 163 SGG) berufungsgerichtlichen Feststellungen für rechtlich zutreffend. Danach war der Kläger im Unfallzeitpunkt nicht in seiner eigentlichen Funktion als Ministrant tätig, zu der nach der Zweckbestimmung dieses Amtes in erster Linie Verrichtungen zählen, die der Mitwirkung am Gottesdienst und an ähnlichen kirchlichen Veranstaltungen dienen (sa BSGE 39, 24, 28 = SozR 2200 § 539 Nr 4). Um eine solche kirchliche Veranstaltung handelte es sich bei der Jugendherbergsfahrt nicht. Da speziell auf das Ministrantenamt abgestimmte Inhalte bei der Fahrt nicht behandelt bzw vermittelt wurden, sondern mit den Teilnehmern allein soziales Verhalten geübt und ihnen allgemeine christliche Werte ohne besonderen Bezug auf die Gruppe der Meßdiener nahegebracht werden sollten, fehlte es an einer spezifischen Verbindung mit dem Kern der ehrenamtlichen Meßdienertätigkeit. Eine – unfallversicherungsgeschützte – Vorbereitungs- oder Ausbildungsveranstaltung für diese Tätigkeit lag daher nicht vor. Der Vortrag des Klägers, die Jugendherbergsfahrt habe Ausbildungscharakter gehabt, da der als Zeuge gehörte Gemeindepfarrer einen solchen ausdrücklich bejaht habe und einwandfreie, reibungslose Teamarbeit während des Gottesdienstes habe gefördert werden sollen, kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Der Kläger stellt damit lediglich seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts; damit kann er indes im Revisionsverfahren nicht gehört werden. Im übrigen würde es auch nicht ausreichen, daß die Fahrt (auch) den Meßdienern zur Förderung ihrer Gemeinschaft dienen sollte (vgl BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 31; sa Poll, BG 1993, 555, 557) und die eigene Kirchengemeinde die Fahrt deshalb finanziell gefördert hätte (vgl BSG SozR 2200 § 539 Nr 95).
Das weitere Vorbringen des Klägers, es gehöre zum Ministrantenamt, die Kirche bei Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen zusammen mit dem Pfarrer und den anderen Meßdienern zu symbolisieren und zu personifizieren, so daß die gesamte Teilnahme an der Jugendherbergsfahrt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe, beruht auf einem aufgrund eigener Beweiswürdigung gewonnenen Sachverhalt, der mit den bindenden Feststellungen des LSG in Widerspruch steht und daher im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann. Das Berufungsgericht hat insoweit gerade festgestellt, es sei nicht ersichtlich, daß die Ministranten bei der Jugendherbergsfahrt als Repräsentanten der Kirche aufgetreten seien (und sie damit bei der Fahrt auch nicht „symbolisiert” und „personifiziert” haben).
Die unfallbringende Tätigkeit des Klägers stand auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer der versicherten Tätigkeit gleichstehenden betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung (s bereits BSGE 1, 179, 182) unter Versicherungsschutz. Dabei kann wie bereits in der Entscheidung des Senats vom 18. Oktober 1994 (SozR 3-2200 § 539 Nr 31) offenbleiben, ob eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung bei ehrenamtlich Tätigen und nach § 539 Abs 1 Nr 13 RVO Versicherten überhaupt vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung erfaßt wird. Da die Kirchengemeinde die Jugendherbergsfahrt hier nach den bindenden Feststellungen des LSG zwar als eigene Veranstaltung, nicht aber – wie zur Annahme einer versicherten betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung erforderlich (vgl zum folgenden Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 482l ff mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des BSG) – speziell für die ehrenamtlich tätigen Ministranten (etwa als eigene „Abteilung”), sondern allgemein für die aktiven Jugendlichen der Gemeinde unabhängig von der Bekleidung eines Ehrenamtes durchgeführt hat, kommt bereits aus diesem Grunde Unfallversicherungsschutz gemäß § 539 Abs 1 Nr 12 RVO bei dieser Veranstaltung nicht in Betracht.
Wie das LSG bereits zutreffend ausgeführt hat, können die von der Rechtsprechung in der Schülerunfallversicherung entwickelten Grundsätze zur Berücksichtigung des natürlichen Spieltriebs von Schülern (vgl Brackmann, aaO, S 484x mwN) im vorliegenden Fall nicht zur Annahme von Unfallversicherungsschutz führen. Diese Regeln finden erst im Rahmen einer prinzipiell unter Versicherungsschutz stehenden Veranstaltung – etwa einer Klassenfahrt – Anwendung; an einer solchen fehlt es hier aber gerade. Der Kläger übersieht, daß der Unfallversicherungsschutz für Schüler insoweit umfassender geregelt ist als der für ehrenamtlich Tätige; er betrifft alle vom organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule erfaßten Veranstaltungen, zu denen ohne weiteres unter schulischer Aufsicht durchgeführte Klassenfahrten gehören (vgl BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 34 mwN); diese gelten als Schulbesuch, ohne daß darüber hinaus noch ein besonderer innerer Zusammenhang zu fordern wäre.
Ein anderes Ergebnis folgt entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus § 2 Abs 2 SGB I. Danach sind die im SGB I aufgeführten sozialen Rechte bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs, zu denen als besonderer Teil auch die RVO gehört (Art II SGB I § 1 Nr 4), und bei der Ausübung von Ermessen zu beachten; dabei ist sicherzustellen, daß die sozialen Rechte weitgehend verwirklicht werden. Diese Norm ist nach der Rechtsprechung des Senats zwar bei der Rechtsfindung zu berücksichtigen und nicht als bloße Leerformel zu werten (BSGE 64, 89, 95 = SozR 2200 § 545 Nr 8). Diese Vorschrift hat ihre Bedeutung im wesentlichen bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und der Betätigung von Ermessen; die Verwaltung wird verpflichtet, den ihr dort zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum im Zweifel zugunsten des einzelnen Versicherten bzw hilfesuchenden Bürgers auszunutzen (vgl Kasseler Komm-Seewald, § 2 SGB I RdNr 10). Solche Zweifel bestehen hier indes nicht. Die Ansicht des Klägers, aus § 2 Abs 2 SGB I folge die Verpflichtung der Verwaltung bzw der diese kontrollierenden Gerichte, sozialrechtliche Vorschriften zugunsten des Bürgers „bis an die Grenze der Vertretbarkeit” auszulegen, findet im Gesetz keine Stütze. Im übrigen würde durch die Aufstellung eines solchen Auslegungsgrundsatzes lediglich eine unbestimmte Richtlinie durch eine noch unbestimmtere ersetzt, da „Vertretbarkeit” in diesem Sinne als rechtlicher Begriff nicht genügend definiert ist. Der vom Kläger aufgezeigte Weg, die „Vertretbarkeit” einer Lösung aus den von den Instanzgerichten vertretenen Auffassungen herzuleiten, erscheint jedenfalls nicht sachgerecht, wie die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers selbst zeigen. Daß ein Rechtsmittelgericht die von ihm nicht geteilte Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht als „falsch” oder „schlechterdings unvertretbar” bezeichnet, wird regelmäßig Ausdruck der gebotenen Zurückhaltung bei der für die Begründung der eigenen Entscheidung unerheblichen Abgabe von Werturteilen über die Qualität der zu überprüfenden Entscheidung sein. Inwiefern schließlich die vom Gesetz (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zwingend vorgeschriebene Zulassung der Revision bei grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache für „Vertretbarkeit” der erstinstanzlichen Entscheidung sprechende „Bewertungsunsicherheit” des LSG indizieren könnte, ist nicht ersichtlich.
Die Revision des Klägers war danach als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Fundstellen
NZS 1999, 253 |
Breith. 1999, 597 |
SozSi 1999, 415 |