Entscheidungsstichwort (Thema)
ehrenamtliche Tätigkeit. Kirchenchor, Mitglied. Kirchengemeinde. Körperschaften, öffentliches Recht. evangelisch, katholisch. Vereinigung. Mitgliedschaft. privater Freiraum. Mitgliedschaftspflichten. Aufgabenbereich. Verantwortungsbereich. betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage und zu den Grenzen einer ehrenamtlichen Tätigkeit iS des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO als Mitglied des Kirchenchores einer Kirchengemeinde.
Normenkette
RVO § 539 Abs. 1 Nr. 13; GG Art. 140; WRV Art. 138 Abs. 5 S. 1
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 24.02.1994; Aktenzeichen L 6 U 210/93) |
SG Osnabrück (Urteil vom 04.08.1993; Aktenzeichen S 12 U 126/92) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 24. Februar 1994 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten, ob dem Kläger dem Grunde nach ein Entschädigungsanspruch aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusteht.
Der Kläger war Mitglied und stellvertretender organisatorischer Leiter des Chores der katholischen Kirchengemeinde seines Heimatortes (eigene Kirchengemeinde). Am 28. September 1991 brach der Kirchenchor mit 48 Mitgliedern einschließlich des Klägers zu einer Busfahrt nach R.… auf. Die Fahrt war als Jahresausflug des Kirchenchors programmiert und der Aufenthalt in R.… mit einer Einladung einer dortigen Pfarrgemeinde verbunden, die Eucharistiefeier mit Einweihung des neuen Gemeindezentrums in R.… am 29. September 1991 musikalisch mitzugestalten. Die Chormitglieder konnten dort in Privatquartieren kostenlos übernachten. Somit ließen sich die Kosten für die eigene Kirchengemeinde gering halten. Der traditionelle Jahresausflug diente nach der Erklärung der eigenen Kirchengemeinde der Förderung der Gemeinschaft und des Gesanges. Die Hinfahrt am 28. September wurde programmgemäß in B.… unterbrochen, wo der Kirchenchor die ehemalige Pfarrhelferin der eigenen Kirchengemeinde besuchte, ihr in einer Kirche ein Ständchen brachte und sich nach dem gemeinsamen Mittagessen von dieser Dame vor der Weiterfahrt auf dem Busparkplatz mit einer weiteren Gesangsdarbietung verabschiedete. Am Schluß des letzten Liedes stach den Kläger eine Wespe oder Biene innen in den Hals. Danach trat bei ihm eine Atemlähmung mit Kreislaufkollaps ein. Bis zum 12. November 1991 wurde er stationär behandelt. Die Diagnose lautete “schweres hirnorganisches Psychosyndrom nach cerebraler Hypoxie – dieses nach anaphylaktischem Schock auf Wespenstich”. Zum 1. August 1993 wurde der Kläger in seinem Beruf als beamteter Lehrer wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.
Die Beklagte lehnte das Entschädigungsbegehren des Klägers ab. Grundsätzlich gehöre er als Mitglied eines Kirchenchores zwar zu den nach § 539 Abs 1 Nr 13 Reichsversicherungsordnung (RVO) versicherten Personen, aber er sei bei einer Tätigkeit verunglückt, die nicht unmittelbar der Wahrnehmung des ehrenamtlichen Mandats eines Kirchenchormitgliedes gedient habe. Sowohl das Freundschaftstreffen in R.… als auch das Singen auf dem Parkplatz seien nur gelegentlich eines eigenwirtschaftlichen, unversicherten Jahresausflugs erfolgt (Bescheid vom 27. Januar 1992, Widerspruchsbescheid vom 1. Juni 1992).
Während das Sozialgericht (SG) Osnabrück die Beklagte dem Grunde nach verurteilt hat, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 28. September 1991 Verletztenrente zu gewähren (Urteil vom 4. August 1993), hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. Februar 1994). Es sei bereits zweifelhaft, ob Chormitglieder für die Kirche ein Ehrenamt iS des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO ausübten oder nur Mitgliedspflichten gegenüber dem Kirchenchor einzuhalten hätten. Das könne jedoch offenbleiben. Denn selbst wenn man ersteres mit dem 8. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) grundsätzlich bejahe, habe der Kläger im vorliegenden Falle bei der unfallbringenden Handlung jedenfalls nicht unter Unfallversicherungsschutz gestanden. Die zweitägige Fahrt der Chormitglieder nach R.… sei nicht dem Ehrenamt, sondern dem unversicherten eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen. Eine solche Fahrt gehöre nicht zu dem das Ehrenamt kennzeichnenden Pflichtenkreis. Der liturgische Dienst, den die Chormitglieder nach der Rechtsauffassung des 8. Senats des BSG der eigenen Kirchengemeinde ehrenamtlich zu leisten hätten, umfasse die feierliche Gestaltung ihres Gottesdienstes durch Chorgesang, insbesondere auch durch das Singen von Meßtexten. Davon habe sich der Jahresausflug in Inhalt und Zweckbestimmung unterschieden. Er habe der Förderung der Gemeinschaft und des Gesanges gedient. Daran ändere auch die Tatsache nichts, daß der Kirchenchor in R.… für die dortige fremde Kirchengemeinde die Eucharistiefeier mit Einweihung des Gemeindezentrums habe musikalisch mitgestalten sollen. Der Jahresausflug stelle sich auch nicht als eine notwendige Vorbereitungshandlung für die ehrenamtliche Tätigkeit oder als ein damit zusammenhängender Weg von und nach dem Ort solcher Tätigkeit dar. Die für den Versicherungsschutz auf betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen entwickelten und auf Arbeitnehmer ausgerichteten Grundsätze seien nicht auf ehrenamtliche Tätigkeiten übertragbar. Selbst wenn man aber davon ausginge, daß der Jahresausflug als solcher eine versicherte Tätigkeit gewesen sei, hätte der Kläger trotzdem keinen Arbeitsunfall erlitten, weil die unfallbringende Handlung während einer erheblichen eigenwirtschaftlichen Unterbrechung vorgenommen worden sei. Die Gesangsdarbietung auf dem Parkplatz habe sich deutlich von dem übrigen Programm des Jahresausflugs abgehoben und sei danach der gesellschaftlichen Sphäre zuzuordnen.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision führt der Kläger aus, er rüge die Verletzung des § 548 RVO. Die Rechtsauffassung des LSG zum Unfallversicherungsschutz für Kirchenchormitglieder enge den vom Gesetzgeber gewollten Versicherungsschutz für Personen, die für öffentlich-rechtliche Institutionen ehrenamtlich tätig seien, in unzulässiger Weise ein. Dem LSG sei nicht zuzustimmen, daß es sich bei der unfallbringenden Handlung um eine Jahresfahrt, also um eine reine Vergnügungsfahrt gehandelt habe. Die Fahrt habe vielmehr den chorischen Interessen der Kirchengemeinde gedient, so daß die Kirchenchormitglieder deshalb unter Unfallversicherungsschutz gestanden hätten. Das gelte auch für alle Tätigkeiten in B.…, die Teil des Programms gewesen seien. Jede Gesangsdarbietung sei als notwendige Chorprobe zu werten. Da im übrigen eine Betriebsfahrt mit Unfallversicherungsschutz nach § 548 RVO vorgelegen habe, gälten nicht die Unterbrechungsgrundsätze des § 550 RVO. Der Weg vom Mittagessen zum Bus sei auf jeden Fall versichert gewesen. Allenfalls könne das Singen auf dem Parkplatz als eine Unterbrechung angesehen werden, die aber als geringfügig gewertet werden müsse. Notfalls habe Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 13 RVO vorgelegen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das angefochtene Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte hat von einer Antragstellung und von einer Äußerung abgesehen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 1 24 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet.
Zutreffend hat das LSG entschieden, daß dem Kläger der geltend gemachte Entschädigungsanspruch nicht zusteht. Bei der unfallbringenden Handlung stand er nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der streitige Unfall ist kein Arbeitsunfall gewesen, weil der Kläger ihn nicht bei einer versicherten Tätigkeit erlitten hat (§ 548 Abs 1 RVO).
Als Mitglied des Kirchenchores stand er mangels persönlicher Abhängigkeit nicht in einem Beschäftigungsverhältnis iS des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO zur eigenen Kirchengemeinde, der Trägerin des Kirchenchores. Er war bei der unfallbringenden Handlung auch nicht wie ein Arbeitnehmer iS des § 539 Abs 2 iVm Abs 1 RVO tätig, sondern vielmehr als unentgeltlich aktiv mitwirkendes Chormitglied. Das ist unter den Beteiligten auch unstreitig.
Versicherungsschutz während der unfallbringenden Handlung läßt sich für den Kläger auch nicht aus § 539 Abs 1 Nr 13 RVO herleiten.
Danach sind gegen Arbeitsunfall ua die für den Bund, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband oder eine andere Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ehrenamtlich Tätigen versichert, wenn ihnen nicht durch Gesetz eine laufende Entschädigung zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts gewährt wird.
Das BSG hat bereits entschieden, daß die Religionsgemeinschaften und ihre Kirchengemeinden, die gemäß Art 140 Grundgesetz (GG) iVm Art 138 Abs 5 Satz 1 der Weimarer Verfassung Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, diese Voraussetzung auch iS des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO erfüllen. Dazu gehören insbesondere die evangelischen Kirchen sowie die römisch-katholische Kirche und ihre jeweiligen Kirchengemeinden (BSGE 34, 163, 164; 39, 24, 27; 40, 139, 140).
Ob die aktiven Mitglieder eines Kirchenchores bei ihrer Mitwirkung im Chor grundsätzlich überhaupt iS des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO ehrenamtlich für die eigene Kirchengemeinde tätig werden können, ist bisher vom BSG noch nicht einheitlich beantwortet worden. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 27. April 1972 (BSGE 34, 163) ohne Einschränkung entschieden, das Mitglied des Kirchenchores einer evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde übe keine ehrenamtliche Tätigkeit iS des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO aus, weil sich die Aufgaben und Pflichten eines einzelnen Chormitgliedes ausschließlich aus der Mitgliedschaft im Chor ergäben (aaO S 168). Demgegenüber hat der 8. Senat des BSG in dem Urteil vom 19. August 1975 (BSGE 40, 139) die Meinung vertreten, ein Mitglied des Chores einer römisch-katholischen Kirchengemeinde verrichte bei der Mitwirkung im Chor eine solche ehrenamtliche Tätigkeit, weil das einzelne Chormitglied gegenüber der eigenen Kirchengemeinde einen verantwortlich wahrzunehmenden Pflichtenkreis übernommen habe (aaO S 142). Das SG Hamburg (Urteil vom 21. September 1979 – 24 U 311/78 –) und das SG Mainz (Urteil vom 18. Mai 1990 – S 2 U 176/89 – in Breithaupt 1991, 204) haben in diesem Zusammenhang auch den Unfallversicherungsschutz für Mitglieder evangelischer Kirchenchöre bejaht (s auch Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 539 Anm 80 S 144 und KassKomm-Ricke § 539 RVO RdNr 68).
Selbst wenn man der Rechtsmeinung des 8. Senats des BSG im Grundsatz folgen wollte – wobei es in Übereinstimmung mit dem LSG für die Frage des Schutzes der gesetzlichen Unfallversicherung wohl nicht auf eine konfessionelle Unterscheidung zwischen den Kirchenchören der einzelnen Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts ankommen kann (ebenso schon Wickenhagen, SGb 1976, 70 f; Poll, BG 1993, 555 ff, 556) –, ergäbe sich für den Kläger kein Unfallversicherungsschutz bei der unfallbringenden Handlung. Denn der Kläger nahm diese außerhalb des Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereichs der eigenen Kirchengemeinde vor.
Nach der inzwischen fortentwickelten Rechtsprechung des BSG zum Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit iS des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO setzt die Vorschrift zunächst einen bestimmten, qualifizierten Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereich der öffentlich-rechtlichen Körperschaft voraus, innerhalb dessen die ehrenamtliche Tätigkeit für die Körperschaft ausgeübt werden muß (BSG SozR 3-2200 § 539 Nrn 11 und 14). Wenn dieser in bezug auf die fragliche Veranstaltung nicht bereits gesetz- oder satzungsmäßig von vornherein festgelegt ist, bedarf es für die betreffende einzelne Veranstaltung eines gesamtbezogenen, eigenständigen Annahmeaktes der Körperschaft als Zuordnungsgrund (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 10). Dabei muß die Veranstaltung für die Körperschaft insgesamt bedeutsam sein; das nur auf einzelne Bürger (oder Kirchengemeindeglieder) beschränkte Interesse genügt nicht (BSG SozR 2200 § 539 Nr 95).
Die ehrenamtlich zB für Gebietskörperschaften Tätigen erfüllen unentgeltlich öffentlich-rechtliche Aufgaben auf dem Gebiet der Staatsverwaltung für die Gebietskörperschaft. Insoweit steht ihre Tätigkeit im inneren Zusammenhang mit der Gebietskörperschaft oder einem ihrer Unternehmen und somit unter Unfallversicherungsschutz (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 10). Ehrenamtlich iS des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO wird in diesem Rahmen derjenige tätig, der entweder einen ausdrücklichen (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 14) oder einen stillschweigenden Auftrag (BSG SozR 2200 § 539 Nr 95) zum Tätigwerden erhalten hat. Der stillschweigende Auftrag setzt einen klaren Zuordnungsgrund zum Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereich der Körperschaft (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 10) sowie – zB durch laufende Förderung eines langjährigen Brauchtums – eine erkennbare Bereitschaft der öffentlich-rechtlichen Körperschaft voraus, jeden einzelnen, der dem Brauch entsprechend mitarbeitet, stillschweigend demgemäß zu beauftragen (BSG SozR 2200 § 539 Nr 95). Denn nicht jeder, der mit Arbeiten befaßt ist, die zugleich auch der Veranstaltung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft dienen, wird für diese ehrenamtlich tätig. Ohne die Zuordnungsvoraussetzungen zur öffentlich-rechtlichen Körperschaft können allein die Handlungstendenz einer Person und ihre subjektive Vorstellung, für wen sie ehrenamtlich tätig wird, keinen Unfallversicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 13 RVO begründen. Diese subjektiven Tatsachen indizieren nur den inneren Zusammenhang zwischen der unfallbringenden Handlung und dem Kernbereich der den Unfallversicherungsschutz begründenden Tätigkeit (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 10).
Demgemäß ist bei Mitgliedern von Kirchenchören im Einzelfall zu unterscheiden, auf welchem Sachgebiet und in welchem Aufgabenbereich der Kirchenchor mit dem betreffenden Chormitglied tätig wird.
Allen Aktivitäten der Mitglieder in einem Kirchenchor ist gemeinsam, daß sie auf der Mitgliedschaft des einzelnen zu dem Chor beruhen. Der Kirchenchor ist eine Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat. In der Regel haben Kirchenchöre keine eigene Rechtspersönlichkeit. Verantwortung und Pflichten des Kirchenchores treffen deshalb jedes einzelne Kirchenchormitglied. Diese Vereinigung eröffnet einerseits zu einem von ihr selbst zu bestimmenden Teil ebenso wie andere privatrechtliche Vereine einen privaten Freiraum für den Staatsbürger, in den auch die auf staatlicher Zwangsmitgliedschaft beruhende gesetzliche Unfallversicherung nicht hineinreicht (BSG SozR 2200 § 539 Nr 101). Dies gilt jedenfalls für alle Handlungen ihrer Mitglieder, die die Vereinigung nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses zu ihr (§ 539 Abs 1 Nr 1 RVO) oder wie ein solcher Beschäftigter (§ 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO) ausführen läßt, sondern allein aufgrund der Mitgliedschaft in der Vereinigung.
Andererseits ist von Bedeutung, daß Träger des Kirchenchores eine Kirchengemeinde ist, in deren Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereich er errichtet wird und die ihm Aufgaben auferlegen kann. Der Kirchenchor hat demgemäß in erster Linie mit Chorgesang den Aufgaben der eigenen Kirchengemeinde zu dienen. Allgemeine Zweckbestimmung eines christlichen Kirchenchores ist es, im organisatorischen Verantwortungsbereich der eigenen Kirchengemeinde die geistliche Kirchenmusik durch Chorkonzerte zum Lobpreis Gottes in oder außerhalb eines förmlichen Gottesdienstes zu pflegen und speziell im Gottesdienst mehr oder weniger intensiv bei der Liturgie mitzuwirken.
Zusätzlich zu seinen Mitgliedschaftspflichten gegenüber dem Kirchenchor wird dabei jedes einzelne aktive Chormitglied nach der oa Rechtsprechung des 8. Senats des BSG zwangsläufig in einem unmittelbaren Verhältnis zu der eigenen Kirchengemeinde tätig. Denn es leistet schon allein nach den objektiven Umständen seinen individuellen, notwendigen Beitrag zum Gelingen des Ganzen gemäß der kirchlichen Zweckbestimmung des Kirchenchores sowohl für die eigene Kirchengemeinde als öffentlich-rechtliche Körperschaft in ihrem Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereich als auch für die Allgemeinheit der Kirchengemeindeglieder. Erfüllt das Chormitglied diese Aufgaben unentgeltlich, dann wird es für die eigene Kirchengemeinde ehrenamtlich iS des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO tätig.
Was der Kirchenchor indessen als Vereinigung außerhalb der Zweckbestimmung seines Trägers veranstaltet, zB Konzertreisen, geselliges Beisammensein nach den Konzerten, weltliche Chorkonzerte oder auch nur das Singen einzelner weltlicher Chorlieder, Ausflüge oder mehrtägige gesellige Reisen, liegt – weiterhin auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des 8. Senats des BSG – außerhalb des Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereichs der eigenen Kirchengemeinde, stellt sich demgemäß als eigenwirtschaftliche Verrichtung im privaten Freiraum des Kirchenchores dar und vermag demzufolge nicht als ehrenamtliche Tätigkeit in diesem Sinne gewertet zu werden.
Zwar umfaßt auch der durch § 539 Abs 1 Nr 13 RVO gewährleistete Unfallversicherungsschutz alle mit der eigentlichen ehrenamtlichen Tätigkeit in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang stehenden Tätigkeiten, also auch die notwendigen Vorbereitungen, zu denen in erster Linie die Chorproben für die von der eigenen Kirchengemeinde durchgeführten oder aufgegebenen Veranstaltungen zählen (vgl BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 5, BSG Urteil vom 31. Juli 1985 – 2 RU 51/84 – in HV-Info 1985, Nr 18 S 39 = BAGUV RdSchr 65/85; BSG SozR 2200 § 539 Nr 95; BSG Urteil vom 20. Oktober 1983 – 2 RU 54/82 – in BAGUV RdSchr 72/83 = USK 83140; Poll aaO S 556). Entscheidend für die Beurteilung, ob eine bestimmte Handlung in einem solchen rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem Kernbereich der versicherten Tätigkeit steht, ist die Gesamtheit aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls.
Im vorliegenden Fall steht dabei im Vordergrund, daß die unfallbringende Handlung außerhalb des Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereichs der eigenen Kirchengemeinde vorgenommen wurde. Nach den insoweit bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG ordnete sie sich vielmehr in eine zweitägige Busreise (Gesamtreise) des Kirchenchores ein, die nach ihrem – tatsächlich auch ausgeführten – Programm überwiegend der Unterhaltung der Chormitglieder diente (vgl dazu BSG Urteil vom 31. Juli 1985 – 2 RU 51/84 – aaO). Einer der offiziellen Punkte des Programms war der Besuch der früheren Pfarrgemeindehelferin in B.…, der mit dem ihr dargebrachten Ständchen auf dem Parkplatz endete. Dabei nahm der Kläger die unfallbringende Handlung vor.
Diese Handlung stand – wie das LSG zutreffend entschieden hat – nicht in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem Kernbereich der nach § 539 Abs 1 Nr 13 RVO versicherten Tätigkeit. Das sind – nach der Rechtsprechung des 8. Senats des BSG – diejenigen Tätigkeiten der Kirchenchormitglieder, die deshalb als ehrenamtlich gewertet werden können, weil sie im Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereich der eigenen Kirchengemeinde verrichtet werden und der Allgemeinheit der Gemeindeglieder dieser Kirchengemeinde zu dienen bestimmt sind. Hier fehlt es an einem ausreichenden Zurechnungsgrund zu der eigenen Kirchengemeinde.
Dazu reicht es nicht aus, daß die Reise den Kirchenchormitgliedern zur Unterhaltung und Förderung der Chorgemeinschaft dienen soll (s auch Poll aaO S 556 f) und die eigene Kirchengemeinde die Fahrt deshalb finanziell fördert (vgl BSG SozR 2200 § 539 Nr 95). Das betrifft in der Regel den privaten, eigenwirtschaftlichen Freiraum des Kirchenchores. So auch im vorliegenden Fall.
Dabei kann offenbleiben, ob eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung – wie es das LSG meint – bei ehrenamtlich Tätigen und nach § 539 Abs 1 Nr 13 RVO Versicherten schon grundsätzlich nicht vom Unfallversicherungsschutz erfaßt wird. Das BSG hat in seiner jüngeren Rechtsprechung insoweit nicht nur die Verbundenheit zwischen der Belegschaft und der Betriebsleitung des Unternehmens, sondern gleichwertig auch die unter den Belegschaftsmitgliedern als maßgebend angesehen. Entscheidend käme es auch hier auf die für betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen maßgebende Voraussetzung an, daß die Kirchengemeinde die Fahrt als eigene, von ihr getragene Veranstaltung für die ehrenamtlich Tätigen durchgeführt und nicht nur – als Dank für die ehrenamtlichen Tätigkeiten – einen Zuschuß für die Reise des Chores geleistet hätte, der auch außerhalb der ehrenamtlichen Tätigkeit seiner Mitglieder eine Vereinigung sangesfreudiger Menschen ist. In letzterem Fall wäre eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung auszuschließen. Und diese letztgenannten Umstände liegen im vorliegenden Fall nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG über Planung und Ablauf der Fahrt vor.
Darüber hinaus kann auch das Mitsingen beim Ständchen auf dem Parkplatz nicht als notwendige Vorbereitungshandlung für die Mitwirkung des Kirchenchores bei einer Veranstaltung der eigenen Kirchengemeinde in deren Aufgaben- und organisatorischem Verantwortungsbereich gewertet werden. Denn dazu fehlt es – nicht zuletzt wegen des Zusammenhangs mit der Gesamtreise – an einem unmittelbaren Bezug zu einer bestimmten Veranstaltung in dem bezeichneten Sinne. Statt dessen ist das Mitsingen bei dem betreffenden Ständchen überwiegend dem gemeinschaftsfördernden eigenwirtschaftlichen Tätigkeitsbereich des Kirchenchores als private Vereinigung zuzurechnen (s auch Poll aaO S 557).
Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, daß einer der Begrenzungspunkte der Gesamtreise die Stadt R.… war, wo der Kirchenchor bei einem katholischen Gottesdienst einer fremden Kirchengemeinde mitwirken sollte. Es kann dahingestellt bleiben, ob die vorübergehende oder einmalige Mitwirkung eines Kirchenchores bei einer Veranstaltung im Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereich einer fremden Kirchengemeinde nach der Rechtsprechung des 8. Senats des BSG ebenfalls als ehrenamtliche Tätigkeit iS des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO zu werten ist. Jedenfalls stand die Mitwirkung des Klägers bei dem Ständchen für die frühere Pfarrgemeindehelferin auch nicht in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem beabsichtigten musikalischen Beitrag des Kirchenchores bei dem Gottesdienst in R.…. Zunächst fand das Ständchen ebenfalls außerhalb des Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereichs der fremden Kirchengemeinde statt. Außerdem wird der mittelbare Zusammenhang zwischen dem Ständchen in B.… und dem Gottesdienst in R.… auch insoweit überwiegend von dem unmittelbaren Bezug zu dem Unterhaltungsprogramm der Gesamtreise verdrängt, deren offizieller Programmpunkt der Besuch in B.… war.
Unfallversicherungsschutz nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 13 RVO scheidet ebenfalls und jedenfalls auch deshalb aus, weil der Kläger die unfallbringende Handlung bereits nach den objektiven Umständen entsprechend seinen Mitgliedspflichten im Kirchenchor für diesen als private Vereinigung und nicht für die eigene Kirchengemeinde vorgenommen hat. Es kann demnach offenbleiben, ob jemand in unfallversicherungsrechtlicher Hinsicht Verrichtungen überhaupt nur als ehrenamtlich Tätiger und nicht auch “wie” ein solcher iS des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO vornehmen kann.
Die Revision des Klägers war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen