Leitsatz (amtlich)
1. Wird die während eines vorübergehenden Aufenthalts im Inland außerhalb des Wohnortes des Versicherten auftretende, stationär zu behandelnde Krankheit gemäß RVO § 184 Abs 2 in einem der nächsterreichbaren geeigneten Krankenhäuser behandelt, so hat der Träger der Krankenversicherung die bei der Krankenhausentlassung zusätzlich entstehenden Kosten für den erforderlichen Rücktransport zum Wohnort nach RVO § 194 Abs 1 S 1 zu übernehmen, wenn diese in einem angemessenen Verhältnis zur Hauptleistung stehen (Fortführung von BSG vom 25.6.1975 - 5 RKn 50/74 = BSGE 40, 88 = SozR 2200 § 184 Nr 2; Abgrenzung zu BSG vom 10.10.1978 - 3 RK 75/77 = BSGE 47, 79 und BSG vom 28.3.1979 - 3 RK 92/77 = BSGE 48, 139 = SozR 2200 § 194 Nrn 3 und 4).
Orientierungssatz
Fahrkosten iS des § 194 RVO :
1. Fahrkosten iS des § 194 RVO sind die Aufwendungen, die erforderlich sind, um den Erkrankten an den Ort zu befördern, an dem die Kassenleistung bestimmungsgemäß zu erbringen ist (so Urteil des BSG vom 28.3.1979 aaO) sowie grundsätzlich auch die Kosten des Rücktransports vom Ort der bestimmungsmäßig erbrachten Kassenleistung zur Wohnung des Versicherten (so bereits Urteil des erkennenden Senats vom 25.6.1975 aaO). Dies gilt jedenfalls für den Bereich des Inlands.
Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger von der Beklagten Übernahme der Kosten beanspruchen kann, die ihm durch den Transport vom Krankenhaus in W. zu seiner Wohnung in D. entstanden sind.
Ab 3. September 1980 verbrachte der Kläger seinen Urlaub auf einer Nordseeinsel. Dort erlitt er am 23. September 1980 einen Schlaganfall, der eine stationäre Behandlung im Kreiskrankenhaus W. auf dem Festland erforderlich machte. Die Beklagte trug die Transportkosten nach W. und die Kosten der stationären Behandlung. Am 27. Oktober 1980 bescheinigte der behandelnde Chefarzt der Inneren Abteilung, der Kläger könne nach Hause und in hausärztliche Behandlung entlassen werden. Er sei aber nicht in der Lage bei der Heimreise öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, vielmehr komme - da seine Gehfähigkeit erheblich eingeschränkt sei - nur eine Fahrt mit dem Personenkraftwagen in Betracht. Dieser Zustand lasse sich auch durch eine längere Krankenhausbehandlung nicht ändern. Die Taxifahrt nach Hause am 31. Oktober 1980 kostete 554,80 DM. Die Bundesbahn erstattete dem Kläger die nicht benutzte Fahrkarte für die Rückfahrt aus dem Urlaub mit 40,20 DM. Mit Bescheid vom 4. November 1980 lehnte die Beklagte es ab, dem Kläger die Kosten des Rücktransports von W. zu seiner Wohnung in D. zu erstatten. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23. März 1981).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, 514,60 DM an den Kläger zu zahlen (Urteil vom 8. Oktober 1981). Es hat einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Transportkosten und der stationären Behandlung bejaht. Diese sei abgeschlossen gewesen und der Transport nach Hause habe aus medizinischen Gründen nur mit dem Krankenwagen oder einem Taxi erfolgen können. Werde im Geltungsbereich der Reichsversicherungsordnung (RVO) eine stationäre Behandlung in einem anderen als wohnortnahen Krankenhaus erforderlich, weil der Versicherte sich vorübergehend von seinem Wohnort entfernt habe, so seien von der Krankenkasse beim Rücktransport die Mehrkosten zu erstatten, die durch die Folgen der Erkrankung bedingt seien.
Die Beklagte hat mit Zustimmung des Klägers die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Die Auffassung des SG widerspreche den Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. Oktober 1978 ( 3 RK 75/77 ) und 28. März 1979 ( 3 RK 92/77 ). Die notwendige stationäre Krankenhausbehandlung sei dem Kläger in dem vom Aufenthaltsort aus gesehen nächstgelegenen geeigneten Krankenhaus zu Kassenlasten gewährt worden. Die Kosten des Transports dorthin seien ebenfalls übernommen worden. Die Kosten des Rücktransports zum Aufenthaltsort, dem Urlaubsort, wären nach abgeschlossener stationärer Behandlung ebenso zweifelsfrei zu tragen gewesen, nicht jedoch die Kosten für die Heimreise. Sie stünden mit der Leistung der Krankenkasse nicht in Zusammenhang.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Rechtsstreits gem § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Sprungrevision der Beklagten ist nicht begründet. Dem Kläger stehen die ihm vom SG zugesprochenen Reisekosten, die im Zusammenhang mit der Gewährung einer Leistung der Krankenkasse erforderlich waren, gemäß § 20 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) iVm § 194 Abs 1 Satz 1 RVO zu.
Fahrkosten iS des § 194 RVO sind die Aufwendungen, die erforderlich sind, um den Erkrankten an den Ort zu befördern, an dem die Kassenleistung bestimmungsgemäß zu erbringen ist (so Urteil des BSG vom 28. März 1979 in BSGE 48, 139 , 140f = SozR 2200 § 194 Nr 4) sowie grundsätzlich auch die Kosten des Rücktransports vom Ort der bestimmungsmäßig erbrachten Kassenleistung zur Wohnung des Versicherten (so bereits Urteil des erkennenden Senats vom 25. Juni 1975 in BSGE 40, 88, 89 = SozR 2200 § 184 Nr 2 im Anschluß an BSG in SozR Nr 8 zu § 19 BVG). Dies gilt jedenfalls für den Bereich des Inlands. Dabei müssen die eigentliche Kassenleistung und der Transport im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung stehen (so übereinstimmend BSG-Urteile vom 25. Juni 1975 und 28. März 1979 aaO). Im Falle des Klägers war für die wegen des erlittenen Schlaganfalls erforderlich gewordene stationäre Behandlung "Ort der bestimmungsgemäß zu erbringenden Kassenleistung" das Kreiskrankenhaus in W. Dies ergibt sich aus der in § 20 RKG iVm §§ 182 Abs 2, 184 Abs 2 RVO getroffenen Regelung, wonach der Versicherte gerade bei einer außerhalb seines Wohnortes auftretenden, stationär zu behandelnden Erkrankung zur Vermeidung von Mehrkosten verpflichtet ist, eines der nächsterreichbaren geeigneten Krankenhäuser aufzusuchen (ebenso bereits BSG-Urteil vom 28. März 1979 aaO).
Da nach dem gemäß § 161 Abs 4 SGG mit der Sprungrevision nicht angreifbaren und nach § 163 SGG für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen im angefochtenen Urteil die Behandlung des Schlaganfalls die Einlieferung des Klägers in das Kreiskrankenhaus W. erforderlich machte und es sich dabei - wovon auch die Beklagte ausgeht - um ein nächsterreichbares geeignetes Krankenhaus iS des § 184 Abs 2 RVO gehandelt hat, stehen die Rückfahrtkosten zum Wohnort des Klägers gemäß § 194 Abs 1 Satz 1 RVO im Zusammenhang mit der Gewährung einer - bestimmungsgemäßen - Leistung der Beklagten. Die vom SG zugesprochenen Fahrkosten waren auch der Höhe nach im Sinne dieser Vorschrift erforderlich, weil der Kläger nach den ebenfalls mit der Sprungrevision nicht angreifbaren Feststellungen des SG bei der Entlassung aus dem Kreiskrankenhaus in W. wegen erheblicher Einschränkung seiner Gehfähigkeit zur Heimreise keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen konnte und wegen der noch bestehenden Schlaganfallfolgen der hausärztlichen Behandlung an seinem Wohnort bedurfte. Schließlich besteht schon im Hinblick auf die Höhe der Kosten für den mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt des Klägers auch kein Anhalt dafür, daß die vom SG gemäß § 194 Abs 1 Satz 1 RVO für erstattungsfähig angesehenen Mehrkosten unangemessen hoch gewesen und somit im Verhältnis zur Hauptleistung der stationären Behandlung nicht als Nebenleistung zu beurteilen wären.
Entgegen der Auffassung der Beklagten stehen der Übernahme der Rückfahrtkosten in dem vom SG zugebilligten Umfang auch nicht die Urteile des BSG vom 10. Oktober 1978 ( BSGE 47, 79 = SozR 2200 § 194 Nr 3) und vom 28. März 1979 aaO entgegen. Das Urteil vom 10. Oktober 1978 beruht schon deswegen auf einem mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbaren Sachverhalt, weil es die Kosten betrifft, die durch den Transport einer Versicherten vom Urlaubsort im Ausland zum Wohnort im Inland zwecks spezieller dortiger Krankenhausbehandlung entstanden sind. In der Entscheidung des BSG vom 28. März 1979 aaO ist ein Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten verneint worden, die dadurch entstanden waren, daß die Versicherte - anders als der Kläger im vorliegenden Fall - die während einer vorübergehenden Abwesenheit vom Wohnort aufgetretene Krankheit nicht in einem der nächsterreichbaren geeigneten Krankenhäuser iS des § 184 Abs 2 RVO , sondern in einem Krankenhaus ihres Wohnortes weiterbehandeln ließ. Abweichend davon hat der Kläger die Behandlung seiner Krankheit in einem nach der genannten, maßgeblichen Vorschrift vorgesehenen Krankenhaus durchführen lassen, so daß er von der Beklagten die Übernahme der im Zusammenhang mit dieser bestimmungsgemäßen Kassenleistung erforderlich gewordenen Rückfahrtkosten zu seinem Wohnort gemäß § 194 Abs 1 Satz 1 RVO verlangen kann.
Der Sprungrevision der Beklagten muß nach alledem der Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG .
Fundstellen
Haufe-Index 518372 |
BSGE, 279 |
Breith. 1983, 856 |