Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. April 1993 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt Erziehungsgeld (Erzg) für den Monat Januar 1991.
Die Klägerin, die türkische Staatsangehörige ist, stellte nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Juli 1985 einen Asylantrag, der keinen Erfolg hatte. Während des Asylverfahrens und nach dessen Abschluß erhielt die Klägerin halbjährig befristete Aufenthaltsgestattungen nach § 20 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG aF). Den nach der Geburt ihrer Tochter Nella am 1. November 1989 gestellten Antrag auf Gewährung von Erzg lehnte der Beklagte ab, weil die Klägerin nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sei (Bescheid vom 2. Januar 1990; Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 1990). Während des Klageverfahrens erteilte die Ausländerbehörde der Klägerin aufgrund des von ihr am 23. April 1990 gestellten Antrages am 16. Mai 1991 eine bis zum 27. Dezember 1991 befristete Aufenthaltsbefugnis. Das Sozialgericht (SG) Detmold hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14. November 1991). Während des Berufungsverfahrens ist der Klägerin mit Schreiben vom 28. Oktober 1992 rückwirkend für die Zeit ab 1. Januar 1991 eine Aufenthaltsbefugnis erteilt worden. Die vom SG zugelassene Berufung, mit der die Klägerin lediglich noch einen Anspruch auf Erzg für den Monat Januar 1991 geltend gemacht hat, hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen (Urteil vom 23. April 1993). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei von November 1989 bis Januar 1991 nicht im Besitz der erforderlichen Aufenthaltserlaubnis bzw Aufenthaltsbefugnis gewesen. Auch während des Monats Januar 1991 seien die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Satz 2 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) in der ab 1. Januar 1991 geltenden Fassung nicht erfüllt gewesen, weil die Klägerin weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BErzGG gehabt habe. In diesem Monat sei sie nicht tatsächlich im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, -berechtigung oder -befugnis gewesen. Denn während der und für die Zeit, für die Erzg beansprucht werde, müsse ein solcher Aufenthaltstitel tatsächlich erteilt worden sein. Die am 28. Oktober 1992 rückwirkend ab 1. Januar 1991 erteilte Aufenthaltsbefugnis bringe lediglich zum Ausdruck, daß die Voraussetzungen ihrer Erteilung erstmals im Januar 1991 vorgelegen hätten. Es komme jedoch auf den Besitz des Aufenthaltstitels zur Zeit der begehrten Erzg-Gewährung aufgrund eines auch tatsächlich erteilten Verwaltungsaktes an.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG. Die Aufenthaltsbefugnis sei rückwirkend ab 1. Januar 1991 erteilt worden, so daß neben dem Anspruch auf ihre Erteilung auch der Verwaltungsakt der zuständigen Behörde vorliege. Da der Entscheidung der Ausländerbehörde Tatbestandswirkung zukomme, müsse sie auch in Ansehung des BErzGG Rückwirkung entfalten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 23. April 1993, das Urteil des SG vom 14. November 1991 und den Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 1990 idF des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 1990 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr Erzg für den Monat Januar 1991 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung der Klägerin, die auf die Zahlung von Erzg für den Monat Januar 1991 beschränkt war, zu Recht zurückgewiesen, weil die Klägerin in diesem Monat nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, -erlaubnis oder -befugnis war.
Der Anspruch auf Erzg richtete sich in dem noch streitigen Zeitraum Januar 1991 nach § 1 Abs 1 BErzGG idF des Art 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts (AuslRNG) vom 9. Juli 1990 (BGBl I S 1354). Diese Fassung ist mit Wirkung vom 1. Januar 1991 anzuwenden (Art 15 Abs 2 AuslRNG). Der Anspruch eines Ausländers auf Erzg setzt danach neben dem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes (Satz 1 Nr 1 des § 1 Abs 1 BErzGG) ua voraus, daß er „im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis ist” (Satz 2 des § 1 Abs 1 BErzGG). Zwar wurde durch Art 4 Nr 1 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogrammes (FKPG) vom 23. Juni 1993 (BGBl I S 944), in Kraft getreten am 27. Juni 1993 (Art 43 Abs 1 FKPG), § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG gestrichen; nach dem ebenfalls durch Art 4 Nr 1 FKPG mit Wirkung zum 27. Juni 1993 neu eingefügten § 1 Abs 1a Satz 1 BErzGG ist nunmehr für den Anspruch eines Ausländers Voraussetzung, daß er „im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist”. Diese Änderung erfaßt jedoch nach ihrem zeitlichen Anwendungsbereich den streitigen Anspruchszeitraum nicht.
Nach § 4 Abs 1 Satz 2 BErzGG in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des BErzGG und anderer Vorschriften (BErzGGÄndG) vom 30. Juni 1989 (BGBl I S 1297) war Erzg für Kinder, die nach dem 30. Juni 1989 und vor dem 1. Juli 1990 geboren sind, wie dies beim Kind der Klägerin (geboren am 1. November 1989) der Fall ist, längstens bis zum 15. Lebensmonat zu gewähren. Die spätere Änderung des Bezugszeitraumes durch Art 1 Nr 4 des 2. BErzGGÄndG vom 6. Dezember 1991 (BGBl I S 2142) mit Wirkung zum 1. Januar 1992 ist auf Geburten vor dem 1. Januar 1992 nicht anzuwenden (§ 39 BErzGG).
Der Anspruch eines Ausländers auf Erzg für ein nach dem 30. Juni 1989 geborenes Kind setzt nach § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG idF des BErzGGÄndG voraus, daß dieser im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder nicht zweckgebundenen Aufenthaltserlaubnis ist. Das Gesetz mißt diesem Grundsatz eine solche Bedeutung zu, daß von ihm auch für Ausländer, die später als asylberechtigt anerkannt werden, keine Ausnahme gemacht wird, wie der Senat zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Änderung durch das AuslRNG entschieden hat (BSGE 70, 197 ≪199≫ = SozR 3-7833 § 1 Nr 7; BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 10 sowie Urteile vom 9. September 1992, 14b/4 REg 10/91, 14b/4 REg 14/91 und 14b/4 REg 24/91). Ausnahmen von diesem Grundsatz können sich für Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben (zu den Ausländern, die keiner Aufenthaltsgenehmigung bedürfen, vgl BSGE 70, 197, 205). Hierüber war jedoch nicht zu entscheiden. Erforderlich ist ein Aufenthaltstitel iS eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für den Bezugszeitraum des Erzg; das materielle Aufenthaltsrecht steht diesem nicht gleich und führt nicht zu seiner Rückwirkung. Als Anspruchsvoraussetzung für das Erzg hat der Gesetzgeber damit bei Ausländern einen gesicherten Aufenthaltsstatus vorgeschrieben, der in Form eines Aufenthaltstitels iS des § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG bei Beginn des Leistungszeitraums vorliegen muß. Die ausländerbehördliche Entscheidung über das Aufenthaltsrecht hat insoweit Tatbestandswirkung für den Anspruch auf Erzg (vgl Urteile des Senats aaO). Dies gilt auch für die Rechtslage seit der Änderung durch das AuslRNG ab 1. Januar 1991. Denn durch Art 10 des AuslRNG wurde § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG lediglich an die Neuregelungen der Aufenthaltsgenehmigung im Ausländergesetz angepaßt. Über die redaktionelle Anpassung des BErzGG hinaus war keine Änderung hinsichtlich des Erfordernisses eines Aufenthaltstitels iS eines Verwaltungsaktes und damit der Tatbestandswirkung der ausländerbehördlichen Entscheidung beabsichtigt (vgl BT-Drucks 11/6321 S 91).
Im Januar 1991 war der Klägerin nach den nicht angegriffenen und damit für das Revisionsgericht gemäß § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bindenden Feststellungen des LSG noch keine Aufenthaltserlaubnis, -berechtigung oder -befugnis erteilt worden; die ihr erteilten Aufenthaltsgestattungen nach § 19 AsylVfG bzw die gegebenenfalls erteilte Duldung nach § 17 Abs 1 aF Ausländergesetz (AuslG) standen diesen Aufenthaltstiteln nicht gleich. Zwar blieben nach § 95 Abs 1 AuslG nF die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 1991 getroffenen sonstigen ausländerrechtlichen Maßnahmen, insbesondere Duldungen und sonstige begünstigende Maßnahmen, wirksam; hieraus entstanden jedoch mit dem Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes keine Aufenthaltsrechte, wie sie § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG als Voraussetzung für die Gewährung von Erzg an ausländische Antragsteller fordert. Eine Aufenthaltsgestattung nach § 19 AsylVfG bzw Duldung nach § 17 Abs 1 AuslG aF galt nach § 94 AuslG nF nicht als Aufenthaltsberechtigung, -erlaubnis oder -befugnis fort. Ein derartiges Aufenthaltsrecht ergab sich auch nicht aus der Tatsache, daß die Klägerin bereits am 23. April 1990 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt hatte und sich damit gemäß § 21 Abs 3 aF bzw § 69 Abs 2 oder 3 nF AuslG erlaubt im Geltungsbereich des Gesetzes aufhielt. Die Bescheinigung über die vorläufige Erlaubnis des Aufenthalts nach diesen Vorschriften ist (bzw war) keine Aufenthaltsberechtigung, -erlaubnis oder -befugnis iS von § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG (so bereits: BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 3 und Urteil des erkennenden Senats vom 24. März 1992, 14b/4 REg 11/91).
Es kann dahinstehen, ob der Klägerin mit dem Schreiben vom 28. Oktober 1992 eine rückwirkende Aufenthaltsbefugnis erteilt worden ist oder ob – wie das LSG angenommen hat – die Ausländerbehörde damit nur zum Ausdruck bringen wollte, daß die Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis erstmals seit Beginn des Jahres 1991 vorgelegen haben. Selbst wenn der Klägerin am 28. Oktober 1992 rückwirkend ab 1. Januar 1991 eine Aufenthaltsbefugnis erteilt worden wäre, ist die Klägerin nicht, wie § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG es fordert, im Leistungszeitraum im Besitz dieses Aufenthaltstitels gewesen.
Der Senat hatte bisher nur Fälle zu beurteilen, in denen sich der aufenthaltsrechtliche Verwaltungsakt keine Rückwirkung beimaß; er brauchte deshalb die Frage, ob der Anspruch auf Erzg erst mit der Erteilung des Aufenthaltstitels für die Zukunft entsteht, nicht zu entscheiden (vgl BSGE 70, 197, 201). Die Frage ist dahin zu entscheiden, daß die Erteilung des Aufenthaltstitels den Anspruch auf Erzg nur für die Zukunft entstehen läßt, so daß eine im Titel angeordnete Rückwirkung sich auf den Erzg-Anspruch nicht auswirken kann. Das Erfordernis einer bereits im Leistungszeitraum des Erzg vorliegenden Entscheidung der Ausländerbehörde ergibt sich vor allem aus der Formulierung „im Besitz” in § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG. Die Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Neuregelung durch das BErzGGÄndG bestätigen diese Auslegung. § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG wurde aufgrund der Beratung des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit eingefügt (BT-Drucks 11/4767 S 4). Aus der Begründung im Bericht des Ausschusses vom 14. Juni 1989 ergibt sich, daß der Rechtsprechung, die bei Ausländern ohne Aufenthaltserlaubnis auch dann einen Wohnsitz annahm, wenn nach der ausländerbehördlichen Praxis von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen bis auf weiteres abgesehen wurde, entgegengetreten werden sollte und die Aufenthaltserlaubnis oder die Aufenthaltsberechtigung ausdrücklich als Voraussetzung für den Anspruch eines Ausländers auf Erzg im Gesetz verankert werden sollte (BT-Drucks 11/4776 S 2). Während es für den Kindergeldanspruch nach der zeitgleich mit dem BErzGGÄndG durch das 12. Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) vom 30. Juni 1989 (BGBl I S 1294) eingefügten und ebenfalls durch das AuslRNG geänderten Regelung in § 1 Abs 3 BKGG (in der bis zur Änderung durch das 1. Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms ≪1. SKWPG≫ vom 21. Dezember 1993 ≪BGBl I S 2353≫ geltenden Fassung) nach einem gestatteten oder geduldeten ununterbrochenem Aufenthalt von einem Jahr genügte, daß der Ausländer nach den §§ 51, 53 oder 54 AuslG auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden konnte, und die Vorschrift des § 1 Abs 3 BKGG damit als Prognosevorschrift ausgestaltet war (vgl BSGE 70, 197 ≪203≫ = SozR 3-7833 § 1 Nr 7; SozR 3-7833 § 1 Nr 10; BSGE 72, 8, 9), hat der Gesetzgeber für das Erzg nicht an eine Prognose, sondern an das Vorliegen der ausländerbehördlichen Entscheidung angeknüpft. Dies wurde auch deshalb als gerechtfertigt angesehen, weil Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis in der Regel keine Arbeitserlaubnis hätten und insofern der Zweck des Erzg, Wahlfreiheit zwischen Kindererziehung und Berufstätigkeit zu sichern, nicht erreicht werden könne (BT-Drucks 11/4776 S 2). Diese Wahlfreiheit kann durch eine rückwirkende Aufenthaltserlaubnis nicht „rückwirkend” begründet werden.
Eine nach Ablauf des Leistungszeitraums rückwirkend erteilte Aufenthaltsbefugnis wird den Anforderungen des § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG nicht gerecht. Es kann deshalb dahinstehen, ob die rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis oder -erlaubnis überhaupt zulässig ist (dafür ohne Begründung: Kanein/Renner, Ausländerrecht, 5. Aufl. 1992, § 13 AuslG RdNr 10; zur Unzulässigkeit einer auf einen Zeitraum vor Antragstellung rückwirkenden Verlängerung: BVerwGE 67, 47, 51 ≪in bezug auf das AuslG aF≫; BVerwG Urteil vom 19. August 1993, 1 B 49/93 ≪in bezug auf das AuslG nF≫). Die Systematik des Ausländerrechts spricht jedenfalls dafür, daß der Gesetzgeber bei der Einfügung des Satzes 2 in den § 1 Abs 1 BErzGG davon ausging, daß die dort genannten Aufenthaltsgenehmigungen nur für die Zukunft erteilt werden. Hierfür spricht, daß es einer Rückwirkung regelmäßig deshalb nicht bedarf, weil sowohl nach dem AuslG aF als auch nF für die Zeit der Antragstellung der Aufenthalt als erlaubt gilt bzw galt und von daher für eine rückwirkende Geltungsdauer einer Aufenthaltsgenehmigung kein Bedürfnis besteht. Auch im Zusammenhang mit §§ 24 Abs 1, 26 Abs 1 und 27 Abs 2 AuslG nF, die zur Zeit der Einfügung des Satzes 2 in den § 1 Abs 1 BErzGG noch nicht galten, spielt die rückwirkende Geltung einer Aufenthaltsgenehmigung keine maßgebende Rolle. Soweit dort – im Hinblick auf die Einräumung aufenthaltsrechtlicher Positionen – auf die Dauer des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis abgestellt wird, können auch Zeiten eines nach § 69 Abs 3 Satz 1 AuslG als erlaubt geltenden Aufenthalts nach der erstmaligen Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis mitberücksichtigt werden (vgl Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Ausländerrecht, 3. Aufl, § 24 RdNr 19 ff, insbes 22). Unter „Besitz einer Aufenthaltserlaubnis” iS der genannten Vorschriften des AuslG versteht auch das Schrifttum nur die tatsächliche Innehabung eines von der Ausländerbehörde erlassenen Aufenthaltstitels (Kloesel/Christ/Häußer, aaO, § 24 RdNr 18). Zur Erfüllung dieser Voraussetzung muß zwar nicht in jedem Fall die die Aufenthaltserlaubnis dokumentierende Urkunde vorliegen. Eine förmliche Feststellung ist uU auch schon dann anzunehmen, wenn die Ausländerbehörde in anderer Form eine Erklärung abgibt, aus der hervorgeht, daß sie den Aufenthalt des Ausländers als dauerhaft erlaubt ansieht. Dies ist etwa der Fall bei einem Anerkenntnis im Rahmen eines auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichteten verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreits oder bei einer entsprechenden Zusicherung im Verwaltungsverfahren. Solche Fallgestaltungen liegen hier jedoch nicht vor.
Ein Anspruch auf Gewährung von Erzg für den Monat Januar 1991 ergibt sich auch nicht daraus, daß der Klägerin im Hinblick auf die Erlangung eines Aufenthaltstitels möglicherweise zeitgerechter Rechtsschutz nicht zur Verfügung stand. Die Klägerin macht geltend, die Verzögerung bei der Erteilung der Aufenthaltsbefugnis sei auf die Arbeitsüberlastung der Ausländerbehörde sowie darauf zurückzuführen, daß nicht genügend Formulare „Fremdenpaß” vorhanden gewesen seien und nicht neu hätten beschafft werden können. Eine Untätigkeitsklage sei in dieser Situation nicht geeignet gewesen, sie früher in den Besitz eines Aufenthaltstitels iS des § 1 Abs 1 Satz 2 BerzGG zu versetzen. Die Aufenthaltsbefugnis sei rückwirkend erteilt worden, damit die Verzögerung nicht zu ihren Lasten gehe.
Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber mögliche Härten gesehen hat, die durch die Einfügung des § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG insoweit auftreten, als die Regelung auf die Tatbestandswirkung der ausländerbehördlichen Entscheidung abstellt und damit den Anspruch auf Erzg auch von Zufälligkeiten des Verfahrensablaufs abhängig macht (BSGE 70, 197, 204 = SozR 3-7833 § 1 Nr 7). Die dadurch eintretenden unvermeidlichen Verzögerungen und Härten hat der Gesetzgeber – ohne daß dies verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre – in Kauf genommen (vgl dazu BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 10). Es bedarf keiner Feststellungen, ob im Falle der Klägerin das Verwaltungsverfahren bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis rechtswidrig verzögert worden ist. In der Entscheidung BSGE 70, 197, 209 = SozR aaO hat der Senat im Falle rechtswidriger Verzögerung des Asylverfahrens oder des Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens die Antragsteller darauf verwiesen, den dafür vorgesehenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz, insbesondere in Form der Untätigkeitsklage, in Anspruch zu nehmen. Er hat offengelassen, ob es im Ausnahmefall der Erzg-Behörde verwehrt sein könnte,
eine trotz Ausschöpfung aller Rechtsbehelfe eingetretene Verzögerung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis dem Asylberechtigten anspruchsausschließend entgegenzuhalten. Dies ist zu verneinen.
In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sind allerdings Rechtsnachteile, die durch eine rechtswidrige Verfahrensverzögerung der Behörde eingetreten sind, verschiedentlich im Wege des sog sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ausgeglichen worden. In diesen Fällen ist dem Bürger die Sozialleistung zuerkannt worden, wenn aufgrund eines Fehlverhaltens der Behörde eine Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt war (vgl BSG SozR 2200 § 1241a Nr 9; SozR 2200 § 1241d Nr 9). Indes kommt bei der Verfahrensverzögerung im Asylverfahren oder Aufenthaltserlaubnisverfahren nur das Verschulden einer Behörde in Betracht, die weder über den Sozialleistungsanspruch zu befinden hat noch als Antrags- oder Auskunftsstelle funktional in das Sozialleistungsverfahren einbezogen ist. Ein Fehlverhalten einer solchen Behörde muß sich der zuständige Sozialleistungsträger im Rahmen eines Herstellungsanspruchs nicht zurechnen lassen (stRspr des BSG, vgl zuletzt BSGE 71, 217 = SozR 3-1200 § 14 Nr 8; SozR 1200 § 14 Nrn 26, 28, 29; BSGE 58, 283 = SozR 1200 § 14 Nr 19), ohne daß hier auf im einzelnen noch streitige Abgrenzungsfragen näher einzugehen wäre (vgl dazu Kreßel, Anmerkung zu BSGE 71, 217, SGb 1993, 528). Für den Schaden in Form entgangenen Erzg, der durch eine rechtswidrige Verzögerung des Verfahrens bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis entstanden ist, verbleibt der Amtshaftungsanspruch nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch iVm Art 34 Grundgesetz.
Einer Verweisung auf den Amtshaftungsanspruch stehen beim Erzg die in anderen Bereichen des Sozialrechts mit der Beschränkung auf Geldersatz verbundenen Unzulänglichkeiten nicht entgegen. Im Gegensatz etwa zu Mitgliedschaftsrechten und -pflichten in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung oder anderen langfristig angelegten sozialrechtlichen Austauschverhältnissen, bei denen Verwaltungsfehler, vor allem wenn sie Spätwirkungen nach sich ziehen, mit Ersatzleistungen des Staatshaftungsrechts nicht oder nur unzulänglich kompensiert werden können, ist beim Erzg Geldersatz durchaus geeignet, die durch fehlerhafte Verwaltungsentscheidungen verursachten Schäden auszugleichen. Die Schadenshöhe kann zudem ohne spezielle Sachkunde ohne weiteres ermittelt werden, da es sich beim Erzg um eine für alle Berechtigten einheitliche Leistung handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen