Beteiligte
…,Kläger und Revisionsbeklagter |
…,Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
G r ü n d e :
I.
Streitig ist die Erstattung von 262,20 DM im Verwaltungsverfahren entstandener Anwaltskosten. Der Kläger hatte als Bürge für einen seinem Sohn im Jahre 1978 gewährten Bankkredit den pfändbaren Teil seiner Einkünfte an die Bank abgetreten, die ihre Ansprüche 1982 bei der Beklagten geltend machte. Diese errechnete von der Rente des Klägers wegen Erwerbsunfähigkeit zunächst einen pfändbaren Betrag von monatlich 350,70 DM, so daß dem Kläger nur noch 713,-- DM Rente überwiesen wurden. Bei der Rentenanpassung im Jahre 1983 teilte die Beklagte unter dem 15. Juni 1983 dem Kläger mit, von der Erwerbsunfähigkeitsrente würden ab August 1983 monatlich 726,30 DM an den Kläger ausgezahlt und der pfändbare Betrag von 385,70 DM der Bank überwiesen. Dagegen erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch, weil die Beklagte seine Ehefrau bei Ermittlung des pfändbaren Betrages nicht als unterhaltsberechtigte Person berücksichtigt habe. Daraufhin teilte die Beklagte dem Bevollmächtigten des Klägers mit, ab 1. Oktober 1983 würden nur noch 158,50 DM von der Rente des Klägers an die Bank überwiesen und ab November 1983 erhalte er 953,50 DM aus seiner Rente ausgezahlt.
Der Bevollmächtigte des Klägers machte nun gegenüber der Beklagten die durch seine Inanspruchnahme entstandenen Kosten geltend. Die Beklagte lehnte die Kostenerstattung ab, weil der Bevollmächtigte nicht in einem Vorverfahren tätig geworden sei, sondern lediglich auf eine Mitteilung an den Kläger reagiert habe. Auf Antrag erteilte die Beklagte den inhaltlich gleichlautenden rechtsmittelfähigen Bescheid vom 12. Dezember 1983, in dem sie zusätzlich die geltend gemachten Kosten als überhöht bezeichnete. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14. März 1984).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger die geltend gemachten Anwaltskosten in Höhe von 262,20 DM zu erstatten. Es hat die vom Bevollmächtigten des Klägers beanstandete Mitteilung vom 15. Juni 1983 als Verwaltungsakt gewertet, gegen den der Bevollmächtigte erfolgreich Widerspruch erhoben habe (Urteil vom 28. Februar 1985). Die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben: Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müsse bei Pfändungen oder Rentenabtretungen die Errechnung des dem Versicherten tatsächlich auszuzahlenden Rentenbetrages ebenso in der Form eines Verwaltungsaktes erfolgen, wie die Errechnung des Zahlbetrages bei Beachtung von Ruhens- und sonstigen sozialrechtlichen Bestimmungen. Die vom Anwalt getroffene Gebührenbestimmung sei auch nicht unbillig iS vom § 12 Abs 1 Satz 2 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (Urteil des Landessozialgerichts - LSG - vom 26. November 1985).
Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte sinngemäß eine Verletzung des § 63 Abs 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) und macht geltend, die Vorinstanzen hätten in der Mitteilung vom 15. Juni 1983 zu Unrecht einen den Kläger belastenden Verwaltungsakt erblickt und daraus gefolgert, der dagegen erhobene Widerspruch habe ein Vorverfahren iS dieser Bestimmung, eröffnet.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,die Klage unter Aufhebung der Urteile des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. November 1985 und des Sozialgerichts Detmold vom 28. Februar 1985 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist zurückzuweisen. Die Vorinstanzen haben den Anspruch des Klägers auf Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen ohne Verletzung des § 63 SGB X zutreffend bejaht.
Nach § 63 Abs 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Diese Bestimmung über die Erstattung von Kosten des Vorverfahrens ist nach dem Urteil des 5a Senats des BSG vom 20. April 1983 - 5a RKn 1/82 - (BSGE 55, 92-= SozR 1300 § 63 Nr 1) nicht entsprechend auf Kosten eines Verwaltungsverfahrens betreffend die Rücknahme eines bindend gewordenen Verwaltungsaktes (Neufeststellungsverfahren) anzuwenden. Es kommt mithin entscheidend darauf an, ob es sich bei dem Angriff des Klägers auf die Mitteilung der Beklagten vom 15. Juni 1983 um den Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt iS von § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X gehandelt hat. Das trifft zu.
Die grundsätzlich in § 53 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil-(SGB I) für zulässig erklärte und näher geregelte Abtretung von Rentenansprüchen erfolgt zwar insoweit nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), als es sich um das Verfügungsgeschäft handelt. Davon zu unterscheiden ist die Feststellung des dem Rentenberechtigten nach der Verfügung über den pfändbaren Betrag verbleibenden Anspruch auf laufende Geldleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind (§ 53 Abs 3 SGB I). Durch die - zivilrechtliche - Übertragung von Ansprüchen auf laufende Geldleistungen iS des § 53 Abs 3 SGB I - hier eines nicht bezifferten Teils des Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit - werden nämlich Rechte in einem Sozialleistungsbereich insofern berührt, als die Ansprüche auf Auszahlung der aus dem Versicherungsverhältnis zustehenden monatlichen Rentenbeträge nun in einem betragsmäßig und zeitlich näher zu bestimmenden Umfang nicht mehr dem Rentenberechtigten, sondern dem Abtretungsempfänger zustehen. Die in § 53 Abs 3 SGB I zugelassenen zivilrechtliche Verfügung wirkt sich also auf die öffentlich-rechtlichen Ansprüche auf Zahlung der monatlichen Rentenbeträge aus. Durch die vom Kläger vorgenommene Abtretung des pfändbaren Teils seiner Rente war zudem der Inhalt der Rechte des Klägers einerseits und der Pflichten der Beklagten andererseits umfangsmäßig nicht bestimmt. Denn die Abgrenzung des pfändbaren Teils der Rente von ihrem nicht pfändbaren Teil hing von den Besonderheiten des Einzelfalls ab, die unter die Regelung des § 850c der Zivilprozeßordnung (ZPO) und der dieser Regelung beigefügten Tabelle zu subsumieren waren. Dabei war insbesondere nach § 850c Abs 4 ZPO zu beachten, daß die Ehefrau des Klägers ein geringes eigenes Einkommen in Höhe von durchschnittlich monatlich 418,-- DM hatte. Die Ehefrau des Klägers war somit bei der Berechnung des unpfändbaren Teils der Rente des Klägers ganz oder teilweise unberücksichtigt zu lassen. Diese Bestimmung hatte "nach billigem Ermessen" zu erfolgen. Sie war gemäß §§ 23 Abs 2, Nr 1 und 33 SGB I von der Beklagten als dem für den Kläger zuständigen Leistungsträger im einzelnen unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Klägers zu treffen. Die Beklagte übernahm insoweit kraft öffentlichen Rechts die in § 850c Abs 4 ZPO geregelte hoheitliche Position des Vollstreckungsgerichts.
Die Beklagte entschied also dem Kläger gegenüber bei Feststellung der Beträge, die sie an ihn zur Auszahlung brachte und aufgrund der Rentenabtretung an die Bank überwies, einen Einzelfall auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit für den Kläger unmittelbarer Rechtswirkung. Dieses Handeln erfüllt, wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben, den Begriff des Verwaltungsakts iS von § 31 SGB X. Diese Wertung vermag die unzutreffende Bezeichnung der am 15. Juni 1983 erfolgten Feststellung des auszuzahlenden Rentenbetrages als "Mitteilung" ebenso wenig zu ändern wie die fehlende Rechtsmittelbelehrung. Es handelt sich insoweit nur um formale Mängel, welche die Qualität einer Maßnahme als Verwaltungsakt nicht beeinträchtigen.
Im übrigen hat auch die Beklagte selbst die Feststellung des an den Kläger auszuzahlenden unpfändbaren und des an die Bank abzuführenden pfändbaren Teils der Rente als eine von ihr in Gestalt eines Verwaltungsakts zu treffende Entscheidung angesehen. Dies folgt daraus, daß sie im August 1982 den Kläger aufforderte, sich gemäß § 24 SGB X bis zum Ende des Monats August 1982 zu dem Sachverhalt zu äußern, und ihm ankündigte, daß beim Ausbleiben einer Äußerung nach dem Akteninhalt entschieden werde. Zwar ist dann zunächst die "Mitteilung" vom 14. September 1982 ergangen, gegen die sich der Kläger nicht gewandt hat. Die "Mitteilung" vom 15. Juni 1983, gegen die der Kläger Widerspruch durch seinen Bevollmächtigten hat erheben lassen, beruhte auf der Rentenanpassung ab Juli 1983. Es handelte sich insoweit um eine von der Beklagten vorgenommenen Neufeststellung der Rentenaufteilung in den an den Kläger zu zahlenden unpfändbaren und den an die Bank abzuführenden pfändbaren Betrag der monatlichen Rente, gegen die sich der Kläger wenden konnte, wenn er sie für rechtswidrig hielt.
Diese Rechtsauffassung des Senats deckt sich mit dem vom LSG zitierten Urteil des 11. Senats des BSG vom 25. Oktober 1984 (BSGE 57, 212 = SozR 1200 Art 2 § 18 Nr 1). Dort ist ausgeführt, es treffe nicht zu, daß die Beklagte, wie sie meine, die Höhe des dem Kläger auszuzahlenden Betrages nicht durch Verwaltungsakt hätte regeln müssen. Danach hat im Verhältnis zum Versicherten der Versicherungsträger nicht nur die Höhe des materiellen Rentenanspruchs, sondern auch die Höhe des dem Versicherten auszuzahlenden Betrages unabhängig davon durch Verwaltungsakt festzustellen, ob er den Zahlbetrag auf der Grundlage sozialrechtlicher (zB Ruhensbestimmungen) oder sonstiger Bestimmungen ermittelt.
Da die Revision die Urteile der Vorinstanzen nicht zur Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten und zur Höhe der von ihm angesetzten Gebühren beanstandet, besteht für den Senat kein Anlaß, hierauf näher einzugehen. Rechtsfehler sind dem LSG insoweit nicht unterlaufen. Zur Höhe der in Ansatz gebrachten Gebühr wird auf die Urteile des BSG vom 7. Dezember 1983 und 22. März 1984 (SozR 1300 § 63 Nr 2 und 3) verwiesen. Danach sind die geltend gemachten Anwaltskosten betragsmäßig nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen