Leitsatz (amtlich)
Die sowohl nach KrFristenablaufG § 2 S 1 wie auch nach KrFristenablaufG § 2 S 3 für die Stellung des Rentenantrags maßgebende, mit Ablauf des auf die Todesnachricht folgenden Kalenderjahres endende Frist ist auch dann versäumt, wenn ein Antrag deshalb nicht gestellt worden ist, weil während des gesamten Laufes dieser Frist die SVD 27 galt und nach dieser ein Anspruch auf Leistungen aus der Invalidenversicherung nicht bestand.
Normenkette
KrFrHemmSV/AVG § 2 Sätze 1, 3; SVD 27
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 27. Januar 1956 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Vater der Kläger war invalidenversichert. Er ist am 15. September 1946 in russischer Kriegsgefangenschaft gestorben. Die Mutter der Kläger erhielt diese Nachricht im Oktober 1947. Gemäß Antrag vom 24. Februar 1948 erhielten die Kläger Versorgungs-Waisenrente nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27 und gemäß Antrag vom 26. Juni 1951 vom 1. Juli 1951 an die Waisenrente aus der Invalidenversicherung. Ein am 1. Juli 1953 gestellter Antrag, die Rente aus der Invalidenversicherung nach dem Gesetz über den Ablauf der durch Kriegsvorschriften gehemmten Fristen in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung vom 13. November 1952 (BGBl. I S. 752) - Kriegsfristengesetz (KFG) - von einem früheren Zeitpunkt an zu gewähren, wurde von der Beklagten durch Bescheid vom 14. August 1953 abgelehnt, desgleichen ein weiterer Antrag gleichen Inhalts vom 15. Dezember 1953 durch Bescheid vom 10. November 1955. Gegen den letzteren Bescheid wurde Klage bei dem Sozialgericht Schleswig erhoben. Das Sozialgericht hob den angefochtenen Bescheid durch Urteil vom 27. Januar 1956 auf und verurteilte die Beklagte, den Klägern Hinterbliebenenrente schon vom 1. Oktober 1946 an zu zahlen; es ließ die Berufung zu. Das Sozialgericht ist der Ansicht, daß während der Geltungsdauer der SVD Nr. 27 ein Antrag auf Invalidenrente für die Kläger zwecklos gewesen wäre, da nur die höhere Rente zur Auszahlung kommen durfte. Es müsse daher angenommen werden, daß der Ablauf der Frist des § 2 KFG bis zum Inkrafttreten des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) gehemmt gewesen sei.
Gegen dieses Urteil, zugestellt am 28. Februar 1956, legte die Beklagte durch Schriftsatz vom 20. März 1956, eingegangen am 27. März 1956, - unter Beibringung der Einverständniserklärung der Kläger - Sprungrevision ein und begründete diese gleichzeitig.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 27. Januar 1956 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß die Annahme einer Hemmung des Ablaufs der Frist des § 2 KFG nicht möglich sei, weil das Gesetz eine Hemmung nicht vorsehe, zudem ein Antrag auch nicht in jedem Falle zwecklos gewesen wäre.
Die Kläger beantragen,
die Revision der Beklagten vom 20. März 1956 zurückzuweisen und ihr die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Sie sind der Auffassung, daß in denjenigen Fällen, in denen der Tod des Versicherten vor Inkrafttreten des KFG eingetreten sei, der Antrag erst bis zum 31. Dezember 1955 gestellt zu sein brauche.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig; es konnte ihr auch der Erfolg nicht versagt bleiben.
Da der Bewilligungsbescheid der Beklagten vor dem Inkrafttreten des KFG - 16. November 1952 - ergangen ist, beurteilt sich der geltend gemachte Anspruch auf Vorverlegung des Rentenbeginns nicht nach Satz 1, sondern nach Satz 3 des § 2 KFG (Urteil des 1. Senats des Bundessozialgerichts vom 8.5.1956 - 1 RA 81/55 - und Urteil des erkennenden Senats vom 7.6.1956 - 4 RJ 192/55 -).
Wie der 1. Senat in dem angeführten Urteil weiter entschieden hat, kann auch nach § 2 Satz 3 KFG der Rentenbeginn nur dann auf den Sterbemonat vorverlegt werden, wenn der Antrag auf Bewilligung der Hinterbliebenenrente bis zum Ablauf des auf die Todesnachricht folgenden Jahres gestellt worden ist. Auch insoweit hat sich der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 7. Juni 1956 - 4 RJ 192/55 - dem 1. Senat angeschlossen. In dem vorliegenden Fall sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, da der Antrag erst nach Ablauf dieser Frist gestellt worden ist. Diese Frist lief, da die gesetzliche Vertreterin der Kläger die Todesnachricht im Jahre 1947 erhalten hat, mit Ende des Jahres 1948 ab. Der Antrag auf Gewährung der Waisenrente aus der Invalidenversicherung ist aber erst im Jahre 1951 gestellt worden. Die Kläger irren, wenn sie meinen, es genüge die Stellung eines Antrages bis zum 31. Dezember 1955. Bei dem nach § 2 Satz 3 KFG bis zu diesem Zeitpunkt zu stellenden Antrag handelt es sich lediglich um den Antrag auf Vorverlegung des Rentenbeginns nach bereits erfolgter Rentenfestsetzung. Die gesetzliche Vertreterin der Kläger hat zwar bis zum Ablauf des auf die Todesnachricht folgenden Jahres einen Antrag auf Gewährung von Versorgungswaisenrente gestellt. Dieser Antrag kann aber, entgegen der Ansicht der Kläger, nicht gleichzeitig als Antrag auf Waisenrente aus der Invalidenversicherung aufgefaßt werden. Voraussetzung wäre, daß ein dahingehender erkennbarer Wille der gesetzlichen Vertreterin der Kläger vorgelegen hätte. Dies ist aber nicht der Fall. Abgesehen davon, daß die gesetzliche Vertreterin der Kläger einen solchen Willen zu diesem Zeitpunkt kaum gehabt haben wird, da unter der Herrschaft der SVD Nr. 27 nur Anspruch auf die höhere der beiden Renten bestand und nicht angenommen werden kann, daß sie einen zwecklosen Antrag stellen wollte, würde ein solcher Wille auch schon deshalb unberücksichtigt bleiben müssen, weil er keinen irgendwie erkennbaren Ausdruck gefunden hat. Die Frist des § 2 KFG ist also keinesfalls eingehalten worden. Das Sozialgericht meint zwar, der Ablauf dieser Frist sei "gehemmt" gewesen, weil es unter der Herrschaft der SVD Nr. 27 zwecklos gewesen sei, einen Antrag zu stellen. Dieser Ansicht vermochte der erkennende Senat aber nicht zu folgen, weil das Gesetz hierzu keine Handhabe bietet. Das Sozialgericht stützt sich vor allem auf das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 22. November 1954 (Breithaupt Bd. 44 S. 498). Aber auch den in diesem Urteil angeführten Gründen kann insoweit nicht gefolgt werden. Es ist zwar nicht zu verkennen, daß gewisse Billigkeitserwägungen für die Ansicht des Landessozialgerichts Schleswig sprechen; diese berechtigen aber nicht, von dem klaren Gesetzesinhalt abzuweichen, zumal die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zeigt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 7.6.1956 - 4 RJ 192/55 -), daß der Bundestag einer Erweiterung der von ihm als schutzwürdig anerkannten Tatbestände weitgehend ablehnend gegenüberstand.
Die Voraussetzungen des § 2 Satz 4 erste Alternative liegen schon deshalb nicht vor, weil bis zum Inkrafttreten des KFG (vgl. dazu Urteil des 1. Senats des erkennenden Gerichts vom 27.3.1957 - 1 RA 76/55 -) überhaupt kein Rentenantrag der Kläger ablehnend beschieden worden ist, sondern auf den bis dahin gestellten einzigen Antrag vom 26. Juni 1951 die Rente, wenn auch erst ab 1. Juli 1951, zugesprochen worden ist. Die Voraussetzungen des § 2 Satz 4 zweite Alternative liegen schon deshalb nicht vor, weil vor dem Inkrafttreten des KFG die Stellung eines Antrages nicht unterblieben, sondern ein solcher im Jahre 1951 gestellt worden ist. Eine Vorverlegung des Beginns der Rente war also auch nach Satz 4 des § 2 KFG nicht möglich.
Der geltend gemachte Anspruch ist somit unbegründet, so daß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen werden mußte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen