Entscheidungsstichwort (Thema)
Abrechnungsfähigkeit von Massagen und krankengymnastischen Leistungen durch einen Belegarzt. persönliche Leistungserbringung
Orientierungssatz
1. Massagen und krankengymnastische Leistungen sind als ärztliche Behandlung nach Abschn E des BMÄ'78 auch dann abrechnungsfähig, wenn der Therapeut (Masseur, Krankengymnast) unter Anleitung oder Beaufsichtigung des anordnenden Arztes tätig wird. Dafür genügt es noch, wenn der Arzt sich sogleich bei jeder einzelnen Heilmaßnahme von der Wirkung der Therapie überzeugt, was auch durch Rücksprache mit dem Masseur erfolgen kann (BSG vom 27.9.63 2 RU 222/60 = SozR Nr 1 zu § 122 RVO).
Allgemein können die Anforderungen an die persönliche Anleitung oder Beaufsichtigung von nichtärztlichem Personal je nach Art der Leistung höher oder geringer sein (vgl BSG vom 6.5.1975 6 RKa 22/74 = BSGE 39, 288).
2. Im Rahmen des § 10 MBKGÄndG 1968 können von Praktikanten Leistungen nach den Nrn 500ff BMÄ'78 erbracht werden.
3. Die streitigen Massagen und krankengymnastischen Behandlungen sind nicht mit dem allgemeinen Pflegesatz abgegolten. Vielmehr sind wegen dieser Leistungen Abschläge vom allgemeinen Pflegesatz vorzunehmen.
Normenkette
RVO § 368g Abs 4 Fassung: 1981-12-22; BMÄ Nr 500; BMÄ Abschn E; RVO § 122 Abs 1 S 2; BPflV § 3 Abs 1 Fassung: 1973-04-25; SGB 5 § 87 Abs 2 Fassung: 1988-12-20, § 28 Abs 1 S 2 Fassung: 1988-12-20; MBKGÄndG 1968 § 10 Fassung: 1968-05-22
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger sind als Ärzte für Orthopädie in W. niedergelassen und belegärztlich am dortigen St. E. (E.)-Krankenhaus tätig. Streitig ist, ob sie Massagen und krankengymnastische Leistungen der dem Krankenhaus angegliederten privaten Lehranstalt für Physiotherapie und Krankengymnastik abrechnen können.
Auf Antrag der Beigeladenen berichtigte die Beklagte die Abrechnung der Kläger für die Quartale II bis IV/1985 und strich alle physikalisch-medizinischen Leistungen nach den Ziffern 500 bis 554 BMÄ'78 im Gesamtbetrag von 13.022,03 DM mit der Begründung, berechnungsfähig seien von nichtärztlichem Hilfspersonal ausgeführte Verrichtungen nur dann, wenn die Hilfsperson in einem arbeitsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis zu dem Arzt stehe. Hier sei aber Krankenhauspersonal tätig geworden. Außerdem würden die hier interessierenden Leistungen in der Regel nicht unter Aufsicht und Verantwortung des Arztes erbracht.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat das Landessozialgericht (LSG) die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Es hat ausgeführt, die Leistungen seien von Angehörigen der dem Krankenhaus angegliederten privaten Lehranstalt für Physiotherapie und Krankengymnastik erbracht worden und folglich nicht im kleinen Pflegesatz des E.-Krankenhauses enthalten. Die erforderliche ärztliche Anleitung und Beaufsichtigung bei den Leistungen sei in vollem Umfang gesichert. Bei der täglichen Visite hätten Verlaufskontrollen und ggf dem begleitenden Krankengymnasten/Masseur Anweisungen über Therapieänderungen erteilt werden können. Die Kläger seien wöchentlich bis zu 30 Stunden in dem Krankenhaus gewesen und hätten auch sonst zu jeder Zeit in ihrer Praxis erreicht werden können.
Die Beigeladene hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt und macht geltend, die streitigen Leistungen gehörten als Teil der Standardversorgung zu den allgemeinen Krankenhausleistungen, die mit dem Pflegesatz abgegolten seien. Dafür sei nach der Rechtsprechung unerheblich, ob das Krankenhaus die Leistungen selbst bereitstellt oder sich beschaffen muß.
Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Juli 1988 aufzuheben und die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des LSG für zutreffend und machen geltend, die streitigen Leistungen könnten schon deshalb nicht zu den allgemeinen Krankenhausleistungen gehören, weil die Kosten für das betreffende Hilfspersonal nicht im Pflegesatz des E.-Krankenhauses enthalten seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Im Ergebnis hat das LSG die angefochtenen Bescheide mit Recht aufgehoben. Die Bescheide sind rechtswidrig. Der Beklagten steht der mit den Bescheiden geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von 13.022,03 DM nicht zu.
1. Die Kläger haben diesen Betrag zu Recht erhalten. Entgegen der Begründung im angefochtenen Bescheid haben sie die mit 13.022,03 DM vergüteten Leistungen persönlich erbracht. Massagen und krankengymnastische Leistungen sind als ärztliche Behandlung nach Abschnitt E des BMÄ'78 auch dann abrechnungsfähig, wenn der Therapeut (Masseur, Krankengymnast) unter Anleitung oder Beaufsichtigung des anordnenden Arztes tätig wird. Dafür genügt es noch, wenn der Arzt sich sogleich bei jeder einzelnen Heilmaßnahme von der Wirkung der Therapie überzeugt, was auch durch Rücksprache mit dem Masseur erfolgen kann (BSG SozR RVO § 122 Nr 1). Allgemein können die Anforderungen an die persönliche Anleitung oder Beaufsichtigung von nichtärztlichem Personal je nach Art der Leistung höher oder geringer sein (vgl BSGE 39, 288, 289). Massagen und Krankengymnastik erfordern aber eine intensive Tätigkeit des Arztes, wenn sie diesem zugerechnet werden sollen. Wenn insoweit nach den Anforderungen an die persönliche Leistungserbringung gemäß Beschluß der Bundesärztekammer vom 11. Dezember 1987 (Rheinisches Ärzteblatt 1988, 95) eine Kontrolle in regelmäßigen Zeitabständen und Beurteilung des Ergebnisses nach Durchführung der Maßnahme ausreicht, gilt dies nicht für die Abrechnungsfähigkeit einer Leistung nach dem BMÄ'78.
Die Voraussetzungen der persönlichen Anleitung oder Beaufsichtigung liegen hier vor. Den Entscheidungsgründen des LSG-Urteils entnimmt der Senat die Feststellung, daß die Kläger täglich bei der Visite Verlaufskontrollen der Behandlungsmaßnahmen vorgenommen haben; dagegen bezieht sich die Möglichkeitsform "... werden können", in dem auf das Wort "vorgenommen" folgenden Satzteil offenbar nur auf diesen Satzteil. Die Feststellung des LSG ist auch nicht mit Revisionsgründen angegriffen worden. Zwar ist die Beigeladene der persönlichen Leistungserbringung entgegengetreten; sie hat aber keine Einwände gegen die konkrete Tatsachenfeststellung des LSG erhoben.
2. Andere Gründe gegen die Abrechnungsfähigkeit der streitigen Leistungen nach Nrn 500 ff BMÄ'78 sind nicht vorgebracht worden. Es bedurfte auch keiner ausdrücklichen Feststellung des LSG dahin, daß die Massagen und die Krankengymnastik von anerkannten Masseuren/Krankengymnasten ausgeführt worden sind. Den Feststellungen des LSG ist im Zusammenhang zu entnehmen, daß es sich um Massagen und krankengymnastische Leistungen gehandelt hat und nicht nur um praktische Übungen iS des § 2 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Masseure und für Masseure und medizinische Bademeister vom 7. Dezember 1960 (BGBl I 880). Im Rahmen der nach § 10 des Gesetzes über die Ausübung der Berufe des Masseurs und des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten idF des Gesetzes vom 22. Mai 1968 (BGBl I 470) können von dem Praktikanten Leistungen nach den Nrn 500 ff BMÄ'78 erbracht werden.
3. Ein Vergütungsanspruch der Kläger ist ferner nicht ausgeschlossen nach dem Grundsatz, daß eine im Pflegesatz des Krankenhauses abgegoltene Leistung von dem Arzt, der sie erbringt, nicht noch einmal berechnet werden kann (BSGE 52, 181, 183). Entgegen der in dieser Sache vom SG vertretenen Meinung sind die streitigen Leistungen nicht im sogenannten kleinen Pflegesatz des E.-Krankenhauses enthalten und mit diesem abgegolten. Nach § 3 Abs 1 der hier noch anzuwendenden Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (BPflV) vom 25. April 1973 (BGBl I 333) war für jedes Krankenhaus ein allgemeiner Pflegesatz festzusetzen, durch den alle unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses medizinisch zweckmäßigen und ausreichenden Krankenhausleistungen (allgemeine Krankenhausleistungen) abgegolten werden einschließlich der Leistungen von nicht am Krankenhaus angestellten Konsiliarärzten sowie für Leistungen fremder, auch bronchiologischer Untersuchungsstellen. Es kann dahingestellt bleiben, ob demgemäß die Leistungen der Praktikanten oder des Stammpersonals der dem E.-Krankenhaus angegliederten privaten Lehranstalt für Physiotherapie und Krankengymnastik zu den allgemeinen Krankenhausleistungen gehören können. Die streitigen Massagen und krankengymnastischen Behandlungen sind jedenfalls nicht mit dem allgemeinen Pflegesatz abgegolten. Vielmehr sind wegen dieser Leistungen Abschläge vom allgemeinen Pflegesatz vorzunehmen. Nach § 3 Abs 2 BPflV ist die Erbringung und Berechnung ärztlicher Leistungen durch einen Belegarzt bei der Bemessung des Anteils der ärztlichen Leistungen im allgemeinen Pflegesatz zu berücksichtigen. Entscheidend und ausreichend ist insoweit, daß es sich bei den streitigen Massagen und krankengymnastischen Behandlungen um Leistungen der Kläger gehandelt hat. Die Kläger haben die Leistungen auch berechnet.
Es bedarf für die Entscheidung über den Anspruch der Kläger weder dem Grund noch der Höhe nach weiterer Feststellungen. Wie dargelegt, besteht der vorrangige Anspruch des Belegarztes auf Abrechnung seiner Leistungen dem Grund nach auch, wenn der Belegarzt etwa Hilfspersonal des Krankenhauses in Anspruch nimmt. Im vorliegenden Fall kann ferner dahingestellt bleiben, ob dem E.-Krankenhaus durch den Einsatz der Masseure und Krankengymnasten Kosten entstanden sind. Unkosten, die dem Krankenhausträger durch die stationäre Tätigkeit des Belegarztes entstehen, sind allerdings grundsätzlich im Pflegesatz abzugelten (gemeinsame Hinweise der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesärztekammer vom 6./18. März 1981 zur Anwendung der Belegarztvertragsgrundsätze vom 19. März/8. August 1959 - abgedruckt bei Wieglow/Roth, Die Kassenarztgebühren, 5. Aufl II 116 Ziffer 8). Diesem Hinweis liegt das Ziel zugrunde, daß insbesondere bei ärztlichen Sachleistungen (§ 25 Abs 1 BMV-Ä) der Belegarzt nur den Arztkostenanteil berechnet und nicht die damit verbundenen beim Krankenhaus entstehenden Sachkosten. Das Ziel könnte auch der Bestimmung des § 368g Abs 6 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) idF des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1069) entnommen werden, wonach die Vertragsparteien in den Verträgen sicherzustellen haben, daß bei der Vergütung die Besonderheiten der belegärztlichen Tätigkeiten berücksichtigt werden und die Vergütung in einem angemessenen Verhältnis zu dem Betrag steht, der bei Krankenhauspflege aus dem Pflegesatz für die ärztliche Behandlung berechnet werden würde. Jedenfalls war aber die Beschränkung auf den Arztkostenanteil nicht zwingend vorgeschrieben. Es mag sein, daß in den hier maßgebenden Quartalen II bis IV/1985 tatsächlich im allgemeinen noch die Belegärzte die Sachkostenanteile berechneten und dafür eine angemessene Kostenerstattung an das Krankenhaus zu leisten hatten (Brandecker, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung und Folgerecht Stand 6.82 Anm 5 zu § 3 BPflV; vgl auch § 6 des Belegarztvertrages zwischen dem Landkreis Bernkastel-Wittlich und den Klägern). Entscheidend sind aber der Honorarverteilungsmaßstab und der Gesamtvertrag zwischen der Beklagten und dem Verband der Ortskrankenkassen Rheinland-Pfalz, Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern (Südwest), der auch die Höhe der Vergütung der von Belegärzten erbrachten stationären kassenärztlichen Leistungen regelt. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß die den Klägern gezahlte Vergütung für die streitigen Leistungen diesen Regelungen nicht entsprochen hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen