Beteiligte
Klägerin und Revisionsbeklagte |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ab wann die Beklagte einen der Klägerin bereits ausgezahlten Rentennachzahlungsbetrag zu verzinsen hat.
Die Klägerin ist die Witwe des im August 1971 verstorbenen Versicherten F…S… Auf ihren Antrag vom Dezember 1974 bewilligte die Beklagte der Klägerin Witwenrente ab August 1971. Am 14. August 1975 (Eingangsdatum) erklärte sich die Klägerin gegenüber der Beklagten zur Beitragsnachentrichtung nach den Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung vom 22. Dezember 1970 - BGBl. I 1846 - (WGSVG) bereit. Die Beklagte ließ eine Beitragsnachentrichtung gem. § 10a WGSVG zu, lehnte aber eine solche nach § 10 WGSVG ab (Bescheid vom 19. November 1976; Widerspruchsbescheid vom 30. August 1977). Im anschließenden Klageverfahren (S 10 J 182/77 Sozialgericht - SG - Düsseldorf) erklärte die Beklagte sich mit Schriftsatz vom 16. Juni 1978 grundsätzlich bereit, die Nachentrichtung von Beiträgen nach §§ 9 und 10 WGSVG zuzulassen, sobald die Klägerin mitgeteilt habe, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe die Beiträge entrichtet werden sollten. Nachdem die Klägerin durch Schriftsatz vom 17. August 1978 die Nachentrichtung nach Zeiträumen und Beitragsklassen spezifiziert hatte, erklärte die Beklagte auf Verlangen der Klägerin mit Schreiben vom 24. August 1978, daß der im Bescheid vom 19. November 1976 aufgeführte Zusatz über die Ablehnung der Nachentrichtung gem. 10 WGSVG ersatzlos gestrichen und die Nachentrichtung gem. 10 WGSVG zugelassen werde. Durch Annahme dieses Anerkenntnisses erledigte sich der Rechtsstreit. Der Nachentrichtungsbetrag ging im Oktober 1978 bei der Beklagten ein.
Mit Bescheid vom 12. November 1979 berechnete die Beklagte Witwenrente der Klägerin aufgrund der Nachentrichtung für die Zeit ab 1. September 1975 neu. Gegen diesen Bescheid, der keine Verzinsung vorsah, erhob die Klägerin Klage mit dem Begehren, die geschuldeten Geldleistungen ab 1. Januar 1978 verzinst zu erhalten. Im Laufe des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 3. Juli 1980 der Klägerin Verzinsung für die Zeit vom 1. Mai 1979 bis 31. Oktober 1979 zugestanden.
Das SG hat die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 12. November 1979 und 3. Juli 1980 verurteilt, den sich aus der mit Bescheid vom 12. November 1979 vorgenommenen Neuberechnung der Witwenrente ergebenden Nachzahlungsbetrag mit 4% ab dem 1. Januar 1978 zu verzinsen. Es hat im wesentlichen ausgeführt: Die höhere Rentenleistung sei schon im September 1975 fällig geworden, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Rente mangels Spezifizierung der Nachentrichtung und mangels Zahlung des Nachentrichtungsbetrages nicht hätte berechnet werden können. Zu dieser Zeit habe sich die Klägerin zur Nachentrichtung bereit erklärt. Die Erklärung stehe der Nachentrichtung gleich und enthalte gleichzeitig den Antrag auf höhere Rentenleistungen.
Die Beklagte rügt mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision eine
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Verletzung der §§ 40, 41 und 44 des Sozialgesetzbuches, Allgemeiner Teil, (SGB 1). Sie ist der Auffassung, daß eine Leistung keineswegs vor dem Zeitpunkt fällig sein kann, zu dem der Leistungsverpflichtete in der Lage ist, diese Leistung der Höhe nach zu bestimmen.
Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen für die Zeit vor dem 1. März 1979.
Gemäß § 44 Abs. 1 SGB 1 sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v.H. zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt gemäß Abs. 2 der genannten Vorschrift jedoch frühestens nach Ablauf von 6 Kalendermonaten nach dem Eingang des vollständigen Leistungsantrages beim zuständigen Leistungsträger.
Die Frage der Fälligkeit der durch die nachträgliche Beitragsentrichtung erhöhten Rente ist hier zu unterscheiden von der Frage, für welche Zeit - möglicherweise rückwirkend - der Klägerin eine erhöhte Rente zu errechnen und zu zahlen war. Nach Art 4 § 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Vorschriften über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung vom 22. Dezember 1979 (BGBl. I S. 1846) ist in den Fällen des Art 1 § 10 (also des § 10 WGSVG) die höhere Rente frühestens vom Ersten des Monats an zu zahlen, der auf die Beitragsnachentrichtung folgt. Ob der Klägerin gleichwohl die erhöhte Rente, wie die Beklagte angenommen hat, tatsächlich bereits ab dem 1. September 1975 zusteht, kann hier offen bleiben. Denn durch den Bescheid der Beklagten vom 12. November 1979 ist der Klägerin der Nachzahlungsbetrag für die Zeit ab dem 1. September 1975 bindend (§ 77 Sozialgerichtsgesetz - SGG -; vgl. auch den ab dem 1. Januar in Kraft getretenen § 39 des Sozialgesetzbuches, Verwaltungsverfahren -SGB 10-) festgestellt worden. An diesen Bescheid ist auch das Gericht gebunden. Daß dieser Bescheid eine bindende Bestimmung über die Fälligkeit getroffen haben könnte, ist jedoch nicht erkennbar. Fällig werden konnte die erhöhte Rente nicht vor der - im Oktober 1978 erfolgten - Zahlung durch die Klägerin, mit der sie für zurückliegende Zeiten Versicherungsbeiträge erbrachte. Nach den §§ 40, 41 SGB 1 werden Ansprüche fällig, sobald ihre im Gesetz bestimmten Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Die Errechnung der Rentenhöhe des Versicherten, von, der auch die Höhe der Witwenrente abhängt (§ 1268 Reichsversicherungsordnung - RVO -) richtet sich nach der Zahl der Versicherungsjahre und den in diesen Jahren erreichten Entgelten, die der Berechnung der Versicherungsbeiträge zugrunde lagen (§§ 1253, 1255, 1258 RVO). Erst mit der Nachzahlung der ausnahmsweise für die Vergangenheit wirksamen Beiträge (§ 10 WGSVG) im Oktober 1978 konnte somit die höhere Rente entstehen und damit fällig werden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten rechtfertigt dies indes nicht, die Verzinsung in Anwendung des § 44 Abs. 2 SGB 1 erst am 1. Mai 1979 beginnen zu lassen. Zu Unrecht setzt damit die Beklagte den Eingang des vollständigen Leistungsantrags i.S. dieser Vorschrift mit der durch die Beitragsnachzahlung eingetretenen Fälligkeit des Anspruchs gleich, obwohl nach Abs. 1 und 2 des § 44 SGB 1 beide Zeitpunkte rechtssystematisch zu unterscheiden sind und nicht identisch zu sein brauchen. Dies zeigt gerade der vorliegende Fall. Den vollständigen Leistungsantrag i.S. des § 44 Abs. 2 SGB 1 hatte die Klägerin nämlich bereits gestellt, als sie mit Schriftsatz vom 17. August 1978 die von ihr beabsichtigte Nachentrichtung nach Zeiträumen und Beitragsklassen spezifiziert hatte. Damit hatte sie die Beklagte in die Lage versetzt, den geltend gemachten Anspruch nach Grund und Höhe zu prüfen, so daß die sechsmonatige Frist des § 44 Abs. 2 SGB 1 am 1. September 1978 begann und am 28. Februar 1979 endete. Der Zinsanspruch besteht daher nicht erst ab 1. Mai 1979, sondern bereits ab 1. März 1979.
Ein früherer Beginn des Zinsanspruchs kommt indes nicht in Betracht. Er ergibt sich insbesondere nicht aus dem von der Rechtsprechung entwickelten sozialrechtlichen Wiederherstellungsanspruch. Dieser zielt ausdrücklich nicht ab auf Schadensersatz in Form von finanzieller Entschädigung, sondern ist gerichtet auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung eines Zustandes, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger sich rechtmäßig verhalten hätte (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 20. Februar 1980 in BSGE 50, 12 = SozR 2200 § 313 Nr. 6 m.w.N.). Wenn aber hier die Beklagte den Nachzahlungsbescheid zu einem früheren Zeitpunkt erlassen hätte, wäre der geltend gemachte Zinsanspruch ohnehin entfallen.
Ob ein Anspruch der Klägerin in der von ihr beantragten Höhe als Schadensersatz im Hinblick auf eine womöglich verspätete Auszahlung des Nachzahlungsbetrags begründet wäre, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, weil für eine solche Forderung nur der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten gegeben wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen