Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragszuschuß. USA
Leitsatz (redaktionell)
Beitragszuschuß nach RVO § 381 Abs 4 in der bis zum 30.6.1977 geltenden Fassung für im Ausland wohnende Rentner sowie Neufeststellung des Beitragszuschusses nach bindender Ablehnung:
Nach bindender Ablehnung des Beitragszuschusses nach RVO § 381 Abs 4 in der bis zum 30.6.1977 geltenden Fassung kann eine Neufeststellung des Anspruchs auf den Zuschuß nur unter der Voraussetzung des RVO § 1300 (AVG § 79) - also wenn die Leistung zu Unrecht abgelehnt worden ist - in Betracht kommen.
Orientierungssatz
Einem Auslandsrentner steht der Beitragszuschuß nur zu, wenn bei vergleichbarer Sachlage auch einem Inlandsrentner diese Leistung zu gewähren wäre (Anschluß an BSG 1977-04-27 3 RK 70/75 = SozR 2200 § 381 Nr 16). Auch der Auslandsrentner muß deshalb eine sogenannte "Vollversicherung" abgeschlossen haben.
Als Vollversicherung kann der von einem Auslandsrentner erworbene Krankenversicherungsschutz grundsätzlich nur gewertet werden, wenn er dem Versicherten sowohl bei ambulanter als auch bei stationärer Behandlung Leistungen bietet, die in etwa denen entsprechen, welche einem freiwillig versicherten Inlandsrentner von der deutschen gesetzlichen KV gewährt werden.
Die staatliche amerikanische KV "Medicare" ist keine Vollversicherung.
Normenkette
RVO § 381 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1967-12-21, § 1300 Fassung: 1957-02-23; AVG § 79 Fassung: 1957-02-23
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 10.07.1975; Aktenzeichen L 16 Kr 22/75) |
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 28.11.1974; Aktenzeichen S 10 (8) J 170/73) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Juli 1975 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Beitragszuschuß (§ 381 Abs 4 der Reichsversicherungsordnung - RVO -).
Die 1897 geborene, in den USA lebende Klägerin ist seit Juli 1966 Mitglied der staatlichen amerikanischen Krankenversicherung (Medicare Teil A und B = Hospital and medical Insurance). Sie erhält seit 1. Juni 1968 von der Beklagten Witwenrente. Am 11. Juli 1968 beantragte sie die Gewährung des Beitragszuschusses. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Juni 1971 ab, weil die Klägerin keine Krankenkostenvollversicherung abgeschlossen habe und ihre Beitragsaufwendungen nicht den Betrag erreichten, den privatversicherte Inlandsrentner für ihre Krankenversicherung aufzubringen hätten. Diesen Bescheid hat die Klägerin nicht angefochten.
Am 7. März 1973 wiederholte die Klägerin ihren Zuschußantrag. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 23. August 1973 auch diesen Antrag ab. Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt: Die Mitgliedschaft bei Medicare biete nur bei ambulanter ärztlicher Behandlung einen noch ausreichenden Versicherungsschutz. Bei Einweisung in ein Krankenhaus bleibe das Kostenrisiko in entscheidenden Teilen ungedeckt. Die Lage der Klägerin komme deshalb nicht einmal in etwa derjenigen eines freiwilligen Mitglieds der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung gleich. Auch habe die Klägerin an Beiträgen durchweg weniger als die Hälfte des Betrages aufzubringen gehabt, den der Beitragszuschuß ausgemacht hätte.
Mit der - zugelassenen - Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 381 Abs 4 RVO. Sie meint, Medicare sei sowohl bei ambulanter als auch bei Krankenhausbehandlung eine die Gewährung des Beitragszuschusses rechtfertigende Krankenkostenvollversicherung. Unter Zuhilfenahme der "lifetime reserve" stünden ihr sogar bis zu 240 Krankenhaustage zur Verfügung.
Die Klägerin beantragt,
die vorinstanzlichen Urteile sowie die zugrunde liegenden Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. Juli 1966 den Beitragszuschuß zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung des Beitragszuschusses könnte der Klägerin nur über § 1300 RVO zustehen; denn sie hat gegen den Bescheid vom 8. Juni 1971, mit dem die Beklagte ihren ersten Zuschußantrag abgelehnt hat, keinen Rechtsbehelf eingelegt, so daß dieser Bescheid bindend geworden ist (§ 77 SGG). Auch hat sich der Sachverhalt inzwischen nicht geändert. Nach § 1300 RVO hat der Rentenversicherungsträger eine Leistung aber nur dann neu festzustellen, wenn er sich bei erneuter Prüfung davon überzeugt, daß die Leistung zu Unrecht abgelehnt, entzogen, eingestellt oder zu niedrig festgestellt worden ist. Die Rechtswidrigkeit des früheren Bescheides muß also derart offensichtlich sein, daß der Versicherungsträger sie bei der erneuten Prüfung ohne weiteres erkennen kann (vgl ua BSGE 19, 38; 28, 173; SozR Nr 12 zu § 1300 RVO; sowie neuerdings Urteil vom 14.9.1976 - 11 RA 118/75 -). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.
Rechtsgrundlage für die Gewährung des Beitragszuschusses ist § 381 Abs 4 RVO. Nach dieser Vorschrift (Satz 1) erhalten freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, die Rentner oder Rentenbewerber sind, aber nicht der Versicherungspflicht nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO unterliegen, auf Antrag einen Betrag zu ihrem Krankenkassenbeitrag. Den gleichen Anspruch haben (Satz 2) bei Erfüllung derselben Voraussetzungen auch Rentner, die bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Krankheit versichert sind. Der Auslandsaufenthalt des Rentners steht diesem Anspruch auf Gewährung eines solchen Beitragszuschusses nicht entgegen (BSGE 31, 288). Die Schutzbedürftigkeit gegenüber dem Krankheitsrisiko kann aber für den Auslandsrentner im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung grundsätzlich nicht anders eingeschätzt werden als für den Inlandsrentner. Einem Auslandsrentner steht deshalb der Beitragszuschuß nur dann zu, wenn bei vergleichbarer Sachlage auch einem Inlandsrentner diese Leistung zu gewähren wäre (Urteil des erkennenden Senats vom 27. April 1977 - 3 RK 70/75 -; zur Veröffentlichung vorgesehen). Auch der Auslandsrentner muß also eine sogenannte "Vollversicherung" abgeschlossen haben.
Als Vollversicherung kann der von einem Auslandsrentner erworbene Krankenversicherungsschutz aber grundsätzlich nur gewertet werden, wenn er dem Versicherten sowohl für den Fall der ambulanten als auch für den der stationären Behandlung Leistungen bietet, die in etwa den Leistungen entsprechen, welche einem freiwillig versicherten Inlandsrentner von der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung gewährt werden. Das trifft bei der staatlichen amerikanischen Krankenversicherung "Medicare" Teil A und B jedoch nicht zu. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen und deshalb für den erkennenden Senat als Revisionsgericht bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG übernimmt diese Versicherung die durch eine stationäre Behandlung entstehenden Kosten lediglich in zeitlich begrenztem Umfang und auch nur, soweit sie bestimmte Beträge überschreiten, also nur unter gewisser Selbstbeteiligung des versicherten Rentners. Bei ambulanter Behandlung ersetzt sie - ebenfalls nur unter gewisser Selbstbeteiligung des Versicherten - lediglich die Kosten der ärztlichen Leistungen. Aufwendungen für die anläßlich einer ambulanten Behandlung benötigten Arzneimittel, sowie für Brillen, Hörgeräte und ähnliche Hilfsmittel werden dagegen ebensowenig erstattet wie die durch zahnärztliche Behandlungen und durch die Beschaffung von Zahnprothesen erwachsenden nicht unerheblichen Kosten. Der erkennende Senat hat deshalb schon in seinem Urteil vom 20. Oktober 1972 (BSGE 35, 15 = SozR Nr 32 zu § 381 RVO), auf das sich die Klägerin beruft, die staatliche amerikanische Krankenversicherung "Medicare" als einen Versicherungsschutz bezeichnet, der nur in Verbindung mit zwei zusätzlich abgeschlossenen amerikanischen Versicherungen (Blue Cross und Blue Shield) ausnahmsweise als den an eine Vollversicherung zu stellenden Anforderungen gerade noch genügend hingenommen werden könne.
Nach alledem brauchte die Beklagte bei erneuter Prüfung nicht davon überzeugt zu sein, daß sie mit ihrem bindend gewordenen Bescheid vom 8. Juni 1971 die von der Klägerin begehrte Gewährung des Beitragszuschusses zu Unrecht abgelehnt habe. Ihr mit der Klage angegriffener Bescheid vom 23. August 1973, mit dem sie eine Neufeststellung der begehrten Leistung abgelehnt hat, ist deshalb nicht zu beanstanden. Der Revision der Klägerin ist mithin der Erfolg versagt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen