Leitsatz (amtlich)

Einem Auslandsrentner steht der Beitragszuschuß nur zu, wenn bei vergleichbarer Sachlage auch einem Inlandsrentner diese Leistung zu gewähren wäre (Anschluß an BSG 1977-04-27 3 RK 70/75 = SozR 2200 § 381 Nr 16). Auch der Auslandsrentner muß deshalb eine sogenannte Vollversicherung abgeschlossen haben.

Als Vollversicherung kann der von einem Auslandsrentner erworbene Krankenversicherungsschutz grundsätzlich nur gewertet werden, wenn er dem Versicherten sowohl bei ambulanter als auch bei stationärer Behandlung Leistungen bietet, die in etwa denen entsprechen, welche einem freiwillig versicherten Inlandsrentner von der deutschen gesetzlichen KV gewährt werden. Die staatliche amerikanische KV "Medicare" Teil A und B iVm Workmen's Benefit Fund ist keine Vollversicherung.

 

Normenkette

RVO § 381 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1970-12-21

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 21.10.1976; Aktenzeichen L 16 Kr 91/75)

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 28.02.1975; Aktenzeichen S 10 J 59/72)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Oktober 1976 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Beitragszuschuß (§ 381 Abs 4 der Reichsversicherungsordnung - RVO -).

Die 1906 geborene, in den USA lebende Klägerin ist Mitglied der staatlichen amerikanischen Krankenversicherung (Medicare Teil A und B = Hospital and medical Insurance). Zusätzlich ist sie versichert bei Workmen's Benefit Fund. Sie erhält seit 1. Januar 1957 von der Beklagten Witwenrente. Am 15. Dezember 1970 beantragte sie die Gewährung des Beitragszuschusses. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Dezember 1971 ab, weil die Klägerin keine Krankenkostenvollversicherung abgeschlossen habe und ihre Beitragsaufwendungen nicht den Betrag erreichten, den privatversicherte Inlandsrentner für ihre Krankenversicherung aufzubringen hätten. Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt: Die Mitgliedschaft bei Medicare biete allenfalls für den Bereich der ambulanten Versorgung einen noch ausreichenden Versicherungsschutz. Dagegen bleibe bei der Einweisung in ein Krankenhaus das Kostenrisiko in entscheidenden Teilen ungedeckt. Auch durch die von der Klägerin abgeschlossene Zusatzversicherung werde keine wesentliche Ergänzung der Medicare-Leistungen erreicht, weil diese Zusatzversicherung lediglich ein Krankenhaustagegeld von 12 Dollar für 28 Tage je Leistungsjahr gewähre. Auch habe der Prämienaufwand der Klägerin den als Beitragszuschuß in Betracht kommenden Betrag niemals erreicht.

Mit der - zugelassenen - Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 381 Abs 4 RVO. Sie meint, Medicare sei sowohl bei ambulanter als auch bei Krankenhausbehandlung eine die Gewährung des Beitragszuschusses rechtfertigende Krankenkostenvollversicherung. Außerdem werde durch die von ihr abgeschlossene Zusatzversicherung ein erheblicher Teil der bei Medicare zu leistenden Selbstbeteiligung ausgeglichen.

Die Klägerin beantragt,

die vorinstanzlichen Urteile sowie den Bescheid vom 13. Dezember 1971 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. November 1971 den Beitragszuschuß zu gewähren;

hilfsweise den Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Rechtsgrundlage für die Gewährung des Beitragszuschusses ist § 381 Abs 4 RVO. Nach dieser Vorschrift (Satz 1) erhalten freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, die Rentner oder Rentenbewerber sind, aber nicht der Versicherungspflicht nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO unterliegen, auf Antrag einen Betrag zu ihrem Krankenkassenbeitrag. Den gleichen Anspruch haben (Satz 2) bei Erfüllung derselben Voraussetzungen auch Rentner, die bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Krankheit versichert sind. Der Auslandsaufenthalt des Rentners steht diesem Anspruch auf Gewährung eines solchen Beitragszuschusses nicht entgegen (BSGE 31, 288). Die Schutzbedürftigkeit gegenüber dem Krankheitsrisiko kann aber für den Auslandsrentner im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung grundsätzlich nicht anders eingeschätzt werden als für den Inlandsrentner. Einem Auslandsrentner steht deshalb der Beitragszuschuß nur dann zu, wenn bei vergleichbarer Sachlage auch einem Inlandsrentner diese Leistung zu gewähren wäre (Urteil des erkennenden Senats vom 27. April 1977 - 3 RK 70/75 -; zur Veröffentlichung vorgesehen). Auch der Auslandsrentner muß also eine sog. "Vollversicherung" abgeschlossen haben.

Als Vollversicherung kann der von einem Auslandsrentner erworbene Krankenversicherungsschutz aber grundsätzlich nur gewertet werden, wenn er dem Versicherten sowohl für den Fall der ambulanten als auch für den der stationären Behandlung Leistungen bietet, die in etwa den Leistungen entsprechen, welche einem freiwillig versicherten Inlandsrentner von der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung gewährt werden. Das trifft bei der staatlichen amerikanischen Krankenversicherung "Medicare" jedoch nicht zu. Diese Versicherung übernimmt die durch eine stationäre Behandlung entstehenden Kosten lediglich in zeitlich begrenztem Umfang und auch nur, soweit sie bestimmte Beträge überschreiten, also nur unter gewisser Selbstbeteiligung des versicherten Rentners. Bei ambulanter Behandlung ersetzt sie - ebenfalls nur unter gewisser Selbstbeteiligung des Versicherten - lediglich die Kosten der ärztlichen Leistungen. Aufwendungen für die anläßlich einer ambulanten Behandlung benötigten Arzneimittel, sowie für Brillen, Hörgeräte und ähnliche Hilfsmittel werden dagegen ebensowenig erstattet wie die durch zahnärztliche Behandlungen und durch die Beschaffung von Zahnprothesen erwachsenden nicht unerheblichen Kosten.

Der erkennende Senat hat deshalb schon in seinem Urteil vom 20. Oktober 1972 (BSGE 35, 15 = SozR Nr 32 zu § 381 RVO), auf das sich die Klägerin beruft, die staatliche amerikanische Krankenversicherung "Medicare" als einen Versicherungsschutz bezeichnet, der nur in Verbindung mit den beiden von der Klägerin des damals zu entscheidenden Rechtsstreits zusätzlich abgeschlossenen amerikanischen Versicherungen (Blue Cross und Blue Shield) ausnahmsweise als den an eine Vollversicherung zu stellenden Anforderungen gerade noch genügend hingenommen werden könne. Das ist vorliegend jedoch nicht möglich; denn die von der Klägerin abgeschlossene Zusatzversicherung ist lediglich eine Krankenhaustagegeldversicherung, die als Verbesserung der "Medicare"-Versicherung nicht ins Gewicht fällt. Die Klägerin besitzt deshalb trotz dieser Zusatzversicherung keine Vollversicherung und hat somit keinen Anspruch auf die Gewährung des Beitragszuschusses.

Nach alledem muß die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1650614

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