Leitsatz (amtlich)

Wegen zu Unrecht gewährter Sachleistungen hat der Unfallversicherungsträger gegen den Leistungsempfänger grundsätzlich keinen Erstattungsanspruch in Höhe der nachgewiesenen Kosten; der Unfallversicherungsträger hat einen Rückforderungsanspruch nur in Höhe des Vermögensvorteils, der dem Leistungsempfänger dadurch entstanden ist, daß ihm Aufwendungen erspart blieben, die er sonst an Stelle der zu Unrecht erhaltenen Sachleistungen - aus eigenen Mitteln getragen hätte.

 

Normenkette

RVO § 558b Fassung: 1942-03-09, § 558d Fassung: 1942-03-09, § 620

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 6. Juni 1961 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen

 

Gründe

I

Der in Griechenland geborene Kläger war als Hafenwerker bei einer griechischen Firma für Schiffsausrüstung im Hamburger Freihafen beschäftigt. Wegen Überschreitung der Einkommensgrenze war er seit 1. Januar 1958 nicht mehr krankenversichert. Am 7. Mai 1958 nahm er auf einem im Hafen liegenden Schiff für seine Firma Bestellungen auf und fuhr dann auf einer Barkasse zum Ufer zurück. Beim Aussteigen verspürte er heftige Schmerzen im linken Fuß. Der Durchgangsarzt (D-Arzt) Dr. D, zu dem sich der Kläger am 9. Mai 1958 begab, stellte als Befund einen Teilabriß der Hackensehne mit Ausriß des hinteren Fersenbeinpoles fest. Dr. D leitete berufsgenossenschaftliche stationäre Behandlung im Krankenhaus St. Georg ein, wo der Kläger vom 10. Mai bis zum 25. September 1958 verblieb. Während dieser Zeit gewährte die Beklagte dem Kläger Tagegeld und freiwillige Beihilfen nach § 560 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF; ferner trug sie noch bis zum 31. Dezember 1958 die Kosten für ambulante Behandlung sowie für ein Paar orthopädische Stiefel und gewährte dem Kläger mehrere Rentenvorschüsse.

Nachdem in dem Gutachten des St. Georgs-Krankenhauses vom Dezember 1958 Bedenken gegen eine traumatische Verursachung des Sehnenabrisses dargelegt waren, ließ die Beklagte eine Augenzeugin und den Kläger über das angebliche Unfallereignis vernehmen und holte weitere chirurgische Gutachten ein, in denen die Gesundheitsstörung des Klägers auf innere Ursachen zurückgeführt wurde. Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. April 1959 den Entschädigungsanspruch des Klägers ab, wobei sie zugleich darauf hinwies, daß über die Frage, ob die Leistungen in Form von ärztlicher Behandlung und Unterstützungsbeträgen vom Kläger zurückzufordern seien, nach Rechtskraft dieses Bescheides ein gesonderter Bescheid ergehen werde. Mit formlosem Schreiben vom 10. August 1959 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie müsse von ihm wegen zu Unrecht gewährter Leistungen den Betrag von 4.432,51 DM zurückfordern und bitte um Äußerung, wie der Kläger diesen Betrag zurückzahlen möchte; nach der Aufstellung der Beklagten handelte es sich im einzelnen um:

1. Tagegeld

131,67 DM

2. Beihilfe

355,70 DM

3. Krankenhausbehandlung

2229,10 DM

4. Medikamente

15,80 DM

5. orthopäd. Stiefel

171,06 DM

6. amb. Behandlung

123,95 DM

7. Röntgenkosten

25,23 DM

8. Rentenvorschüsse

1380,- DM

Mit seiner am 1. Oktober 1959 erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, die Bescheide vom 14. April 1959 und 10. August 1959 aufzuheben. Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat durch Urteil vom 15. Juli 1960 die Klage abgewiesen: Gegen den Ablehnungsbescheid vom 14. April 1959 sei die Klage verspätet erhoben worden; die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung nach § 67 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) seien nicht gegeben. Die Klage gegen den Rückforderungsbescheid vom 10. August 1959 sei unbegründet; die dem Kläger zugeflossenen Leistungen seien objektiv zu Unrecht gewährt worden; die Ermessensentscheidung der Beklagten gemäß § 620 RVO aF widerspreche nicht Treu und Glauben.

Während des Verfahrens über die Berufung des Klägers hat die Widerspruchsstelle der Beklagten dem Kläger den Bescheid vom 2. Juni 1961 erteilt; darin wird der Widerspruch gegen die Aufforderung zur Rückzahlung des Betrages von 4432,51 DM zurückgewiesen und zur Begründung u. a. ausgeführt: Ausschlaggebend für die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs sei es, daß die Leistungen nicht auf einem Verschulden der Beklagten beruhten, der Kläger nicht gegen Krankheit versichert gewesen und durch die Fürsorge der Beklagten während der Arbeitsunfähigkeit vor Existenznot bewahrt worden sei, ferner daß er durch Ersparung höherer Arztkosten einen Vermögensvorteil erlangt habe; hätte statt der Beklagten ein privater Geldgeber oder die öffentliche Fürsorge in Anspruch genommen werden müssen, so würde der Kläger diese für ihn entstandene Schuld tilgen müssen; es sei nicht gerechtfertigt, daß eine solche Schuldentilgung zu entfallen habe, wenn ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Fürsorge geleistet habe.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) Hamburg am 6. Juni 1961 haben die Beteiligten einen Teilvergleich dahin abgeschlossen, daß sich der Kläger verpflichtet, die empfangenen Barleistungen in Gesamthöhe von 1867,37 DM an die Beklagte zurückzuzahlen. Durch Urteil vom 6. Juni 1961 hat das LSG in Änderung des SG-Urteils den Bescheid vom 10. August 1959 und den Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 1961 aufgehoben, soweit darin der Ersatz von Sachleistungen in Höhe von 2565,14 DM gefordert wird: Ein Ersatzanspruch für die Sachleistungen stehe der Beklagten nicht zu. Sachleistungen unterschieden sich in zweifacher Hinsicht von Barleistungen. Die Barleistungen seien von der Beklagten unter ausdrücklichem Vorbehalt - späterer Anerkennung eines Arbeitsunfalls durch den Rentenausschuß - gewährt worden; der Kläger habe daher das Risiko einer Rückzahlungspflicht von vornherein eindeutig erkennen können. Die Sachleistungen hingegen habe die Beklagte vorbehaltlos sofort nach dem Unfall gewährt. Abgesehen davon bestehe nach der Grundsätzlichen Entscheidung (GE) Nr. 3827 des Reichsversicherungsamts - RVA - (AN 1930, 376), deren grundsätzliche Erwägungen auch für den von der Beklagten verfolgten Ersatzanspruch Geltung besäßen, hinsichtlich der Sachleistungen die Besonderheit, daß sie grundsätzlich in Natur zu leisten und nicht einseitig ein Ausfluß des Anspruchs des Versicherten seien, sondern zugleich im Rahmen des Versicherungsverhältnisses auf dessen Mitwirkungspflicht beruhten, um den insbesondere auch im Interesse des Versicherungsträgers liegenden raschen und gründlichen Heilerfolg sicherzustellen (§§ 558 e, 558 g RVO aF i. V. m. der Verordnung über Krankenbehandlung und Berufsfürsorge vom 14. November 1928). Der Versicherte sei deshalb verpflichtet, sich ärztlich behandeln zu lassen; es sei ihm als medizinischem Laien nicht möglich, die ärztliche Behandlung nach Umfang und Dauer sachlich nachzuprüfen.

Die Rückforderung lasse sich aber auch nicht darauf stützen, daß der Kläger durch den Empfang der Sachleistungen ungerechtfertigt bereichert worden sei, weil ihm - nach Meinung der Beklagten - ohne deren Eintreten weit höhere Kosten entstanden wären, er also eigene Aufwendungen erspart habe. Der Kläger habe nämlich bereits in einem Schreiben vom 20. August 1958 auf seine wirtschaftliche Notlage hingewiesen; seinen glaubwürdigen Angaben zufolge hätten ihm seit Ablauf der Gehaltszahlung am 18. Juni 1958 weder weitere Einkünfte noch Vermögen zur Verfügung gestanden. Allein die Kosten der stationären Behandlung hätten über 2200,- DM betragen. Es sei höchst unwahrscheinlich, daß der Kläger solange im Krankenhaus geblieben wäre, wenn er die Behandlung sofort selbst hätte bezahlen müssen; jedenfalls lasse sich nicht feststellen, daß er die von der Beklagten gewährten Leistungen in diesem Umfang selbst aufgebracht haben würde. Andererseits sei die Beklagte auch nicht durch bewußt falsche Angaben des Klägers zu diesen Leistungen veranlaßt worden. Soweit danach nicht überhaupt jede gesetzliche Voraussetzung für die Begründung eines Ersatzanspruchs fehle, widerspreche es Treu und Glauben, Ersatz eines auch nicht annähernd abgrenzbaren Teiles der Sachleistungen vom Kläger zu fordern. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen das am 24. Juli 1961 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. August 1961 Revision eingelegt und sie am 12. August 1961 wie folgt begründet: Verfahrensrechtlich sei zu rügen, daß das LSG nicht ausdrücklich dargelegt habe, welche der im Rückforderungsbescheid vom 10. August 1958 im einzelnen aufgeführten Leistungen denn als Sachleistungen aufzufassen seien. Zweifelhaft sei, ob man bare Auslagen eines Unfallversicherungsträgers für Medikamente, orthopädische Stiefel und Röntgenkosten zu den Sachleistungen zählen könne; denn diese mit Geldmitteln der Beklagten beschafften Dinge habe doch der Kläger in dem Umfange erhalten, wie er sie im Falle des Nichteingreifens der Beklagten unter allen Umständen sich selbst auf eigene Kosten hätte beschaffen müssen; diese Leistungen seien dem Kläger also in Form von Geld gewährt worden. Als Sachleistungen kämen höchstens die Selbstkosten der Beklagten für stationäre und ambulante Behandlung in Betracht. Die vom LSG vorgenommene Unterscheidung zwischen Geld- und Sachleistungen sei nicht gerechtfertigt. Darauf, ob der Versicherte durch die Leistungen bereichert wurde oder gar noch bereichert sei, komme es nach der Rechtsprechung nicht an. Die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs verstoße weder gegen Treu und Glauben noch gegen die Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens. Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Hamburg zurückzuweisen,

hilfsweise,

die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, bei rechtzeitiger Aufklärung des Sachverhalts hätte die Beklagte die Aufwendungen für den Kläger vermeiden können.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

II

Die Revision ist statthaft durch Zulassung (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, daher zulässig. Sie hatte jedoch keinen Erfolg, da das LSG zutreffend entschieden hat, daß der Beklagten wegen der zu Unrecht gewährten Sachleistungen kein Rückforderungsanspruch gegen den Kläger zusteht.

Das Vorverfahren, das bei dem vorliegenden Streit über die Rückforderung der zu Unrecht gewährten Entschädigung stattfinden mußte (vgl. SozR SGG § 79 Nr. 12, 13), ist mit dem Widerspruchsbescheid, den die Beklagte am 2. Juni 1961 - also vor der letzten mündlichen Berufungsverhandlung - erlassen hat, noch wirksam nachgeholt worden (vgl. BSG 16, 21; SozR SGG § 79 Nr. 11). Die Berufung des Klägers war weder durch § 144 Nr. 1 SGG (vgl. SozR SGG § 144 Nr. 9, 19) noch durch § 149 SGG ausgeschlossen.

Die Revisionsrüge, das LSG habe die im Urteilsspruch auf insgesamt 2565,14 DM bezifferten Sachleistungen nicht im einzelnen ausdrücklich gekennzeichnet, macht einen Verfahrensverstoß des LSG nicht ersichtlich. Denn dieser Gesamtbetrag läßt - in Beziehung gesetzt zu dem angefochtenen Rückforderungsbescheid vom 10. August 1959 - hinreichend deutlich erkennen, daß das LSG als Sachleistungen die in diesem Bescheid aufgeführten Positionen 3 bis 7 angesehen hat. Dies unterliegt - entgegen der von der Revision vorgetragenen Auffassung - auch hinsichtlich der Positionen 4 (Medikamente), 5 (orthopädische Stiefel) und 7 (Röntgenkosten) keinen Bedenken; der Umstand, daß die Beklagte mit ihren Geldmitteln diese Leistungen für den Kläger beschafft hat, verleiht ihnen nicht die Eigenschaft von Geldleistungen, vielmehr kommt es lediglich auf die Art an, in welcher der Kläger sie erhalten hat (vgl. Lehmann-Grube Der Rückforderungsanspruch im Sozialrecht 1962 S. 36), nämlich nicht in Gestalt von Geldzahlungen, sondern als Leistungen in natura.

Der Kläger hat die angeführten Sachleistungen erhalten, noch bevor die Beklagte durch Verwaltungsakt zur Frage ihrer Entschädigungspflicht für den Unfall vom 7. Mai 1958 Stellung genommen hatte; unter dem Gesichtspunkt der Bindungswirkung (§ 77 SGG, vgl. BSG 20, 223) steht somit der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs nichts entgegen. Bei diesem Anspruch handelt es sich um einen Anwendungsfall der in Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Institution des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs (vgl. BSG 16, 151, 222; Brackmann Handbuch der Soz.Vers. 6. Aufl. S. 603 mit weiteren Nachweisen).

Für seine Auffassung, ein solcher Erstattungsanspruch stehe der Beklagten wegen der zu Unrecht dem Kläger gewährten Sachleistungen nicht zu, hat sich das LSG weitgehend auf die Rechtsprechung des RVA gestützt. In dieser Rechtsprechung zu Streitfällen aus den Gebieten der Krankenversicherung (AN 1930 376 Nr. 3827; 1931 221 Nr. 4069; 1936 327 Nr. 5030) und der Angestelltenversicherung (AN 1935 253 Nr. 4888) hat das RVA den Standpunkt vertreten, Sachleistungen könnten im allgemeinen nicht wie Geldleistungen zurückgefordert werden, da sie sich in wesentlichen Punkten von diesen unterschieden; der Versicherte sei nämlich verpflichtet, sich ärztlich behandeln zu lassen und dürfe die Durchführung ärztlicher Maßnahmen - ausgenommen gefährliche Operationen - nicht verweigern; eine sachliche Nachprüfung ärztlicher Anordnungen sei ihm weder zuzumuten noch überhaupt möglich; Sachleistungen seien nicht einseitig ein Ausfluß des Anspruchs des Versicherten, sondern beruhten zugleich auf dessen Pflicht zur Mitwirkung, um den im Interesse des Versicherungsträgers liegenden Heilerfolg sicherzustellen. Die Einwände, die Lehmann-Grube (aaO S. 42) gegen diese Erwägungen erhoben hat, treffen nach Meinung des Senats jedenfalls für das Gebiet der Unfallversicherung nicht zu; denn in diesem Versicherungszweig ist die Gewährung der Krankenbehandlung schon seit langem in einer Weise allgemein geregelt, welche einer Eigeninitiative des Versicherten nur wenig Raum läßt; insbesondere die von den Berufsgenossenschaften im Zusammenwirken mit dem RVA entwickelten Einrichtungen des D-Arzt-Verfahrens und des Verletzungsarten-Verfahrens (vgl. RVA-Bestimmungen vom 19. Juni 1936, AN 1936, 195) haben - wie es auch beim Kläger der Fall war - zur Folge, daß dem Unfallverletzten eigene Entscheidungen über die Auswahl von Ärzten oder Krankenhäusern und über die einzuleitenden Behandlungsmaßnahmen weitgehend abgenommen werden.

Für das Gebiet der Unfallversicherung ist somit den vom LSG übernommenen Erwägungen des RVA in der angeführten Rechtsprechung beizupflichten. Hiernach entbehrt das Verlangen des Unfallversicherungsträgers nach Erstattung des vollen Geldbetrages, der für die Bezahlung der Sachleistungen aufzuwenden war, der inneren Rechtfertigung, da der Versicherte auf die Art und das Ausmaß dieser Leistungen regelmäßig keinen maßgeblichen Einfluß gehabt hat, sie vielmehr in Auswirkung der berufsgenossenschaftlich gelenkten Krankenbehandlung hinnehmen mußte.

Dies bedeutet freilich nicht, wie im Schrifttum (Lauterbach Unfallversicherung 2. Aufl. Anm. 4 zu § 620; 3. Aufl. Stand Sept. 1964 Anm. 3 g zu § 628; Beuster ZfS 1959, 285) angenommen worden ist, daß der Unfallversicherungsträger eine Erstattung überhaupt nur für Barleistungen beanspruchen kann. Wegen zu Unrecht gewährter Sachleistungen ist ein Rückforderungsanspruch nicht grundsätzlich ausgeschlossen; er kann sich nur nicht - aus den dargelegten Gründen - auf die Erstattung der vom Versicherungsträger gemachten Aufwendungen schlechthin und in vollem Umfange richten. Auch das RVA hat in seiner angeführten Rechtsprechung - trotz der gelegentlich weiter gefaßten Leitsätze seiner Entscheidungen - einen völligen Ausschluß des Rückforderungsanspruchs hinsichtlich der Sachleistungen nicht angenommen. Wie vielmehr die Entscheidungsgründe (vgl. insbesondere AN 1930, 377) erkennen lassen, hat es einen Rückforderungsanspruch bei Sachleistungen grundsätzlich anerkannt, soweit es sich um den vom Versicherten zu Unrecht erlangten Vermögensvorteil handelt. Für die nähere Bestimmung dieses Anspruchs kommt es nicht - wie die Beklagte meint - lediglich darauf an, die Höhe des Geldbetrages zu ermitteln, den der Unfallverletzte selbst zur Erlangung der ihm gewährten Sachleistungen hätte aufwenden müssen. Vielmehr ist zu prüfen, was der Leistungsempfänger im Einzelfall tatsächlich aus eigenen Mitteln aufgewendet hätte, wenn nicht der Versicherungsträger mit seiner Sachleistung eingetreten wäre; das Ergebnis dieser Prüfung ist der Vermögensvorteil, der dem Leistungsempfänger dadurch entstanden ist, daß ihm Aufwendungen erspart blieben, die er sonst - anstelle der zu Unrecht erhaltenen Sachleistungen - selbst getragen hätte. Bei dieser Betrachtungsweise wird die eingeengte Entscheidungsfreiheit des Leistungsempfängers im Verlauf der berufsgenossenschaftlich gelenkten Krankenbehandlung angemessen berücksichtigt; in diesem Umfang ist daher ein Erstattungsanspruch des Versicherungsträgers gegen den Empfänger der Sachleistungen gerechtfertigt (vgl. Lehmann-Grube aaO S. 40, 41).

Auch das LSG hat im angefochtenen Urteil den Rückforderungsanspruch der Beklagten unter diesem Gesichtspunkt geprüft. Es hat insoweit ausgeführt, dem Kläger, der bereits im August 1958 auf seine wirtschaftliche Notlage hingewiesen habe, hätten seit Ablauf der Gehaltszahlung 6 Wochen nach dem Unfall weder weitere Einkünfte noch Vermögen zur Verfügung gestanden. Es sei höchst unwahrscheinlich, daß der Kläger sich zu einer so lange währenden stationären Behandlung entschlossen hätte, wenn er die Kosten hierfür im Betrage von über 2200,- DM selbst hätte bezahlen müssen. Jedenfalls lasse sich nicht feststellen, daß der Kläger die von der Beklagten gewährten Leistungen in diesem Umfange selbst aufgebracht haben würde. Einen erstattungsfähigen Vermögensvorteil im oben dargelegten Sinne hat das LSG unter diesen Umständen als "auch nicht annähernd abgrenzbar" erachtet.

Diese Feststellungen und Schlußfolgerungen sind von der Revision nicht wirksam angegriffen worden. Das Vorbringen der Beklagten, die ganz undifferenziert den Gesamtbetrag dessen zurückfordert, was sie für Sachleistungen an den Kläger aufwenden mußte, hat auch bereits in den Vorinstanzen keine konkreten Hinweise für eine Ermittlung und nähere Abgrenzung eines dem Kläger zugeflossenen echten Vermögensvorteils erbracht. Da schließlich der festgestellte Sachverhalt - wie das LSG ebenfalls mit Recht angenommen hat - keinen Anhaltspunkt dafür bietet, daß der Kläger sich die umstrittenen Sachleistungen durch unerlaubte Handlungen verschafft haben könnte (vgl. hierzu RVA, EuM 35, 420), besteht die im angefochtenen Urteil ausgesprochene Aufhebung des Rückforderungsbescheids hinsichtlich der Sachleistungen zu Recht. Keiner Prüfung bedurfte unter diesen Umständen die Frage, ob die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs noch nach § 620 RVO aF oder nach § 628 RVO in der Fassung des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 30. April 1963 zu beurteilen gewesen wäre.

Die Revision ist hiernach zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 136

NJW 1965, 1503

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