Leitsatz (amtlich)
Übt ein Beschädigter mehrere Berufe aus, so ist für die Beurteilung des besonderen beruflichen Betroffenseins iS des BVG § 30 Abs 2 derjenige Beruf maßgebend, welcher auch nach DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 2 Abs 2 idF vom 1968-02-28 bei der Berechnung des Durchschnittseinkommens für den Berufsschadensausgleich maßgebend wäre.
Leitsatz (redaktionell)
Eine voll erwerbstätige Hausfrau, die mit ihrer Mutter und ihrer 14jährigen Tochter im gemeinsamen Haushalt lebt und die Haushaltsführung nur nebenberuflich betreibt, kann nach BVG § 30 Abs 4 S 4 keinen Berufsschadensausgleich erhalten. Auch kann die Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht werden, weil hierfür ein Betroffensein in dem Beruf erforderlich ist, der für die Beschädigte die Existenzgrundlage bildet.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 3 Fassung: 1964-02-21, Abs. 4 Fassung: 1964-02-21, Abs. 3 Fassung: 1966-12-28, Abs. 4 Fassung: 1966-12-28, Abs. 2 Fassung: 1966-12-28; BVG§30Abs3u4DV § 2 Abs. 2 Fassung: 1968-02-28
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Juni 1968 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin bezieht wegen Verlustes des rechten Oberschenkels Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v.H.. Sie ist als Stenotypistin bei einer Behörde beschäftigt und lebt im gemeinsamen Haushalt mit ihrer kränklichen Mutter und ihrer 14-jährigen Tochter, die sich noch in Schulausbildung befindet. Im Februar 1965 stellte die Klägerin einen Antrag auf Erhöhung der MdE wegen einer behaupteten Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen. In diesem Antrag bat sie außerdem um "besondere Berücksichtigung des § 30 Abs. 2" des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Im Mai 1965 stellte sie ferner einen Antrag auf Gewährung eines Berufsschadensausgleichs. Der Versorgungsarzt Dr. R führte in seinem Gutachten vom 13. Mai 1965 aus, eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen könne nicht nachgewiesen werden. Die Versorgungsbehörde lehnte mit Bescheid vom 23. September 1965 die Anträge der Klägerin ab und führte aus, eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen, die zu einer Erhöhung der Rente berechtige, sei nicht nachgewiesen. Die Erhöhung der Rente wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins als Hausfrau komme nicht in Betracht, da die Klägerin eine volle berufliche Tätigkeit als Stenotypistin ausübe, die ihre Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nehme. Sie sei daher nicht als Hausfrau im Sinne des BVG anzusehen; in ihrem Beruf als Stenotypistin sei sie nicht besonders betroffen im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG, weil sie diesen Beruf trotz der Schädigungsfolgen uneingeschränkt ausüben könne. Die bisherigen Bescheide seien, soweit eine besondere berufliche Betroffenheit nicht berücksichtigt worden sei, nicht unrichtig. An der Bindung dieser Bescheide werde daher festgehalten. Die Voraussetzungen des § 40 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) zur Erteilung eines Zugunstenbescheides lägen nicht vor. Ebenso müsse der Antrag auf Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 4 BVG abgelehnt werden, weil sie den Beruf einer Hausfrau nicht überwiegend ausübe und in ihrem Beruf als Stenotypistin durch die Schädigungsfolgen keinen Einkommensverlust habe.
Der Widerspruch der Klägerin war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. November 1965).
Vor dem Sozialgericht (SG) hat die Klägerin erklärt, daß sie eine Verschlimmerung ihrer Schädigungsfolgen "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" nicht mehr "behaupte". Sie hat daher nur noch beantragt, das beklagte Land unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides "zu verurteilen, bei ihr eine besondere berufliche Betroffenheit als Hausfrau anzuerkennen und die schädigungsbedingte MdE auf 80 v.H. zu erhöhen, sowie ihr Berufsschadensausgleich gemäß § 30 Abs. 3 und 4 BVG zu gewähren". Das SG hat mit Urteil vom 24. November 1966 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23. September 1965 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 1965 verurteilt, "bei der Klägerin eine besondere berufliche Betroffenheit in ihrer Eigenschaft als Hausfrau anzuerkennen, ihr eine Versorgungsrente nach einer MdE von 80 % und Berufsschadensausgleich gemäß § 30 Abs. 3 und 4 BVG zu gewähren ...".
Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt und - soweit das SG ihn zur Zahlung einer höheren Rente verurteilt hat - als Verfahrensmangel im Sinne des § 150 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gerügt, das SG sei nicht berechtigt gewesen, ihn im Wege des Leistungsurteils zur Gewährung einer Rente nach einer MdE um 80 v.H. zu verurteilen. Die Ablehnung der Erhöhung der Rente sei im Rahmen des § 40 Abs. 1 VerwVG erfolgt. Da es sich insoweit um eine Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde handele, hätte das SG den Beklagten allenfalls verurteilen können, der Klägerin einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 6. Juni 1968 auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG Duisburg vom 24. November 1966 abgeändert und die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, daß die Berufung des Beklagten, soweit eine Verurteilung zur Gewährung des Berufsschadensausgleichs erfolgt sei, nach § 143 SGG zulässig sei. Soweit die Berufung den Grad der MdE betreffe, sei sie zwar nach § 148 Nr. 3 SGG ausgeschlossen, jedoch sei die Berufung nach § 150 Nr. 2 SGG im vorliegenden Fall zulässig, weil der Beklagte einen wesentlichen Mangel des Verfahrens des SG gerügt habe, der auch vorliege. Da eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 BVG hinsichtlich der Höhe der MdE nicht mehr behauptet werde und auch unstreitig nicht vorliege, sei insoweit nur streitig, ob der Beklagte verpflichtet sei, gemäß § 40 Abs. 1 VerwVG die MdE zu erhöhen. Insoweit habe sich der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid ausdrücklich auf die Bindungswirkung der früheren Bescheide berufen und die Voraussetzungen des § 40 VerwVG als nicht gegeben angesehen. Damit habe aber das SG nur prüfen dürfen, ob sich die Versorgungsbehörde eines Ermessensfehlgebrauchs schuldig gemacht habe, so daß das SG bejahendenfalls nicht berechtigt gewesen sei, sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens zu setzen; es hätte also nicht ein Leistungsurteil erlassen dürfen. Darin liege aber ein wesentlicher Mangel seines Verfahrens im Sinne des § 150 Nr. 2 SGG, der die Berufung des Beklagten zulässig mache.
Eine besondere berufliche Betroffenheit der Klägerin als Hausfrau liege nicht vor. Der Umstand, daß die Klägerin durch die Haushaltsführung und die Sorge für ihre alte Mutter und ihre schulpflichtige Tochter als Schwerbeschädigte besonders stark in Anspruch genommen werde, könne nicht zu einer Rentenerhöhung gemäß § 30 Abs. 2 BVG führen, da für die Entscheidung, ob ein besonderes berufliches Betroffensein vorliege, allein der Hauptberuf von maßgebender Bedeutung sei. Hauptberuf der Klägerin sei aber ihr Beruf als Stenotypistin.
Aus demselben Grunde müsse auch der Berufsschadensausgleich versagt werden, weil es bei diesem ebenfalls auf den Hauptberuf der Klägerin ankomme. Die Klägerin sei vollwertig als Stenotypistin tätig und habe durch ihre Schädigungsfolgen keinerlei Einkommensverlust. Diese vom LSG vertretene Auffassung werde durch § 2 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG idF vom 28. Februar 1968 (BGBl I 174 - DVO 1968 -) bestätigt, wonach bei einer oder mehreren nebenberuflichen Tätigkeiten neben dem Hauptberuf das Einkommen des Hauptberufs für die Berechnung des Berufsschadensausgleichs maßgebend sei.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 22. Juli 1968 zugestellte Urteil mit einem am 2. August 1968 eingegangenen Schriftsatz vom 30. Juli 1968 Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 22. Oktober 1968 mit einem am 19. September 1968 eingegangenen Schriftsatz vom 17. September 1968 begründet.
Sie beantragt,
1. das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Duisburg vom 24. November 1966 zurückzuweisen,
2. die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in sämtlichen Rechtszügen dem Beklagten aufzuerlegen.
In ihrer Revisionsbegründung, auf die Bezug genommen wird, rügt die Klägerin eine Verletzung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG und des § 40 VerwVG durch das LSG. Sie führt hierzu insbesondere aus, es sei unbestritten, daß sie ihren Haushalt allein versorgen müsse und in ihrem Beruf als Hausfrau durch die Schädigungsfolgen betroffen sei. Soweit der Beklagte auf die Tätigkeit als Stenotypistin verweise und deshalb die Erteilung eines Zugunstenbescheides sowie die Erhöhung der MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins verweigere, handele es sich um einen Ermessensmißbrauch; denn - entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung - könne dem § 30 Abs. 2 BVG nichts dafür entnommen werden, daß nur diejenige Hausfrau beruflich besonders betroffen sei, die überwiegend im Haushalt tätig sei. Der § 30 Abs. 2 BVG mache jedenfalls keinen Unterschied zwischen einer Hausfrau, die allein oder überwiegend, und einer solchen, die nur nebenher berufstätig sei oder den Haushalt führe. Eine solche Regelung wäre auch unsinnig, weil die beschädigte Hausfrau, die einen weiteren Beruf ausübe, ihren Hausfrauenpflichten noch zusätzlich nachkommen müsse und dadurch eine besondere Arbeitslast zu bewältigen habe. Die vom LSG vertretene Auffassung bevorzuge im übrigen einseitig diejenigen Hausfrauen, deren Lebensunterhalt durch die Unterhaltsleistungen des Ehemannes oder die Erträgnisse des eigenen Vermögens gesichert werde. Gerade diese Hausfrauen hätten es aber einfacher als solche, die gezwungen seien, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen. Sei sie - die Klägerin - aber als Hausfrau beruflich besonders betroffen, so müsse nicht nur ihre Rente auf 80 v.H. erhöht werden, vielmehr stehe ihr dann auch ein Berufsschadensausgleich gemäß § 30 Abs. 4, letzter Satz BVG in Verbindung mit § 8 DVO zu.
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 6. Juni 1968 als unbegründet zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, daß die vom LSG vertretene Auffassung zutrifft.
Wegen der Darstellung seines weiteren Vorbringens wird auf die Revisionserwiderung des Beklagten vom 4. November 1968 verwiesen.
Die durch Zulassung nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist daher zulässig. Die Revision ist jedoch unbegründet.
Die Klägerin macht zwei verschiedene Ansprüche geltend, nämlich einmal den Anspruch auf Erhöhung ihrer Rente durch eine Höherstufung der MdE und ferner den Anspruch auf Gewährung eines Berufsschadensausgleichs.
Hinsichtlich des Anspruchs der Klägerin auf Berufsschadensausgleich ist das LSG zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil gemäß § 143 SGG zulässig ist. Bei einer zulässigen Revision ist die Zulässigkeit der Berufung auch ohne den Antrag eines Beteiligten von Amts wegen durch das Revisionsgericht (BSG 2, 225; 3, 126) zu prüfen. Da es sich bei dem Anspruch der Klägerin auf Gewährung eines Berufsschadensausgleichs um die erstmalige Feststellung dieser Leistung handelt, stehen der Berufung keine Ausschließungsgründe (§§ 144 bis 149 SGG) entgegen.
Das LSG hat auch zutreffend entschieden, daß der Klägerin ein Berufsschadensausgleich nicht zusteht. Nach den vom LSG getroffenen und von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen (§ 163 SGG) ist die Klägerin hauptberuflich als Verwaltungsangestellte (Stenotypistin) beim Finanzamt tätig und führt ferner mit ihrer Mutter und ihrer minderjährigen Tochter einen gemeinsamen Haushalt. Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Klägerin in ihrem Hauptberuf als Verwaltungsangestellte ein Berufsschadensausgleich nicht zusteht; hiergegen wendet sich die Klägerin nicht. Somit ist nur noch streitig, ob ihr der Berufsschadensausgleich als Hausfrau im Sinne des § 30 Abs. 4 letzter Satz BVG idF des 2. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 21. Februar 1964 (BGBl I, 85-2. NOG-) und des 3. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 20. Januar 1967 (BGBl I, 141 - 3. NOG -) zusteht. Das ist nicht der Fall. Nach § 30 Abs. 3 idF des 2. NOG erhält, wer als Schwerbeschädigter durch die Schädigungsfolgen beruflich insoweit besonders betroffen ist, als er einen Einkommensverlust von monatlich mindestens 75,- DM hat, nach Anwendung des Abs. 2 einen Berufsschadensausgleich in bestimmter Höhe. Nach der Fassung dieser Vorschrift durch das 3. NOG erhalten Schwerbeschädigte, deren Erwerbseinkommen durch die Schädigungsfolgen gemindert ist (Einkommensverlust), nach Anwendung des Abs. 2 einen Berufsschadensausgleich. Was als "Einkommensverlust" i.S. des § 30 Abs. 3 BVG bei einer Hausfrau anzusehen ist, ergibt sich aus § 30 Abs. 4 letzter Satz BVG. Nach dieser Vorschrift gelten als Einkommensverlust einer Frau, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führt oder zu führen hätte (Hausfrau), die durch die Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Haushaltsführung. Zwar führt die Klägerin nach den bindenden Feststellungen des LSG einen gemeinsamen Haushalt mit einem "Verwandten" - nämlich mit ihrer Mutter und ihrer Tochter -; die Führung eines gemeinsamen Haushaltes mit einer der in § 30 Abs. 4 letzter Satz BVG bezeichneten Person allein genügt jedoch noch nicht, um die Voraussetzungen für die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs als "Hausfrau" zu erfüllen. Führt eine schwerbeschädigte Frau einen gemeinsamen Haushalt im Sinne der bezeichneten Vorschrift und ist sie daneben auch noch in einem anderen Beruf tätig, so steht ihr ein Berufsschadensausgleich als Hausfrau nach § 30 Abs. 4 letzter Satz BVG nur dann zu, wenn sie den Hausfrauenberuf mindestens gleichwertig neben dem anderen Beruf ausübt und für sie die Zugrundelegung des Hausfrauenberufs zur günstigsten Leistung führt (Urteil des erkennenden Senats vom 12. August 1969 - 10 RV 453/67 -). Zwar ist die Tätigkeit einer Hausfrau, wie sie in § 30 Abs. 4 letzter Satz BVG umschrieben wird, im Recht des Berufsschadensausgleichs als berufliche Tätigkeit anzusehen; jedoch führt nicht jede, neben einer anderen Berufsausübung - also nur nebenbei - ausgeübte Haushaltsführung im Rahmen des § 30 Abs. 4 letzter Satz BVG zur Gewährung des Berufsschadensausgleichs als Hausfrau. Zu diesem Ergebnis ist der erkennende Senat in seinem Urteil vom 12. August 1969 aufgrund der geschichtlichen Entwicklung und dem Sinn und Zweck des § 30 Abs. 4 letzter Satz BVG gelangt. Eine Schwerbeschädigte, die den Hausfrauenberuf neben einem anderen Beruf ausübt, muß hinsichtlich ihres Anspruchs auf Berufsschadensausgleich genauso behandelt werden, wie ein anderer Schwerbeschädigter, der seine ihm noch verbliebene Arbeitskraft in mehreren Berufen verwertet. Die Fälle, in denen ein Schwerbeschädigter seine Arbeitskraft in mehreren beruflichen Tätigkeiten verwertet, sind ausdrücklich in § 2 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 8. Februar 1968 (BGBl I, 164 - DVO 1968 -) geregelt. Nach dieser Vorschrift ist dann, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung a) neben dem Hauptberuf einen oder mehrere nebenberufliche Tätigkeiten oder b) mehrere Tätigkeiten, bei denen jede den gleichen Zeitaufwand an Arbeitskraft erfordert oder c) eine Tätigkeit, die nur einen Teil der Arbeitskraft erfordert, ausgeübt hätte, in den Fällen des Buchstaben a) das Durchschnittseinkommen des Hauptberufs, in den Fällen des Buchstaben b) das günstigste Durchschnittseinkommen von den in Betracht kommenden Berufen und in den Fällen des Buchstaben c) ein dem Einsatz an Arbeitskraft entsprechender Teilbetrag des Durchschnittseinkommens des in Betracht kommenden Berufs maßgebend. Diese Vorschrift ist allerdings erst mit Wirkung vom 1. Januar 1967 in Kraft getreten (§ 15 Abs. 1 DVO 1968); eine dieser Vorschrift entsprechende Bestimmung ist in der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 30. Juli 1964 (BGBl I, 574 - DVO 1964 -), die für die Zeit vom 1. Januar 1964 bis 31. Dezember 1966 gilt, noch nicht enthalten. Der erkennende Senat ist in dem bezeichneten Urteil vom 12. August 1969 jedoch zu dem Ergebnis gelangt, daß die in § 2 Abs. 2 der DVO 1968 getroffene Regelung auch im Geltungszeitraum der DVO 1964, also vom 1. Januar 1964 an, bei einem dieser Vorschrift entsprechenden Tatbestand anzuwenden ist. Die Tatbestände, die in dieser Vorschrift erfaßt sind, haben bereits vor dem Inkrafttreten der DVO 1968 bestanden. Wenn sie in der früheren DVO 1964 noch nicht geregelt gewesen sind, so besteht insoweit eine gesetzliche Lücke, die vom Richter ausgefüllt werden muß. Da die Regelung in § 2 Abs. 2 der DVO 1968 die Berechnung des Durchschnittseinkommens betrifft und die Definition des Begriffs "Durchschnittseinkommen" in § 30 Abs. 4 BVG sowohl im 2. NOG als auch im 3. NOG unverändert geblieben ist, erscheint es somit gerechtfertigt, die für das 3. NOG vom 1. Januar 1967 an in Kraft befindliche Vorschrift des § 2 Abs. 2 DVO 1968 auch für die Geltungsdauer des 2. NOG, also vom 1. Januar 1964 bis zum 31. Dezember 1966, in entsprechender Weise anzuwenden. Das bedeutet, daß es im vorliegenden Fall darauf ankommt, in welchem Umfang die Klägerin bei der Ausübung ihrer mehreren beruflichen Tätigkeiten - als Hausfrau und als Verwaltungsangestellte - ihre Arbeitskraft oder Zeit für die verschiedenen beruflichen Tätigkeiten verwendet. Nach den bindenden Feststellungen des LSG übt die Klägerin den Beruf einer Verwaltungsangestellten als Hauptberuf aus, während sie den gemeinsamen Haushalt mit ihrer Mutter und ihrer Tochter (§ 30 Abs. 4 letzter Satz BVG) nur nebenberuflich führt. Maßgebend für den Anspruch auf Berufsschadensausgleich ist demnach der Hauptberuf - also ihre Tätigkeit als Verwaltungsangestellte -; denn § 2 Abs. 2 Buchst. a der DVO 1968 sieht vor, daß bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs von dem Durchschnittseinkommen des Hauptberufs auszugehen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben dem Hauptberuf einen oder mehrere Nebenberufe ausübt. Somit bleibt die Tätigkeit der Klägerin als Hausfrau für die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs außer Betracht, denn diese Tätigkeit ist nicht ihr Hauptberuf, sondern nur eine neben diesem ausgeübte nebenberufliche Tätigkeit.
In ihrem Hauptberuf als Verwaltungsangestellte hat die Klägerin aber unstreitig aufgrund des hiernach maßgeblichen Durchschnittseinkommens keinen Einkommensverlust und somit keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich. Das LSG hat daher - entgegen der Auffassung der Klägerin - den § 30 Abs. 4 letzter Satz BVG und die hierzu erlassene DVO nicht verletzt.
Was den anderen von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Erhöhung der MdE von 70 v.H. auf 80 v.H. wegen besonderen beruflichen Betroffenseins im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG betrifft, so ist auch dieser Anspruch der Klägerin nicht begründet. Das LSG ist dabei zutreffend davon ausgegangen, daß auch insoweit die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil ungeachtet des § 148 Nr. 3 SGG zulässig ist. Zwar bezieht die Klägerin aufgrund des bindenden Bescheides vom 12. Juli 1951 wegen des Verlustes des rechten Oberschenkels Rente nach einer MdE um 70 v.H., so daß die Berufung den Grad der MdE betrifft, ohne daß die Schwerbeschädigteneigenschaft oder die Gewährung der Grundrente davon abhängt; damit wäre die Berufung nach § 148 Nr. 3 SGG nicht zulässig. Jedoch hat das LSG zutreffend entschieden, daß das Verfahren des SG an dem vom Beklagten im Berufungsverfahren gerügten wesentlichen Mangel im Sinne des § 150 Nr. 2 SGG leidet, so daß die Berufung aus diesem Grunde zulässig war. Das Verfahren vor dem SG betraf - soweit die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 23. September 1965 hinsichtlich der Erhöhung der MdE im Streit stand - die Überprüfung einer Ermessensentscheidung der Versorgungsbehörde. Diese hatte sich nämlich in bezug auf die Höhe der MdE auf die Bindungswirkung der früheren, eine MdE um 70 v.H. festsetzenden Bescheide berufen und die Höherbewertung der MdE der Klägerin auf 80 v.H. wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins im Wege des Zugunstenbescheides nach § 40 VerwVG abgelehnt. Bei Streit über die Rechtmäßigkeit einer Ermessensentscheidung, mit der also eine Leistung verweigert wird, auf die kein Rechtsanspruch besteht, ist eine Verurteilung zur Gewährung dieser Leistung nicht zulässig, es sei denn, daß nach der materiell-rechtlichen Auffassung des SG die Ablehnung der Ermessensleistung "in jedem Falle" rechtswidrig wäre (BSG in SozR SGG § 54 Nr. 3 und Nr. 88; SGG § 150 Nr. 35). Grundsätzlich kann daher - sofern die Klage begründet ist - in dem Urteil nur ausgesprochen werden, daß die beklagte Verwaltungsbehörde anstelle des mit Erfolg angefochtenen Bescheides einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erlassen hat. Wie der Beklagte zutreffend vor dem LSG gerügt hat, durfte das SG ihn daher nicht - wie geschehen - unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides "zur Leistung", also dazu verurteilen, der Klägerin "eine Versorgungsrente nach einer Erwerbsminderung (EM) von 80 % ... zu gewähren ...", denn nach der vom SG in den Gründen seines Urteils vom 24. November 1966 vertretenen materiell-rechtlichen Auffassung war die Verurteilung zur Gewährung der Ermessensleistung nicht etwa deshalb erfolgt und geboten, weil ihre Ablehnung "in jedem Falle" rechtswidrig gewesen wäre. Hat das SG den Beklagten im vorliegenden Fall jedoch zur Leistung verurteilt, obwohl nur seine Verurteilung zum Erlaß eines neuen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zulässig war, so leidet das Verfahren des SG an einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 150 Nr. 2 SGG, so daß die Berufung nach dieser Vorschrift statthaft war.
Auch sachlich-rechtlich ist dem LSG darin beizupflichten, daß der Bescheid vom 23. September 1965 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 1965 auch insoweit rechtmäßig ist, als in ihm die Erhöhung der MdE der Klägerin von 70 v.H. auf 80 v.H. wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG abgelehnt wird.
Da mit dem bindend gewordenen Bescheid vom 12. Juli 1951 die MdE der Klägerin wegen Verlustes des rechten Oberschenkels mit 70 v.H. festgesetzt worden ist, könnte die Höherbewertung der MdE nur dann erfolgen, wenn gegenüber den Verhältnissen, die für die frühere Festsetzung maßgebend waren, eine wesentliche Änderung eingetreten ist (§ 62 BVG), oder aber wenn der frühere bindend gewordene Bescheid unrichtig war (§ 40 VerwVG). Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 BVG hat die Klägerin nach den Feststellungen des LSG im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht und macht sie auch in der Revisionsinstanz nicht geltend, vielmehr führt die Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs an, daß der bindend gewordene Bescheid aus dem Jahre 1951 hinsichtlich der darin festgesetzten MdE um 70 v.H. unrichtig sei und ihr somit im Wege der Zugunstenregelung gemäß § 40 Abs. 1 VerwVG eine Rente nach einer MdE um 80 v.H. bewilligt werden müsse. Diese Auffassung der Klägerin geht fehl. Nach § 40 Abs. 1 VerwVG kann die Verwaltungsbehörde zu Gunsten des Beschädigten jederzeit einen neuen Bescheid erteilen. Voraussetzung für die Erteilung eines Zugunstenbescheides ist die Unrichtigkeit der bindend gewordenen früheren Entscheidung (s. dazu BSG 26, 146 ff mit weiteren Hinweisen). Eine Unrichtigkeit des bindenden Bescheides vom 12. Juli 1951 hinsichtlich der darin enthaltenen Festsetzung der MdE auf 70 v.H. ist jedoch nicht ersichtlich. Das LSG hat allerdings keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Klägerin im Zeitpunkt der Erteilung dieses Bescheides bereits neben ihrem Beruf als Verwaltungsangestellte, in dem sie unstreitig beruflich nicht besonders betroffen ist, auch als Hausfrau einen gemeinsamen Haushalt mit ihrer Mutter und Tochter geführt hat. Dies kann jedoch dahinstehen, denn selbst wenn die Klägerin zu jener Zeit auch als Hausfrau tätig war, liegt ein besonderes berufliches Betroffensein nach § 30 Abs. 2 BVG in dieser Eigenschaft nicht vor und die in dem bindenden Bescheid vom 12. Juli 1951 festgesetzte MdE um 70 v.H. ist nicht unrichtig.
Nach § 30 Abs. 2 BVG idF des 2. NOG ist die MdE höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweislich angestrebten oder derzeitigen Beruf besonders betroffen ist. Nach § 30 Abs. 2 BVG idF des 3. NOG ist die MdE höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweislich angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Diese Vorschriften besagen nichts darüber, welcher Beruf bei der Höherbewertung der MdE zu berücksichtigen ist, wenn der Beschädigte mehrere Berufe ausübt. Im Zusammenhang mit Abs. 1 des § 30 BVG, nach dem die MdE nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen ist, muß nach Wortlaut, Sinn und Zweck des § 30 Abs. 2 BVG davon ausgegangen werden, daß eine Höherbewertung der MdE nur für denjenigen Beruf in Betracht kommt, der für den Beschädigten die Existenzgrundlage bildet. Dies ergibt sich einmal aus dem Begriff des "Erwerbslebens" in § 30 Abs. 1 BVG und ferner im Zusammenhang damit aus den in Abs. 2 dieser Vorschrift gebrauchten Formulierungen "ausgeübten", "begonnenen", "nachweislich angestrebten" Beruf; denn nach dem Sprachgebrauch des täglichen Lebens wird als "ausgeübter Beruf" oder "Beruf schlechthin" jene Tätigkeit bezeichnet, die - von gewisser Dauer - einer Person im wirtschaftlichen Leben das Gepräge gibt (s. dazu BSG 2, 184; 7, 66; 19, 217, 219) und ihr als Grundlage der Sicherung des Lebensunterhaltes dient. Diese vom Wortlaut des § 30 Abs. 2 BVG gewonnene Auslegung rechtfertigt sich auch aus Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Mit der Höherbewertung der MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins soll der Beschädigte einen gewissen Ausgleich dafür erhalten, daß er durch die Art seiner Schädigungsfolgen in besonderer Weise in seinem Erwerb und damit bei der Sicherung und Erhaltung seiner Existenz eingeschränkt ist. Eine derartige Besondere Bewertung der Erwerbsbeschränkung kann aber nur auf jene berufliche Tätigkeit bezogen werden, die vornehmlich dem Beschädigten die Möglichkeit verschafft, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Diesem Gedanken liegt auch die in § 2 Abs. 2 der DVO 1968 über die Berechnung des Durchschnittseinkommens nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG getroffene Regelung zugrunde, wenn der Beschädigte mehrere Tätigkeiten nebeneinander ausübt. Zwar gilt diese Vorschrift ausdrücklich nur im Rahmen des Berufsschadensausgleichs nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG, jedoch muß der in ihr enthaltene Grundsatz auch im Hinblick auf die Höherbewertung der MdE gemäß § 30 Abs. 2 BVG Anwendung finden, Sowohl der § 30 Abs. 2 BVG als auch seine Absätze 3 und 4 bezwecken einen Ausgleich für den durch die Art der Schädigungsfolgen verursachten wirtschaftlichen Schaden. Wenn es sich dabei auch um verschiedene, voneinander unabhängige Leistungen handelt, so haben beide ihren Ursprung darin, daß der Gesetzgeber demjenigen Beschädigten höhere Leistungen zugestehen will, welcher im wirtschaftlichen Leben bei der Sicherung seiner Lebensexistenz durch die Art seiner Schädigungsfolgen in seinem Beruf besonders betroffen ist. Ist aber davon auszugehen, daß es sich bei dem "Beruf" im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG um jenen Beruf handelt, der dazu bestimmt ist, dem Beschädigten als Grundlage seines Lebensunterhalts zu dienen, und ergibt sich daraus wiederum bei der Ausübung mehrerer Berufe die entsprechende Anwendung des § 2 Abs. 2 der DVO 1968, so ist die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Hausfrau durch die Art der Schädigungsfolgen nicht besonders beruflich betroffen. Dieser Beruf ist nämlich nicht ihr Hauptberuf, der allein für eine Höherbewertung der MdE nach dieser Vorschrift in Betracht käme; ihr Hauptberuf ist der einer Verwaltungsangestellten, in dem sie jedoch unstreitig beruflich nicht besonders betroffen ist. Scheidet somit der Nebenberuf der Klägerin als Hausfrau bei der Höherbewertung der MdE im Rahmen des § 30 Abs. 2 BVG aus, so ist der bindend gewordene Bescheid vom 12. Juli 1951, in dem die MdE der Klägerin wegen der bei ihr anerkannten Schädigungsfolgen mit 70 v.H. bemessen worden ist, nicht unrichtig, so daß der Beklagte auch nicht verpflichtet war, einen Zugunstenbescheid gemäß § 40 Abs.1 VerwVG zu erlassen.
Das LSG hat somit im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin war demgemäß als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 SGG).
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen