Leitsatz (amtlich)
Zur Ermittlung der qualitativen Werte des bisherigen Berufes und einer Verweisungstätigkeit bei analytischer Arbeitsbewertung (Anschluß an und Fortführung von BSG 1979-09-11 5 RJ 136/78 = BSGE 49, 34, BSG 1981-03-31 5b/5 RJ 68/79 = SozR 2200 § 1246 Nr 79).
Normenkette
RVO § 1246 Abs 2 S 2 Fassung: 1957-02-23
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 08.06.1979; Aktenzeichen L 3 J 261/78) |
SG Duisburg (Entscheidung vom 24.10.1978; Aktenzeichen S 6 (9) J 275/76) |
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU-Rente).
Der am 14. August 1928 geborene Kläger ist seit März 1949 im Werk M der heutigen M beschäftigt. Dort war er von 1960 bis 1975 als Reparaturschlosser eingesetzt. Dabei wurde er zuletzt als qualifizierter Schlosser entlohn. Ab März 1975 ist er als zweiter Abfertiger an der Torwaage des Werkes M tätig. Er erhält aufgrund einer tariflich vereinbarten Lohnabsicherung eine Entlohnung in Höhe von 90 % des bisherigen Durchschnittsverdienstes.
Den Antrag des Klägers auf Bewilligung einer BU-Rente vom 19. März 1974 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 1. Juli 1974 und - nach dessen Aufhebung aufgrund eines vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg abgeschlossenen Vergleiches - erneut mit Bescheid vom 12. Dezember 1975 ab. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 1976).
Das SG Duisburg hat nach Einholung des Gutachtens eines Facharztes für innere Medizin und mehrerer Auskünfte der Arbeitgeberin des Klägers die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. Oktober 1978). Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat weitere Auskünfte der Arbeitgeberin eingeholt und sodann mit Urteil vom 8. Juni 1979 die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger habe zuletzt als qualifizierter Schlosser gearbeitet und genieße damit den Berufsschutz eines Facharbeiters. Als solcher sei er nur auf eine Beschäftigung der Gruppe derjenigen Arbeiterberufe verweisbar, die durch den Leitberuf des angelernten Arbeiters bestimmt würden. Das treffe für die seit März 1975 als zweiter Abfertiger an der Torwaage ausgeübte Tätigkeit zu. Sie lasse sich allerdings nicht in eine der in § 4 des ab 1. Januar 1973 geltenden, zwischen dem Arbeitgeberverband Eisen- und Stahlindustrie eV und der Industriegewerkschaft Metall für das Land Nordrhein-Westfalen abgeschlossenen Lohnrahmentarifvertrages normierten neun Lohngruppen einordnen. Denn nach den Auskünften der Arbeitgeberin des Klägers unterlägen sein früherer und sein jetziger Arbeitsplatz der im Anhang 2 des Lohnrahmentarifvertrages vorgesehenen analytischen Arbeitsbewertung. Deshalb ließen sich nur noch die Effektivlöhne der früheren Tätigkeit des Klägers als qualifizierter Schlosser und seiner zur Zeit verrichteten Arbeit als zweiter Abfertiger an der Torwaage miteinander vergleichen. Nach der Auskunft der Arbeitgeberin des Klägers vom 18. April 1979 erhalte der qualifizierte Schlosser heute einen Verrechnungslohn von 10,72 DM zuzüglich einer Prämie von 1,83 DM und somit insgesamt 12,55 DM pro Stunde. Der zweite Abfertiger erziele einen Effektivlohn von 9,98 DM pro Stunde. Der Kläger erhalte jedoch aufgrund tariflich vereinbarter Lohnsicherung einen Garantielohn von 11,12 DM pro Stunde. Dieser sei im Rahmen des § 1246 Abs 2 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) grundsätzlich zu berücksichtigen, weil er nicht nur vergönnensweise, sondern aufgrund eines tariflichen Rechtsanspruchs gezahlt werde (Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts -BSG- vom 19, Januar 1978 in BSGE 45, 267). Im Verhältnis zum Stundenlohn eines qualifizierten Schlossers von 12,55 DM erleide der Kläger eine Lohneinbuße von 1,43 DM pro Stunde. Dennoch müsse er sich auf die Tätigkeit des zweiten Abfertigers an der Torwaage zumutbar verweisen lassen. Seine Lohneinbuße sei keineswegs größer als bei der Verweisung eines Facharbeiters, der nach dem Lohnrahmenabkommen für die Eisen- und Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen nach der Lohngruppe 6 und höher entlohnt werde, auf Tätigkeiten, deren Entlohnung nach den Lohngruppen 3 bis 5 erfolge. Der Kläger sei auch gesundheitlich zur Verrichtung der Arbeit als zweiter Abfertiger an der Torwaage in der Lage. Die Anforderungen dieses Arbeitsplatzes entsprächen seinem Leistungsvermögen. Er sei somit nicht als berufsunfähig anzusehen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1246 Abs 2 RVO. Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Tätigkeit des zweiten Abfertigers an der Torwaage habe das LSG nicht auf den qualitativen Wert dieser Tätigkeit, sondern auf die Höhe des tatsächlich erzielten Lohnes abgestellt und dabei den Zuschlag zum Lohn aufgrund tariflicher Absicherung mitberücksichtigt. Dies sei rechtsfehlerhaft. Grundsätzlich komme es für die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit auf deren objektive Qualität an. Von diesem Grundsatz habe die Rechtsprechung des BSG nur eng begrenzte Ausnahmen zugelassen. Ein solcher Ausnahmefall liege hier nicht vor. Das LSG habe seinen gegenteiligen Rechtsstandpunkt zu Unrecht auf das Urteil des BSG vom 19. Januar 1978 gestützt. Dieses habe den Fall eines Versicherten betroffen, der in einer vom Betrieb für leistungsgeminderte Arbeitnehmer eingerichteten Sonderwerkstatt tätig sei und dem aufgrund eines tariflichen Rechtsanspruchs der alte Tariflohn unverkürzt und ohne Anrechnung einer eventuellen Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit gezahlt werde. Im Gegensatz dazu sei er (Kläger) nicht in einer Sonderwerkstatt für erwerbsgeminderte langjährige Betriebsangehörige tätig. Durch den hier maßgeblichen Tarifvertrag würden nur 90 % des bisherigen Lohnes abgesichert. Auf den Lohnzuschlag werde eine BU-Rente angerechnet. Auch sei der Arbeitnehmer verpflichtet, Ansprüche auf anderweitige Zahlungen geltend zu machen. Demnach bestehe ein Anspruch auf tarifvertragliche Lohnsicherung nur subsidiär. Nach dem qualitativen Wert der Tätigkeit eines zweiten Abfertigers könne ein Facharbeiter darauf nicht zumutbar verwiesen werden. Sie erfordere nur eine Einarbeitungszeit von ca vier Wochen und sei aufgrund dessen in die Lohngruppe 2 einzuordnen. Er (Kläger) brauche sich als Facharbeiter zumutbar nur auf solche Tätigkeiten verweisen zu lassen, die hinsichtlich ihrer beruflichen Qualität oder betrieblichen Bedeutung den sonstigen Ausbildungsberufen (Anlernberufen) gleichstünden und wie diese tariflich eingruppiert seien. Sie würden nach Lohngruppe 5 des Lohnrahmentarifvertrages vergütet. Er (Kläger) sei auf eine solche Tätigkeit nicht verwiesen worden und ohne Umschulung hierzu auch nicht geeignet.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 8. Juni 1979 und des Sozialgerichts
Duisburg vom 24. Oktober 1978 aufzuheben und die Beklagte unter
Aufhebung ihres Bescheides vom 12. Dezember 1975 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 1976 zu verurteilen, ihm
ab 1. April 1974 Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit zu
gewähren;
hilfsweise: den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das Landessozialgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen zurückzuverweisen.
Die Beklagte hat einen Antrag nicht gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) erklärt.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht begründet. Der Kläger begehrt die Bewilligung einer BU-Rente. Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist § 1246 RVO. Hiernach erhält Rente wegen Berufsunfähigkeit der Versicherte, der berufsunfähig ist, wenn die Wartezeit erfüllt ist (§ 1246 Abs 1 RVO). Berufsunfähig ist ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 1246 Abs 2 Sätze 1 und 2 RVO).
Bei der Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, ist von seinem "bisherigen Beruf" auszugehen (vgl Urteil des Senats in BSG SozR 2200 § 1246 Nr 75 S 236 mit zahlreichen Nachweisen). Kann der Versicherte seine bisherige Berufstätigkeit auch nach Eintritt der angeblich Berufsunfähigkeit bedingenden Umstände weiterhin ausüben, so wird allein dadurch eine Berufsunfähigkeit ausgeschlossen. Einer Verweisung auf andere Tätigkeiten und einer Erörterung der beruflichen Zumutbarkeit dieser Verweisungstätigkeiten bedarf es dann nicht mehr (BSGE 48, 65, 66 = SozR 2200 § 1246 Nr 39 S 118f; BSG SozR aaO Nr 54 S 165). Aber auch wenn eine Verweisung auf andere Tätigkeiten in Betracht kommt, bedarf es der Feststellung des "bisherigen Berufes". Er ist im Rahmen des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO von entscheidender Bedeutung für die Bestimmung des Kreises derjenigen Tätigkeiten, auf die der Versicherte unter Verneinung von Berufsunfähigkeit zumutbar verwiesen werden kann (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 70 S 220 und Nr 75 S 236 mwN). Dabei bestimmt sich der Kreis der zumutbaren Tätigkeiten hauptsächlich nach dem qualitativen Wert des bisherigen Berufes des Versicherten im Betrieb. Dieser qualitative Wert spiegelt sich relativ zuverlässig in der tariflichen Einstufung der jeweiligen Tätigkeit wider. Sie ist daher ein geeignetes Hilfsmittel zur Feststellung der Qualität des bisherigen Berufes und damit zugleich zur Bestimmung des Kreises der nach § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO beruflich zumutbaren Verweisungstätigkeiten. Dabei lassen sich in der Arbeitswelt auf der Grundlage der tariflichen Bewertung mehrere Gruppen von Arbeiterberufen auffinden, welche durch verschiedene "Leitberufe" charakterisiert werden. Diese Leitberufe sind diejenigen des "Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion" (dazu insbesondere BSGE 43, 243, 246 = SozR 2200 § 1246 Nr 16 S 49f; BSG SozR aaO Nr 37 S 112f) bzw des "besonders hochqualifizierten Facharbeiters" (vgl vor allem BSGE 45, 276, 278 = SozR 2200 S 1246 Nr 27 S 78f; BSG SozR aaO Nr 31 S 93f; Nr 35 S 108), des "Facharbeiters" (anerkannte Ausbildungsberufe mit einer Ausbildungszeit von wenigstens zwei Jahren), des "angelernten Arbeiters" (sonstige Ausbildungsberufe mit einer Regelausbildungszeit von weniger als zwei Jahren) und des "ungelernten Arbeiters" (vgl Urteile des Senats in BSG SozR 2200 § 1246 Nr 70 S 220 ff und Nr 75 S 236 mwN). Grundsätzlich darf der Versicherte lediglich auf Tätigkeiten der jeweils niedrigeren Gruppe verwiesen werden, soweit sie ihn weder nach seinem beruflichen Können und Wissen noch bezüglich seiner gesundheitlichen Kräfte überfordern (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 75 S 236 mwN). Darüber hinaus darf ein Facharbeiter auf ungelernte Tätigkeiten, die sich durch besondere Qualifikationsmerkmale deutlich aus dem Kreis der sonstigen einfachen Arbeiten herausheben, jedenfalls dann verwiesen werden, wenn sie wegen ihrer Qualität - nicht aber wegen etwaiger Nachteile oder Erschwernisse - tariflich wie sonstige Ausbildungsberufe eingestuft sind und von daher ihre Gleichstellung mit der qualitativen Wertigkeit eines sonstigen Ausbildungsberufes gerechtfertigt ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 69 S 215, Nr 71 S 225, Nr 73 S 231, jeweils mwN).
Das LSG hat ausgeführt, aufgrund seiner bis zum März 1975 ausgeübten Tätigkeit als Reparaturschlosser bzw zuletzt sogar als qualifizierter Schlosser genieße der Kläger den Berufsschutz eines Facharbeiters. Er könne somit nur auf Tätigkeiten der Gruppe der Arbeiterberufe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters verwiesen werden. Dagegen sind rechtliche Bedenken nicht zu erheben. In tatsächlicher Hinsicht hat das LSG zwar nicht ausdrücklich festgestellt, daß der Kläger aus gesundheitlichen Gründen seinen bisherigen Beruf des Schlossers nicht mehr ausüben kann. Das ergibt sich jedoch mit hinreichender Deutlichkeit aus der Feststellung, daß der Kläger nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen nur noch körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen und in wechselnder Körperhaltung verrichten kann (S 11 des Urteils).
Das LSG hat gleichwohl eine Berufsunfähigkeit des Klägers verneint, weil er seit März 1975 die Tätigkeit des zweiten Abfertigers an der Torwaage und damit eine angelernte Tätigkeit im Sinne des von der Rechtsprechung entwickelten Vierstufenschemas ausübe, auf welche er sich zumutbar verweisen lassen müsse. Dem kann der Senat nicht folgen. Das LSG ist zu der qualitativen Bewertung der gegenwärtigen Tätigkeit des Klägers als Anlerntätigkeit unter Anlegung unzutreffender rechtlicher Kriterien und in deren Folge ohne ausreichende Aufklärung des Sachverhaltes gelangt. Nach seiner Auffassung läßt sich der qualitative Wert der Tätigkeit des Klägers als zweiter Abfertiger an der Torwaage nur durch einen Vergleich des in dieser Tätigkeit erzielten Effektivlohns einschließlich seiner auf tariflicher Lohnabsicherung beruhenden Teile mit dem Effektivlohn eines qualifizierten Schlossers ermitteln, weil beide Tätigkeiten der analytischen Arbeitsbewertung unterlägen und somit nicht in eine der neun Lohngruppen des ab 1. Januar 1973 geltenden Lohnrahmentarifvertrages einzuordnen seien. Das trifft nicht zu. Die Besonderheiten der analytischen Arbeitsbewertung schließen eine qualitative Bewertung beruflicher Tätigkeiten entsprechend den vom BSG entwickelten Grundsätzen nicht aus und rechtfertigen eine Heranziehung des effektiven Verdienstes als Bewertungskriterium nicht.
Mit der Bedeutung der analytischen Arbeitsbewertung für die Bestimmung des qualitativen Wertes einer beruflichen Tätigkeit hat sich das BSG in der Vergangenheit bereits mehrfach befaßt. Das ist zunächst im Rahmen des § 35 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) in seiner bis zum Inkrafttreten des Knappschaftsrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (KnVNG) vom 21. Mai 1957 (BGBl I S 533) geltenden Fassung (= § 35 RKG aF) geschehen. Nach § 35 RKG aF galt als berufsunfähig der versicherte Arbeiter, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte weder imstande ist, die von ihm bisher verrichtete knappschaftliche Tätigkeit noch andere im wesentlichen gleichartige und wirtschaftlich gleichwertige Tätigkeiten von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in knappschaftlich versicherten Betrieben auszuüben (ähnlich nunmehr die Definition der verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit in § 45 Abs 2 RKG idF des KnVNG). Bezüglich der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit verschiedener Tätigkeiten hat das BSG im Urteil vom 6. Juni 1957 (BSG SozR Nr 8 zu § 35 RKG aF S Aa 6 R) ausgeführt, die analytische Arbeitsbewertung stelle eine verfeinerte Festlegung objektiver und daher durchaus vergleichbarer Entlohnungsmaßstäbe dar. Mit ihr werde eine wesentlich differenziertere, gleichsam eine erheblich größere Anzahl lohntariflicher Gruppen schaffende Regelung vorgesehen, die unabhängig von dem einzelnen (individuellen) Arbeiter bewußt gerade darauf abstelle, einzig den Arbeitsplatz bzw Arbeitsbereich hinsichtlich seiner sachlichen Anforderungen zu bewerten und dabei von einer menschlichen Normalleistung auszugehen. Die Persönlichkeit des einzelnen Arbeitnehmers gehe in jene Bewertung nicht ein. Aufgrund der analytischen Arbeitsbewertung lasse sich daher durchaus der Normallohn für eine bestimmte Gruppe von Arbeitern feststellen. Grundsätzlich und allgemein sei sie demnach für den zur Beurteilung der Gleichwertigkeit vorzunehmenden objektiven Lohnvergleich durchaus geeignet. In Ergänzung hierzu ist im Urteil vom 9. Februar 1961 (BSG SozR Nr 13 zu § 35 RKG aF) ausgesprochen worden, bei dem nach § 35 RKG aF anzustellenden Vergleich seien für die Beurteilung der Gleichwertigkeit von Tätigkeiten bei analytischer Arbeitsbewertung in der Regel die Arbeitswertlöhne (ohne Leistungszuschläge) und nicht die Individuallöhne oder die durchschnittlichen Effektivlöhne zugrundezulegen. Dabei bestünden allerdings im Interesse der Praktikabilität keine Bedenken gegen die Zusammenfassung lohnmäßig angrenzender Tätigkeiten zu Gruppen und gegen eine Berücksichtigung der durchschnittlichen Arbeitswertlöhne gleich bezeichneter Arbeitsplätze. Schließlich hat das BSG im Urteil vom 9. Juli 1968 (BSG SozR Nr 26 zu § 35 RKG aF) daran festgehalten, daß im Gegensatz zum individuellen Effektivlohn oder zum effektiven Durchschnittslohn eines Tarifbezirkes bei analytischer Arbeitsplatzbewertung der Arbeitswertlohn noch am besten geeignet sei, die Frage nach der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit verschiedener Tätigkeiten zu beantworten. Speziell für die Verweisbarkeit eines Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion auf Facharbeiter- oder ihnen qualitativ gleichstehende andere Tätigkeiten im Rahmen des § 1246 Abs 2 RVO hat es der 5. Senat des BSG im Urteil vom 11. September 1979 (BSGE 49, 34, 35 f = SozR 2200 § 1246 Nr 49 S 148) für unbedenklich erachtet, lediglich auf solche Tarifverträge abzustellen, die die Entlohnung nach der Methode der analytischen Arbeitsplatzbewertung vornehmen, insbesondere wenn der Versicherte nach einem solchen Tarifvertrag entlohnt worden ist und wird. In diesem Fall müssen an die Stelle der Lohngruppen und deren Einstufung die Arbeitsplatz-Wertzahlen und die zu ihrer Ermittlung maßgeblichen Bewertungskriterien treten, wobei im Einzelfall ergänzende Auskünfte größerer Betriebe, die unter derartige Tarifverträge mit abstrakten Lohngruppendefinitionen fallen, die erforderliche Konkretisierung ermöglichen können. Ergänzend hierzu hat der 5. Senat Nr 79 S 245) ausgeführt, daß der qualitative Wert des bisherigen Berufes bei der analytischen Arbeitsbewertung nicht derjenigen Arbeitswertzahl entnommen werden kann, die als Endprodukt die Entlohnung bestimmt. Vielmehr müssen diejenigen Faktoren unberücksichtigt bleiben, für die nicht die qualitativen Anforderungen des Berufes, sondern andere Gesichtspunkte wie zB Erschwernisse infolge der Belastungen durch Staub, Hitze, Dämpfe, Lärm, Erschütterungen und dergleichen maßgebend sind.
Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsansicht des 5. Senats an und hält die demnach für die Ermittlung des qualitativen Wertes einer beruflichen Tätigkeit maßgebenden Grundsätze auch dann für anwendbar, wenn es um die qualitative Bewertung nicht des bisherigen Berufes des Versicherten, sondern der in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten geht (zur Beurteilung der beruflichen Zumutbarkeit im Falle der analytischen Arbeitsbewertung vgl auch Wilze, Kompaß 1981, 160 ff und 269 ff). Dabei hat, soweit es um die Einordnung einer analytisch bewerteten Verweisungstätigkeit in das von der Rechtsprechung des BSG entwickelte Vierstufenschema geht, die in dem maßgebenden Tarifvertrag bzw in der maßgebenden Betriebsvereinbarung ausgebrachte Arbeitswertzahl für das Bewertungsmerkmal "Ausbildung" besondere Bedeutung. Zwar kommt bei der qualitativen Bewertung des bisherigen Berufes einer hierfür an sich erforderlichen Ausbildung ein geringeres Gewicht zu, weil sie allein den Weg kennzeichnet, auf dem die den Beruf qualifizierenden Kenntnisse und Fähigkeiten regelmäßig erworben werden (vgl zB Urteile des Senats in BSG SozR 2200 § 1246 Nr 55 S 169 und Nr 62 S 187). Hingegen ist für die Frage, ob eine in Betracht gezogene Verweisungstätigkeit zur Gruppe der ungelernten, der angelernten oder der Facharbeitertätigkeiten zählt, eine hierfür erforderliche Ausbildung und deren Dauer von maßgeblicher Bedeutung. Für die Einordnung einer Verweisungstätigkeit in eine dieser Gruppen lassen sich auch bei analytischer Arbeitsbewertung aus dem insofern maßgebenden Tarifvertrag brauchbare Anhaltspunkte gewinnen. Dies ergibt sich etwa aus dem Anhang zum Lohnrahmentarifvertrag für die Eisen- und Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen vom 5. Januar 1973 (im folgenden Anh-LRTV), welcher Vereinbarungen über die analytische Arbeitsbewegung enthält. Im Rahmen des § 5 Anh-LRTV sieht die Einstufungstafel für "Ausbildung" sechs Stufen vor. Nach den Stufendefinitionen umfassen die Stufe 0 eine kurze Anweisung und die Stufe I eine Anleitung durch kurze mündlich Erläuterungen und praktische Vorführungen unter Beschränkung auf die dabei notwendigen Werkstoff- und Maschinenkenntnisse und das Vertrautmachen mit bestimmten Bewegungsabläufen. Stufe II definiert das "Anlernen" als Ausbildung für eine spezielle Arbeit, die nur einen begrenzten Ausschnitt an Maschinen-, Werkstoff- und Arbeitsablaufkenntnissen vermittelt. Nach Stufe III gehört zur "Anlernausbildung" entweder eine Abschlußprüfung gemäß Berufsbild und Prüfungsordnung oder eine stufenweise Ausbildung, wobei durch längere Zugehörigkeit zum gleichen Arbeitsbereich ein planmäßiges Aufrücken von minderwertigeren zu höherwertigeren Arbeiten gegeben ist. Zu Stufe IV zählen eine Fachausbildung, die eine abgeschlossene Lehrzeit oder einen gleichberechtigten planmäßigen Ausbildungsgang voraussetzt, oder die Stufe III mit zusätzlicher systematischer und erfolgreich abgeschlossener Schulung, die den üblichen Rahmen der Spezial- und Anlernausbildung überschreitet. Die Stufe V schließlich erfaßt die Fachausbildung mit zusätzlicher systematischer und vorwiegend theoretischer, erfolgreich abgeschlossener Schulung, die den üblichen Rahmen der Fachausbildung überschreitet. In allen Fällen gilt nur die vom Arbeitsplatz her geforderte Ausbildung. Unter Zugrundelegung dieser Stufendefinitionen liegt es nahe, eine Tätigkeit, bei deren analytischer Bewertung für die Ausbildung ein Teilarbeitswert nach Stufe O oder I berücksichtigt wird, als ungelernte Tätigkeit, bei Berücksichtigung eines Teilarbeitswertes nach den Stufen II oder III als angelernte Tätigkeit und bei Berücksichtigung eines Teilarbeitswertes nach den Stufen IV oder V als - gegebenenfalls qualifizierte - Facharbeitertätigkeit anzusehen. Das braucht hier allerdings nicht abschließend entschieden zu werden. Denn die analytische Bewertung der früheren und der jetzigen Tätigkeit des Klägers beruht nicht auf dem Anh-LRTV. Sie hat nach den Feststellungen des LSG ihre Grundlage vielmehr in einer im Jahre 1973 abgeschlossenen Betriebsvereinbarung. Diese weicht möglicherweise unter Berücksichtigung betriebsspezifischer Besonderheiten in einzelnen Punkten vom Anh-LRTV ab. Das ist aber ohne Belang. Dem Senat geht es lediglich darum, unter beispielhafter Heranziehung des Anh-LRTV aufzuzeigen, daß auch bei analytischer Arbeitsbewertung der qualitative Wert einer Verweisungstätigkeit anhand tariflicher Merkmale bestimmt werden kann und es hierfür eines Rückgriffs auf andere Bewertungskriterien wie etwa den effektiv gezahlten Lohn nicht bedarf. Dies hat das LSG außer Betracht gelassen. Entgegen seiner Ansicht lassen sich der qualitative Wert der Tätigkeit des Klägers als zweiter Abfertiger an der Torwaage und damit zugleich die Frage, ob diese Tätigkeit eine Anlerntätigkeit und deswegen einem bisherigen Facharbeiter beruflich zumutbar ist, nicht aufgrund des dem Kläger gewährten Effektivlohnes und seines Verhältnisses zum tariflichen Facharbeiterlohn beurteilen. Vielmehr bedarf es insoweit der Feststellung, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die analytische Bewertung der gegenwärtigen Tätigkeit des Klägers einen Teilarbeitswert für Ausbildung enthält. Erst aufgrund dieser Feststellung läßt sich beurteilen, ob es sich lediglich um eine ungelernte und damit dem Kläger nicht zumutbare oder um eine angelernte und damit beruflich zumutbare Tätigkeit handelt. Die hiernach erforderliche zusätzliche Feststellung liegt auf tatsächlichem Gebiet. Der Senat kann sie nicht treffen. Sie muß vom Berufungsgericht getroffen und deswegen der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen werden (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Dabei übersieht der Senat nicht, daß nach der dem SG erteilten Auskunft der Arbeitgeberin des Klägers vom 2. August 1977 die Bewertung der Tätigkeit des Klägers als zweiter Abfertiger an der Torwaage der Sonderregelung vom 17. Januar 1973 unterliegt. Indes steht dies der aus obigen Erwägungen gebotenen weiteren Aufklärung des Sachverhaltes nicht entgegen. Vielmehr wird das LSG gegebenenfalls durch eine nochmalige Anfrage bei der Arbeitgeberin des Klägers klären müssen, ob und eventuell in welchem Umfang bei der tariflichen Sonderregelung der Entlohnung des zweiten Abfertigers an der Torwaage Arbeitswerte für den Bewertungsfaktor "Ausbildung" berücksichtigt worden sind. Sollte dies nicht der Fall der nicht feststellbar sein, so scheidet die gegenwärtige Tätigkeit des Klägers als beruflich zumutbare Verweisungstätigkeit aus. Das LSG wird dann zu prüfen haben, ob der Kläger nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen und seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten zur Ausübung anderer Tätigkeiten imstande ist, welche ihm beruflich zumutbar sind.
Das LSG hat die Ansicht vertreten, bei dem Effektivlohn des Klägers aus seiner gegenwärtigen Tätigkeit sei auch der aufgrund einer tariflichen Lohnabsicherung gezahlte Teil des Lohnes zu berücksichtigen. Dem ist die Revision entgegengetreten. Der Senat braucht sich mit dieser Frage nicht auseinanderzusetzen. Sie ist für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Aus den bereits dargelegten Gründen kann die qualitative Bewertung der Tätigkeit des Klägers nicht aufgrund des ihm gewährten Effektivlohnes vorgenommen werden. Dann aber ist die Frage, wie dieser Effektivlohn sich zusammensetzt und zu berechnen ist, ohne Belang.
Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerde- und des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen