Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsunfähigkeit bzw Erwerbsunfähigkeit eines Schlossers. konkrete Benennung der Verweisungstätigkeit
Orientierungssatz
1. Zur Beurteilung der Berufsunfähigkeit eines Facharbeiters, der aufgrund der medizinischen Befunde einerseits die normalen Tätigkeiten der Berufe des Schlossers und Schmiedes nicht mehr ausüben kann, andererseits aber weiterhin als Schlosser in einem ungekündigt fortbestehenden Beschäftigungsverhältnis steht.
2. Eine pauschale Verweisung eines Facharbeiters auf leichtere Arbeitsplätze innerhalb des zuletzt ausgeübten Berufes genügt dem Gebot der konkreten Benennung von Verweisungstätigkeiten nicht. Hiernach sind insbesondere bei der Verweisung eines Facharbeiters entweder schon im Bescheid des Rentenversicherungsträgers oder spätestens im Urteil der letzten Tatsacheninstanz konkrete und revisionsgerichtlich nachprüfbare Feststellungen erforderlich. Es muß wenigstens eine zumutbare Verweisungstätigkeit konkret und mit nachprüfbaren Feststellungen benannt werden. Im einzelnen ist konkret bezogen auf den Einzelfall substantiiert zu prüfen, welche beruflichen Anforderungen an die in Erwägung gezogene Verweisungstätigkeit gestellt werden. Sodann ist festzustellen, ob der Versicherte diesen beruflichen Anforderungen nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen genügen kann und ob die Tätigkeit seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht bzw nach einer Einarbeitungs- oder Einweisungszeit bis zu höchsten drei Monaten ausgeübt werden kann. Schließlich ist insbesondere anhand ihrer tariflichen Einstufung zu prüfen, ob es sich bei der Verweisungstätigkeit um eine angelernte Tätigkeit handelt oder ob sie sich, sofern sie zum Bereich der ungelernten Tätigkeiten gehört, nach ihrer qualitativen Wertigkeit deutlich aus diesem Bereich heraushebt (vgl BSG 1980-11-12 1 RJ 104/79 = SozR 2200 § 1246 Nr 69 S 215 f).
Normenkette
RVO § 1246 Abs 2 Fassung: 1957-02-23, § 1247 Abs 2 Fassung: 1957-02-23
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 15.08.1979; Aktenzeichen L 2 J 69/79) |
SG Stade (Entscheidung vom 13.03.1979; Aktenzeichen S 5 J 62/78) |
Tatbestand
Im Streit ist ein Anspruch auf Gewährung einer Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit (BU) oder Erwerbsunfähigkeit (EU).
Der im Jahre 1923 geborene Kläger erlernte das Schmiedehandwerk. Seit 1946 ist er bei der Deutschen Bundesbahn als Schlosser im Ausbesserungswerk Hamburg-Harburg beschäftigt.
Seinen Antrag vom Juni 1977 auf Bewilligung einer BU- oder EU-Rente wegen anhaltender Wirbelsäulenbeschwerden und eines Zustandes nach Lungenembolie lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. August 1977 ab. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 1. März 1978).
Das Sozialgericht (SG) Stade hat nach Erhebung des Gutachtens eines Facharztes für Orthopädie die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. März 1979). Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 15. August 1979) und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei zwar die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen eingeschränkt und er nicht mehr zur Verrichtung aller Arbeiten in der Lage. Er könne jedoch noch leichte, gelegentlich auch mittelschwere Arbeiten ohne häufiges Heben und Tragen, nicht überwiegend im Stehen und unter dem Schutz vor Witterungseinflüssen vollschichtig verrichten. Die Bedenken des Klägers gegen diese Beurteilung könnten nicht durchgreifen. Für die von ihm beantragte Einholung eines weiteren orthopädischen Gutachtens besteht kein Anlaß. Als gelernter Schmied bzw als Schlosser genieße der Kläger den vollen Berufsschutz eines gelernten Facharbeiters. Die normalen Tätigkeiten dieser Berufe könne er nicht mehr ausüben. Allein deswegen bestehe jedoch noch kein Anspruch auf BU-Rente. Der in seiner Erwerbsfähigkeit nicht sehr schwerwiegend eingeschränkte Kläger sei nämlich noch in der Lage, auf zahlreichen leichteren Arbeitsplätzen innerhalb des zuletzt ausgeübten Schlosserberufs, zB als Anreißer, aber auch bei schwierigen Montagearbeiten, die die Fachkenntnisse eines gelernten Schlossers erforderten, aber keine hohen Anforderungen an die körperliche Belastbarkeit stellten (zB anleitend und aufsichtsführend in einer Gruppe ungelernter Arbeiter), tätig zu sein. Zudem müsse er sich auch auf Anlern- und solche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes verweisen lassen, die sich aus dem Kreis einfacher ungelernter Arbeiten durch besondere Anforderungen zB an Verantwortung, Konzentration, Umsicht oder Sorgfalt sowie durch ihre betriebliche Bedeutung deutlich heraushöben und deswegen zumindest wie Tätigkeiten der mittleren Gruppe der Arbeiterberufe mit dem Leitbild des angelernten Arbeiters entlohnt würden. In Betracht kämen hier nicht nur Prüf- und Kontrollarbeiten mit gehobener Verantwortung in Gewerbe und Industrie (zB als Qualitätskontrolleur in der Metallindustrie, Tarifgruppe 5 und 6), sondern auch die zahlreichen sich aus der Mechanisierung und Automation der Arbeitsprozesse ergebenden Überwachungs-, Kontroll- und Revisionsarbeiten, Maschinen-, Apparate-, Anlagen- und Schalttafelbedienungen. Arbeiten dieser Art stellten an die körperliche Leistungsfähigkeit durchweg nur geringe Anforderungen und könnten vom Kläger nach dem festgestellten Leistungsvermögen erbracht werden. Als gelernter Metallfacharbeiter könne er sie nach kurzer Einarbeitungszeit vollwertig verrichten. Einer weiteren berufskundlichen oder arbeitspsychologischen Begutachtung oder des Nachweises "konkreter Arbeitsstellen" bedürfe es nicht. Es sei evident, daß es für einen bisher überwiegend als Schlosser tätig gewesenen Metallfacharbeiter zumutbare Tätigkeiten dieser Art in Industrie und Gewerbe in großer bzw hinreichender Zahl gebe. Der Arbeitsmarkt sei insofern offen. Schwierigkeiten bei der Erlangung oder Vermittlung eines geeigneten Arbeitsplatzes unterfielen nicht dem Risiko der gesetzlichen Rentenversicherung.
Mit der durch Beschluß des Senats zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Abweichung des angefochtenen Urteils von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sowie Verletzung der §§ 62, 103, 128 Abs 2 und § 136 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Mit seiner Entscheidung, er (Kläger) sei noch nicht berufsunfähig, weil er noch Überwachungs-, Kontroll- und Revisionstätigkeiten verrichten könne, sei das LSG von der Rechtsprechung des BSG zur konkreten Verweisung von Facharbeitern abgewichen. Hiernach müsse zumindest eine Verweisungstätigkeit so konkret bezeichnet werden, daß ihre Anforderungen feststellbar seien und zum Leistungsvermögen des Versicherten in Beziehung gesetzt werden könnten. Dabei sei die tarifliche Einstufung des bisherigen Berufs ein geeignetes Hilfsmittel für die Feststellung der Qualität dieses bisherigen Berufes und damit der Breite der zumutbaren Verweisung. Dementgegen habe das LSG weder den Tarifvertrag beigezogen, der den qualitativen Wert seines (Klägers) bisherigen Berufes bestimmt habe, noch versucht, in diesem oder vergleichbaren Tarifverträgen subjektiv zumutbare Verweisungstätigkeiten zu finden. Seine Feststellung, die nach allgemeinen Merkmalen benannten Tätigkeiten würden zumindest wie Tätigkeiten der mittleren Gruppe der Arbeiterberufe entlohnt, habe das LSG getroffen, ohne darzulegen, woher es sein Wissen habe. Da es Tarifverträge nicht beigezogen und eine Gerichtskunde nicht offenbart habe, sei das Urteil insofern nicht prozeßordnungsgemäß zustandegekommen und unvollständig. Im übrigen habe das LSG dadurch den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt und ihn (Kläger) mit seiner Entscheidung überrascht, als es ihm im Zusammenhang mit der Verweisung auf die Tätigkeit eines Anreißers keine Gelegenheit gegeben habe, sich zu diesem Beruf und seinen Anforderungen zu äußern. Hinsichtlich der zahlreichen Überwachungs- und Kontrollarbeiten in Gewerbe und Industrie seien die Gründe, aus denen das LSG ihn (Kläger) als durch diese Tätigkeiten weder körperlich noch beruflich überfordert angesehen habe, nicht erkennbar. Das angefochtene Urteil biete damit keine für das Revisionsgericht nachprüfbare Grundlage.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom
15. August 1979 und des Sozialgerichts Stade vom
13. März 1979 aufzuheben und die Beklagte unter
Aufhebung des Bescheides vom 18. August 1977 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. März 1978
zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbs- bzw
Berufsunfähigkeit zu zahlen;
hilfsweise: den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an das Landessozialgericht Niedersachsen
zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das LSG habe ohne Abweichung von einer höchstrichterlichen Entscheidung die Verweisungstätigkeiten hinreichend konkret bezeichnet und hinsichtlich ihrer Anforderungen und der Fähigkeit des Klägers zu ihrer Ausübung ausreichende Feststellungen getroffen.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist zulässig und mit ihrem Hilfsantrag auf Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht begründet.
Der Kläger begehrt eine Rente wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit. Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf BU-Rente ist § 1246 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Danach erhält Rente wegen Berufsunfähigkeit der Versicherte, der berufsunfähig ist, wenn die Wartezeit erfüllt ist (§ 1246 Abs 1 RVO). Berufsunfähig ist ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 1246 Abs 2 Sätze 1 und 2 RVO). Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erhält der Versicherte, der erwerbsunfähig ist, wenn die Wartezeit erfüllt ist (§ 1247 Abs 1 RVO). Erwerbsunfähig ist der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann (§ 1247 Abs 2 Satz 1 RVO).
Bezüglich der Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist, ist von seinem "bisherigen Beruf" auszugehen. Kann der Versicherte auch nach Eintritt der angeblich seine Erwerbsfähigkeit mindernden Umstände seine bisherige Berufstätigkeit ohne wesentliche Einschränkungen weiterhin ausüben, so steht allein dies der Annahme von Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit entgegen. Eine Verweisung auf andere Tätigkeiten und eine Erörterung der sozialen Zumutbarkeit dieser Verweisung sind dann nicht erforderlich. Aber auch wenn eine solche Verweisung in Betracht kommt, bedarf es der Feststellung des "bisherigen Berufes". Er ist im Rahmen des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO von entscheidender Bedeutung für die Bestimmung des Kreises derjenigen Tätigkeiten, auf die der Versicherte unter Verneinung von Berufsunfähigkeit zumutbar verwiesen werden kann. Ebenso ist der bisherige Beruf im Rahmen des § 1247 Abs 2 Satz 1 RVO maßgebend für die Frage, ob die sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebenden äußersten Grenzen der Verweisbarkeit gewahrt sind. Der Kreis der dem Versicherten zumutbaren Tätigkeiten bestimmt sich hauptsächlich nach dem qualitativen Wert der bisherigen Berufstätigkeit des Versicherten im Betrieb. Dieser qualitative Wert spiegelt sich relativ zuverlässig in der tariflichen Einstufung einer Tätigkeit wider. Sie ist daher ein geeignetes Hilfsmittel zur Feststellung der Qualität des bisherigen Berufes und damit zugleich der dem Versicherten zumutbaren Verweisungstätigkeiten. Dabei lassen sich in der Arbeitswelt auf der Grundlage der tariflichen Bewertung mehrere Gruppen von Arbeiterberufen auffinden, welche durch bestimmte "Leitberufe" charakterisiert werden. Diese Leitberufe sind diejenigen des "Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion" bzw des "besonders hochqualifizierten Facharbeiters", des "Facharbeiters" (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mindestens zwei Jahren), des "angelernten Arbeiters" (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von weniger als zwei Jahren) und des "ungelernten Arbeiters". Im Rahmen des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO sind dem Versicherten im allgemeinen nur Tätigkeiten der jeweils niedrigeren Gruppe zumutbar, soweit sie ihn nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen und nach seinem beruflichen Können und Wissen nicht überfordern. Darüber hinaus darf ein Facharbeiter auf ungelernte Tätigkeiten, die sich durch besondere Qualifikationsmerkmale deutlich aus dem Kreis der sonstigen einfachen Arbeiten herausheben, jedenfalls dann verwiesen werden, wenn sie wegen ihrer Qualität - nicht aber wegen etwaiger Nachteile und Erschwernisse - tariflich wie sonstige Ausbildungsberufe eingestuft sind und deswegen ihre Gleichstellung mit der qualitativen Wertigkeit eines sonstigen Ausbildungsberufes gerechtfertigt ist. Eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 1247 Abs 2 Satz 1 RVO liegt hingegen erst dann vor, wenn es keine Tätigkeiten gibt, die dem Versicherten nach seinen Kräften und Fähigkeiten, nach sozialen Gesichtspunkten und nach der Höhe des Entgelts zumutbar sind (vgl zu alledem Urteil des Senats in BSG SozR 2200 § 1246 Nr 75 S 235 f mit eingehenden weiteren Nachweisen; speziell zur Verweisbarkeit von Facharbeitern vgl ua BSG SozR 2200 § 1246 Nr 69 S 215, Nr 71 S 225, Nr 73 S 231, jeweils mwN).
Auf der Grundlage dieser Rechtlichen Kriterien hält das angefochtene Urteil einer Nachprüfung nicht stand. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG reichen für eine Entscheidung, ob der Kläger nicht wenigstens berufsunfähig ist, nicht aus.
Das gilt schon für die Frage, ob der Kläger nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen seinen bisherigen Beruf des Schlossers nicht mehr ausüben kann. Die Feststellungen des LSG hierzu sind widersprüchlich. Einerseits hat es festgestellt, der Kläger könne die normalen Tätigkeiten der Berufe des Schmiedes und des Schlossers nicht mehr verrichten (S 6 f des Urteils). Andererseits aber steht der Kläger nach der Feststellung des Berufungsgerichts (S 2 des Urteils) als Schlosser in einem ungekündigt fortbestehenden Beschäftigungsverhältnis zur Deutschen Bundesbahn. Allein danach kann er die Tätigkeit des Schlossers doch ausüben. Denn daß er diese Tätigkeit trotz Fortbestandes seines Beschäftigungsverhältnisses nicht oder aber auf Kosten seiner Gesundheit ausübt, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Die bisherigen Feststellungen des LSG weisen somit einen Widerspruch auf. Ihn kann der Senat von sich aus nicht aufklären. Dies kann nur durch eine allein dem Tatsachengericht obliegende erneute Würdigung der Beweise (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) gegebenenfalls nach weiterer Aufklärung des Sachverhaltes geschehen. Schon aus diesem Grunde muß der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Dieses wird bei seiner erneuten Entscheidung zu berücksichtigen haben, daß nach ständiger Rechtsprechung des BSG einer tatsächlichen Arbeitsleistung der herausragende und ein stärkerer Beweiswert zukommt als den die Fähigkeit zur Erbringung der Arbeitsleistung scheinbar entgegenstehenden medizinischen Befunden (BSG SozR 2200 § 1247 Nr 24 S 43 mwN; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 54 S 166 f).
Erst wenn das LSG bei seiner erneuten Entscheidung widerspruchsfrei zu dem Ergebnis gelangen sollte, daß der Kläger seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann, stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls auf welche anderen Tätigkeiten er unter der Voraussetzung, daß er sie nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen und nach seinem beruflichen Können und Wissen verrichten kann, beruflich zumutbar verwiesen werden kann. Dabei ist von der Zugehörigkeit des Klägers zur Gruppe der gelernten Facharbeiter auszugehen. Hierin ist dem angefochtenen Urteil zuzustimmen. Nicht gefolgt werden kann ihm hingegen jedenfalls mit der bisher gegebenen Begründung (S 7 des Urteils) darin, daß der Kläger noch in der Lage sei, "auf zahlreichen leichten Arbeitsplätzen innerhalb des zuletzt ausgeübten Schlosserberufs, zB als Anreißer, aber auch bei schwierigen Montagearbeiten, die die Fachkenntnisse eines gelernten Schlossers erfordern, aber keine hohen Anforderungen an die körperliche Belastbarkeit stellen (zB anleitend und aufsichtsführend in einer Gruppe ungelernter Arbeiter), tätig zu sein". Diese Feststellung ist verfahrensfehlerhaft zustandegekommen und widerspricht im übrigen dem Gebot der konkreten Benennung von Verweisungstätigkeiten. Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren (§ 62 SGG). Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten (§ 128 Abs 2 SGG). Zu der Feststellung, der Kläger könne die Tätigkeit eines Anreißers ausüben und anleitend und aufsichtsführend bei schwierigen Montagearbeiten tätig sein, haben sich die Beteiligten nicht äußern können. Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem LSG am 15. August 1979 gibt keinen Aufschluß darüber, welche Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses mit den Beteiligten erörtert worden sind. Dem angefochtenen Urteil (S 3, 8) ist lediglich zu entnehmen, daß mit den Beteiligten das Vorhandensein von Arbeitsplätzen für die vom LSG in Betracht gezogenen sonstigen Verweisungstätigkeiten erörtert worden ist. Demgemäß rügt der Kläger zu Recht, daß ihm das LSG vor seiner Entscheidung über die Verweisbarkeit auf die Tätigkeit des Anreißers und auf leichte Montagearbeiten das rechtliche Gehör nicht gewährt habe. An der Begründetheit dieser Rüge ändert sich nichts dadurch, daß das LSG zu seinen Feststellungen ohne eine Beweisaufnahme gelangt ist und somit ersichtlich auf eine Gerichtskunde zurückgegriffen hat. Auch wenn das Tatsachengericht bei seiner Entscheidung gerichtskundige Tatsachen verwerten will, muß es sie in den Prozeß einführen und zum Gegenstand der Verhandlung machen (vgl BSG SozR 1500 § 128 Nr 15 S 10 mwN). Dies ist nicht geschehen. Damit ist in diesem Umfange das angefochtene Urteil bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen fehlerhaft.
Auch in sachlich-rechtlicher Hinsicht kann ihm nicht gefolgt werden. Bezüglich der Verweisbarkeit des Klägers auf leichtere Arbeitsplätze innerhalb des zuletzt ausgeübten Schlosserberufes hat sich das LSG auf die Feststellung beschränkt, der Kläger könne als Anreißer oder anleitend und aufsichtsführend in einer Gruppe ungelernter Arbeiter bei schwierigen Montagearbeiten tätig sein. Diese Feststellung genügt dem Gebot der konkreten Benennung von Verweisungstätigkeiten nicht. Hiernach sind insbesondere bei der Verweisung eines Facharbeiters entweder schon im Bescheid des Rentenversicherungsträgers oder spätestens im Urteil der letzten Tatsacheninstanz konkrete und revisionsgerichtlich nachprüfbare Feststellungen erforderlich. Es muß wenigstens eine zumutbare Verweisungstätigkeit konkret und mit nachprüfbaren Feststellungen benannt werden. Im einzelnen ist zunächst konkret bezogen auf den Einzelfall substantiiert zu prüfen, welche beruflichen Anforderungen an die in Erwägung gezogene Verweisungstätigkeit gestellt werden. Sodann ist festzustellen, ob der Versicherte diesen beruflichen Anforderungen nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen genügen kann und ob die Tätigkeit seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht bzw nach einer Einarbeitungs- oder Einweisungszeit bis zu höchstens drei Monaten ausgeübt werden kann. Schließlich ist insbesondere anhand ihrer tariflichen Einstufung zu prüfen, ob es sich bei der Verweisungstätigkeit um eine angelernte Tätigkeit handelt oder ob sie sich, sofern sie zum Bereich der ungelernten Tätigkeiten gehört, nach ihrer qualitativen Wertigkeit deutlich aus diesem Bereich heraushebt (vgl Urteile des Senats in BSG SozR 2200 § 1246 Nr 68 S 213 und Nr 69 S 215 f). Diesen Erfordernissen genügt das angefochtene Urteil nicht. Die Feststellung des LSG, der Kläger könne nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen die Tätigkeit des Anreißers ausüben oder anleitend und aufsichtsführend bei schwierigen Montagearbeiten tätig sein, entbehrt der revisionsgerichtlich nachprüfbaren Grundlage. Hinsichtlich der beruflichen Anforderungen an diese Tätigkeiten ist dem angefochtenen Urteil nichts zu entnehmen. Ebensowenig hat sich das LSG mit der Frage befaßt, welche Kenntnisse und Fähigkeiten diese Tätigkeiten voraussetzen und ob der Kläger über sie verfügt bzw sie sich innerhalb eines Zeitraums von höchstens drei Monaten aneignen kann. Endlich läßt das angefochtene Urteil auch jegliche Feststellung zur tariflichen Einstufung der in Betracht gezogenen Verweisungstätigkeiten und damit zu ihrem qualitativen Wert vermissen, so daß nicht beurteilt werden kann, ob ein Versicherter mit dem Berufsschutz eines Facharbeiters zumutbar darauf verwiesen werden kann. Die hiernach fehlenden tatsächlichen Feststellungen muß das LSG nachholen. Auch deswegen ist eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht geboten.
Dies ist nicht deswegen entbehrlich, weil das LSG den Kläger außer auf die Tätigkeit des Anreißers und auf die aufsichtsführende Tätigkeit bei schwierigen Montagearbeiten weiterhin auf Prüf- und Kontrollarbeiten mit gehobener Verantwortung in Gewerbe und Industrie (zB als Qualitätskontrolleur in der Metallindustrie, Tarifgruppe 5 und 6) sowie auf die zahlreichen sich aus der Mechanisierung und Automation der Arbeitsprozesse ergebenden Überwachungs-, Kontroll- und Revisionsarbeiten, Maschinen-, Apparate-, Anlagen- und Schalttafelbedienungen verwiesen hat. Auch insoweit ist das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft. Es widerspricht wiederum dem Gebot der konkreten Benennung von Verweisungstätigkeiten. Dieses schließt - wie der Senat in Übereinstimmung mit den anderen für Streitigkeiten auf dem Gebiet der Rentenversicherung der Arbeiter zuständigen Senate wiederholt betont hat (vgl zuletzt BSG SozR 2200 § 1246 Nr 69 S 216 mwN) - die pauschale und undifferenzierte Verweisung eines Versicherten auf einen ganzen Komplex von Tätigkeiten ohne detaillierte Feststellung ihres qualitativen Wertes sowie ihrer gesundheitlichen und beruflichen Anforderungen und deren Beziehung zu dem gesundheitlichen Leistungsvermögen und dem beruflichen Können und Wissen des jeweiligen Versicherten aus. Das gilt vorliegend insbesondere für die Verweisung des Klägers auf Überwachungs- und ähnliche Arbeiten sowie auf die Bedienung von Maschinen, Apparaten, Anlagen und Schalttafeln. Insofern fehlen jegliche Feststellungen zum qualitativen Wert dieser Tätigkeiten und zu den mit ihnen verbundenen gesundheitlichen und beruflichen Anforderungen. Dasselbe gilt im Zusammenhang mit der Verweisung auf Prüf- und Kontrollarbeiten mit gehobener Verantwortung in Gewerbe und Industrie. Die insoweit erfolgte Benennung des Qualitätskontrolleurs in der Metallindustrie nach Tarifgruppe 5 und 6 kann im Hinblick darauf, daß noch nicht einmal der maßgebende Tarifvertrag bezeichnet worden ist, schwerlich als ausreichend für die Feststellung des qualitativen Wertes dieser Tätigkeit angesehen werden. Dies mag indes auf sich beruhen. Jedenfalls hat das LSG nicht festgestellt, welche beruflichen Anforderungen mit dieser Tätigkeit verbunden sind und ob der Kläger diesen Anforderungen nach seinem beruflichen Können und Wissen genügen kann.
Das angefochtene Urteil kann nach alldem keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist zur Durchführung der noch erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird auch über die Kosten des Beschwerde- und des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen