Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des Arbeitslosengeldes
Orientierungssatz
§ 112 Abs 2 S 1 und 2 AFG iVm Abs 3 S 1 AFG idF vom 21.12.1974 setzt mit dem Begriff des "Erzielens" voraus, daß das der Arbeitslosengeld-Bemessung zugrundezulegende Arbeitsentgelt einschließlich der Sonderzahlungen, die nicht als einmalige Zuwendung iS von § 112 Abs 2 S 3 AFG zu beurteilen sind, im maßgeblichen Bemessungszeitraum dem Arbeitnehmer zugeflossen ist (vgl BSG 1982-02-18 7 RAr 76/81).
Normenkette
AFG § 112 Abs 2 S 1 Fassung: 1974-12-21; AFG § 112 Abs 2 S 2 Fassung: 1974-12-21; AFG § 112 Abs 2 S 3 Fassung: 1974-12-21; AFG § 112 Abs 3 S 1 Fassung: 1974-12-21
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 20.11.1980; Aktenzeichen L 9 Ar 117/79) |
SG Dortmund (Entscheidung vom 30.08.1979; Aktenzeichen S 6 Ar 126/79) |
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg). Sie war bis zum 31. Dezember 1978 bei der Krankenversicherungs-AG H. beschäftigt; das Arbeitsverhältnis endete durch fristgerechte Kündigung der Arbeitgeberin. Die Klägerin beantragte die Gewährung von Alg ab 1. Januar 1979 unter Arbeitslosmeldung zu diesem Zeitpunkt.
Mit Bescheid vom 6. Januar 1979 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg ab 1. Januar 1979. Der Bemessung der Leistung legte sie das tarifliche Gehalt der Klägerin zugrunde, das nach der Arbeitsbescheinigung der Firma H. für den Monat Dezember 1978 abgerechnet und ausbezahlt worden war. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, der Bemessung seien weitere Zahlungen zugrundezulegen, die sie im Jahre 1978 erhalten habe (ua 1 1/2 weitere Monatsgehälter).
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 1979 lehnte die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung ab, bei den Sonderzahlungen habe es sich um einmalige Zuwendungen gehandelt, die gem § 112 Abs 2 Satz 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) außer Betracht bleiben müßten.
Mit Urteil vom 30. August 1979 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin begehrt, bei der Bemessung des Alg ein zusätzliches 1 1/2-faches Monatsgehalt zu berücksichtigen. Ihr habe nach dem einschlägigen Tarifvertrag und den Bestimmungen der Betriebs-, Sozial- und Versorgungsordnung (BSVO) ihrer früheren Arbeitgeberin ein Jahresgehalt von 13 1/2 Monatsgehältern zugestanden. Demgemäß habe sie zusätzlich zu ihrem laufenden Gehalt ein halbes Monatsgehalt im Mai 1978 und ein volles Monatsgehalt im November 1978 erhalten. Aus dem Zusammenhang der Bestimmungen des Tarifvertrages und der BSVO ergebe sich, daß es sich insoweit nicht um einmalige Zuwendungen iS von § 112 Abs 2 Satz 3 AFG gehandelt habe. Diese Zahlungen müßten folglich bei der Alg-Bemessung berücksichtigt werden.
Mit Urteil vom 20.November 1980 hat das Landessozialgericht (LSG) das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, bei der Berechnung des Alg "ein zusätzliches 13. Monatsgehalt anteilig zu berücksichtigen". Im übrigen hat das LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Bei den Sonderzahlungen nach der BSVO, die die Klägerin mit einem halben Monatsgehalt im Mai 1978 und mit einem weiteren vollen Monatsgehalt im November 1978 zusätzlich erhalten habe, habe es sich hinsichtlich zweier halber Monatsgehälter nicht um einmalige Zuwendungen iS von § 112 Abs 2 Satz 3 AFG gehandelt. Da die Klägerin auf diese Zahlungen nach den Bestimmungen des Tarifvertrages und der BSVO einen Anspruch gehabt habe, dessen Höhe und Fälligkeit von vornherein festgestanden habe, und zwar in bezug auf eine anteilige Zahlung nach der Dauer der Beschäftigung im Betrieb, seien die Sonderzahlungen in Höhe von zwei halben Monatsgehältern anteilig bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen. Dies gelte jedoch nicht für die erst im Dezember 1978 fällig gewordene dritte Rate der Sonderzuwendungen; denn aus § 8 Nr 2 Buchst b BSVO ergebe sich, daß bei Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis vor Ende des dem Fälligkeitszeitpunkt folgenden Kalendervierteljahres - wie hier - nur die erste und zweite Rate anteilig auf das ganze Kalenderjahr zu verteilen seien. Die dritte Rate sei mithin als nicht anrechenbare einmalige Zuwendung anzusehen.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 112 AFG und führt hierzu insbesondere aus: Zu Unrecht habe das LSG aus dem Tarifvertrag und der BSVO gefolgert, daß der Arbeitnehmer bei vorzeitigem Ausscheiden einen anteiligen Anspruch auf die streitigen Sonderzahlungen habe. Vielmehr habe es sich um einmalige Zuwendungen iS von § 112 Abs 2 Satz 3 AFG gehandelt. Dies gelte jedenfalls für das im November 1978 ausgezahlte zusätzliche Monatsgehalt.
Im übrigen habe das LSG die neuere Rechtsprechung des BSG zur Alg-Bemessung nach § 112 AFG verkannt. Danach sei Arbeitsentgelt, auch wenn es keine einmalige Zuwendung darstelle, nach der bis zum 31. Dezember 1980 geltenden Gesetzesfassung nur dann (allerdings in voller Höhe) bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen, wenn es im Bemessungszeitraum zugeflossen sei. Das LSG habe festgestellt, daß die Klägerin die Sonderzahlungen im Mai 1978 (ein halbes Monatsgehalt) und im November 1978 (ein volles Monatsgehalt) erhalten habe. Da Bemessungszeitraum der Monat Dezember 1978 sei, müßten die außerhalb dieses Zeitraums zugeflossenen Sonderzahlungen schon deshalb unberücksichtigt bleiben. Soweit das LSG von einer im Dezember 1978 fällig gewordenen dritten Rate spreche, handele es sich nicht um die Feststellung, daß eine solche der Klägerin im Dezember 1978 zugeflossen sei. Im übrigen sei nicht ersichtlich, woher das LSG diese Meinung habe nehmen können. Sowohl nach den tarifvertraglichen und betrieblichen Regelungen als auch nach dem Inhalt der Verwaltungs- und Prozeßakten fehle dafür jeder Anhaltspunkt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. November 1980 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30. August 1979 zurückzuweisen.
Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind nicht zu beanstanden.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die Frage, ob und ggf in welchem Umfange bei der Bemessung des der Klägerin ab 1. Januar 1979 bewilligten Alg ein zusätzliches Monatsgehalt zu berücksichtigen ist. Soweit die Klägerin mit der Klage die Berücksichtigung eines weiteren halben Monatsgehalts geltend gemacht hat, hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die Klägerin hat hiergegen Revision nicht eingelegt, so daß die Entscheidung des LSG insoweit rechtskräftig geworden ist (§ 141 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Die Höhe des der Klägerin ab 1. Januar 1979 bewilligten Alg bestimmt sich nach §§ 111, 112 Abs 2 und 3 AFG idF des Art 27 des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz (EG-EStRG) vom 21. Dezember 1974 (BGBl I 3656). Danach ist der Alg-Bemessung das im Bemessungszeitraum durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt zugrundezulegen, dessen Berechnung im einzelnen sich aus § 112 Abs 2 Satz 1 und Satz 2 AFG ergibt. Einmalige Zuwendungen bleiben außer Betracht (§ 112 Abs 2 Satz 3 AFG). Bemessungszeitraum sind die letzten am Tage des Ausscheidens des Arbeitnehmers abgerechneten, insgesamt 20 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor Entstehung des Anspruchs (§ 112 Abs 3 Satz 1 AFG).
Bemessungszeitraum ist im vorliegenden Falle der Monat Dezember 1978, wie sich aus dem Zusammenhang der Feststellungen des LSG ergibt. Die Klägerin hatte sich am 28. November 1978 mit Wirkung zum 1. Januar 1979 arbeitslos gemeldet und von diesem Zeitpunkt an die Gewährung von Alg beantragt. In den angefochtenen Bescheiden, deren Inhalt das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, so daß er als festgestellt gelten kann, ging die Beklagte zutreffend davon aus, daß für die Bemessung des Alg das für den Monat Dezember bezogene und in diesem Monat abgerechnete Monatsgehalt zugrundezulegen ist. Insoweit ist die Entscheidung der Beklagten weder von der Klägerin angefochten worden noch besteht hierüber zwischen den Beteiligten Streit.
Zu Unrecht hat das LSG jedoch die Auffassung der Klägerin für begründet gehalten, daß darüber hinaus weitere Gehaltsteile bei der Bemessung des Alg berücksichtigt werden müßten. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die tariflichen Sonderzahlungen an die Klägerin nach der BSVO als einmalige Zuwendungen iS von § 112 Abs 2 Satz 3 AFG anzusehen sind oder nicht; denn nach den unangegriffenen und für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist der Klägerin keine dieser Sonderzahlungen in dem für die Bemessung des Alg maßgeblichen Bemessungszeitraum - Dezember 1978 - zugeflossen. Auf den Zufluß im Bemessungszeitraum kommt es aber auch dann an, wenn eine Sonderzahlung nicht als einmalige Zuwendung iS von § 112 Abs 2 Satz 3 AFG zu beurteilen ist, wie der Senat in der gleichgelagerten Sache 7 RAr 76/81 mit Urteil vom 18. Februar 1982 entschieden hat.
Nach der eindeutigen Regelung in § 112 Abs 2 Sätze 1 und 2 iVm Abs 3 Satz 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des EG-EStRG ist für die Höhe des Alg lediglich das im Bemessungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt maßgeblich. Anders als die mit Wirkung vom 1. Januar 1981 geänderte Fassung des § 112 Abs 2 Satz 3 AFG (vgl Art II § 2 Nr 10 des SGB X vom 18. August 1980, BGBl I 1469, mit Wirkung ab 1. Januar 1982 erneut geändert durch Art 1 § 1 Nr 40 des AFKG vom 22. Dezember 1981, BGBl I 1497), wonach bis 31. Dezember 1981 unabhängig von der tatsächlich erfolgten Auszahlung bestimmte jährlich wiederkehrende Zuwendungen anteilig berücksichtigt werden konnten, setzt § 112 Abs 2 Sätze 1 und 2 AFG iVm Abs 3 Satz 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung mit dem Begriff des "Erzielens" voraus, daß das der Alg-Bemessung zugrundezulegende Arbeitsentgelt einschließlich der Sonderzahlungen, die nicht als einmalige Zuwendung iS von § 112 Abs 2 Satz 3 AFG zu beurteilen sind, im maßgeblichen Bemessungszeitraum dem Arbeitnehmer zugeflossen ist. Das LSG hat insoweit übersehen, daß der Senat seine abweichende Rechtsprechung (vgl die vom LSG zitierten Urteile vom 11. Februar 1976 - 7 RAr 71/74 und 7 RAr 72/74 -) längst aufgegeben hatte (vgl die Nachweise im Urteil des Senats vom 18. Februar 1982 - 7 RAr 76/81 -). Der Senat hat seine in nunmehr ständiger Rechtsprechung gefestigte Rechtsauffassung über die Maßgeblichkeit des Zuflusses von Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum als Voraussetzung für dessen Berücksichtigungsfähigkeit bei der Alg-Bemessung erst in den Urteilen vom 10. Dezember 1981 (- 7 RAr 6/81 -) und vom 18. Februar 1982 (- 7 RAr 76/81 -) wiederum bestätigt. Dem steht nicht entgegen, daß seit 1. Januar 1982 wiederkehrende Zuwendungen, auch wenn sie bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor der, Fälligkeitstermin anteilig gezahlt werden, selbst dann nicht mehr berücksichtigt werden können, wenn sie im Bemessungszeitraum zugeflossen sind (vgl zur Neuregelung des § 112 Abs 2 Satz 3 AFG idF des AFKG Hennig/Kühl/Heuer, AFG, § 112 Anm 5, Stand Juni 1982).
Ausgehend von der Maßgeblichkeit des Zuflusses im Bemessungszeitraum durfte das LSG die Beklagte nicht zur Berücksichtigung von tariflichen Sonderzahlungen an die Klägerin verurteilen. Es hat festgestellt, daß die Klägerin solche Zahlungen im Mai 1978 (ein halbes zusätzliches Monatsgehalt) und im November 1978 (ein volles zusätzliches Monatsgehalt) erhalten hat. Diese Feststellungen stimmen im übrigen mit den eigenen Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG überein. Damit steht fest, daß keine dieser Zahlungen - auch nicht Teile davon - der Klägerin im Dezember 1978, dem nach § 112 Abs 3 Satz 1 AFG maßgeblichen Bemessungszeitraum, zugeflossen sind. Diese Feststellungen werden nicht dadurch berührt, daß das LSG an anderer Stelle der Entscheidungsgründe ausgeführt hat, eine "im Dezember 1978 fällig gewordene dritte Rate der Sonderzuwendungen" sei nicht anteilig auf das Kalenderjahr zu verteilen, sondern als einmalige (nicht anrechenbare) Leistung anzusehen. Abgesehen davon, daß von den Beteiligten an keiner Stelle des Verfahrens behauptet worden ist, daß im Dezember 1978 eine Sonderzahlung fällig geworden sei, und auch die Klägerin wegen der Nichtberücksichtigung einer "dritten Rate" durch das LSG und die insoweit erfolgte Zurückweisung ihrer Berufung Revision nicht eingelegt hat, handelt es sich hierbei um rechtliche Ausführungen des LSG, das insoweit Folgerungen aus seiner Wertung von Bestimmungen der BSVO gezogen hat. Die zuvor unzweideutig getroffene Feststellung über den Zufluß der Sonderzahlungen im Mai und November 1978 wird dadurch nicht beeinträchtigt. Muß der Senat demnach hiervon ausgehen, erweist sich die Revision der Beklagten bereits deshalb als begründet, weil es an dem für die Berücksichtigung von Lohn- oder Gehaltsteilen notwendigen Zufluß von Sonderzahlungen im maßgeblichen Bemessungszeitraum fehlt.
Nach allem muß das Urteil des LSG aufgehoben werden, soweit es das SG-Urteil abgeändert hat, und die Berufung der Klägerin auch insoweit zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen