Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Arbeitslosengeldes. Berücksichtigung von Sonderzahlungen bei der Berechnung der Geldleistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz

 

Orientierungssatz

§ 112 Abs 2 S 1 und 2 AFG idF vom 21.12.1974 setzt mit dem Begriff des "Erzielens" voraus, daß das der Arbeitslosengeld-Bemessung zugrunde zu legende Arbeitsentgelt, dh sowohl der "reguläre" Lohn als auch eine nicht als einmalige Zuwendung iS von § 112 Abs 2 S 3 AFG zu beurteilende Sonderzahlung, im maßgeblichen Bemessungszeitraum dem Arbeitnehmer zugeflossen ist (vgl BSG 1981-12-10 7 RAr 6/81).

 

Normenkette

AFG § 112 Abs 2 S 1 Fassung: 1974-12-21; AFG § 112 Abs 2 S 2 Fassung: 1974-12-21; AFG § 112 Abs 2 S 3 Fassung: 1974-12-21; AFG § 112 Abs 3 S 1 Fassung: 1974-12-21

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 20.11.1980; Aktenzeichen L 9 AR 107/79)

SG Dortmund (Entscheidung vom 30.08.1979; Aktenzeichen S 6 Ar 119/79)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg). Sie war bis zum 31. Dezember 1978 bei der privaten Krankenversicherungs-AG H. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch fristgerechte Kündigung der Arbeitgeberin. Am 22. November 1978 beantragte die Klägerin ab 1. Januar 1979 Alg unter Arbeitslosmeldung zu diesem Zeitpunkt.

Durch Bescheid vom 17. Januar 1979 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg ab 1. Januar 1979 für 312 Tage. Der Bemessung legte sie das der Klägerin nach der Arbeitsbescheinigung der Firma H. in diesem Monat abgerechnete und ausbezahlte Gehalt für Dezember 1978 von 2.118,-- DM zugrunde. Die Klägerin erhob Widerspruch mit der Begründung, der Bemessung seien weitere Zahlungen zugrunde zu legen, die sie im Jahre 1978 erhalten habe (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Provisionen). Ihr Jahresgehalt, von dem sie Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet habe, habe insgesamt 28.892,-- DM betragen, soe daß der Bemessung des Alg ein Zwölftel hiervon, nämlich 2.407,66 DM zugrunde zu legen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 1979 lehnte die Beklagte den Widerspruch ab. Bei den von der Klägerin angegebenen Zahlungen habe es sich um einmalige Zuwendungen gehandelt, die gemäß § 112 Abs 2 Satz 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) bei der Bemessung des Alg außer Betracht bleiben müßten.

Durch Urteil vom 30. August 1979 hat das Sozialgericht (SG) Dortmund die Klage im wesentlichen mit der Begründung des Widerspruchsbescheides abgewiesen und die Berufung zugelassen.

Mit der Berufung hat die Klägerin begehrt, bei der Bemessung des Alg ein weiteres eineinhalbfaches Monatsgehalt zu berücksichtigen. Ihr habe nach dem einschlägigen Tarifvertrag und den Bestimmungen der Betriebs-, Sozial- und Versorgungsordnung (BSVO) ihrer früheren Arbeitgeberin ein Jahresgehalt über 1/2 Monatsgehälter zugestanden. Danach habe sie zusätzlich zu ihrem laufenden Gehalt ein halbes Monatsgehalt im Mai 1978 und ein volles Monatsgehalt im November 1978 erhalten. Aus dem Zusammenhang der Bestimmungen des Tarifvertrages und der BSVO ergebe sich, daß es sich insoweit nicht um einmalige Zuwendungen iS von § 112 Abs 2 Satz 3 AFG gehandelt habe. Sie müßten folglich bei der Alg-Bemessung Berücksichtigung finden.

Durch Urteil vom 20. November 1980 hat das Landessozialgericht (LSG) das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, bei der Berechnung des Alg "ein zusätzliches 13. Monatsgehalt anteilig zu berücksichtigen". Im übrigen hat das LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Bei den Sonderzahlungen nach der BSVO, die die Klägerin mit einem halben Monatsgehalt im Mai 1978 und mit einem weiteren vollen Monatsgehalt im November 1978 zusätzlich erhalten habe, habe es sich hinsichtlich zweier halber Monatsgehälter nicht um einmalige Zuwendungen iS von § 112 Abs 2 Satz 3 AFG gehandelt. Das LSG begründet diese Rechtsauffassung im einzelnen damit, daß die Klägerin auf diese Zahlungen nach den Bestimmungen des Tarifvertrages und der BSVO einen Anspruch gehabt habe, dessen Höhe und Fälligkeit von vornherein festgestanden habe, und zwar auch in bezug auf eine anteilige Zahlung nach der Dauer der Beschäftigung im Betrieb. Unter Anwendung der Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. April 1968 - 7 RAr 39/65 - und vom 11. Februar 1976 - 7 RAr 71/74 und 7 RAr 72/74 - seien die Sonderzahlungen in Höhe von zwei halben Monatsgehältern anteilig bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen. Das gelte jedoch nicht "für die erst im Dezember 1978 fällig gewordene dritte Rate der Sonderzuwendungen". Aus § 8 Nr 2 Buchst b BSVO ergebe sich nämlich, daß bei Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis vor Ende des dem Fälligkeitszeitpunkt folgenden Kalendervierteljahres - wie hier - nur die erste und die zweite Rate anteilig auf das ganze Kalenderjahr zu verteilen seien; die dritte Rate sei mithin als nicht anrechenbar einmalige Zuwendung anzusehen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 112 AFG. Sie führt dazu aus: Zu Unrecht habe das LSG aus dem Tarifvertrag und der BSVO gefolgert, der Arbeitnehmer habe danach bei vorzeitigem Ausscheiden einen anteiligen Anspruch auf die streitigen Sonderzahlungen. Die Beklagte begründet dies im einzelnen und folgert daraus, daß es sich dabei um einmalige Zuwendungen iS von § 112 Abs 2 Satz 3 AFG gehandelt habe. Jedenfalls gelte dies für das im November 1978 gezahlte zusätzliche Monatsgehalt.

Im übrigen habe das LSG die neuere Rechtsprechung des BSG zur Alg-Bemessung gemäß § 112 AFG verkannt. Danach komme es darauf an, ob das Arbeitsverhältnis dem Antragsteller im Bemessungszeitraum zugeflossen sei. Das LSG habe festgestellt, daß die Klägerin die Sonderzahlungen im Mai 1978 (ein halbes Monatsgehalt) und im November 1978 (ein volles Monatsgehalt) erhalten hat. Da Bemessungszeitraum der Monat Dezember 1978 sei, müßten die außerhalb dieses Rahmens zugeflossenen Sonderzahlungen schon deshalb unberücksichtigt bleiben. Soweit das LSG von einer im Dezember 1978 fällig gewordenen dritten Rate spreche, handele es sich nicht um die Feststellung, daß eine solche der Klägerin im Dezember 1978 zugeflossen sei. Im übrigen sei nicht ersichtlich, woher das LSG diese Meinung habe nehmen können. Sowohl nach den tarifvertraglichen und betrieblichen Regelungen als auch nach dem Inhalt der Verwaltungs- und Personalakten fehle dafür jeder Anhaltspunkt.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin

gegen das Urteil des SG vom 30. August 1979 in vollem Umfang

zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die Frage, ob, gegebenenfalls in welchem Umfange, bei der Bemessung des der Klägerin ab 1. Januar 1979 bewilligten Alg ein zusätzliches Monatsgehalt zu berücksichtigen sei. Soweit die Klägerin mit der Klage die Berücksichtigung eines weiteren (dritten) halben Monatsgehalts geltend gemacht hat, hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die Klägerin hat hiergegen Revision nicht eingelegt, so daß die Entscheidung des LSG in dieser Hinsicht rechtskräftig geworden ist (§ 141 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

Das der Klägerin ab 1. Januar 1979 bewilligte Alf richtet sich in der Höhe nach §§ 111, 112 Abs 2 und 3 AFG idF von Art 27 des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz (EG-EStRG) vom 21. Dezember 1974 (BGBl I 3656). Danach ist der Alg-Bemessung zugrunde zu legen das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde erzielte Arbeitsentgelt, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit des Beschäftigungsverhältnisses im Bemessungszeitraum ergibt (§ 112 Abs 2 Satz 1 AFG). Arbeitsentgelt, das nach Monaten bemessen ist, gilt als in der Zahl von Arbeitsstunden erzielt, die sich ergibt, wenn die Zahl der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden mit dreizehn vervielfacht und durch drei geteilt wird (§ 112 Abs 2 Satz 2 AFG). Einmalige Zuwendungen bleiben außer Betracht (§ 112 Abs 2 Satz 3 AFG). Bemessungszeitraum sind die letzten am Tage des Ausscheidens des Arbeitnehmers abgerechneten, insgesamt zwanzig Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor Entstehung des Anspruchs (§ 112 Abs 3 Satz 1 AFG). Bemessungszeitraum ist im vorliegenden Falle der Monat Dezember 1978, wie sich aus dem Zusammenhang der Feststellungen des LSG ergibt. Die Klägerin hatte sich am 28. November 1978 mit Wirkung zum 1. Januar 1979 arbeitslos gemeldet und entsprechend die Gewährung von Alg beantragt. In den angefochtenen Bescheiden, deren Inhalt das LSG seiner Entscheidung zugrundegelegt hat, so daß er als festgestellt gelten kann, ging die Beklagte zutreffend davon aus, daß für die Bemessung des Alg das für und im Monat Dezember (Bemessungszeitraum) bezogene und abgerechnete Monatsgehalt zugrunde zu legen ist. Insoweit hat die Klägerin die Entscheidung der Beklagten auch nicht angegriffen und besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

Zu Unrecht hat das LSG jedoch die Auffassung der Klägerin für begründet gehalten, daß darüber hinaus weitere Gehaltsteile bei der Alg-Bemessung Berücksichtigung finden müßten. Dafür kann es offenbleiben, ob die tariflichen Sonderzahlungen an die Klägerin nach der BSVO als einmalige Zuwendungen iS von § 112 Abs 2 Satz 3 AFG anzusehen sind oder nicht; denn nach den unangegriffenen und für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist der Klägerin keine dieser Sonderzahlungen in dem für die Bemessung des Alg maßgeblichen Bemessungszeitraum (Dezember 1978) zugeflossen.

Nach der eindeutigen Regelung in § 112 Abs 2 Sätze 1 und 2 iVm Abs 3 Satz 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des EG-EStRG ist für die Höhe des Alg lediglich das im Bemessungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt maßgeblich. Anders als die mit Wirkung vom 1. Januar 1981 geänderte Fassung des § 112 Abs 2 Satz 3 (vgl Art II § 2 Nr 10 des SGB 10 vom 18. August 1980, BGBl I 1469), wonach unabhängig von der tatsächlich erfolgten Auszahlung mindestens jährlich wiederkehrende Zuwendungen anteilig zu berücksichtigen sind (weiter einschränkend geändert ab 1. Januar 1982 durch Art 1 § 1 Nr 40 des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes vom 22. Dezember 1981, BGBl I 1497), setzt § 112 Abs 2 Sätze 1 und 2 AFG in der hier maßgeblichen Fassung mit dem Begriff des "Erzielens" voraus, daß das der Alg-Bemessung zugrunde zu legende Arbeitsentgelt, dh sowohl der "reguläre" Lohn als auch eine nicht als einmalige Zuwendung iS von § 112 Abs 2 Satz 3 AFG zu beurteilende Sonderzahlung, im maßgeblichen Bemessungszeitraum dem Arbeitnehmer zugeflossen ist. Das LSG hat übersehen, daß der Senat eine abweichende Rechtsprechung (vgl die vom LSG zitierten Urteile vom 11. Februar 1976 - 7 RAr 71/74 und 7 RAr 72/74 -) längst aufgegeben hat (vgl Urteil vom 10. Oktober 1978 - 7 Rar 57/77 - Dienstblatt R der Bundesanstalt für Arbeit -BA- § 112 AFG Nr 2381a; SozR 4100 § 112 Nr 11; Urteil vom 7. August 1979 - 7 RAr 17/78 - USK 79, 159; Urteil vom 14. August 1980 - 7 RAr 103/79 -; ferner SozR 4100 § 44 Nr 10). Der Senat hat seine in nunmehr ständiger Rechtsprechung gefestigte Rechtsauffassung über die Maßgeblichkeit des Zuflusses von Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum als Voraussetzung für dessen Berücksichtigungsfähigkeit bei der Alg-Bemessung erst im Urteil vom 10. Dezember 1981 wiederum bestätigt. Sie geht letztlich darauf zurück, daß das AFG an dem seit jeher in der Arbeitslosenversicherung geltenden Prinzip festgehalten hat, wonach für die Leistungsbemessung die tatsächlichen Lohn- und Gehaltsverhältnisse im Bemessungszeitraum maßgeblich sind (vgl BSG vom 10. Dezember 1981 - 7 RAr 6/81 - mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Ausgehend hiervon durfte das LSG nicht die Berücksichtigung von tariflichen Sonderzahlungen nach der BSVO an die Klägerin anordnen. Es hat festgestellt, daß die Klägerin solche Zahlungen im Mai 1978 (ein halbes zusätzliches Monatsgehalt) und im November 1978 (ein volles zusätzliches Monatsgehalt) erhalten hatte. Dies stimmt im übrigen mit dem eigenen Prozeßvorbringen der Klägerin überein, zB in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG. Damit steht fest, daß keine dieser Zahlungen - auch nicht Teile davon - der Klägerin im Dezember 1978, dem nach § 112 Abs 3 Satz 1 AFG maßgeblichen Bemessungszeitraum zugeflossen sind. Infolgedessen mußten sie ungeachtet ihres Charakters bei der Bemessung des Alg in vollem Umfange außer Betracht bleiben.

Das LSG hat zwar an anderer Stelle der Entscheidungsgründe ausgeführt, eine "im Dezember 1978 fällig gewordene dritte Rate der Sonderzuwendungen" sei nicht anteilig auf das Kalenderjahr zu verteilen, sondern als einmalige und damit nicht anrechenbare Leistung anzusehen. Es kann dahinstehen, ob es sich bei der Monatsangabe nicht überhaupt nur um einen Schreibfehler handelt, wofür spricht, daß von den Beteiligten an keiner Stelle des Verfahrens behauptet worden ist, im Dezember 1978 sei eine Sonderzahlung fällig geworden; denn es handelt sich insoweit um rechtliche Ausführungen des LSG im Zusammenhang mit seiner Wertung von Bestimmungen der BSVO. Die zuvor unzweideutig getroffene und mit dem Vorbringen der Klägerin übereinstimmende Feststellung, die Klägerin habe ein zusätzliches halbes Monatsgehalt als Sonderzahlung im Mai 1978 und ein weiteres zusätzliches volles Monatsgehalt als Sonderzahlung im November 1978 erhalten, wird dadurch nicht beeinträchtigt oder gar entwertet. Muß der Senat demnach hiervon ausgehen, erweist sich die Revision der Beklagten bereits deshalb als begründet, weil es dann an dem für die Berücksichtigung von Lohn- oder Gehaltsteilen notwendigen Zufluß von Sonderzahlungen nach der BSVO im maßgeblichen Bemessungszeitraum fehlt.

Nach allem muß das Urteil des LSG aufgehoben werden, soweit es das SG-Urteil abgeändert hat und die Berufung der Klägerin in vollem Umfange zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1657427

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge