Leitsatz (amtlich)
Ein Versicherter hat keinen Anspruch auf Familienkrankenpflege für einen ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen, wenn dieser im Zeitpunkt der Erkrankung einen Anspruch auf Krankenpflege aus eigener Versicherung hat (Aufgabe der entgegenstehenden Rechtsprechung von BSG 1962-07-04 3 RK 26/59 = BSGE 17, 186).
Leitsatz (redaktionell)
Zu dem Begriff des anderweit gesetzlichen Anspruchs auf Krankenpflege" iS des RVO § 205 Abs 1 S 1.
Normenkette
RVO § 205 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1930-07-26
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juli 1960 und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. April 1957 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die während des Revisionsverfahrens gestorbene Ehefrau des Klägers war auf Grund freiwilliger Weiterversicherung Mitglied der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Pforzheim. Sie wurde vom 30. März 1956 an wegen einer Verstauchung mit Bluterguß am rechten Knie stationär behandelt und von der AOK Pforzheim am 25. April 1956 mit Krankenhauspflege ausgesteuert. Diese Behandlung der Ehefrau des Klägers endete am 16. Juni 1956.
Der Kläger, der seit 1954 Mitglied der beklagten AOK ist, beantragte bei dieser die Übernahme der in der Zeit vom 26. April bis 16. Juni 1956 entstandenen Krankenhauskosten im Wege der Familienhilfe nach § 205 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Die beklagte AOK lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 2. Juli 1956 ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde von der Widerspruchsstelle der Beklagten durch Bescheid vom 4. September 1956 zurückgewiesen. Die Beklagte vertrat dabei die Meinung, ein Anspruch auf Familienhilfe bestehe nicht, weil die Ehefrau des Klägers, obgleich sie von ihrer Krankenkasse mit Krankenhauspflege ausgesteuert worden sei, als freiwilliges Mitglied dieser Kasse auch weiterhin einen gesetzlichen Anspruch auf Krankenpflege im Sinne des § 205 RVO habe und damit ein Anspruch des Klägers auf Familienhilfe ausgeschlossen sei.
Der Kläger erhob daraufhin Klage beim Sozialgericht (SG) mit dem Antrage, die Bescheide der Beklagten vom 2. Juli 1956 und 4. September 1956 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seiner Ehefrau Krankenhauspflege für die Zeit vom 26. April bis 16. Juni 1956 zu gewähren. Zur Begründung führte er aus, nach Aussteuerung seiner Ehefrau aus ihrer Krankenkasse bestehe ein anderweitiger gesetzlicher Anspruch auf Krankenhauspflege im Sinne des § 205 RVO nicht mehr; der Abgeltungsbetrag nach Abschnitt III des Erlasses des Reichsarbeitsministers betreffend die Verbesserungen in der gesetzlichen Krankenversicherung - Verbesserungserlaß - vom 2. November 1943 (AN 1943, 485) könne nicht als ein solcher anderweitiger Anspruch angesehen werden.
Das SG hob durch Urteil vom 26. April 1957 die Bescheide der Beklagten auf und verurteilte die Beklagte dazu, für die Ehefrau des Klägers in der Zeit vom 26. April bis 16. Juni 1956 Krankenpflege zu gewähren.
Gegen dieses Urteil hat die beklagte AOK Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 22. Juli 1960). Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Die Aussteuerung der Ehefrau des Klägers durch die AOK Pforzheim beende zwar nicht die Verpflichtung dieser Krankenkasse, über den Aussteuerungszeitpunkt hinaus Krankenpflege zu gewähren, so daß bei einer am Wortlaut haftenden Auslegung des § 205 RVO der vom Kläger geltend gemachte Anspruch unbegründet sei. Das habe auch das Reichsversicherungsamt (RVA) früher angenommen. Hingegen habe es in der Grundsätzlichen Entscheidung (GE) 5363 (AN 1940, 179) zutreffend darauf hingewiesen, daß es sich bei der eigenen Versicherung des Angehörigen und der Versicherung des "Familienhauptes" um zwei selbständige Versicherungsverhältnisse und um zwei verschiedene Risiken handele, für die auch entsprechend Beiträge entrichtet würden.
An der gewandelten Rechtsprechung des RVA sei auch nach Inkrafttreten des Verbesserungserlasses von 1943 festzuhalten, weil anderenfalls der "Verbesserungserlaß" eine Verschlechterung der Leistungen in der Familienhilfe gebracht hätte. Es könne nicht der Sinn der Vorschriften über den Wegfall der zeitlichen Begrenzung des Anspruchs auf Krankenpflege (Ziffer II und III des Verbesserungserlasses) gewesen sein, Ansprüche auf Familienhilfe, die sich aus einem anderen Versicherungsverhältnis ergeben würden, zu beeinträchtigen (so auch das RVA in der GE 5574; AN 1944, 267). Ein Bedürfnis für die Gewährung von Krankenhauspflege auf Grund der Familienhilfe sei auch dann gegeben, wenn der versicherte Angehörige auf Grund seiner eigenen Versicherung nur noch eine Abgeltung des Krankenhauspflegeanspruchs, aber wegen seiner Aussteuerung keine Krankenhauspflege mehr verlangen könne.
Gegen dieses Urteil hat die beklagte AOK Revision eingelegt mit dem Antrag, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihrer Revision trägt die Beklagte vor:
Die Ehefrau des Klägers sei nach der Aussteuerung durch die AOK Pforzheim bei dieser Kasse freiwillig weiterversichertes Mitglied geblieben. Die RVO enthalte keine Bestimmung, wonach den Ansprüchen aus der eigenen Mitgliedschaft andere Ansprüche, zB auf Grund der Familienhilfe, vorgingen. Die Krankenpflege werde ohne zeitliche Begrenzung gewährt (vgl. Abschnitt I des Verbesserungserlasses). Da mit Krankenhauspflege ausgesteuerte Versicherte bei Weiterverbleiben im Krankenhaus zur Abgeltung des Anspruchs auf Krankenpflege einen Barbetrag von der Krankenkasse erhielten (Abschnitt III des Verbesserungserlasses), bestehe für den Versicherten ein anderweitiger gesetzlicher Anspruch auf Krankenpflege, so daß die Voraussetzungen des § 205 RVO nicht gegeben seien.
Der Kläger hat beantragt,
die Revision der beklagten AOK zurückzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest, daß ihm ein Anspruch auf Familienhilfe zustehe, da nach Aussteuerung seiner Ehefrau für diese ein anderweitiger gesetzlicher Anspruch auf Krankenhauspflege nicht mehr gegeben sei.
II
Die Revision ist begründet, da die Vorinstanzen zu Unrecht davon ausgegangen sind, daß dem Kläger ein Anspruch auf Familienhilfe zusteht.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers gegen die beklagte AOK auf Übernahme der Kosten für die Krankenhauspflege seiner Ehefrau vom 26. April bis 16. Juni 1956 ist § 205 RVO in Verbindung mit Abschnitt II Nr. 1 des schon genannten Verbesserungserlasses vom 2. November 1943 (AN S. 485) und Art. 10 der Ersten Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts vom 17. März 1945 - Erste VereinfVO - (RGBl I 41). Von den nach diesen Vorschriften für die Gewährung von Familienkrankenpflege erforderlichen Voraussetzungen ist nur strittig, ob dem Anspruch des Klägers auf Familienhilfe entgegensteht, daß seine Ehefrau "anderweit einen gesetzlichen Anspruch auf Krankenpflege" hat (§ 205 Abs. 1 Satz 1 RVO).
Was in diesem Zusammenhang unter dem anderweit gegebenen gesetzlichen Anspruch auf Krankenpflege zu verstehen ist, verdeutlicht die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. Nach § 205 RVO in der ersten Fassung vom 19. Juli 1911 (RGBl I 509) konnte die Satzung - verbunden mit der Möglichkeit der Erhebung eines Zusatzbeitrags (§ 384 Abs. 2 Satz 1 RVO dieser Fassung) - Krankenpflege an "versicherungsfreie" Familienmitglieder der Versicherten und Wochenhilfe an "versicherungsfreie" Ehefrauen der Versicherten zubilligen. § 10 des Gesetzes über Wochenhilfe und Wochenfürsorge vom 26. September 1919 (RGBl I 1757) führte die Familienwochenhilfe in erweitertem Umfange als Regelleistung ein (§ 205 a Abs. 1 Satz 1 dieser Fassung), hielt aber an der Voraussetzung für Familienwochenhilfe und -krankenpflege fest, daß die Familienmitglieder "versicherungsfrei" sein müßten.
Diese Fassung erwies sich als nicht geglückt, wie das RVA in der GE Nr. 2604 (AN 1920, 431) - im Zusammenhang mit der Familienwochenhilfe - darlegte. Das RVA räumte ein, daß eine Häufung von Ansprüchen auf Wochenhilfe bei demselben Versicherungsfall "zweifellos nicht der bewußten Absicht der gesetzgebenden Faktoren entsprechen" würde und für eine Auslegung des Tatbestandsmerkmals "versicherungsfrei" im Sinne von "schlechthin unversichert" oder "nicht selbst anspruchsberechtigt nach § 195 a RVO" ohne Zweifel angeführt werden könne, "daß so das der Billigkeit am meisten entsprechende Ergebnis erzielt" werde. Es hielt sich aber angesichts der fest eingebürgerten Gesetzesterminologie, wonach "versicherungsfrei" dasselbe wie "nicht versicherungspflichtig" bedeutet, nicht für befugt, im Wege der Auslegung vorwegzunehmen, was der Gesetzgeber erst mit dem Änderungsgesetz vom 30. April 1920 (RGBl I 853) richtigstellte: Nunmehr war Voraussetzung für die Familienwochenhilfe, daß den Familienangehörigen nicht ein Anspruch auf Wochenhilfe nach § 195 a RVO zusteht (§ 205 a RVO dieser Fassung), und für die Familienkrankenpflege, daß die Familienangehörigen "darauf nicht anderweit nach diesem Gesetz Anspruch haben".
Die Entstehungsgeschichte dieser - dem Wortlaut des jetzigen § 205 RVO schon sehr nahestehenden - Fassung zeigt deutlich, daß die Familienhilfe nur diejenigen Familienangehörigen in den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung einbeziehen sollte, die nicht schon als Versicherte - sei es auf Grund einer Pflichtversicherung, sei es infolge freiwilliger Versicherung - Anspruch auf Krankenpflege bzw. Wochenhilfe hatten. Daran änderte sich auch nichts, als die NotVO des Reichspräsidenten zur Behebung finanzieller, wirtschaftlicher und sozialer Notstände vom 26. Juli 1930 (RGBl I 311) den § 205 in die RVO einfügte und in Abs. 1 Satz 1 dem hier bedeutsamen Tatbestandsmerkmal die jetzt noch für die Gewährung von Familienkrankenpflege maßgebliche Fassung gab: "wenn diese ... nicht anderweit einen gesetzlichen Anspruch auf Krankenpflege haben". Mit dieser Erweiterung des Ausschlusses der Familienkrankenpflege, wenn anderweit gesetzliche Ansprüche auf Krankenpflege - statt bisher nur nach der RVO - bestehen, sollten die Krankenkassen entlastet werden, wie es der Zielsetzung der Verordnung entsprach. In diesem Sinne hatte auch das RVA der Neufassung der Anspruchsvoraussetzung für die Familienkrankenpflege keine rechtsändernde Bedeutung beigemessen, soweit es sich um die Frage des Bestehens eines Anspruchs auf Familienkrankenpflege handelt, wenn entsprechende Ansprüche aus eigener Versicherung bestehen. Es hat vielmehr in Bestätigung der GE des RVA Nr. 2864 (AN 1925, 225) daran festgehalten: "Ein Anspruch auf Familienhilfe nach § 205 RVO besteht dann nicht, wenn der Familienangehörige auf Grund desselben Versicherungsfalls bereits aus eigener Versicherung Kassenleistungen bis zur gesetzlichen oder satzungsmäßigen Höchstdauer erhalten hat" (Entscheidung vom 9. November 1932 in Breithaupt 1933, 25).
Dabei ist das RVA davon ausgegangen, daß der hier maßgebliche Versicherungsfall im Rahmen der eigenen Versicherung und der Familienkrankenpflege derselbe ist, nämlich die Erkrankung des Familienangehörigen (GE Nr. 4380 in AN 1932, 237, 238). Auch der erkennende Senat hat in BSG 20, 129, 131 angenommen, daß Versicherungsfall für die Familienkrankenpflege die Erkrankung des Familienangehörigen ist. Zwar wäre es denkbar, daß eine versicherungsmäßige Familienhilfe auch auf einem anderen Versicherungsrisiko aufbauen könnte: So wäre es etwa bei einer Art Familienschutzversicherung möglich, beim Versicherungsfall auf den Eintritt der wirtschaftlichen Belastung dessen, der den Familienunterhalt bestreitet, abzustellen. Das geltende Recht der gesetzlichen Krankenversicherung kennt jedoch diese Versicherungsform nicht. Wie sie den Versicherten selbst in ihren Schutz einbezieht, weil er den mit Krankheit, Mutterschaft und Tod verbundenen Risiken nicht aus eigener Kraft begegnen kann, so ist auch bei der Familienkrankenpflege das Motiv, für den Einzelnen - hier: denjenigen, der den Unterhalt der Familie überwiegend bestreitet - anderenfalls untragbare Lasten abzunehmen (BSG 17, 186, 190). Unabhängig von diesem Motiv ist aber das den Versicherungsfall begründende Ereignis bei der Familienkrankenpflege dasselbe wie bei der Versichertenkrankenpflege: der Eintritt der Erkrankung.
Mit Recht hat daher das RVA in der schon angeführten Entscheidung (GE Nr. 4380) diesen Zeitpunkt für die Beurteilung der Leistungsverpflichtung der Krankenkasse zur Familienkrankenpflege als maßgebend angesehen und den Anspruch für ausgeschlossen erachtet, wenn der Familienangehörige zu diesem Zeitpunkt anderweit einen gesetzlichen Anspruch auf Krankenpflege hatte. Unter dem "gesetzlichen Anspruch auf Krankenpflege" ist jeder durch Gesetz begründete Anspruch zu verstehen, der auf die Sachleistung der Krankenpflege als solche gerichtet ist, ohne daß sich die daraus ergebenden Leistungen vollinhaltlich mit der Krankenpflege im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung zu decken brauchen (RAM, Bescheid vom 4.12.1940 in AN 1941, 11; vgl. auch BSG 11, 30, 32 f). Allenfalls könnte es angebracht erscheinen, die Ausschlußwirkung des anderweiten gesetzlichen Anspruchs auf Krankenpflege dann zu beschränken, wenn die in Frage kommende gesetzliche Regelung die Gewährung ganzer Leistungsarten ausschließt (so der 5. Senat im Urteil vom 9.2.1961; BSG 14, 22). Wenn sich jedoch - wie im vorliegenden Falle - die Leistungsarten decken - die Familienkrankenpflege ist "wie den Versicherten selbst" zu gewähren (Art. 10 der Ersten VereinfVO vom 17. März 1945 -, so ist der Anspruch auf Krankenpflege aus der eigenen Versicherung ein anderweiter gesetzlicher Anspruch auf Krankenpflege im Sinne des § 205 RVO.
Demgegenüber kann - im Gegensatz zu der GE Nr. 5363 des RVA (AN 1940, 179), der der erkennende Senat in BSG 17, 186 noch gefolgt ist - dem Umstand, daß die Ansprüche auf Krankenpflege und Familienkrankenpflege zwei getrennten Versicherungsverhältnissen mit je eigenen Beiträgen entspringen und die Anspruchsberechtigten verschieden sind, keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Richtig ist zwar, daß auch die Familienkrankenpflege versicherungsmäßige Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in dem Sinne ist, daß sie auf Beiträgen beruht. Nicht außer acht gelassen werden darf jedoch, daß das Gesetz die Familienkrankenpflege nur unter einer Reihe von Vorbehalten gewährt und insbesondere die Subsidiarität der Familienkrankenpflege gegenüber anderen gesetzlichen Ansprüchen auf Krankenpflege bestimmt hat. Es widerspricht nicht der versicherungsmäßigen Natur der Familienkrankenpflege, daß der Berechtigte den Anspruch nur bei Erfüllung bestimmter, ihn stark beschränkender Voraussetzungen hat und für den erkrankten Familienangehörigen nur dann den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung erhält, wenn dieser ihn wegen der gleichen Erkrankung insbesondere nicht schon auf Grund eigener Versicherung genießt.
Soweit der genannten GE Nr. 5363 des RVA Billigkeitserwägungen zugrunde lagen, sind sie mit der Umgestaltung des Leistungsrechts der Krankenversicherung weitgehend weggefallen. Erlosch nach § 183 RVO aF nach Ablauf von 26 Wochen jeglicher Anspruch auf Krankenhilfe, so ist die Anspruchsberechtigung des Versicherten nach Inkrafttreten des Verbesserungserlasses vom 2. November 1943 (AN S. 485) zu Abschnitt I Nr. 1 (Krankenpflege) und Nr. 2 (hier: Krankenhauspflege) sowie des Leistungsverbesserungsgesetzes vom 12. Juli 1961 (BGBl I 913) mit seiner tiefgreifenden Umgestaltung des § 183 RVO entscheidend verbessert worden. Auf der anderen Seite muß berücksichtigt werden, daß die Auffassung, die beim gleichen Versicherungsfall nach Erschöpfung des Anspruchs auf Krankenpflege aus eigener Versicherung eine Aufstockung der Leistungen auf Grund der Familienkrankenhilfe zuläßt, bei der heute gegebenen Rechtslage zur Folge hätte, daß diese Leistungen nicht nur in dem relativ bescheidenen Umfange, wie ihn § 205 Abs. 1 bis 3 RVO vorsah, sondern in gleichem Umfange wie den Versicherten selbst (Art. 10 der Ersten VereinfVO) zu gewähren wären. Das würde bedeuten, daß die zeitliche Begrenzung der Krankenhauspflege - der praktisch allein noch bedeutsamen Leistungsform im Fall des Zusammentreffens von Krankenpflege und Familienkrankenpflege - nach § 183 Abs. 2 RVO nF (78 Wochen innerhalb von je drei Jahren) sich bei Versicherten, die unterhaltsberechtigte Familienangehörige im Sinne des § 205 RVO sind, überhaupt nicht mehr auswirken würde. Das aber würde weit über das mit der Familienkrankenpflege gesteckte Ziel hinausgehen, diese Familienangehörigen mangels einer entsprechenden Sicherung an dem Schutz der Krankenversicherung teilhaben zu lassen.
Schließlich zeigt auch die gesetzliche Regelung über die Krankenpflege, daß für eine Familienkrankenpflege im gleichen Versicherungsfall kein Raum ist. Krankenpflege wird ohne zeitliche Begrenzung gewährt (§ 183 Abs. 1 Satz 1 RVO; so auch schon Abschnitt I Nr. 1 Satz 1 des Verbesserungserlasses vom 2.11.1943) und bei Verbleiben in der Krankenhauspflege nach Aussteuerung mit einem Pauschbetrag abgegolten (Abschnitt III des genannten Verbesserungserlasses). Wäre die vom RVA in der GE Nr. 5363 vertretene Auffassung Rechtens, so wären in einem solchen Falle zwei Krankenkassen für die Abwicklung des gleichen Versicherungsfalls zuständig. Die zuerst auf Grund eigener Versicherung in Anspruch genommene Krankenkasse würde Krankenpflege in Gestalt des Abgeltungsbetrags zu gewähren haben; die Krankenkasse des versicherten Familienhaupts hätte Krankenpflege in Gestalt der Krankenhauspflege - die die Krankenpflege in sich schließt (§ 184 Abs. 1 Satz 1 RVO) - zu gewähren. Wenn das RVA in der GE Nr. 5574 (AN 1944, 267) gemeint hat, dieser Schwierigkeit dadurch begegnen zu können, daß es den Anspruch des versicherten Erkrankten auf Krankenpflege durch den des versicherten Familienhaupts auf Krankenhauspflege im Rahmen der Familienkrankenpflege verdrängt sah, so muß dem entgegengehalten werden, daß damit das in § 205 RVO klar gekennzeichnete Verhältnis zwischen dem vorrangigen Anspruch aus eigener Versicherung und dem subsidiären Anspruch auf Familienkrankenpflege auf den Kopf gestellt wird.
Demnach hat ein Versicherter keinen Anspruch auf Familienkrankenpflege für einen ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Familienangehörigen, wenn dieser im Zeitpunkt der Erkrankung einen Anspruch auf Krankenpflege aus eigener Versicherung hat. Die entgegenstehende Auffassung in BSG 17, 186 wird aufgegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen waren somit aufzuheben. Die Klage mußte abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 1 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen