Orientierungssatz

Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne ist nicht gleichbedeutend mit dem der Erwerbsunfähigkeit iS des Versorgungsrechts, weil beide Begriffe von verschiedenen Ausgangspunkten ausgehen. Arbeitsunfähigkeit liegt dann vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit nicht fähig ist, die bisher von ihm verrichtete Erwerbstätigkeit auszuüben. Dagegen ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit iS der BVG §§ 30, 31 nach der Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu bemessen. Das bedeutet, daß auch schon relativ unbedeutende Erkrankungen zur (vorübergehenden) Arbeitsunfähigkeit, nicht jedoch zur Erwerbsunfähigkeit führen können.

 

Normenkette

BVG § 30 Abs. 1 Fassung: 1971-12-16, § 31 Abs. 1 Fassung: 1972-07-24, § 62 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1966-12-28, § 31 Abs. 3 Fassung: 1960-06-27

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. Januar 1975 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger bezieht laut Bescheid des Versorgungsamtes (VersorgA) L vom 8. November 1962 eine Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v. H., hauptsächlich wegen des Verlustes sämtlicher Zehen beiderseits nach Erfrierung mit umschriebener Verhornung der Stumpfnarben. Seinen im Februar 1972 gestellten Antrag auf Höherbewertung der MdE wegen Leidensverschlimmerung lehnte das VersorgA durch Bescheid vom 6. Juli 1972 ab. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts - LVersorgA - B vom 6. Oktober 1972). Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Landshut durch Urteil vom 19. September 1973 den Beklagten verurteilt, dem Kläger vom 1. Februar 1972 bis 31. Oktober 1972 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren; es hat die Berufung zugelassen.

Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 31. Januar 1975 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen und dazu ausgeführt, die zulässige Berufung sei nicht begründet. Erwerbsunfähigkeit i. S. des § 31 Bundesversorgungsgesetz (BVG) liege schon dann vor, wenn aufgrund der anerkannten Schädigungsfolgen für mindestens einen Monat Arbeitsunfähigkeit bestehe. Sei der Beschädigte arbeitsunfähig geworden und damit außerstande, seine Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt wirtschaftlich zu verwerten, so stehe ihm für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit die Rente eines Erwerbsunfähigen zu. Diese Auslegung könne zwar zu unbefriedigenden Ergebnissen führen, wenn ein bisher nicht oder nur mit niedriger Grundrente versorgter Beschädigter wegen der Schädigungsfolgen einige Wochen lang arbeitsunfähig werde und in dieser Zeit aus nicht schädigungsbedingten Gründen versterbe; dies dürfe aber kein Anlaß für eine andere Entscheidung sein. Der Kläger sei überdies mehr als ein halbes Jahr wegen seiner Schädigungsfolgen arbeitsunfähig gewesen. Der gegenteiligen Auffassung des Beklagten, daß der versorgungsrechtliche Begriff der Erwerbsunfähigkeit nicht schlechterdings mit dem krankenversicherungsrechtlichen Begriff der Arbeitsunfähigkeit identisch sei, könne nicht gefolgt werden. Die Grundrente solle nach § 1 Abs. 1 BVG auch die wirtschaftlichen Folgen der Schädigung ausgleichen. Da der Kläger während seiner Arbeitsunfähigkeit seine Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt wirtschaftlich nicht habe verwerten können, sei der dadurch entstehende Einkommensverlust eine Folge seiner Schädigung, so daß ihm während dieses Zeitraumes wirtschaftliche Nachteile wie einem Erwerbsunfähigen entstanden seien. Deshalb sei die Zubilligung einer MdE um 100 v. H. für diesen Zeitraum richtig gewesen.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und beantragt,

die Urteile des Bayerischen LSG vom 31. Januar 1975 und des SG Landshut vom 19. September 1973 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 6. Juli 1972 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 1972 als unbegründet abzuweisen;

hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Zur Begründung führt er aus, das LSG habe § 30 Abs. 1 BVG verletzt, soweit es Erwerbsunfähigkeit i. S. des § 31 Abs. 3 BVG mit der krankenversicherungsrechtlichen Arbeitsunfähigkeit gleichsetze. Der Begriff "allgemeines Erwerbsleben" in § 30 Abs. 1 BVG stelle einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, welcher der Auslegung bedürfe. Die MdE-Bewertung müsse grundsätzlich nach einheitlichen, von der Besonderheit des Einzelfalles losgelösten Maßstäben und unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung im Erwerbsleben festgestellt werden. Dies gelte auch für den Begriff der Erwerbsunfähigkeit, die gesetzlich dahin definiert sei, daß sie bei einer MdE um mehr als 90 v. H. vorliege. Erwerbsunfähigkeit sei nicht bereits dann gegeben, wenn der Beschädigte seinen Einzelberuf aus schädigungsbedingten Gründen nicht ausüben könne, sondern nur dann, wenn er nach Eigenart und Ausmaß der Schädigungsfolgen und der durch sie bewirkten, nicht nur vorübergehenden Funktionsausfälle am Maßstab des allgemeinen Arbeitsmarktes am oberen Ende der auf 100 v. H. begrenzten MdE-Skala einzustufen sei. Nur wenn die MdE vom Ausmaß des Körperschadens her definiert werde, nicht von dessen Folgen wie etwa Krankenhausaufenthalt, Hilflosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit, könne erklärt werden, warum das noch nicht erwerbsfähige Kind und der aus dem Erwerbsleben bereits ausgeschiedene Rentner eine Erwerbsunfähigkeitsrente erhalten könnten.

Die Beigeladene macht in ihrem Schriftsatz vom 24. Juni 1975 ergänzende Ausführungen: Dem Zeitfaktor komme hier keine entscheidende Bedeutung zu, weil der Kläger zum einen unstreitig mehr als 6 Monate arbeitsunfähig gewesen sei und zum anderen § 30 Abs. 1 BVG aufgrund des 3. Anpassungsgesetzes (AnpG) mit Wirkung vom 1. Januar 1972 neugefaßt worden sei, so daß die auf die alte Fassung des § 30 Abs. 1 BVG gestützte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) insoweit überholt sei. Dem Urteil des BSG vom 10. Februar 1972, das die hier einschlägige Rechtsfrage zum ersten Mal entschieden habe, könne nicht gefolgt werden. Die MdE sei seit jeher Maßstab sowohl für die MdE im allgemeinen Erwerbsleben als auch für die körperliche Versehrtheit gewesen. Die MdE setze als Grundlage für die darauf ausgerichtete Berentung einen Dauerzustand von wenigstens 6 Monaten voraus, während mit dem Begriff der Arbeitsunfähigkeit gerade auch kurzfristige Zustände erfaßt würden. Zur Abgeltung dieser Folgezustände stelle das BVG nicht die am Grade der MdE orientierte Rente, sondern andere Leistungen zur Verfügung. Dazu gehöre auch der bei Arbeitsunfähigkeit zu gewährende Einkommensausgleich - heute Übergangsgeld.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist insbesondere auf die Urteile des 9. Senats des BSG vom 6. Januar 1969 - 9 RV 700/68 - und des 8. Senats vom 10. Februar 1972 (SozR BVG § 30 Nr. 54).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig, weil sie vom LSG zugelassen (§ 160 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - nF) und vom Beklagten form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 164, 166 SGG). Sie ist auch im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Entgegen der Auffassung des LSG kann Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung nicht ohne weiteres mit Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Versorgungsrechts gleichgesetzt werden. Die bisherigen Feststellungen des LSG reichen daher für die Entscheidung nicht aus, ob dem Kläger die Rente eines Erwerbsunfähigen zusteht.

Das LSG hat zutreffend die Berufung als zulässig angesehen. Zwar ist hier die Berufung nach § 148 Nr. 2 SGG ausgeschlossen gewesen; sie ist jedoch vom SG ausdrücklich gemäß § 150 Nr. 1 SGG zugelassen worden.

Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der Anspruch auf Versorgung neu festzustellen, wenn in den Verhältnissen, die für seine Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eintritt. Das LSG ist der Auffassung, eine solche wesentliche Änderung liege bereits dann vor, wenn sich die Gesundheitsverhältnisse des Beschädigten für wenigstens einen Monat um mindestens 10 v. H. geändert haben (vgl. BSGE 23, 192; 27, 126; KOV 1972, 92). Das LSG scheint dabei übersehen zu haben, daß die Rechtslage durch das 3. AnpG - KOV, das am 1. Januar 1972 in Kraft getreten und daher auf den vorliegenden Rechtsfall anzuwenden ist, entscheidend geändert worden ist. Nach § 30 Abs. 1 Satz 3 und 4 BVG nF sind bei der Bemessung der MdE vorübergehende Gesundheitsstörungen nicht zu berücksichtigen, wobei als vorübergehend ein Zeitraum bis zu 6 Monaten gilt.

Die Neufassung des § 30 Abs. 1 ist auch im Rahmen des § 62 Abs. 1 BVG zu beachten. Diese Vorschrift trifft zwar selbst keine Regelung darüber, was unter einer "wesentlichen Änderung" zu verstehen ist. Da § 62 Abs. 1 Satz 1 BVG jedoch auf alle nach dem BVG möglichen Leistungen anzuwenden ist, muß er stets im Zusammenhang mit den Vorschriften über die Leistung gelesen werden, um deren Neufeststellung es jeweils geht. Dazu kommt, daß mit der Neufassung des § 30 Abs. 1 BVG eine einheitliche Behandlung aller Beschädigten erreicht werden sollte (vgl. Bundestags-Drucks. VI/2649 S. 9 zu Nr. 13). Diese einheitliche Behandlung kann nur verwirklicht werden, wenn die Neufassung des § 30 Abs. 1 BVG nicht nur bei Erstfeststellungen, sondern auch bei Neufeststellungen nach § 62 Abs. 1 Satz 1 BVG beachtet wird.

Die nach § 30 Abs. 1 BVG nF erforderliche Mindestzeit ist beim Kläger erfüllt, weil er (mindestens) von Februar bis Oktober 1972, also mehr als 6 Monate, arbeitsunfähig gewesen ist. Es ist zudem erforderlich, daß sich die MdE um mindestens 10 v. H. geändert hat (vgl. Verwaltungsvorschrift - VV - Nr. 3 zu § 62 BVG i. d. F. vom 26. Juni 1969). Das LSG hat dazu angenommen, daß dem Kläger die Rente eines Erwerbsunfähigen (§ 31 Abs. 1 und 3 BVG) schon deshalb zusteht, weil er in der Zeit von Februar bis Oktober 1972 arbeitsunfähig gewesen ist. Das LSG hat sich dabei auf das Urteil des 8. Senats des BSG vom 10. Februar 1972 (SozR BVG § 30 Nr. 54) stützen können. Dieser Rechtsprechung ist jedoch bereits der 9. Senat des BSG in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 4. Februar 1976 - 9 RV 136/75 - entgegengetreten; auch der erkennende Senat kann sich ihr nicht anschließen. Der Anrufung des Großen Senats des BSG bedarf es nicht, weil der 8. Senat inzwischen nicht mehr für Fragen der Kriegsopferversorgung zuständig ist (vgl. Peters/Sautter/Wolff, § 42 S. 94/36; s. auch BGHZ 28, 16).

Nach § 31 Abs. 3 BVG gilt als erwerbsunfähig, wer in seiner Erwerbsfähigkeit um mehr als 90 v. H. beeinträchtigt ist. Maßgebend für die Beurteilung der MdE ist in erster Linie § 30 Abs. 1 BVG. Danach ist die MdE nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung "im allgemeinen Erwerbsleben" zu beurteilen; seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen sind zu berücksichtigen. Für die Beurteilung ist maßgebend, um wieviel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt sind (vgl. BSGE 33, 151; 30, 21). Der Verlust an Fähigkeit, sich im Wirtschaftsleben einen Erwerb zu verschaffen, wird regelmäßig in summarisch-pauschalierender Betrachtung und nach Durchschnittswerten festgesetzt (vgl. Urteil BSG 4.2.1976 aaO), wobei vorübergehende Besserungen und Verschlechterungen mitumfaßt sind.

Demgegenüber liegt Arbeitsunfähigkeit i. S. der Krankenversicherung vor, wenn der Berechtigte infolge von Krankheit verhindert ist, seine bisher ausgeübte Erwerbstätigkeit zu verrichten, oder wenn er dies nur auf die Gefahr hin tun kann, seinen Zustand zu verschlimmern (vgl. BSGE 5, 283, 288; 26, 288, 292). In der Krankenversicherung wird also darauf abgehoben, welche Tätigkeit der Versicherte zuletzt verrichtet hat und ob er diese oder eine ähnlich geartete Tätigkeit nach seinem augenblicklichen Gesundheitszustand noch ausüben kann. Das bedeutet, daß auch schon relativ unbedeutende Erkrankungen zur (vorübergehenden) Arbeitsunfähigkeit, nicht jedoch zur Erwerbsunfähigkeit führen können.

Die Beigeladene weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, daß auch dem Versorgungsrecht der Begriff der "Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung" nicht fremd ist und daß alsdann andere Leistungen zur Verfügung stehen (vgl. z. B. § 17 BVG aF: Einkommensausgleich; §§ 16 ff BVG nF: Übergangsgeld). Die Gewährung dieser besonderen Leistungen im Falle der Arbeitsunfähigkeit und die abweichende Begriffsbestimmung in § 30 Abs. 1 BVG lassen erkennen, daß auch nach der Auffassung und Zielsetzung des Gesetzgebers die Arbeitsunfähigkeit nicht "automatisch" zur Erwerbsunfähigkeit bei der Bewertung der Beschädigtenrente (§§ 30, 31 BVG) führt.

Das LSG verkennt insoweit, daß nicht jeder schädigungsbedingte Einkommensnachteil zu einer Erhöhung der MdE führen muß. Umgekehrt gehört es aber auch zu den Grundzügen des Versorgungsrechts, daß eine (Grund-)Rente auch dann zu gewähren ist, wenn nach den Besonderheiten des Einzelfalls eine schädigungsbedingte Einkommensminderung gar nicht vorliegt. Denn der Gesetzgeber hat in § 30 Abs. 1 BVG die "Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben" als maßgebend angesehen. Demgegenüber hat das LSG die konkrete MdE-Bewertung ausschließlich auf die Arbeitsunfähigkeit und damit auf das spezielle Erwerbsleben des Beschädigten abgestellt. Die Auffassung des LSG führt zwangsläufig dazu, daß die in den einzelnen Berufen an die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit des Beschädigten gestellten Anforderungen im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG berücksichtigt werden müßten. Damit wird aber die allgemeine (pauschalierende) Basis verlassen, die zur gleichmäßigen Behandlung aller Beschädigten führen soll, bevor im Einzelfall nach § 30 Abs. 2 BVG ein besonderes berufliches Betroffensein berücksichtigt werden kann. Die vom LSG vertretene Auffassung birgt außerdem die Gefahr in sich, daß relativ leichte, aber zur Arbeitsunfähigkeit führende Körperschäden oder Krankheiten eine übermäßig hohe MdE hervorrufen. Denn es kommt für den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht darauf an, welcher Schweregrad der jeweiligen körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung beizumessen ist und ob dem Betreffenden eine Erwerbstätigkeit generell zugemutet werden kann.

Der Senat ist daher - abweichend von der oben zitierten Entscheidung des 8. Senats, auf die sich das LSG gestützt hat, - der Auffassung, daß Arbeitsunfähigkeit nicht stets und in jedem Falle zur Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 31 BVG führt. Allerdings können, wie bereits der 9. Senat in seinem Urteil vom 4. Februar 1976 - 9 RV 136/75 - ausgeführt hat, die Elemente, die für die Arbeitsunfähigkeit entscheidend sind, auch für die Bewertung der MdE bedeutsam sein. Für das KOV-Recht ist daher eine differenzierte Betrachtungsweise am Platz, welche die jeweiligen Auswirkungen des die Arbeitsunfähigkeit verursachenden Leidens auf den Status des Beschädigten in gesundheitlicher, beruflicher und wirtschaftlicher Hinsicht untersucht. Eine ausgewogene Entscheidung ist nur möglich, wenn alle Folgen und Auswirkungen der Leidensverschlimmerung, insbesondere der - medizinisch zu klärende - Schweregrad, bekannt ist. Hierzu fehlen ausreichende Feststellungen des LSG das nach seiner Rechtsauffassung von der - unstreitig vorliegenden - Arbeitsunfähigkeit ausgehen konnte. Das LSG wird vor seiner erneuten Entscheidung u. a. zu prüfen haben, wie lange der Zustand der Arbeitsunfähigkeit - die offenbar schon vor Februar 1972 eingetreten war - insgesamt gedauert hat, ob der Kläger in der Zeit, für die er den Anspruch geltend macht, stationär im Krankenhaus behandelt worden ist oder ob er zu Hause für kürzere oder längere Zeit bettlägerig war, welche medizinischen Maßnahmen in dieser Zeit durchgeführt worden sind und ob der Kläger unter besonderen Schmerzen zu leiden hatte. Auch die wirtschaftlichen Folgen bedürfen der Prüfung. Alsdann kann sich eine MdE-Bewertung ergeben, die weder dem Standpunkt des Klägers noch dem Standpunkt des Beklagten und der Beigeladenen voll entspricht.

Dem Senat ist es verwehrt, die erforderlichen Feststellungen selbst zu treffen. Das Urteil des LSG muß daher - auch ohne besondere Rüge i. S. des § 163 SGG (vgl. SozR SGG § 163 Nr. 6) - aufgehoben und die Sache an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647248

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