Leitsatz (amtlich)
1. Rentenbescheide der Rentenversicherung können zu Ungunsten des Rentenempfängers auch dann und insoweit zurückgenommen werden, als Lücken im Gesetz durch Rechtsgrundsätze ausgefüllt werden können, die für vergleichbare Tatbestände in ausdrücklichen gesetzlichen Vorschriften ihren Niederschlag gefunden haben (Fortführung BSG 1961-09-08 1 RA 104/59 = BSGE 15, 96; Fortführung BSG 1962-11-23 1 RA 170/61 = SozR Nr 36 zu § 77 SGG).
2. NVG § 4 Abs 7 enthält insofern eine Lücke, als darin nicht ausdrücklich bestimmt ist, daß und wie eine Doppelversorgung dann zu vermeiden ist, wenn die Ersatzzeit erst in einem auf den Rentenbescheid des Versicherungsträgers folgenden Zeitpunkt nach dem Bundesgesetz für die Wiedergutmachung im öffentlichen Dienst (BWöDG) als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt wird. Auch in diesem Fall hat die Wiedergutmachung nach Beamtenrecht den Vorrang; die Rente ist neu festzustellen unter Wegfall der auf die als ruhegehaltsfähige Dienstzeit angerechneten Ersatzzeit entfallenden Rentensteigerung (siehe auch G131 § 72a idF des Gesetzes vom 1957-09-11; BGBl 1, 1275).
Normenkette
SGG § 77 Fassung: 1953-09-03; G131 § 72a Fassung: 1957-09-11; NVG § 4 Abs. 7 Fassung: 1949-08-22; BWöDG Fassung: 1955-12-23
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 22. Januar 1960 wird aufgehoben, soweit es die Beklagte verpflichtet, über den 31. Januar 1957 hinaus bei der Berechnung der Rente auch die Zeit vom 1. Januar 1934 bis 28. Dezember 1937 als Ersatzzeit zu berücksichtigen; insoweit wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 8. November 1957 zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel der Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Beklagte ihren nicht angefochtenen Bescheid vom 1. Oktober 1956 nachträglich auf Grund des Wiedergutmachungs-Ergänzungsbescheides des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 30. November 1956 zum Nachteil des Klägers dahin ändern durfte, daß für die Zeit vom 1. Januar 1934 bis zum 28. Dezember 1937 Steigerungsbeträge nicht mehr gewährt wurden.
Der Kläger, der seit 1. Oktober 1928 in der Arbeitsverwaltung beschäftigt war, wurde auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (vom 7. April 1933) zum 31. Dezember 1933 ohne Versorgung aus seiner Stellung entlassen. Vom 1. Januar 1934 bis zum 28. Dezember 1937 war er arbeitslos, anschließend in der freien Wirtschaft tätig. 1946 wieder in die Arbeitsverwaltung übernommen, schied er aus deren Dienst mit dem 31. Oktober 1954 wegen Vollendung des 65. Lebensjahres aus.
Der Kläger bezieht seit dem 1. November 1954 von der Beklagten Altersruhegeld. Nach dem Gesetz über die Behandlung der Verfolgten des Nationalsozialismus in der Sozialversicherung (Verfolgtengesetz) vom 22. August 1949 wurden ihm die Zeit vom 1. Januar 1934 bis 31. Januar 1945 als Ersatzzeit angerechnet (§ 3 Verfolgtengesetz) und nach § 4 dieses Gesetzes für diese Ersatzzeiten Steigerungsbeträge nach der Klasse J gewährt (Bescheide vom 12. August 1955, 12. September 1956 und 1. Oktober 1956). Dem ging voraus, daß der Kläger durch Bescheid des Präsidenten des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Oldenburg - Entschädigungsbehörde - vom 6. März 1956 als Verfolgter im Sinne des § 1 des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BEG) vom 18. September 1953 anerkannt worden war.
Vorausgegangen war ferner ein Wiedergutmachungsbescheid des BMA (vom 11. Mai 1955), durch den dem Kläger auf Grund des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes (BWGöD) vom 11. Mai 1951 ein Ruhegehalt nach § 10 Abs. 1 Satz 2 dieses Gesetzes bewilligt wurde. Nach diesem Bescheid wird der Kläger so angesehen, als wäre er am 31. Dezember 1933 nicht entlassen worden, sondern im Dienst geblieben, am 1. April 1939 als Regierungsrat angestellt worden und aus diesem Amt am 1. April 1951 in den Ruhestand getreten. Für die Zeit vom 1. April 1950 bis 31. März 1951 wurde ihm außerdem eine Entschädigung in Höhe des einjährigen Bezugs seines Ruhegehalts gewährt. Am 30. November 1956 erließ der BMA einen Ergänzungsbescheid mit Rücksicht darauf, daß der Kläger die Zeit vom 1. Januar 1934 bis zum 28. Dezember 1937 aus Verfolgungsgründen in schwerer wirtschaftlicher Notlage verbracht hat; es wurde angeordnet, daß diese Zeit erhöht als ruhegehaltsfähige Dienstzeit anzurechnen sei (§ 9 Abs. 2 Satz 5 BWGöD). Dementsprechend wurde bei der Festsetzung des Ruhegehalts diese Zeit aus der der Kürzung unterliegenden Vordienstzeit herausgenommen und in vollem Umfange berücksichtigt.
Nachdem der BMA die Beklagte über seinen Ergänzungsbescheid vom 30. November 1956 unter Hinweis auf die Vorschrift des § 4 Abs. 7 Verfolgtengesetz unterrichtet hatte, berechnete diese mit Bescheid vom 27. Dezember 1956 die Rente des Klägers neu. Mit diesem Bescheid entzog die Beklagte die wegen der politischen Verfolgung gewährten Steigerungsbeträge sowohl für die beitragslosen Zeiten als auch die Erhöhung der Steigerungsbeträge für die Zeiten der geringerwertigen Beschäftigung; ihren früheren Bescheid vom 1. Oktober 1956 hob sie auf. Sie begründete dies unter Hinweis auf die Vorschrift des § 4 Abs. 7 Verfolgtengesetz. Hiernach sei es unzulässig, Steigerungsbeträge zu gewähren, wenn - wie im Falle des Klägers - die in § 3 Abs. 1 Verfolgtengesetz bezeichneten Ersatzzeiten bereits bei der Bemessung beamtenrechtlicher Versorgungsgebührnisse angemessen berücksichtigt seien. Bei der Oberfinanzdirektion (OFD) Hannover meldete sie im Hinblick auf eine dem Kläger zustehende Ruhegehaltsnachzahlung wegen der Rentenüberzahlung einen Ersatzanspruch an, woraufhin ihr 1552,01 DM überwiesen wurden.
Der Kläger wandte sich gegen die Neuberechnung seiner Rente und verlangte, daß sie auch weiterhin unter Zugrundelegung der im Bescheid vom 1. Oktober 1956 angerechneten Beiträge und Entgelte gewährt wird; ferner begehrte er die Auszahlung des von der OFD Hannover an die Beklagte überwiesenen Geldbetrages. Das Sozialgericht (SG) wies seine Klage ab. Das Landessozialgericht (LSG) hob dieses Urteil auf und verurteilte die Beklagte antragsgemäß: Die Beklagte sei wegen der Bindungswirkung ihres Bescheides vom 1. Oktober 1956 nicht befugt gewesen, die Rente herabzusetzen. Der eine Leistung bewilligende Bescheid könne vom Versicherungsträger zuungunsten des Leistungsempfängers nur unter den Voraussetzungen der §§ 63 Abs. 1, 64 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG), 1744 Reichsversicherungsordnung (RVO) geändert werden. Die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts, nach denen die Rücknahme eines rechtswidrigen Bescheides zulässig ist, wenn das öffentliche Interesse an der gleichmäßigen Gewährleistung eines dem Gesetz entsprechenden Zustandes das Interesse des Begünstigten an dem Schutz seines Vertrauens auf den Bestand behördlicher Verfügungen überwiegt, könnten auf den Leistungsbescheid der gesetzlichen Rentenversicherung nicht angewendet werden. Die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 22. Januar 1960).
Die Beklagte legte Revision ein, die sie im Laufe des Revisionsverfahrens teilweise zurücknahm; sie begehrt nunmehr, das Urteil des Berufungsgerichts nur insoweit aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen, als sie (die Beklagte) zur rentensteigernden Berücksichtigung auch der Zeiten vom 1. Januar 1934 bis 28. Dezember 1937 für Rentenbezugszeiten vom 1. Februar 1957 an verurteilt worden ist. Verletzt sind nach ihrer Ansicht: § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes, Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) und die allgemeinen, auch in der sozialen Rentenversicherung geltenden Grundsätze des Verwaltungsrechts sowie § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Der Kläger beantragte, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Revision ist zulässig und begründet.
Nach der zulässigen Teilrücknahme der Revision (§§ 165, 156 SGG) geht der Rechtsstreit nur noch um die Frage, ob die Beklagte ihren bindend gewordenen Bescheid vom 1. Oktober 1956 nachträglich teilweise zurücknehmen durfte.
Das LSG hat festgestellt, daß die Zeit vom 1. Januar 1934 bis zum 28. Dezember 1937 bei der als Wiedergutmachung gewährten beamtenrechtlichen Versorgung voll als ruhegehaltsfähige Dienstzeit angerechnet worden ist, und zwar rückwirkend vom Beginn der Ruhegehaltszahlung an, und es hat daraus mit Recht gefolgert, daß diese Zeiten von da an angemessen berücksichtigt worden sind im Sinne der Vorschriften des § 4 Abs. 7 des Verfolgtengesetzes vom 22. August 1949, und daß deswegen die Bescheide der Beklagten vom 12. September und 1. Oktober 1956 insoweit rechtswidrig sind. Das LSG hat allerdings nicht erwogen, daß diese Bescheide nach seinen eigenen Feststellungen erst nachträglich durch den Bescheid des BMA vom 30. November 1956 von Anfang an rechtswidrig geworden sind, und welche Folgen hieraus etwa zu ziehen sind. Das LSG ist vielmehr davon ausgegangen, daß nach § 77 SGG nur eine formelle gesetzliche Bestimmung den Versicherungsträger ermächtige, einen bindend gewordenen Bescheid zurückzunehmen, und daß im vorliegenden Falle nur die Bestimmung des § 1744 Abs. 1 Nr. 4, 6 RVO i. d. F. des SGG in Betracht zu ziehen sei. Diese Vorschriften sind denen über die Wiederaufnahme eines gerichtlichen Verfahrens verwandt und beziehen sich auf Umstände, die vor oder bei Erlaß des anzufechtenden Verwaltungsaktes schon vorlagen; gerade darum handelt es sich im vorliegenden Falle aber nicht, weil der Ergänzungsbescheid des BMA, um dessen Auswirkung es geht, erst nach dem zurückzunehmenden Bescheid der Beklagten erlassen worden und dadurch ein vorher noch nicht gegebener Sachverhalt eingetreten ist.
Der erkennende Senat ist im Gegensatz zum LSG der Auffassung, daß nicht nur die von diesem neben § 1744 RVO in Betracht gezogenen Vorschriften über die Entziehung und Umwandlung von Renten wegen Wegfalls der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder wegen unbegründeter Verweigerung einer Nachuntersuchung (§§ 63, 64 AVG; §§ 1286, 1287 RVO) Ausnahmen von der bindenden Kraft unanfechtbar gewordener Verwaltungsakte darstellen, sondern auch andere Vorschriften der Versicherungsgesetze und anderer Gesetze und zwischenstaatlicher Verträge. Hierzu gehören zB die Vorschriften über das Ruhen von Renten der Rentenversicherung bei Auslandsaufenthalt (§§ 1315 ff RVO; §§ 94 AVG i. d. F. des Gesetzes zur Neuregelung des Fremd- und Auslandsrentengesetzes vom 25. Februar 1960 - BGBl I 93 -) und beim Zusammentreffen mehrerer Renten der Rentenversicherung oder von Renten der Rentenversicherung mit Renten der Unfallversicherung (§§ 1278 ff RVO; §§ 55 ff AVG). Der Senat kann aber auch der grundsätzlichen Auffassung des LSG nicht zustimmen; er hält vielmehr an seiner in den Urteilen vom 8. September 1961 - 1 RA 104/59 = BSG 15, 96; SozR SGG § 77 Da 14 Nr. 28 - und vom 23. November 1962 - 1 RA 170/61 = SozR SGG § 77 Da 20 Nr. 36 - vertretenen Auffassung fest, daß nur unvollständig durch ausdrückliche gesetzliche Vorschriften bestimmt ist, unter welchen Voraussetzungen, in welchem Umfang und auf welche Weise begünstigende Verwaltungsakte trotz der Vorschrift des § 77 SGG berichtigt oder zurückgenommen werden können. Der Senat hält es vor allem für zulässig und geboten, bindend gewordene begünstigende Verwaltungsakte dann zurückzunehmen, wenn eine Lücke im Gesetz vorliegt, die durch allgemeine Rechtsgrundsätze ausgefüllt werden kann, die für vergleichbare Tatbestände in ausdrücklichen gesetzlichen Vorschriften ihren Niederschlag gefunden haben. Eine solche Lücke hat er in jenen Entscheidungen in den Vorschriften der RVO über das Verwaltungsverfahren erblickt, soweit es sich um die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten handelt, und er hat diese Lücke ausgefüllt durch die Grundsätze, die in den Gesetzen über andere Verfahren der Leistungsverwaltung (zB § 25 VerwVG) und über das verwaltungsgerichtliche Verfahren (§ 138 SGG, § 118 VwGO) ihren Ausdruck gefunden haben (zustimmend das Urteil des 12. Senats vom 20. Dezember 1963 - 12 RJ 534/61 -).
Im vorliegenden Falle handelt es sich um das Zusammentreffen von Leistungen der Rentenversicherung und der Beamtenversorgung, und zwar ihrer besonderen Erhöhungen durch eine Entschädigung für die Zeit, in der der Kläger wegen politischer Verfolgung aus dem öffentlichen Dienst entlassen und arbeitslos gewesen ist. Es handelt sich also um eine doppelte Versorgung und doppelte Entschädigung auf Grund desselben Beschäftigungsverhältnisses und derselben Schädigung in demselben Zeitraum. Gerade die Vorschriften über das Zusammentreffen solcher öffentlich-rechtlichen Versorgungs- und Entschädigungsleistungen weisen Lücken auf, aber auch gleiche allgemeine Grundsätze, wenn auch mit verschiedenen technischen Lösungen. So ruhten nach der von 1934 bis 1939 geltenden Fassung der §§ 1274, 1275 RVO die Renten der Rentenversicherung neben Versorgungsbezügen auf Grund einer versicherungsfreien Beschäftigung im öffentlichen Dienst, d. h. neben der höherwertigen Beamtenversorgung. Auch das Bundesbeamtengesetz (BBG) vom 14. Juli 1953 (BGBl I 551) enthielt im § 115 Abs. 2 wegen der nun großzügigeren Anrechnung versicherungspflichtiger Vordienstzeit auf die ruhegehaltsfähige Dienstzeit eine Vorschrift über das Zusammentreffen von Beamtenversorgung und Versicherungsleistung: Wurden versicherungspflichtige Beschäftigungszeiten bei der Festsetzung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit berücksichtigt, so waren die auf jene entfallenden Steigerungsbeträge auf die Versorgungsbezüge anzurechnen. Durch die Fassung des BBG vom 18. September 1957 (BGBl I 1337) ist diese Vorschrift der Rentenreform angepaßt worden. Nach der alten und der neuen Fassung sind diese Vorschriften aber nicht auf Versorgungsfälle anzuwenden, die zwischen dem 1. Juli 1937 und dem Inkrafttreten des BBG eingetreten sind (§ 180 Abs. 2 BBG). Sie gelten daher auch nicht für den Kläger, dessen Versorgungsfall als im Jahre 1951 eingetreten gilt.
Nun stellt aber der schon angeführte § 4 Abs. 7 des Verfolgtengesetzes eine Vorschrift dar, durch die eine Doppelversorgung ausgeschlossen werden soll, und zwar in der Weise, daß für eine bei der beamtenrechtlichen Versorgung angemessen berücksichtigte Zeit politischer Verfolgung (versicherungsrechtliche Ersatzzeit) keine Steigerungsbeträge gewährt werden. Diese Vorschrift ist ihrem Wortlaut nach auf die Fälle beschränkt, in denen die beamtenrechtliche Wiedergutmachung ergangen ist, ehe der Versicherungsträger über die versicherungsrechtliche Wiedergutmachung entscheidet. Sie gilt ihrem Wortlaut nach nicht für Fälle wie den des Klägers, in dem die beamtenrechtliche Wiedergutmachung für den strittigen Zeitraum erst ergangen ist, nachdem der Wiedergutmachungsbescheid des Versicherungsträgers dem Kläger zugegangen, für den Versicherungsträger also schon bindend geworden war. Aus dem Sinn und dem Zweck des Gesetzes läßt sich aber nichts entnehmen, was dafür spräche, daß diese Unterscheidung gewollt sei. Es widerspricht vielmehr jeder verständigen Erwägung, es nur von der zeitlichen Reihenfolge der beamtenrechtlichen und der versicherungsrechtlichen Entscheidung abhängig zu machen, ob derselbe Schaden - Ausfall eines bestimmten Zeitraums für die Alters- und Hinterbliebenenversorgung - einfach oder doppelt wiedergutgemacht wird. Hier liegt eine Lücke im Gesetz vor, die der Gesetzgeber, wenn er sie bedacht hätte, nach der Überzeugung des Senats in der Weise gelöst hätte, daß auch bei nachfolgender beamtenrechtlicher Wiedergutmachung für denselben Zeitraum keine Steigerungsbeträge der Rentenversicherung als Wiedergutmachung zu gewähren sind, und zwar unabhängig von der Bindung des Rentenbescheides. Auch in diesem Falle wäre eine zweifache Versorgung oder Entschädigung ausgeschlossen worden, und zwar zugunsten der höherwertigen beamtenrechtlichen Versorgung.
In dieser seiner Auffassung sieht sich der Senat bestärkt durch die Regelung, die das Gesetz zu Art. 131 GG enthält und mit der verwandte Probleme dort in ähnlicher Weise gelöst worden sind. Nach § 72 dieses Gesetzes gelten Personen, die unter Art. 131 GG fallen, aber nach dem Gesetz zu Art. 131 GG keinen Anspruch oder keine Anwartschaft auf beamtenrechtliche Versorgung haben, für die Zeiten als nachversichert, in denen sie vor dem 8. Mai 1945 wegen ihrer Beschäftigung im öffentlichen Dienst versicherungsfrei waren. Auch hier kann es geschehen, daß auf Grund dieser Nachversicherung Renten bewilligt worden sind und sich erst nachträglich herausstellt, daß die fingierte Nachversicherung auf einem Irrtum beruht oder daß nachträglich doch eine beamtenrechtliche Versorgung gewährt wird. In diesen Fällen greift nun nicht etwa die Vorschrift des § 115 Abs. 2 BBG ein, sondern die besonderen Vorschriften des § 72 a Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes zu Art. 131 i. d. F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zu Art. 131 GG vom 11. September 1957 (BGBl I 1275). Danach entfallen die an die angenommene Nachversicherung geknüpften Rechtsfolgen, und die Rente ist einzustellen oder neu zu berechnen. Nur die schon gezahlten Renten werden auf die Versorgungsbezüge angerechnet (vgl. dazu Anders, Gesetz zu Art. 131 GG, 4. Aufl., Anm. 1, 2 zu § 72 a und Fußnote 1) zu Anm. 1).
Auch hieraus ergibt sich, daß in jedem Falle die günstigere Beamtenversorgung den Vorrang hat, aber auch, daß der Rentenbescheid zurückzunehmen ist, wenn nachträglich eine beamtenrechtliche Versorgung bewilligt wird oder zu bewilligen ist. Die Neufeststellung (Einstellung) der Rente ist zwar nur für die Zukunft vorzunehmen, und die bis zur Neufeststellung gezahlten Renten oder Rententeile sind auf die Versorgungsbezüge anzurechnen.
Der Senat konnte und mußte offenlassen, ob auch ein Wiedergutmachungsbescheid des Versicherungsträgers nur für die Zukunft zurückgenommen werden kann und die vorher - zu Unrecht - gewährten Leistungen auf die Versorgungsbezüge anzurechnen sind, weil der Versicherungsträger im vorliegenden Falle den Rücknahmebescheid vom 27. Dezember 1956 nur soweit aufrechterhält, als er sich auf Leistungen für die Zeit nach dem 31. Januar 1957 bezieht.
Der Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 1956 ist daher rechtmäßig, soweit sie im Revisionsverfahren noch daran festgehalten hat. Der Umstand, daß dieser Bescheid insoweit rechtswidrig war, als sie die Revision zurückgenommen hat, wirkt sich auf die Gültigkeit dieses Bescheides im übrigen deshalb nicht aus, weil ihn die Beklagte mutmaßlich auch ohne den fehlerhaften Teil erlassen haben würde (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 7. Aufl. S. 230).
Das Urteil des LSG war deshalb, soweit es nicht mit der Teilrücknahme der Revision rechtskräftig geworden ist, aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Oldenburg insoweit zurückzuweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen