Leitsatz (amtlich)
1. Die Bildungsmaßnahme ist iS des AFG § 44 Abs 2 (Fassung: 1975-12-18) für die berufliche Eingliederung des Arbeitslosen dann nicht notwendig, wenn ihm auch ohne die Maßnahme in absehbarer Zeit ein Arbeitsplatz, jedenfalls der Arbeitsplatz eines Facharbeiters, Gesellen oder Gehilfen oder eines Arbeitnehmers mit vergleichbarer Qualifikation, vermittelt werden könnte.
2. Die Bildungsmaßnahme ist iS des AFG § 44 Abs 2 Nr 3 für den Erwerb einer beruflichen Qualifikation nicht notwendig, wenn der Antragsteller den fehlenden beruflichen Abschluß auch ohne förderungsfähige Bildungsmaßnahme erreichen könnte.
Leitsatz (redaktionell)
Zum Begriff "berufliche Eingliederung" als Voraussetzung der Bewilligung höheren Unterhaltsgeldes - Vorrang der Vermittlung ist bei der Entscheidung über die Bewilligung zu beachten - zur Notwendigkeit des Erwerbs einer beruflichen Qualifikation.
Normenkette
AFG § 44 Abs. 2 Nr. 3 Fassung: 1975-12-18; AFuU § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Fassung: 1976-02-23, S. 2 Fassung: 1976-03-23; AFG § 44 Abs. 2 Nr. 1 Fassung: 1975-12-18
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 7. Februar 1978 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger beendete eine Lehre als Elektroinstallateur, die vom 1. April 1964 bis zum 30. September 1967 dauerte, ohne Abschluß. Danach war er mit Unterbrechungen bis zum 1. März 1976 bei verschiedenen Arbeitgebern als Elektroinstallateur tätig. Er war vom 2. März 1976 bis zum 30. April 1976 arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld (Alg). Vom 3. Mai 1976 bis zum 29. April 1977 nahm der Kläger an einer Bildungsmaßnahme zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung an der Bundesfachlehranstalt für das Elektrohandwerk in O. teil. Die Handwerkskammer O. hatte ihn am 14. Oktober 1975 zur Meisterprüfung zugelassen. Mit Bescheid vom 2. Juli 1976 - geändert durch Bescheid vom 30. August 1976 - bewilligte das Arbeitsamt O. dem Kläger Unterhaltsgeld (Uhg) in Höhe von 58 vH des um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelts (138,60 DM wöchentlich) gem § 44 Abs 2 a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) idF des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des AFG und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113). Mit dem Begehren auf Bewilligung eines höheren Uhg hatte der Kläger keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 1976).
Das Sozialgericht (SG) hat am 9. Februar 1977 unter Zulassung der Berufung die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Uhg gem § 44 Abs 2 AFG anstelle von Uhg gem § 44 Abs 2 a AFG in gesetzlicher Höhe und Dauer zu zahlen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) am 7. Februar 1978 das Urteil des SG aufgehoben. Das LSG hat ausgeführt, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für die Gewährung des höheren Uhg nach § 44 Abs 2 AFG, insbesondere nicht die Voraussetzungen des § 44 Abs 2 Nr 3 AFG. Nach der Begründung zu dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber damit keine erhöhte Förderung für die Teilnahme an Maßnahmen beabsichtigt, wenn diese über die Facharbeiterebene hinausführen. Es wäre mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren, wenn die wegen ihrer beruflichen Erfahrung nach § 49 Abs 5 des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) vom 28. Dezember 1965 (BGBl I 1966 I 1) zur Meisterprüfung zugelassenen Personen stärker gefördert würden als die Teilnehmer an der Bildungsmaßnahme, die nach abgeschlossener Ausbildung zur Meisterprüfung zugelassen waren. Die Personen, die nach § 49 Abs 5 der Handwerksordnung zugelassen werden, hätten den Kenntnisstand, wie er normalerweise durch eine abgeschlossene Ausbildung erworben wird, und sie könnten deshalb ohne jede weitere Fortbildung die Abschlußprüfung in dem entsprechenden Ausbildungsberuf ablegen. Nach § 40 Abs 2 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) vom 14. August 1969 (BGBl I 1112) sei dieser Personenkreis ohne nachgewiesene Ausbildung zur Abschlußprüfung zugelassen. Dies gelte auch für den Kläger. In seinem Falle sei auch die erste Alternative des § 44 Abs 2 AFG nicht erfüllt, denn er hätte auch ohne die Gesellenprüfung in naher Zukunft auf dem Arbeitsmarkt vermittelt werden können.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, § 44 Abs 2 Nr 3 AFG strebe eine möglichst hohe berufliche Qualifikation an. Je höher der beabsichtigte Abschluß auf dem Arbeitsmarkt bewertet werde, desto eher werde das Ziel erreicht, die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Die nach § 49 Abs 5 der Handwerksordnung zur Meisterprüfung zugelassenen Personen hätten auf dem Arbeitsmarkt nicht gleiche Chancen wie die Personen, die eine Ausbildung abgeschlossen haben. Bei Bewerbungen hätten heute formale Befähigungsnachweise erheblich an Stellenwert gewonnen. Seine Zulassung zur Meisterprüfung beinhalte keinen Qualifikationsnachweis. Aus dem Gesetz ergebe sich kein Anhaltspunkt für die Meinung, daß Maßnahmen zum Erwerb einer Qualifikation oberhalb der Facharbeiterebene keinen Anspruch auf Förderung nach § 44 Abs 2 AFG begründen könnten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 7. Februar 1978 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 9. Februar 1977 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zu neuer Verhandlung und Entscheidung begründet.
Das höhere Uhg nach § 44 Abs 2 AFG ist zu gewähren, wenn die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme notwendig ist, damit ein Antragsteller, der 1.) arbeitslos ist, beruflich eingegliedert wird, 2.) von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedroht ist, nicht arbeitslos wird, 3.) keinen beruflichen Abschluß hat, eine berufliche Qualifikation erwerben kann.
Bis zum Inkrafttreten des HStruktG-AFG erhielten alle Teilnehmer an Fortbildungsmaßnahmen mit Vollzeitunterricht, die dem Grunde nach einen Anspruch auf Förderung nach §§ 41 ff AFG hatten, Uhg in Höhe von zuletzt 90 % des Arbeitsentgelts iS des § 44 Abs 2 AFG (§ 44 Abs 2 idF des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz vom 21. Dezember 1974 - BGBl I 3656). Das HStruktG-AFG hat den Prozentsatz allgemein auf 58 % herabgesetzt und in Abs 2 einen höheren Satz für Personen bestimmt, für deren Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Bildung ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht (BT-Drucks 7/4127 zu Art 20 Nr 6a = S. 50). Dem Gesetzgeber des HStruktG-AFG ging es bei dieser Regelung darum, die Defizite der öffentlichen Haushalte zu verringern (BT-Drucks 7/4127 S. 30 und zu Art 20 I 1 = S. 47). Bei der Auslegung des Gesetzes ist daher das Ziel der Einsparung von Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit (BA) zu berücksichtigen.
Im einzelnen hat das LSG zu § 44 Abs 2 Nr 1 AFG unangegriffen festgestellt, daß der Kläger in naher Zukunft auch ohne Gesellenprüfung in seinem Beruf als Elektroinstallateur habe vermittelt werden können. Das LSG hat deshalb mit Recht einen Anspruch auf höheres Uhg nach § 44 Abs 2 Nr 1 AFG abgelehnt.
Die Bestimmung setzt voraus, daß der Antragsteller arbeitslos und die Bildungsmaßnahme geeignet ist, seine berufliche Eingliederung zu fördern. Darüber hinaus verlangt § 44 Abs 2 Nr 1 AFG, daß die Maßnahme für das Erreichen dieses Zieles notwendig ist. Unter beruflicher Eingliederung ist hier nicht die Eingliederung in den mit der Bildungsmaßnahme erst angestrebten Beruf gemeint. Ohne ausdrücklichen Hinweis im Wortlaut des Gesetzes kann nicht angenommen werden, daß § 44 Abs 2 Nr 1 AFG zwischen Maßnahmen mit dem Ziel, berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten festzustellen usw (§ 41 AFG) und Maßnahmen, die dafür notwendig sind, unterscheiden und nur im letzteren Falle die höhere Leistung gewähren wollte. Die Notwendigkeit der Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme zum Erwerb einer beruflichen Qualifikation kann nach § 44 Abs 2 Nr 3 AFG den Anspruch auf höheres Uhg begründen. Dagegen ist berufliche Eingliederung iS des § 44 Abs 2 Nr 1 AFG im Zusammenhang mit dem ersten Teil dieses Tatbestandes, nämlich der Arbeitslosigkeit, zu verstehen. Zur Eingliederung in diesem Sinne genügt es allerdings nicht ohne weiteres, daß nur die Arbeitslosigkeit irgendwie beseitigt wird. Der Antragsteller wird aber jedenfalls dann beruflich eingegliedert, wenn er nicht nur vorübergehend den Arbeitsplatz eines Facharbeiters, Gesellen oder Gehilfen oder eines Arbeitnehmers mit vergleichbarer Qualifikation findet.
Für diese berufliche Eingliederung ist die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme dann notwendig, wenn das Ziel nicht ohne sie erreicht werden kann. Die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme muß die einzige Möglichkeit für die berufliche Eingliederung des Antragstellers sein. Indessen kann nicht jede abstrakt gegebene Möglichkeit zur Erreichung des Zieles den Anspruch nach § 44 Abs 2 Nr 1 AFG ausschließen. Welche Möglichkeiten zu berücksichtigen sind, muß den allgemeinen Zielsetzungen des AFG entnommen werden. Dazu gehört die Vermeidung von Arbeitslosigkeit, insbesondere durch die der BA aufgetragene Arbeitsvermittlung. Die Möglichkeiten der Vermittlung des Antragstellers in Arbeit sind deshalb zu berücksichtigen, wenn festgestellt werden soll, ob die Bildungsmaßnahme zur beruflichen Eingliederung notwendig ist. Wenn die Arbeitslosigkeit zumutbar auch auf andere Weise als durch die Bildungsmaßnahme in absehbarer Zeit sinnvoll beseitigt werden kann, entfällt der Grund für die höhere Leistung nach § 44 Abs 2 Nr 1 AFG; insoweit besteht ein Vorrang der Vermittlung (§ 10 Abs 1 S 2 der Anordnung des Verwaltungsrats der BA über die individuelle Förderung der Fortbildung und Umschulung vom 23. März 1976 - ANBA 559 - = AFuU; Schönefelder/Kranz/Wanka Kommentar zum AFG § 44, 4. Lieferung Anm 20 ff). Dementsprechend wird auch für die Anwendung der Bestimmung des § 44 Abs 2 Nr 2 AFG vorausgesetzt, daß der Antragsteller nach dem drohenden Verlust seines Arbeitsplatzes nicht in kurzer Frist einen neuen Arbeitsplatz haben würde (Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, § 44 Anm 4; ähnlich BT-Drucks 7/4127 zu Art 20 Nr 6a). Nach den bindenden Feststellungen des LSG konnte der Kläger aber ohne die Bildungsmaßnahme beruflich eingegliedert werden. Ferner steht fest, daß der Kläger nicht von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedroht war, so daß die Voraussetzungen für ein höheres Uhg nach § 44 Abs 2 Nr 2 AFG ebenfalls nicht vorliegen.
Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die Voraussetzungen des § 44 Abs 2 Nr 3 AFG vorliegen. Beruflicher Abschluß iS dieser Vorschrift ist nur ein Abschluß, der mindestens der Facharbeiter, Gesellen- oder Gehilfenprüfung entspricht (§ 10 Abs 1 Nr 3 AFuU). Bis zur Meisterprüfung hat der Kläger keinen beruflichen Abschluß gehabt. Die Ausbildung zum Elektroinstallateur hat er nicht abgeschlossen. Die Zulassung zur Meisterprüfung enthält keinen beruflichen Abschluß iS des § 44 Abs 2 Nr 3 AFG. Gem § 49 Abs 5 der Handwerksordnung kann die Handwerkskammer in Ausnahmefällen von den Voraussetzungen der Abs 1 - 4, also ua vom Bestehen der Gesellenprüfung, ganz oder teilweise befreien. Diese Befreiung berechtigt lediglich zur Teilnahme an der Meisterprüfung und ist insbesondere nicht etwa der Abschlußprüfung iS des § 34 BBiG gleichzusetzen. Nach § 43 BBiG können den Zeugnissen über das Bestehen der Abschlußprüfung nur Prüfungszeugnisse von Ausbildungsstätten oder Prüfungsbehörden gleichgestellt werden. Die Befreiung nach § 49 Abs 5 der Handwerksordnung ist kein Prüfungszeugnis. Es genügt auch nicht, daß der Kläger wie das LSG festgestellt hat, Kenntnisse besitzt, wie sie normalerweise durch eine abgeschlossene Ausbildung erworben werden. Nach § 34 BBiG ist vielmehr in den anerkannten Ausbildungsberufen eine Abschlußprüfung vorgesehen, über deren Bestehen ein Zeugnis ausgestellt wird.
Ziel der Maßnahme muß der Erwerb einer beruflichen Qualifikation sein. Darunter fällt insbesondere das Nachholen der fehlenden beruflichen Abschlußprüfung. Die berufliche Qualifikation kann aber auch unter der Ebene der Facharbeiter- oder Gesellenprüfung liegen (BT-Drucks 7/4127 zu Nr 6a Abs 2). Andererseits ist das Niveau der Qualifikation entgegen der Meinung der Beklagten nicht nach oben begrenzt. Wenn die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme für den Erwerb einer beruflichen Qualifikation notwendig ist, kommt es nicht darauf an, welche Art von Qualifikation der Antragsteller anstrebt. Es steht daher der Förderung nach § 44 Abs 2 Nr 3 AFG nicht entgegen, daß der Kläger unmittelbar die Meisterprüfung ablegen wollte. Diese Prüfung kann eine berufliche Qualifikation iS des § 44 Abs 2 Nr 3 AFG sein.
Die Voraussetzungen nach dieser Bestimmung sind nicht schon dann erfüllt, wenn die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme notwendig ist, damit der Antragsteller die angestrebte berufliche Qualifikation erwirbt. Entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes, das den unbestimmten Artikel "eine" verwendet, geht es vielmehr darum, daß der Antragsteller überhaupt eine berufliche Qualifikation erhält. Es kann wie im Falle des § 44 Abs 2 Nr 1 AFG nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber hier unterscheiden wollte zwischen Maßnahmen, die für das angestrebte Ziel notwendig sind und anderen, die diesem Ziel nur iS des § 41 AFG dienen.
Die Notwendigkeit der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme für den Erwerb irgendeiner beruflichen Qualifikation setzt aber voraus, daß der Antragsteller das Ziel nicht auch ohne Bildungsmaßnahme erreichen kann. Wie in den Fällen des § 44 Abs 2 Nrn 1 und 2 AFG ist dafür die Bildungsmaßnahme mit anderen Möglichkeiten des Erwerbs einer beruflichen Qualifikation zu vergleichen. Die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme ist jedenfalls dann nicht notwendig, um eine berufliche Qualifikation zu erwerben, wenn der Antragsteller den fehlenden Abschluß ohne eine Bildungsmaßnahme erreichen könnte. Allerdings kann der Antragsteller unter mehreren förderungsfähigen Fortbildungsmaßnahmen grundsätzlich diejenige auswählen, die seiner Neigung entspricht. Der Anspruch auf Förderung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Antragsteller zB eine billigere Bildungsmaßnahme mit anderem Ziel hätte wählen können. Wenn er jedoch ohne Bildungsmaßnahme den fehlenden beruflichen Abschluß erreichen könnte, dann entfällt der Grund für die Förderung nach § 44 Abs 2 Nr 3 AFG.
Den Feststellungen des LSG ist nicht zu entnehmen, ob der Kläger einen beruflichen Abschluß iS des § 44 Abs 2 Nr 3 AFG ohne berufliche Bildungsmaßnahme hätte erreichen können. Dafür käme beim Kläger die Gesellenprüfung in Betracht. Diese Prüfung als solche ist allerdings eine Bildungsmaßnahme iS des § 44 AFG. Nach § 41 AFG sind berufliche Fortbildung nämlich auch Maßnahmen, die das Ziel haben, berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten festzustellen. Die Bildungsmaßnahme "Gesellenprüfung" stünde dem Anspruch des Klägers auf höheres Uhg gem § 44 Abs 2 Nr 3 AFG aber nur dann entgegen, wenn durch sie die Qualifikation iS dieser Vorschrift erreicht werden könnte, ohne daß die Beklagte die Maßnahme fördern müßte. Dies folgt daraus, daß die Voraussetzungen des § 44 Abs 2 Nr 3 AFG erst gegeben sind, wenn der fehlende berufliche Abschluß lediglich durch eine nach § 41 Abs 3 AFG förderungsfähige Maßnahme erreicht werden könnte.
Aus dem Begriff der Notwendigkeit iS des § 44 Abs 2 Nr 3 AFG ergibt sich, daß ein Vergleich mit anderen möglichen Maßnahmen anzustellen ist. Diese Vorschrift verlangt allerdings nicht, was nach seinem Wortlaut denkbar wäre, daß es außer der zu fördernden Bildungsmaßnahme logisch keine andere Möglichkeit zum Erwerb einer beruflichen Qualifikation gibt. Aus den oben bereits dargelegten haushaltsrechtlichen Gründen muß diese Bestimmung vielmehr dahin ausgelegt werden, daß der Antragsteller in zumutbarer Weise offenstehende Möglichkeiten nutzen muß, bevor er die erhöhte Förderung in Anspruch nimmt. Nach § 41 ff AFG erhält der Teilnehmer an einer Fortbildungsmaßnahme ohne Rücksicht auf seine Bedürftigkeit eine an seinem bisherigen Einkommen orientierte Leistung, damit ihm in zumutbarer Weise die Teilnahme an der Maßnahme ermöglicht wird. Das Gesetz mutet aber den Bildungswilligen zu, Maßnahmen von bis zu zwei Wochen Dauer selbst zu finanzieren (§ 41 Abs 3 AFG).
Aus diesen Gründen wird das LSG feststellen müssen, wie lange für den Kläger die Gesellenprüfung im Elektroinstallationshandwerk gedauert hätte, sowie, ob der Kläger vor dieser Prüfung noch an einer Bildungsmaßnahme mit einer Dauer von mindestens zwei Wochen hätte teilnehmen müssen. Allerdings hat das LSG ausgeführt, der Personenkreis des § 49 Abs 5 Handwerksordnung habe den Kenntnisstand, wie er normalerweise durch eine abgeschlossene Ausbildung erworben wird und könne deshalb ohne jede weitere Fortbildung die Abschlußprüfung in dem entsprechenden Ausbildungsberuf ablegen. Es besteht aber ein Unterschied zwischen der Erfüllung der gesetzlichen (Mindest-) Voraussetzungen für die Zulassung zu einer Prüfung und der praktisch gegebenen Notwendigkeit, sich über die gesetzlichen Voraussetzungen hinaus auf die Prüfung vorzubereiten. Für den Kläger könnte insbesondere die Gefahr bestehen, daß sein für die Prüfung notwendiges theoretisches Wissen nach zehn Jahren Praxis nicht mehr auf dem laufenden Stand war, so daß er sich diese theoretischen Kenntnisse noch hätte aneignen müssen.
Da noch weitere Feststellungen durch das LSG zu erheben sind, muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.
Fundstellen