Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkenntnisurteil im Sozialgerichtsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Gibt ein Sozialleistungsträger im Revisionsverfahren ein Anerkenntnis ab, das vom Kläger nicht angenommen wird, so ist der Leistungsträger entsprechend seinem Anerkenntnis zu verurteilen.
Normenkette
SGG § 202; ZPO § 307 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. März 2001 und des Sozialgerichts Würzburg vom 11. November 1997 aufgehoben.
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Dezember 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 1996 und unter Änderung der Bescheide vom 26. Februar 1997 sowie 26. Mai 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 1997 sowie des Ausführungsbescheides vom 8. Juli 2003 verurteilt, dem Kläger Erziehungsgeld für dessen Tochter A… auch für die Zeit vom 30. November 1995 bis zum 6. April 1997 zu gewähren und den nachzuzahlenden Betrag nach § 44 Sozialgesetzbuch – Erstes Buch – zu verzinsen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger, er beantragte am 18.12.1995 für die Zeit ab 30.11.1995 Bundeserziehungsgeld (BErzg) für seine Tochter A…, geboren am 24.7.1995.
Der Beklagte lehnte sowohl diesen Antrag ab (Bescheid vom 20.12.1995; Widerspruchsbescheid vom 27.3.1996) als auch den weiteren Antrag auf Leistungen für das zweite Lebensjahr (Bescheid vom 26.2.1997). Nachdem der Kläger am 7.4.1997 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten hatte, bewilligte der Beklagte BErzg für die Zeit vom 9.4. bis 23.7.1997 (Bescheid vom 26.5.1997); im Übrigen wies er den Widerspruch zurück (Bescheid vom 17.6.1997). Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteile des Sozialgerichts Würzburg vom 11.11.1997 und des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29.3.2001). Das Bundessozialgericht (BSG) hat die Revision des Klägers mit Urteil vom 24.4.2003 zurückgewiesen, nachdem der Beklagte seine Leistungspflicht auch für den 7. und 8.4.1997 anerkannt und der Kläger dieses Teilanerkenntnis angenommen hatte (Ausführungsbescheid vom 8.7.2003).
Das Bundesverfassungsgericht hat die Revisionsentscheidung aufgehoben und die Sache an das BSG zurückverwiesen (Beschluss vom 17.3.2005).
Im wiedereröffneten Revisionsverfahren hat der Beklagte mit Schreiben vom 18.9.2006 das folgende Anerkenntnis abgegeben:
1. Der Beklagte erklärt sich bereit, unter Abänderung des angefochtenen Bescheides vom 20.12.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.1996 in der Zeit vom 30.11.1995 bis 23.07.1996 Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) für das erste Lebensjahr der Tochter A…, geboren am 24.07.1995, in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
2. Der Beklagte erklärt sich bereit, unter Abänderung des angefochtenen Bescheides vom 26.02.1997 und vom 26.05.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.1997 sowie des Ausführungsbescheides vom 08.07.2003 in der Zeit vom 24.07.1996 bis 06.04.1997 Erziehungsgeld nach dem BErzGG für das zweite Lebensjahr der Tochter A…, geboren am 24.07.1995, in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
3. Die zur Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen werden in voller Höhe erstattet.
4. …
Er hat sich darüber hinaus mit Schreiben vom am 1.12.2006 bereit erklärt, den Nachzahlbetrag nach § 44 SGB I zu verzinsen.
Der Kläger hat dieses Anerkenntnis nicht angenommen. Er beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29.3.2001 und des Sozialgerichts Würzburg vom 11.11.1997 sowie den Bescheid des Beklagten vom 20.12.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.3.1996 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 26.2.1997 in der Gestalt des Bescheides vom 26.5.1997, des Widerspruchsbescheides vom 17.6.1997 sowie des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 14.4.2003 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm Bundeserziehungsgeld für seine Tochter A… auch für die Zeit vom 30.11.1995 bis zum 6.4.1997 zu gewähren sowie
den Beklagten zu verurteilen, den Nachzahlbetrag zu verzinsen und die dem Kläger im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten.
Der Beklagte stellt keinen Antrag (mehr).
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist begründet. Der Beklagte ist nach dem über § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren § 307 Satz 1 Zivilprozessordnung seinem Anerkenntnis entsprechend zu verurteilen (vgl zum Anerkenntnisurteil im sozialgerichtlichen Verfahren ausführlich: BSG SozR 6580 Art 5 Nr 4).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen