Entscheidungsstichwort (Thema)
Verteilung des Kindergeldes
Leitsatz (amtlich)
Das Arbeitsamt kann von einer Auszahlungsanordnung des Kindergeldes nach BKGG § 12 Abs 3 und 4 an einen Angehörigen des öffentlichen Dienstes, dem nach BKGG § 7 Abs 1 ein Anspruch auf Kindergeld nicht zusteht, absehen, selbst wenn die Voraussetzungen des BKGG § 12 Abs 3 und 4 an sich erfüllt sind.
Leitsatz (redaktionell)
Werden für ein Kind bereits Sozialleistungen iS von § 7 BKGG gewährt, so kann dies Kind bei der Gewährung von Kindergeld Zählkind nur iS von § 10 Abs 1 BKGG (unechtes Zählkind), nicht dagegen iS von § 12 Abs 4 BKGG (echtes Zählkind) sein.
Normenkette
BKGG § 12 Abs. 3 Fassung: 1964-04-14, Abs. 4 Fassung: 1964-04-14, § 7 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1964-04-14, § 10 Abs. 1 Fassung: 1964-04-14
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 27. Januar 1967 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Klägerin ist bei dem Senator für Inneres in Berlin (West) beschäftigt. Sie war die zweite Ehefrau des kaufmännischen Angestellten .... Die Ehe ist geschieden. Aus ihr ist die am 9. Januar 1957 geborene ... hervorgegangen, die bei der Klägerin lebt. Der Klägerin steht für ... das Sorgerecht zu; sie unterhält das Kind und bezieht einen Kinderzuschlag von 50,- DM monatlich zu ihren Dienstbezügen. ... ist das siebente von neun Kindern des frühere Ehemannes der Klägerin; dieser hat 3 Kinder aus erster Ehe (... und ...), ... aus zweiter Ehe und zwei Kinder und 2 Stiefkinder aus dritter Ehe (... und ..., sowie ... und ...); ferner hat er ein uneheliches Kind (...).
Auf Antrag des früheren Ehemannes der Klägerin bewilligte ihm das Arbeitsamt P mit Bescheid vom 19. November 1964 unter Berücksichtigung der Kinder ..., ... und ... als Zählkinder und der Kinder ..., ... und ... als Zahlkinder ab November 1964 ein Kindergeld in Höhe von monatlich 175,- DM und zweigte davon insgesamt 88,- DM für die Kinder ... sowie ... ab. In einem besonderen Bescheid vom gleichen Tage ordnete das Arbeitsamt P gemäß § 12 Abs. 2 und 3 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) an, daß von den abgezweigten 88,- DM ein Anteil von 22,- DM für Kind ... an die Klägerin ab November 1964 ausgezahlt werden solle; für September und Oktober 1964 betrage der Abzweigungsbetrag nur 9,- DM monatlich.
Auf den Widerspruch des früheren Ehemannes der Klägerin hob das Arbeitsamt P - Kindergeldkasse - mit Änderungsbescheid vom 12. Januar 1965 die Abzweigungsanordnung für ... mit der Begründung auf, daß die Kindesmutter schon ohnehin einen Anspruch auf Leistungen (gegen ihren Arbeitgeber) für ihr Kind habe. Das Gesetz verbiete zwar nicht den Kindergeldanteil an eine solche Person auszuzahlen, die für das Kind eine Leistung i. S. des § 7 BKGG erhalte; es setze sich aber mehr und mehr die Auffassung durch, daß eine Person, der für das Kind schon eine Leistung i. S. des § 7 BKGG zustehe, darüber hinaus nicht noch im Rahmen des § 12 Abs. 3 BKGG begünstigt werden solle.
Den hiergegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies das Arbeitsamt P - Kindergeldkasse - mit Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 1965 aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück und führte zur Begründung weiter aus, § 12 Abs. 3 BKGG lasse zu, bei verständiger Würdigung des Sachverhalts von einer Auszahlungsanordnung abzusehen oder auch eine Auszahlungsanordnung aufzuheben. Zur Aufhebung der Auszahlungsanordnung habe im vorliegenden Fall die Tatsache geführt, daß die Klägerin in Gestalt des Kinderzuschlages zu ihren Dienstbezügen schon eine dem Kindergeld vergleichbare Leistung erhalte, die überdies allein schon höher sei als der auf ihr Kind entfallende. Anteil des Kindergeldes, auf das ihr früherer Ehemann Anspruch habe.
Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Nach Beiladung des früheren Ehemannes der Klägerin hat das Sozialgericht (SG) der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und entschieden:"Es werden die Verfügung des Arbeitsamtes P - Kindergeldkasse - vom 12. Januar 1965 und der Widerspruchsbescheid der Widerspruchsstelle bei dem Arbeitsamt P - Kindergeldkasse - vom 25. Januar 1965 wiederhergestellt." Es hat dazu ausgeführt, eine Auszahlungsanordnung nach § 12 Abs. 3 BKGG zugunsten der Klägerin für ihr Kind ... widerspreche dem Grundgedanken und dem Zweck des § 12 Abs. 3 BKGG. Es sei ein Grundgedanke des BKGG, daß das Kindergeld allen zu berücksichtigenden Kindern möglichst gleichmäßig zugute kommen zu lassen und Doppelzahlungen auszuschließen. Durch eine Auszahlung an die Klägerin für ihr Kind ... würde aber dieser Grundgedanke verletzt. Abgesehen davon, daß sie bereits mit dem Kinderzuschlag einen dem Kindergeld gleichen Anspruch erhalte, würde das Kind ... durch die Auszahlung erheblich bessergestellt als die übrigen Kinder, obwohl sie zur Begründung und Gestaltung des Kindergeldanspruchs nicht beigetragen habe. Würde nämlich der in Betracht kommende Teil eines Achtels von dem an den Berechtigten gezahlten Kindergeldes von jetzt 235,- DM = 29,- DM an ... ausgezahlt, so würde sie zuzüglich des Kindergeldzuschlages einen Betrag von insgesamt 79,- DM monatlich erhalten; während für die im Haushalt des Beigeladenen befindlichen Kinder ..., ... und ... - abzüglich des an ... ebenfalls abzuführenden Achtels von 29,- DM und abzüglich des Betrages von 35,- DM für ... - ca. 47,- DM je Kind verbleiben würden. Eine solche Regelung wäre als unbillig und als mit dem Gesetz nicht im Einklang befindlich anzusehen.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Mit der Revision beantragt die Klägerin,
das Urteil des LSG vom 27. Januar 1967 aufzuheben und die Verfügung des Arbeitsamtes P - Kindergeldkasse - vom 12. Januar 1965 und den Widerspruchsbescheid der Widerspruchsstelle bei dem Arbeitsamt P - Kindergeldkasse - vom 25. Januar 1965 aufzuheben.
Sie rügt, das LSG habe § 12 Abs. 3 BKGG verkannt. Das Berufungsgericht meine zu Unrecht, daß eine Auszahlungsanordnung zu ihren Gunsten für ihr Kind ... dem Grundgedanken und Zweck des Gesetzes widerspreche. Man müsse von dem Wortlaut des Gesetzes ausgehen. Danach stehe ihr der Anspruch zu.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II.
Die zulässige Revision ist nicht begründet.
Zu Recht hat das LSG entschieden, daß die Beklagte das Kindergeld nach § 22 BKGG entziehen durfte, weil die Anspruchsvoraussetzungen für den geltend gemachten Kindergeldanspruch nicht vorliegen.
Da das Kind ... das einzige Kind der Klägerin ist, steht ihr nach § 1 Abs. 1 BKGG ein Anspruch auf Kindergeld nicht zu. Aber selbst wenn die Klägerin mehrere Kinder hätte, stände ihr ein Anspruch auf Kindergeld nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 BKGG nicht zu, weil sie Arbeitnehmerin eines Landes ist. Dem Vater des Kindes stände zwar nach §§ 1 und 2 BKGG an sich ein Anspruch auf Kindergeld zu, weil er - anders als die Klägerin - mehr als ein Kind hat. Doch steht ihm letztlich ein Anspruch auf Kindergeld nach dem eindeutigen Wortlaut und dem Sinn und Zweck des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BKGG ebenfalls nicht zu. Der in dieser Vorschrift ausgesprochene Ausschluß des Bezugsrechts von Kindergeld wirkt nämlich allgemein, d. h. nicht nur gegenüber der Person, die zu einer der in dieser Vorschrift genannten Gruppe gehört, sondern auch gegenüber anderen Berechtigten, weil ganz allgemein gesagt ist, daß Kindergeld nicht gewährt wird (vgl. Wickenhagen-Krebs, BKGG Anm. 3 zu § 7). Allerdings wird ... nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 BKGG als sog. Zählkind berücksichtigt.
Nun schreibt § 12 Abs. 3 BKGG vor, daß das nach § 24 BKGG zuständige Arbeitsamt anordnen "soll", daß das Kindergeld, das auf ein Kind entfällt, an eine andere Person oder Stelle als dem Berechtigten ausgezahlt wird, wenn diese das Kind ganz oder überwiegend unterhält. Als auf ein Kind entfallende Kindergeld i. S. dieser Bestimmung gilt der Betrag, der sich bei einer gleichmäßigen Verteilung des Kindergeldes auf alle Kinder, die bei dem Berechtigten berücksichtigt werden, ergibt (§ 12 Abs. 4 BKGG).
Die Bestimmung des § 12 Abs. 3 BKGG ist keine Muß-, sondern nur eine Soll-Vorschrift. Der Gesetzgeber wollte damit erreichen, daß die Arbeitsämter nur dann zum Erlaß einer Auszahlungsanordnung verpflichtet sind, wenn Grundgedanken des Kindergeldrechts oder der Zweck der genannten Bestimmung nicht entgegenstehen (Wickenhagen-Krebs aaO Anm. 10 zu § 12) Im vorliegenden Fall steht der in § 7 Abs. 1 BKGG zum Ausdruck gekommene Grundgedanke des Gesetzes einer Auszahlungsanordnung an die Klägerin entgegen. Nach dieser Vorschrift wird, wie bereits ausgeführt, Kindergeld nicht gewährt, wenn eine Person, bei der das Kind nach § 2 Abs. 1 BKGG berücksichtigt wird, im öffentlichen Dienst beschäftigt ist. Da die Klägerin im öffentlichen Dienst beschäftigt ist und das Kind ... einen Kinderzuschlag von 50,- DM monatlich erhält, ist der Anspruch auf Kindergeld für dieses Kind ausgeschlossen. Dieser Ausschluß des Anspruchs auf Kindergeld ist absolut. Dies ergibt sich, wie bereits ausgeführt, aus dem Wortlaut dieser Vorschrift und aus ihrem Sinn und Zweck, nach welchem auch andere Berechtigte, die nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, einen Anspruch auf Kindergeld für dieses Kind nicht haben. Dieser Grundsatz des absoluten Ausschlusses des Kindergeldanspruchs hat zum Inhalt, daß für dieses Kind überhaupt kein Kindergeld zu gewähren ist. Dies bedeutet aber nicht nur, daß auch andere Berechtigte keinen Anspruch haben, sondern darüber hinaus, daß einem Berechtigten auch nicht auf andere Weise, etwa über den Umweg des § 12 Abs. 3 und 4 BKGG ein Kindergeldanspruch gewährt werden kann.
Die ursprüngliche Auszahlungsanordnung an die Klägerin ist danach nicht rechtmäßig, so daß nach § 22 BKGG das Kindergeld der Klägerin zu Recht entzogen worden ist. Das angefochtene Urteil ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Revision der Klägerin ist somit nicht begründet.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen