Entscheidungsstichwort (Thema)
Erziehungsgeld. Übergangsgeld. volle Erwerbstätigkeit. Berufsbildung. Beschäftigter. Sprachkurs. Sprachförderung. berufsvorbereitende Maßnahme. Allgemeinbildung. Aussiedler. Lohnersatzleistung. Privilegierung
Leitsatz (amtlich)
Teilnehmer an einem Sprachkurs für Aussiedler sind als „zu ihrer Berufsbildung Beschäftigte” auch bei Bezug von Unterhaltsgeld erziehungsgeldberechtigt.
Normenkette
BErzGG § 2 Abs. 1-2; AFG § 40 Abs. 1, §§ 62a, 62b, 62c, 62d; GG Art. 3 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10. August 1995 aufgehoben und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß die Urteilsformel im Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 20. Oktober 1993 wie folgt gefaßt wird:
Der Bescheid des Beklagten vom 11. November 1991 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 1992 wird aufgehoben, soweit darin die Bewilligung von Erziehungsgeld für die Zeit vom 21. September 1991 bis zum 20. November 1991 aufgehoben und ein höherer Erstattungsanspruch als 600,– DM geltend gemacht wird.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Erziehungsgeld (Erzg) und dessen Rückzahlung.
Die Klägerin ist Aussiedlerin. Sie bezog Erzg für ihren am 21. Mai 1991 geborenen Sohn, das ihr zuletzt mit Bescheid vom 11. Oktober 1991 für die Zeit vom Ablauf des 6. Lebensmonats bis zum Ablauf des 18. Lebensmonats bewilligt wurde. In ihrem Antrag hatte sie angegeben, Unterhaltsgeld (Uhg), Eingliederungsgeld (Egg) oder eine vergleichbare Leistung weder beantragt noch bezogen zu haben.
Das Arbeitsamt (ArbA) bewilligte ihr Uhg für die Teilnahme an einem Sprachkurs für Aussiedler für die Zeit vom 2. September 1991 bis zum 30. April 1992 mit Bescheid vom 14. Oktober 1991. Die Bemessung des Uhg erfolgte auf der Grundlage einer Vollzeitbeschäftigung.
Daraufhin hob der Beklagte die Bewilligung von Erzg zum Ablauf des 20. September 1991 auf und forderte das in Höhe von 1.800,– DM überzahlte Erzg zurück (Bescheid vom 11. November 1991; Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 1992).
Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben, „soweit darin ein höherer Erstattungsanspruch als 600,– DM geltend gemacht wird” (Urteil vom 20. Oktober 1993). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 10. August 1995).
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das Berufungsurteil verletze die §§ 153, 103, 62 Sozialgerichtsgesetz (SGG), § 2 Abs. 2 Bundeserziehungsgeldgesetz (BerzGG), § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und Art. 3 Grundgesetz (GG).
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10. August 1995 aufzuheben und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen mit der Maßgabe, daß das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 20. Oktober 1993 wie folgt gefaßt wird: Der Bescheid des Beklagten vom 11. November 1991 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 1992 wird aufgehoben, soweit darin die Bewilligung von Erziehungsgeld für die Zeit vom 21. September 1991 bis zum 20. November 1991 aufgehoben und ein höherer Erstattungsanspruch als 600,– DM geltend gemacht wird.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat hat gemäß §§ 165, 153 Abs. 1 und 126 SGG nach Lage der Akten entschieden.
Die Revision der Klägerin ist begründet.
Auf die Revision der Klägerin, mit der diese die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt, ist nicht nur über die Rückforderung, soweit diese 600,– DM übersteigt, sondern auch über die Aufhebung der Bewilligung für die Zeit vom 21. September 1991 bis zum 20. November 1991 zu entscheiden. Das erstinstanzliche Urteil ist dahin auszulegen, daß die angefochtenen Bescheide nicht nur hinsichtlich der in der Urteilsformel bezeichneten Rückforderung aufgehoben werden, sondern auch hinsichtlich der Aufhebung der Bewilligung für den entsprechenden Bezugszeitraum. Das ergibt sich aus der Urteilsbegründung, wonach die Rückforderung rechtswidrig ist, da die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BErzGG (gemeint: SGB X) nicht vorlägen. Einer solchen Auslegung steht nicht entgegen, daß sich der von der Anfechtung der Aufhebung betroffene Bewilligungszeitraum auch dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen, die zur Auslegung der Urteilsformel heranzuziehen sind, nur schwer entnehmen läßt. Aus der Mitteilung im Tatbestand, daß der Beklagte die Bewilligung von Erzg ab dem 21. September 1991 aufgehoben und die Erstattung des Erzg für 3 Monate in Höhe von insgesamt 1.800,– DM festgesetzt und daß die Klägerin die Erstattungsforderung für einen der drei Monate nicht angefochten habe, womit nach dem Gesamtzusammenhang nur der letzte der Bezugsmonate (vom 21. November bis zum 20. Dezember 1991) gemeint sein kann, ergibt sich letztlich mit ausreichender Sicherheit, daß das SG den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid hinsichtlich der Bezugszeit vom 21. September 1991 bis zum 20. November 1991 aufheben und die Rückforderung um die auf diese Bezugszeit entfallenden 1.200,– DM ermäßigen wollte. Dieser Auslegung steht nicht entgegen, daß das SG der Mitteilung, die Beklagte habe die Bewilligung „ab dem 21. September 1991” aufgehoben, den Klammerzusatz hinzufügt „richtig 2. September 1991”. Damit bringt das SG zum Ausdruck, die Bewilligung habe schon zum 2. September 1991, dem Beginn der Uhg-Bezugszeit, aufgehoben werden müssen. Diese Auffassung übersieht § 4 Abs. 3 Satz 1 BErzGG, wonach der Anspruch auf Erzg erst mit dem Ablauf des Lebensmonats endet, in dem eine der Anspruchsvoraussetzungen entfallen ist. Der Beginn der Bezugszeit, für die die Aufhebung der Bewilligung vom SG aufgehoben werden sollte, mit dem 21. September 1991 wird damit nicht in Frage gestellt. Auch der Klageantrag und der Revisionsantrag war in diesem Sinne auszulegen. Hätte die Klägerin die Aufhebung der Bewilligung nicht angefochten, dann wäre die Aufhebung der Bewilligung bindend und schon deswegen die Rückforderung berechtigt.
Die Revision der Klägerin hatte auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, das der Klage in vollem Umfang zu Recht stattgegeben hat. Für die in den angefochtenen Bescheiden ausgesprochene Aufhebung der Erzg-Bewilligung für die Zeit vom 21. September 1991 bis zum 20. November 1991 liegen die in § 48 SGB X für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse geforderten Voraussetzungen nicht vor. Eine Aufhebung ist nach dieser Vorschrift nur zulässig, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung, wenn und soweit der aufzuhebende Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach ihrem Eintritt nicht mehr hätte ergehen dürfen. Insoweit haben beide Vorinstanzen ohne Begründung angenommen, daß der Anspruch auf Erzg infolge des Uhg-Bezuges weggefallen ist. Dem vermag der Senat nicht zuzustimmen. Schon deshalb war der angefochtene Verwaltungsakt aufzuheben, jedoch nur für die Zeit vom 21. September 1991 bis zum 20. November 1991, da die Klägerin nur in diesem Umfang den Aufhebungsbescheid angefochten hat. Ob die übrigen Voraussetzungen des § 48 SGB X für eine Aufhebung der Erzg-Bewilligung für die angegebene Streitzeit vorlagen, was das SG verneint und das LSG nach Auffassung der Revision zu Unrecht angenommen hat, bedarf deshalb keiner Entscheidung.
Der Uhg-Bezug führte nicht zum Wegfall der Voraussetzungen für den Anspruch auf Erzg, weil die Teilnehmer an einem Sprachkurs für Aussiedler, wie ihn die Klägerin besucht hat, als „zu ihrer Berufsbildung Beschäftigte” im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 BErzGG aufgrund der gebotenen weiten Auslegung dieses Begriffs anzusehen sind, für die der Uhg-Bezug unschädlich ist.
Die Auswirkung eines Uhg-Bezuges auf den Anspruch auf Erzg war am 2. September 1991, dem Beginn des Uhg-Bezuges, und in der hier streitigen Bezugszeit vom 21. September bis zum 20. November 1991 in § 2 Abs. 2 BErzGG in der Fassung durch Art. 1 Nr. 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des BErzGG (1. BErzGG-ÄndG) vom 17. Dezember 1990 (BGBl I 2823) geregelt. Hiernach gilt der Anspruchsausschluß beim Bezug von Uhg nicht für die „zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten”.
Der Begriff „Berufsbildung” in § 2 BErzGG umfaßt auch Sprachkurse für Aussiedler, deren Besuch wegen der engen Verbindung zwischen dem Sprachkurs und der Aufnahme einer Arbeit von der Bundesanstalt für Arbeit (BA) nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu fördern war, auch wenn das Erlernen der Umgangssprache im Grundsatz zur Allgemeinbildung gehört. Mit dem Begriff „Beschäftigte” sollte der Ausnahmetatbestand nicht auf den Bereich der betrieblichen Berufsbildung beschränkt werden, was später auszuführen ist.
Eine Privilegierung der zur Berufsbildung Beschäftigten war im BErzGG vom 6. Dezember 1985 noch nicht enthalten. Der als Anspruchsvoraussetzung für das Erzg geforderte Verzicht auf eine vollschichtige Beschäftigung sollte auch für Auszubildende, Anlernlinge, Umschüler, Volontäre, Praktikanten sowie für Personen in einem dem Ausbildungsverhältnis vergleichbaren Beschäftigungsverhältnis gelten (BT-Drucks 10/3792, S 15). Schüler und Studenten waren von dieser Einschränkung nicht betroffen, da sie nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Auf Veranlassung des Bundesrates (BR-Drucks 261, 89, Ziff 6, zu Art. 1 Nr. 2) wurde § 2 Abs. 1 BErzGG, der festlegt, in welchen Fällen bei Teilzeitbeschäftigung keine „volle” Erwerbstätigkeit anzunehmen ist, durch das BErzGG-ÄndG vom 30. Juni 1989 (BGBl I 1297) um die Regelung in Nr. 3 ergänzt. Danach galt als nicht volle Erwerbstätigkeit auch die Ausübung einer Beschäftigung zur Berufsausbildung. Begründet wurde dies damit, daß die zur Berufsausbildung Beschäftigten nicht in einen Konflikt geraten dürften zwischen dem Anspruch auf Erzg und der Aufnahme und dem Abschluß einer Berufsausbildung, die gerade auch im Interesse des Kindes liege. Die zeitliche Gebundenheit der Auszubildenden sei prinzipiell derjenigen bei Schülern und Studenten gleichzusetzen; daher sei ihre rechtliche Gleichstellung geboten (BT-Drucks 11/4708 S 3). Bei der Gleichstellung von Lohnersatzleistungen mit einer den Bezug von Erzg ausschließenden vollen Erwerbstätigkeit (in § 2 Abs. 2 Nr. 2 BErzGG) wurde zugleich festgelegt, daß diese Regelung für die zu ihrer „Berufsbildung” Beschäftigten nicht gilt. Die in den Absätzen 1 und 2 des § 2 BErzGG unterschiedlichen Begriffe, in Abs. 1 „Berufsausbildung”, in Abs. 2 „Berufsbildung” wurde mit dem 2. BErzGG-ÄndG vom 6. Dezember 1991 (BGBl I 2142) vereinheitlicht in „Berufsbildung”, und zwar aus „redaktionellen Gründen” (BT-Drucks 12/1495 S 19 zu Nr. 2), während nach dem Regierungsentwurf, ebenfalls aus redaktionellen Gründen, in beiden Absätzen der Begriff „Berufsausbildung” verwandt werden sollte (BT-Drucks 12/1125 S 7 zu Nr. 2).
Schon der früher in § 2 BErzGG verwandte Begriff der Berufsausbildung wurde in der Form weit ausgelegt, daß dieser nicht nur die Ausbildung bis zum ersten beruflichen Abschluß erfasse, sondern auch eine darauf aufbauende weitere Ausbildung zum beruflichen Aufstieg, und zwar im Falle der Facharztausbildung (BSG SozR 3-7833 § 2 Nr. 1) und im Falle einer Aufstiegsausbildung für den gehobenen Dienst (BSG SozR 3-7833 § 2 Nr. 3). Der Begriff „zur Berufsbildung Beschäftigte” umfaßt neben Fortbildung und Umschulung auch berufsvorbereitende Maßnahmen.
Die Gründe, die den Gesetzgeber veranlaßt haben, die Förderung der Teilnahme an einem Sprachlehrgang für Aussiedler im AFG (§§ 62a bis 62d) zu regeln, rechtfertigen es, die Sprachförderung im, Sinne des BErzGG der Berufsbildung und nicht der Allgemeinbildung zuzuordnen. Der Grundsatz, daß nur die berufliche Bildung und nicht die Allgemeinbildung zu den Aufgaben der BA gehört, gilt auch für berufsvorbereitende Maßnahmen im Sinne des § 40 Abs. 1 AFG. Der erforderliche Bezug zu einer späteren Berufstätigkeit braucht sich indes nicht aus dem Inhalt der Maßnahme zu ergeben, sondern es genügt die unmittelbare Ausrichtung auf die Berufsausübung, wie dies zum Einzelunterricht im Mundablesen entschieden wurde (BSGE 40, 70, 71 = SozR 4100 § 50 Nr. 5). Der Einbeziehung der Förderung der Sprachkurse in das AFG hatte der Bundesrat zunächst widersprochen. Die Sprachförderung von Aussiedlern, Asylberechtigten und Kontingentflüchtlingen sei eine allgemeinbildende Maßnahme, die vor allem der Eingliederung dieser Personen in die Gesellschaft diene. Die Aufnahme der Sprachförderung in den Aufgabenbereich des AFG und die Finanzierung dieser Aufgabe aus Beitragsmitteln unter Entlastung des Bundes sei arbeitsmarkt- und finanzpolitisch nicht vertretbar (BT-Drucks 11/890 S 28 zu Art. 1 Nr. 13). Dem widersprach die Bundesregierung; die Sprachförderung stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Arbeitsvermittlung und der Förderung der beruflichen Weiterbildung, beides Aufgaben der BA nach § 3 Abs. 2 AFG. Es gehöre darüber hinaus gemäß § 77 Abs. 1 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) zu den Aufgaben der BA, Aussiedler, die nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG Vertriebene sind, berufsadäquat einzugliedern. Sprachförderung erhielten nur Personen, die erwerbstätig gewesen sind und auch in der Zukunft wieder erwerbstätig sein wollten. Voraussetzung für eine Förderung sei zudem, daß gerade die für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit notwendigen Sprachkenntnisse fehlten (BT-Drucks 11/890 S 31 zu 2).
Der Begriff „zu ihrer Berufsbildung Beschäftigte” erfaßt in einigen Gesetzen, zB in § 23 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG), in § 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG), in § 101 AFG und in § 3 des Gesetzes zur Förderung von Frauen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Bundesverwaltung und den Gerichten des Bundes (FFöG) vom 24. Juni 1994 (BGBl I 1406, 2103) nur die zur betrieblichen Berufsbildung Beschäftigten. Das schließt es nicht aus, den Begriff in § 2 Abs. 2 BErzGG in entsprechender Anwendung auch auf den Uhg-Bezug während einer schulmäßig durchgeführten Maßnahme der beruflichen Bildung anzuwenden. Das Gesetz weist insoweit eine Lücke auf. Der Gesetzgeber wollte die schulische Berufsbildung und die betriebliche Berufsbildung gleichbehandeln. Das erforderte in Abs. 1 des § 2 BErzGG lediglich eine Sonderregel für die betriebliche Berufsbildung, weil die Schulbildung den Anspruch auf BErzGG sowieso nicht ausschloß. Den Gesetzesmaterialien ist kein Anhalt dafür zu entnehmen, daß der Gesetzgeber im Absatz 2 nicht ebenfalls den Lohnersatz bei betrieblicher Berufsbildung dem Lohnersatz bei schulischer Berufsbildung gleichstellen wollte. Ein Grund, der den Gesetzgeber hätte veranlassen können, Schulbildung und betriebliche Bildung insoweit unterschiedlich zu behandeln, ist nicht ersichtlich. Für eine Lückenfüllung in dem Sinne, daß der Uhg-Bezug auch im Falle einer schulischen Berufsbildung unschädlich ist, spricht auch der Grundsatz verfassungskonformer Auslegung. Es ist kein Grund erkennbar, der es in Ansehung des Art. 3 GG rechtfertigen könnte, bei vom ArbA mit Uhg geförderten Maßnahmen im BErzGG nur die betrieblichen Maßnahmen und nicht auch die schulischen Maßnahmen zu begünstigen.
Überdies betrifft der Konflikt bei der Fortsetzung einer Bildungsmaßnahme nach der Geburt eines Kindes fast ausschließlich Frauen. Dies wird aus der Tatsache deutlich, daß Erziehungsurlaub nur in weniger als einem Prozent aller Fälle von den Vätern in Anspruch genommen wird (vgl BT-Plenarprotokoll 12/50, S 4100 und 4107). Eine Ausgrenzung des Uhg-Bezuges bei schulischer Berufsbildung in dem Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 BErzGG beträfe somit trotz der geschlechtsneutralen Fassung dieser Vorschrift faktisch nur Frauen. Dies erscheint vor allem deshalb bedenklich, weil berufliche Qualifikationen zumeist in der selben Lebensphase notwendig werden, in die auch die Geburt von Kindern fällt, und eine Unterbrechung oder Verschiebung der Bildungsmaßnahmen häufig nicht ohne weiteres möglich ist. Eine enge Auslegung des § 2 BErzGG läßt sich von daher mit der aus Art. 3 Abs. 2 GG erwachsenden Verpflichtung des Staates zur Schaffung von Chancengleichheit bei der beruflichen Qualifikation von Männern und Frauen nicht vereinbaren (BVerfGE 6, 55, 82; 15, 337, 345; 57, 335, 342ff = SozR 2200 § 1255 Nr. 13), wie der Senat bereits zur Auslegung dieser Vorschrift ausgeführt hat (BSG SozR 3-7833 § 2 Nr. 3). Der Uhg-Bezug stand somit dem Fortbezug des Erzg nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 BErzGG nicht entgegen.
Eine Anwendung des in § 2 Abs. 2 Nr. 1 BErzGG nur für Arbeitslosengeld (Alg), Arbeitslosenhilfe und Egg vorgesehenen Leistungsausschlusses, der eine Privilegierung für die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten anders als die folgende Nr. 2 nicht nennt, kommt hier nicht in Betracht. Die Klägerin hat für ihre Teilnahme am Sprachkurs ab dem 2. September 1991 kein Egg, sondern Uhg erhalten. Ihr stand nach dem AFG auch ein Anspruch auf Uhg und nicht ein Anspruch auf Egg zu. Zwar räumten die §§ 62a ff AFG in der Fassung des Eingliederungsanpassungsgesetzes vom 22. Dezember 1989 (BGBl I 2398) für die Teilnahme an dem Sprachlehrgang einen Anspruch auf Egg ein. Diese Regelung gilt nach § 242j AFG indes nur für Aussiedler, die ab dem 1. Januar 1990 in die Bundesrepublik eingereist sind. Die Klägerin hält sich seit 1988 in der Bundesrepublik auf. Bei einer Einreise bis zum 31. Dezember 1989 bleibt indes das alte Recht weiter anwendbar. Hiernach stand der Klägerin ein Anspruch auf Uhg nach Maßgabe der §§ 62a und 62b AFG in der Fassung durch Gesetz vom 14. Dezember 1987 zu. Daß das Uhg auch nach dieser Vorschrift der Eingliederung der Aussiedler diente, macht diese Leistung nicht zum Egg im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 BErzGG in der Fassung durch das 1. BErzGG-ÄndG. Durch diese Änderung sollte klargestellt werden, daß der Bezug von Egg, das nach dem Eingliederungsanpassungsgesetz Aussiedlern und Übersiedlern gewährt wird, die gleiche Wirkung wie der Bezug von Alg hat (BT-Drucks 11/7103 S 4). Das schließt eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf den Bezug von Uhg auch dann aus, wenn diese Leistung die Eingliederung von Aussiedlern fördern soll. Es bedarf deshalb nicht der Entscheidung, ob Egg nur dann nach der Nr. 1 des § 2 Abs. 2 BErzGG zu behandeln ist, wenn ein Alg-Tatbestand betroffen ist, und bei Uhg-Tatbeständen nach der Nr. 2.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Breith. 1996, 954 |
SozSi 1997, 319 |