Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. September 1994 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 24. Juni 1993 wird zurückgewiesen.
Kosten des Rechtsstreits sind in allen Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt Kindergeld (Kg) nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) für den Zeitraum von Juni 1992 bis Juni 1993 (für drei Kinder) bzw April bis Juni 1993 (für das vierte Kind).
Der Kläger ist afghanischer Staatsangehörigkeit, verheiratet und hat vier Töchter; die im April 1987, Mai 1988, Januar 1992 bzw April 1993 geboren sind. Er war im Jahre 1989 mit seiner Ehefrau und zwei Töchtern in die Bundesrepublik eingereist und hatte zunächst einen Asylantrag gestellt. Ein Antrag auf Kg war bestandskräftig abgelehnt worden.
Im Juni 1992 beantragte der Kläger erneut Kg. Die Beklagte lehnte diesen Antrag wiederum ab, da weder die Abschiebung des Klägers auf unbestimmte Zeit unzulässig sei, noch er auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werde (Bescheid vom 31. Juli 1992 und Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 1992). Im Widerspruchsverfahren hatte die zuständige Ausländerbehörde mitgeteilt, nach der Erlaßlage werde der Kläger auch bei Asylablehnung noch bis zum 31. Dezember 1992 geduldet. Ab Juli 1993 erhielt der Kläger indessen eine Aufenthaltsbefugnis als Bürgerkriegsflüchtling – worauf er seinen Asylantrag zurücknahm – sowie Kg für alle vier Kinder. Während des nunmehr allein noch streitigen Zeitraums (Juni 1992 bis Juni 1993) stand der Kläger in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis und zahlte 1992 DM 675,41 bzw 1993 DM 0.– Steuern.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. Juni 1993). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils verurteilt, dem Kläger in der Zeit von Juni 1992 bis Juni 1993 Kg für alle vier Kinder zu zahlen (Urteil vom 28. September 1994). § 1 Abs 3 BKGG (idF des 12. BKGG-Änderungsgesetzes vom 30. Juni 1989, BGBl I, 1274 – BKGG 1989) sei eine Übernahme der „Prognose-Rechtsprechung” des Bundessozialgerichts (BSG) und in der hier anzuwendenden Fassung vom 9. Juli 1990 wiederum lediglich redaktionell an das geänderte Ausländergesetz (AuslG) angepaßt worden. Bereits ab Beginn des streitigen Zeitraums sei aber aufgrund der Erlasse des Hessischen Ministeriums des Innern und für Europaangelegenheiten vom 30. Dezember 1991, 20. Januar 1992, 1. Juli 1992 und 28. Dezember 1992 für die voraussehbare Zukunft die Abschiebung des Klägers, unabhängig vom Ausgang des Asylverfahrens, in einer Weise ausgeschlossen gewesen, die einen zeitlich absehbaren Aufenthaltswechsel nicht hätte erwarten lassen. Die jeweilige Befristung habe dem nicht entgegengestanden, da sie auf dem afghanischen Bürgerkrieg beruht habe, dessen Ende seinerseits nicht absehbar gewesen sei; dadurch sei von Anfang an mit einer – später tatsächlich eingetretenen – Verlängerung des Abschiebestopps zu rechnen gewesen. Ein unbestimmter Abschiebestopp liege nicht erst dann vor, wenn im Rahmen von § 54 AuslG gänzlich von einer Befristung abgesehen werde, sondern auch schon bei einer Befristung mit der Möglichkeit anschließender gleichlautender Abschiebestopps.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 1 Abs 1, 3 BKGG idF vom 9. Juli 1990. Hintergrund der gesetzgeberischen Regelung sei das Motiv, den Familienlastenausgleich nur solchen Berechtigten zukommen zu lassen, die ein Kind über einen langen Zeitraum aufziehen und dadurch einen Beitrag zur künftigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Existenz der Gesellschaft in diesem Staat leisten. Während des Asylverfahrens sei der Aufenthalt des Klägers aber lediglich gestattet gewesen, was für einen „gewöhnlichen Aufenthalt” nicht ausreiche. Vielmehr müsse nach einer Prognose davon auszugehen sein, daß ein Antragsteller für „unabsehbare Zeit” in Deutschland verbleiben werde. Dabei sei die Beklagte an die ausländerrechtliche Beurteilung durch die Ausländerbehörde gebunden. Hier habe die zeitliche Befristung des Abschiebestopps dazu gedient, den Ausländerbehörden die regelmäßige Prüfung zu ermöglichen, ob die Gründe des Abschiebestopps weiterhin vorlägen. Die Erlasse hätten sogar jeweils unterschiedliche Personengruppen betroffen und bestimmte Personenkreise nicht mehr in einen erneuten Abschiebestopp einbezogen. Auch der Erlaß vom Juni 1993, der zur Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis geführt habe, könne eine Prognose nicht rückschauend widerlegen. § 1 Abs 3 BKGG könne auch bei einer unzureichenden steuerrechtlichen Freistellung des Existenzminimums bei Ausländern nicht zu einem Anspruch auf Kg führen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. September 1994 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 24. Juni 1993 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er entgegnet, gerade der anhaltende Bürgerkrieg in Afghanistan habe die sichere Prognose einer Abschiebestoppverlängerung zugelassen. Dazu hätte die Beklagte aber eigenverantwortlich Ermittlungen über die Sachlage im Herkunftsland vornehmen müssen, statt sich auf die Auskunft des hessischen Innenministeriums zu einem bloß halbjährigen Abschiebestopp zu verlassen. Dieses Vorgehen der Beklagten verkenne, daß ein Abschiebestopp von mehr als sechs Monaten immer einer bundeseinheitlichen Regelung bedurft hätte, und verstoße wegen möglicher unterschiedlicher Länderregelungen auch gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hatte keinen Anspruch auf Kg, da im streitigen Zeitraum für ihn weder eine Aufenthaltsgenehmigung noch ein Abschiebehindernis auf unbestimmte Zeit vorlag.
1. Gegenstand der Revision ist der Anspruch des Klägers auf Kg in der Zeit vom 1. Juni 1992 bis 30. Juni 1993 für vier Töchter. Maßgeblich ist § 1 BKGG idF der Bekanntmachung vom 30. Januar 1990 – BKGG 1990 – (BGBl I, 149), einschließlich der Anfügung von Abs 3 durch Art 9 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 – BKGG 1990 nF – (BGBl I, 1354).
Hinsichtlich der jüngsten Tochter kann das Urteil des LSG schon deshalb keinen Bestand haben, als es Kg auch vor April 1993 „in gesetzlicher Höhe” zugesprochen hat, obwohl diese Tochter erst am 17. April 1993 geboren ist (§ 9 Abs 1 BKGG 1990).
Die Revision ist jedoch auch im übrigen begründet. Nach § 1 Abs 3 BKGG 1990 nF haben Ausländer, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Geltungsbereich des BKGG aufhalten, Anspruch auf Kg nur, wenn sie nach den §§ 51, 53 oder 54 AuslG auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können, frühestens jedoch für die Zeit nach einem gestatteten oder geduldeten ununterbrochenen Aufenthalt von einem Jahr. Für den Kläger lag im streitigen Zeitraum weder eine Aufenthaltsgenehmigung noch ein derartiges Abschiebebehindernis vor. Das LSG hat – von der Revision unangegriffen – festgestellt, daß der Kläger erst am 12. Juli 1993 eine Aufenthaltsbefugnis erhalten hat und daß die Erlasse des Hessischen Ministeriums des Innern und für Europaangelegenheiten nach § 54 Satz 1 AuslG vom 30. Dezember 1991, 20. Januar 1992, 1. Juli 1992 und 28. Dezember 1992 (Erlasse) jeweils nur auf sechs Monate befristet waren.
Dabei ist unerheblich, daß in den genannten Erlassen keine Regelung über das endgültige Ende des jeweiligen Abschiebstopps nach Ablauf der Sechs-Monate-Frist enthalten und ob – wovon das LSG ausgeht – im Hinblick auf den „in Afghanistan tobenden Bürgerkrieg” von vornherein jeweils mit einer Verlängerung der Abschiebestopps zu rechnen war. Wie das BSG bereits in ständiger Rechtsprechung zu früheren Gesetzeslagen betont hat, ist im Kindergeldverfahren für Ausländer das Ausländerrecht nicht eigenständig anzuwenden (vgl BSG vom 25. Juli 1995, 10 RKg 13/93, und vom 12. Februar 1992, 10 RKg 26/90, sowie BSGE 72, 8, 10 = SozR 3-5870 § 1 Nr 2 für das BKGG 1989; für die Rechtslage davor vgl ebenfalls die zuletzt genannte Entscheidung). Diese Rechtsprechung ist dahingehend fortzuführen, daß auch nach § 1 Abs 3 BKGG 1990 nF weder den Kindergeldbehörden noch den Sozialgerichten eine eigenständige Prüfung dahingehend oblag, ob für die Zukunft – aufgrund welcher Umstände auch immer – weiterhin damit zu rechnen war, daß ein Ausländer „auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden” konnte. Vielmehr beschränkte sich die insoweit anzustellende Prüfung aufgrund der geänderten Gesetzesfassung darauf, ob für den betreffenden Ausländer im Zeitpunkt der Kindergeldentscheidung ein konkretes ausländerrechtliches Abschiebeverbot auf unbestimmte Zeit galt (BSG vom 13. August 1996, 10 RKg 11/95 – nicht veröffentlicht –). Diese Voraussetzung war jedoch nicht erfüllt, wenn der Ausländer – wie hier – zwar in diesem konkreten Zeitpunkt einem Abschiebestopp für Ausländer bestimmter Herkunft unterfiel, dieser Abschiebestopp jedoch befristet war.
Diese Auslegung und Anwendung des § 1 Abs 3 BKGG 1990 nF widerspricht nicht den Regelungen des AuslG, auf welche diese kindergeldrechtliche Bestimmung verweist. Dies könnte allenfalls angenommen werden, wenn ausländerrechtlich ein Abschiebeverbot auf unbestimmte Zeit von vornherein generell undenkbar wäre. Das ist jedoch nicht der Fall; denn nach den §§ 51, 53 und 54 AuslG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl I, 1354) ist ein Abschiebeverbot auf unbestimmte Zeit durchaus möglich, und zwar nach § 51 AuslG für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge, nach § 53 AuslG für Abschiebungen in einen Staat unter konkreter Gefahr der Folter, der Todesstrafe oder eines Verstoßes gegen die Menschenrechtskonvention vom 4. November 1950 oder bei erheblicher konkreter Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit dieses Ausländers sowie nach § 54 AuslG aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland durch Anordnung der obersten Landesbehörde für länger als sechs Monate, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Inneren, im letzten Fall nicht nur „in mehreren Schritten”, sondern ebenso schon „von vornherein” (vgl Kanein/Renner, Ausländerrecht, 6. Aufl 1993, § 54 AuslG RdNr 3).
Der oben vorgenommenen Auslegung und Anwendung von § 1 Abs 3 BKGG 1990 nF kann auch nicht die frühere „Prognose-Rechtsprechung” des 10. Senats zum „gewöhnlichen Aufenthalt” von Asylbewerbern entgegengehalten werden. Diese Rechtsprechung hatte für die Zeit vor Inkrafttreten des § 1 Abs 3 BKGG 1989 lediglich die Regelung des § 1 Abs 1 BKGG auf eine besondere Fallkonstellation angewendet und daher zu Recht eine Einzelfallprüfung verlangt, ob ein Asylbewerber nicht ausnahmsweise doch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat; der verlangte Aufenthalt mußte sich dabei im Wege der Prognose „nach dem Ausländerrecht und der Handhabung der einschlägigen Ermessensvorschriften durch die Behörden” ergeben (vgl für das BKGG 1989 die oben zitierte Rechtsprechung sowie für die Rechtslage davor BSGE 65, 84, 86 ff = SozR 1200 § 30 Nr 17; 63, 47, 49 = SozR 5870 § 1 Nr 14). Zwar ist richtig, daß der Gesetzgeber mit § 1 Abs 3 BKGG 1989 – auch wenn dies im Gesetzgebungsverfahren nicht ausdrücklich ausgesprochen wurde – noch im wesentlichen an diese Rechtsprechung des 10. Senats angeknüpft hatte (so auch Wickenhagen/Krebs, BKGG, Stand Mai 1995, § 1 BKGG, RdNr 129). Das ergibt sich aus der Gesetzestechnik der Konkretisierung der allgemeinen Norm des § 1 Abs 1 Nr 1 BKGG für Ausländer „ohne Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis”, aus der Anspruchsgewährung „nur, wenn ihre Abschiebung auf unbestimmte Zeit unzulässig ist (1. Alternative) oder wenn sie aufgrund landesrechtlicher Verwaltungsvorschriften auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden (2. Alternative)”, sowie aus dem Abstellen auf die „ausländerbehördliche Praxis” in den Materialien und der dort vorausgeschickten Bemerkung, der neue Abs 3 diene nur der „Klarstellung” (vgl Bericht der Abgeordneten Götte in BT-Drucks 11/4765, S 5). Die Vorschrift stellte mithin in der 1. Alternative immer noch auf sämtliche Abschiebungshindernisse ab und war so noch einer Auslegung im Sinne einer Einzelfallprüfung zugänglich. Allerdings hatte der Gesetzgeber mit der 2. Alternative bereits stärker als bisher dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität Rechnung getragen, dem gerade im Kindergeldrecht als Regelung einer Massenerscheinung besondere Bedeutung zukommt (BVerfGE 82, 60, 101 ff).
Bei der – hier im Streit stehenden – Neufassung des § 1 Abs 3 BKGG 1990 nF schien zwar die gesetzgeberische Begründung, daß lediglich „die erforderlichen redaktionellen Anpassungen … an das neue Ausländergesetz” geregelt werden sollten (BT-Drucks 11/6321, S 91), unverändert in die bisherige Richtung zu weisen. In Wahrheit nahm die Novellierung zur Verwirklichung „verstärkter Verwaltungspraktikabilität” (so schon BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 47) eine völlig neue Ausrichtung der Vorschrift vor, und zwar gleich in doppelter Hinsicht: Zum einen war „nach den §§ 51, 53 oder 54 des AuslG”) nicht mehr auf alle Umstände des individuellen Einzelfalles, sondern nur noch auf bestimmte, im AuslG enumerativ aufgezählte Fälle abzustellen (BSG aaO; BSG vom 13. August 1996, 10 RKg 11/95 – nicht veröffentlicht –); zum anderen konnte der veränderte Wortlaut „nach den §§ 51, 53 oder 54 des AuslG auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können”) nur noch so ausgelegt werden, daß die Anordnungen der obersten Landesbehörde nach § 54 Satz 1 AuslG sich bereits selbst – also generell – Geltung für unbestimmte Zeit beimessen müssen. Damit ist die frühere Prognoserechtsprechung des 10. Senats jedenfalls hinsichtlich derartiger Abschiebehindernisse nach § 54 AuslG nicht mehr anwendbar.
Auf der geschilderten Grundlage hat der Kläger im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen des § 1 Abs 3 BKGG 1991 nF nicht erfüllt. Auch das LSG geht davon aus, daß die oben genannten Erlasse jeweils kein Abschiebeverbot für unbestimmte Zeit anordneten, sondern lediglich einen befristeten – wenn auch jeweils verlängerten – Abschiebestopp; dies ermöglichte, einer wechselnden Lage in den jeweiligen Herkunftsländern der von dem Abschiebestopp erfaßten Ausländer Rechnung zu tragen (s hierzu auch Renner ZAR 1995, 13, 17; zur Bedeutung von Anordnungen nach § 54 AuslG allgemein Göbel-Zimmermann ZAR 1995, 23, 27). Hinzu kam, daß nach § 54 AuslG die Anordnung eines Abschiebestopps im Ermessen der obersten Landesbehörde stand „kann”) und außerdem für jegliche Erstreckung über sechs Monate hinaus – also auch für eine bloße Verlängerung – des Einvernehmens des Bundesministeriums des Innern bedurfte (§ 54 Satz 2 AuslG). Den entsprechenden Ermessensentscheidungen jener Behörde und der Herbeiführung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern konnten Kindergeldbehörden und Sozialgerichte aber nicht vorgreifen. Dann kann im Kindergeldverfahren aber nicht mehr entgegen der sechsmonatigen Befristung der Erlasse angenommen werden, der Kläger könne auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden, da hinsichtlich des Bürgerkriegs in seinem Heimatland ein „Ende nicht absehbar” sei (in diese Richtung, aber noch offengelassen, bereits Urteil des 10. Senats vom 13. August 1995, 10 RKg 11/95 – nicht veröffentlicht –).
2. Im vorliegenden Zusammenhang ist nicht zu prüfen, ob durch die steuerliche Veranlagung des Klägers im Jahre 1992 in Höhe von DM 675,41 (1993 ist die Steuerschuld ohnehin auf 0.– DM festgesetzt worden) der verfassungsrechtliche Grundsatz verletzt ist, daß das Existenzminimum einer Familie lohn- und einkommenssteuerrechtlich verschont bleiben muß (BVerfGE 82, 60, 85 ff). Denn vorliegend geht es nicht um einen Steuerbescheid, bei dem die Verfassungswidrigkeit von steuerrechtlichen Eingriffsnormen oder unzureichenden steuerrechtlichen Freibetragsregelungen zu prüfen ist.
Auch die vom Bundesverfassungsgericht (≪BVerfG≫ aaO S 83 ff) entwickelten Grundsätze für sich aus dem Zusammenwirken mehrerer Einzelregelungen ergebende verfassungswidrige Rechtslagen greifen hier nicht ein. Danach kann, wenn sich der verfassungsrechtliche Mangel durch eine gesetzliche Nachbesserung bei der einen o d e r der anderen Einzelregelung beheben ließe, grundsätzlich jede dieser Normen zur Prüfung gestellt werden. Indessen ist eine Norm in diesem Zusammenhang nicht schon dann verfassungswidrig, wenn sie von ihrem Regelungsgegenstand her dazu dienen kann, dem Gesetzgeber durch ihre Änderung die Behebung eines – auch oder sogar in erster Linie durch eine andere Norm geschaffenen – verfassungswidrigen Zustands zu ermöglichen. Hinzu kommen muß vielmehr, daß die Norm objektiv erkennbar dem Regelungsziel (dem „gesetzgeberischen Programm”) dient, das in verfassungswidriger Weise verfehlt worden ist (BVerfG aaO, S 85). Dem Ziel, der Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit durch Unterhalt von Kindern Rechnung zu tragen, sollten im bis Ende 1995 geltenden dualen System nicht nur die steuerrechtlichen Freibeträge, sondern auch die Kindergeldregelungen dienen, weshalb von der Verfassungswidrigkeit der Gesamtlage auch die letztgenannten Regelungen erfaßt waren.
Dies gilt aber nicht für Ausländer ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht. Durch die zu Lasten des Klägers angewendete Norm des § 1 Abs 3 BKGG 1990 nF werden solche Ausländer gerade von vornherein aus diesem gesetzgeberischen Programm ausgeklammert. Die Zahlung von Kg als Sozialleistung kommt hier auch dann nicht in Betracht, wenn steuerrechtlich das notwendige Existenzminimum nicht gewahrt ist. Eine etwaige Verfassungswidrigkeit der Besteuerung ist allein anhand der einschlägigen Steuervorschriften zu prüfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Fundstellen
Haufe-Index 1173253 |
FamRZ 1998, 159 |