Leitsatz (amtlich)
Bei der Berechnung des Konkursausfallgelds ist die Lohnsteuer so zu berücksichtigen, wie sie der Arbeitgeber bei der Auszahlung des Entgelts zu berücksichtigen gehabt hätte. Dazu gehört auch die Anwendung des § 39b Abs 3 EStG.
Orientierungssatz
1. Das 13. und 14. Monatsgehalt sind typische sonstige Bezüge iS von § 39b Abs 3 EStG.
2. Bei der Errechnung der gesetzlichen Abzüge nach § 141d AFG für das 14. Monatsgehalt sind nicht die maßgeblichen Monatslohnsteuertabellen zugrunde zu legen.
Normenkette
AFG § 141d Abs 1 S 1; EStG § 39b Abs 3
Verfahrensgang
LSG für das Saarland (Entscheidung vom 28.10.1986; Aktenzeichen L 2 Ar 12/86) |
SG für das Saarland (Entscheidung vom 09.05.1986; Aktenzeichen S 13 Ar 224/84) |
Tatbestand
Die Beklagte gewährte dem Kläger durch den hier angefochtenen Bescheid vom 4. Juni 1984 Konkursausfallgeld (Kaug) für die Zeit vom 30. September 1983 bis zum 29. Dezember 1983 in Höhe von insgesamt 23.674,45 DM. Im sozialgerichtlichen Verfahren streiten die Beteiligten darüber, ob die Beklagte die gesetzlichen Abzüge eines Teiles des Kaug richtig berechnet hat. Sozialgericht (SG, Urteil vom 9. Mai 1986) und Landessozialgericht (LSG, Urteil vom 28. Oktober 1986) haben den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig angesehen. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hatte gegen seine Arbeitgeberin, über deren Vermögen das Konkursverfahren am 30. Dezember 1983 eröffnet wurde, ua einen Anspruch auf ein 13. und ein 14. Monatsgehalt, welches am 30. Juni bzw am 30. November des jeweiligen Kalenderjahres zu zahlen war. In dem Bewilligungsbescheid vom 4. Juni 1984 ist das am 30. November 1983 fällig gewesene 14. Monatsgehalt in voller Höhe berücksichtigt. Bei der Berechnung der gesetzlichen Abzüge sind die Steuern nach der Monatslohnsteuertabelle berücksichtigt worden. Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch ihren Widerspruchsbescheid vom 24. September 1984 zurück.
Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. In dem Urteil des SG ist ausgeführt, daß die Beklagte zu Unrecht das 14. Monatsgehalt in voller Höhe berücksichtigt habe. Dieses sei vielmehr anteilig dem Lohn des Monats zuzurechnen gewesen, in dem es erarbeitet worden sei, so daß es steuerlich wie Monatslohn als laufender Arbeitslohn habe behandelt werden müssen. Die Beklagte habe daher die Monatslohnsteuertabelle zu Recht zugrunde gelegt. Das LSG hat angenommen, die Beklagte habe die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) zutreffend angewendet habe. Sie habe weder die Vorschriften über den Lohnsteuerjahresausgleich noch über den permanenten Lohnsteuerjahresausgleich nach § 39b Abs 2 Satz 7 EStG anwenden dürfen, weil die Errechnung der Höhe des Kaug nicht von damit verbundenen Zufälligkeiten abhängig gemacht werden dürfe.
Im Revisionsverfahren rügt der Kläger die unrichtige Anwendung materiell-rechtlicher Vorschriften. Die Beklagte habe die Lohnsteuer nicht richtig errechnet. Wenn sie - ebenso wie die Vorinstanzen - davon ausgehe, daß die Monatslohnsteuertabelle zugrunde zu legen sei, so widerspreche dies der Vorschrift des § 39b Abs 3 Satz 3 EStG; denn bei dem 14. Monatsgehalt handele es sich nicht um laufenden Arbeitslohn, sondern vielmehr um einen sogenannten "sonstigen Bezug". Für diesen sei die Errechnung der Lohnsteuer aus der Jahreslohnsteuertabelle zwingend vorgeschrieben.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichtes für das Saarland vom 28.Oktober 1986 wird die Beklagte in Abänderung des Urteils des Sozialgerichtes für das Saarland vom 09. Mai 1986 verurteilt, unter Abänderung ihres Bescheides vom 04. Juni 1984 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. September 1984 dem Kläger Konkursausfallgeld für den Monat November 1983 mit der Maßgabe zu gewähren, daß die Berechnung von Lohn- und Kirchensteuer für das in diesem Monat im Rahmen des Arbeitsverhältnisses fällig gewesene 14. Monatsgehalt nach der Jahres-Lohnsteuer-Tabelle zu erfolgen hat.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Nach ihrer Meinung trifft die Auffassung der Vorinstanzen zu, wonach die Anwendung der Vorschriften über den Lohnsteuerjahresausgleich im Rahmen der Gewährung von Kaug nicht zulässig ist.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich übereinstimmend damit einverstanden erklärt haben.
Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht; denn dessen Feststellungen reichen zur endgültigen Entscheidung darüber nicht aus, ob der Kläger einen Anspruch auf höheres Kaug hat.
Im vorliegenden Verfahren ist der Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 1984 in der Gestalt Gegenstand der Klage, welche er durch den Widerspruchsbescheid vom 24. September 1984 erhalten hat (§ 95 SGG). In dem Bescheid vom 4. Juni 1984 heißt es, daß 23.674,45 DM Kaug für den Zeitraum vom 30. September bis 29. Dezember 1983 entsprechend dem Antrag des Klägers gewährt werde und diesem Antrag insoweit teilweise nicht entsprochen sei, als die Anwendung der Jahreslohnsteuertabelle nicht möglich sei. Dies bekräftigte der Widerspruchsbescheid der Beklagten. Damit entsprach die Beklagte dem Antrag des Klägers auf Gewährung von Kaug in der genannten Höhe. Die Bescheide sind insoweit (relativ) verbindlich geworden, als die Beklagte dem Kläger jedenfalls in Höhe von 23.674,45 DM Kaug zu zahlen hat. Insoweit ist der Bewilligungsbescheid der Beklagten auch von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu beachten (§ 77 SGG). Dagegen steht nicht bindend fest, daß dem Kläger Kaug unter Berücksichtigung von vier vollen Monatsgehältern - dh unter Einschluß des gesamten 14. Monatsgehalts - zu zahlen ist; denn die Begründung für die Leistungsbewilligung, die zwar für die Auslegung des Verfügungssatzes Bedeutung erlangen kann, nimmt an der Bindungswirkung des Bescheides nicht teil.
Nach § 141b Abs 1 AFG sind nur diejenigen Arbeitsentgeltansprüche kaug-fähig, die "für die letzten der Eröffnung des Konkurses vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses" zu zahlen sind. Ob diese Voraussetzungen hier bezüglich des 14. Monatsgehalts des Klägers gegeben sind, ist in dem angefochtenen Urteil nicht festgestellt worden. In dem Urteil heißt es insoweit lediglich, daß der Kläger einen Anspruch auf diese Leistung hatte, ohne daß eine Anspruchsgrundlage - Tarifvertrag oder Einzelarbeitsvertrag - genannt wird. Dementsprechend hat das LSG nicht überprüft, ob die zum 30. Juni und 30. November fälligen zusätzlichen Gehälter ganz oder teilweise Entgelt für die letzten drei Monate des Beschäftigungsverhältnisses sind. Wären sie Entgelt für einen längeren Zeitraum, könnte nur derjenige Anteil der zusätzlichen Zahlungen bei der Bewilligung von Kaug in Ansatz gebracht werden, welcher auf den Kaug-Zeitraum entfällt (BSG SozR 4100 § 141b Nr 8 und Nr 40). Das LSG wird demgemäß zu prüfen haben, ob der Kläger einen Kaug-Anspruch auch in Höhe des vollen 14. Monatsgehalts - abzüglich der gesetzlichen Abzüge - hat. Erst wenn feststeht, daß dies der Fall ist, kann der erkennende Senat beurteilen, ob der Kläger einen - noch - höheren Kaug-Anspruch hat, weil dann in dem angefochtenen Bescheid die gesetzlichen Abzüge zu Ungunsten des Klägers zu hoch angesetzt worden wären.
Dem angefochtenen Urteil kann in rechtlicher Hinsicht insoweit nicht zugestimmt werden, als darin die gesetzlichen Abzüge für das zusätzliche Monatsgehalt nach der Monatslohnsteuertabelle berechnet werden soll.
Nach § 141d des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) ist bei der Berechnung des Kaug von dem Bruttoarbeitsentgelt in dem rechtserheblichen Zeitraum auszugehen, das sich um die gesetzlichen Abzüge vermindert. Gesetzliche Abzüge im Sinne des §141d Abs 1 Satz 1 AFG sind ua die Lohnsteuern (vgl zuletzt BSGE 60, 7). Der erkennende Senat hat in diesem Urteil ua entschieden, daß die Vorschriften über den Lohnsteuerjahresausgleich (§§ 42b und 39b Abs 2 Satz 7 EStG) bei der Errechnung der gesetzlichen Abzüge nach § 141d AFG nicht zu berücksichtigen sind. Unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung haben die Beklagte und die Vorinstanzen angenommen, daß die gesetzlichen Abzüge vom Bruttoentgelt ohne Berücksichtigung der Jahreslohnsteuertabellen festzustellen sind. Demzufolge haben sie es im vorliegenden Falle auch im Hinblick auf das dem Kläger zustehende 14. Monatsgehalt abgelehnt, eine andere als die Monatslohnsteuertabelle für dieses Entgelt anzuwenden. Das war jedoch nicht zutreffend.
Das Begehren des Klägers, bei der Errechnung der gesetzlichen Abzüge für sein 14. Monatsgehalt andere als die Monatslohnsteuertabellen zugrunde zu legen, war nicht darauf gerichtet, Vorschriften über den Lohnsteuerjahresausgleich zu berücksichtigen. Vielmehr zielte dieses Begehren auf die Anwendung des § 39b Abs 3 EStG ab. Diese Vorschrift gehört entgegen der Annahme der Beklagten und der Vorinstanzen nicht zu denjenigen, welche den Lohnsteuerjahresausgleich betreffen. Das Gesetz unterscheidet vielmehr für die allgemeine Durchführung des Lohnsteuerabzugs bei unbeschränkt einkommenssteuerpflichtigen Arbeitnehmern zwischen zwei unterschiedlichen Einkommensarten, nämlich dem laufenden Arbeitslohn auf der einen Seite und den sonstigen Bezügen auf der anderen Seite. Für den laufenden Arbeitslohn ist die Lohnsteuer nach § 39b Abs 2 EStG einzubehalten. Demgegenüber ist bei der Errechnung der Lohnsteuer von einem sonstigen Bezug von § 39b Abs 3 EStG auszugehen. Nur für den laufenden Arbeitslohn sieht das Gesetz - nämlich in § 39b Abs 2 Satz 7 EStG - die Durchführung eines permanenten Jahreslohnsteuerausgleichs vor. Für sonstige Bezüge erfolgt ein derartiger Lohnsteuerjahresausgleich bei der Einbehaltung der Lohnsteuer dagegen nicht. Um einen "sonstigen Bezug" im Sinne von § 39b Abs 3 EStG geht es hier, denn sonstige Bezüge im Sinne dieser Vorschrift sind Entgeltzahlungen, die nicht als laufender Arbeitslohn gewährt werden. Laufender Arbeitslohn ist der Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließt. Dagegen gehören einmalige Arbeitslohnzahlungen, die neben dem laufenden Arbeitslohn gewährt werden, zu den sonstigen Bezügen im Sinne von § 39b Abs 3 EStG. Das 13. und 14. Monatsgehalt sind typische sonstige Bezüge (s ua Bordewin ua, Die Einkommenssteuer, Handkommentar zum geltenden Einkommenssteuergesetz, 2. Aufl, § 39b Anm 4. a; Klein/Flockermann/Kühr, Kommentar zum Einkommenssteuergesetz, 3. Aufl, § 39b RdZiff 79 ff). Von einem sonstigen Bezug ist die Lohnsteuer in dem Zeitpunkt einzubehalten, in dem er gezahlt wird. Bei der Lohnsteuerermittlung sind die auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Merkmale zugrunde zu legen und die in § 39b Abs 3 zwingend vorgeschriebene Differenzberechnung durchzuführen. Die Einbehaltung von Lohnsteuer für einen sonstigen Betrag aufgrund der Monatslohnsteuertabelle ist danach nicht möglich.
Die Beklagte und die Vorinstanzen haben also zu Unrecht angenommen, daß bei der Errechnung der gesetzlichen Abzüge nach § 141d AFG für das 14. Monatsgehalt des Klägers die maßgeblichen Monatslohnsteuertabellen zugrunde zu legen sind. Die Rechtslage würde sich nicht etwa ändern, wenn die sonstigen Bezüge im vorliegenden Falle auf einen längeren als den Kaug-Zeitraum entfielen. Selbst wenn davon auszugehen wäre, daß das 14. Monatsgehalt des Klägers so anzusehen ist, als wäre es auf die drei Monate vor Eröffnung des Konkursverfahrens oder auf weitere Monate gleichmäßig zu verteilen, ändert sich an der steuerrechtlichen Behandlung dieses Gehaltes nichts. Vielmehr sind die Vorschriften des § 39b Abs 3 EStG ausnahmslos für sonstige Bezüge anzuwenden. Ob dabei aus sozialrechtlichen oder aus arbeitsrechtlichen Erwägungen eine Verteilung von lohnsteuerpflichtigem Einkommen auf mehrere Monate in Betracht kommt, ist eine Frage, welche die Anwendung der Steuergesetze nicht berührt. Bei der Berechnung des Kaug ist die Lohnsteuer so zu berücksichtigen, wie sie der Arbeitgeber bei der Auszahlung des Entgelts zu berücksichtigen gehabt hätte. Dazu gehört auch die Anwendung des § 39b Abs 3 EStG.
Nach alledem war das Urteil des LSG aufzuheben, weil es aus Rechtsgründen sehr wohl möglich ist, daß der Kläger einen Anspruch auf das begehrte höhere Kaug hat. Dies hängt davon ab, ob das 14. Monatsgehalt für den Kaug-Zeitraum zu zahlen war, oder ob es - ggfs zusammen mit dem 13. Monatsgehalt - für einen größeren Zeitraum gewährt war. Ob dies der Fall ist, hat das LSG bisher nicht festgestellt und geprüft. Das LSG wird dies nachholen und auch über die Kosten des Revisionsverfahrens entscheiden müssen.
Fundstellen