Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Beitragspflicht. Jagdverband. Aufnahmebescheid. Zuständigkeitsbescheid. Mitgliedschaft. Beitragsbescheid. Rücknahme. landwirtschaftlicher Unternehmer. unfallversicherungsrechtlicher Begriff des Unternehmens
Leitsatz (amtlich)
1. Dem Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts über die Aufnahme des Unternehmers in das Unternehmerverzeichnis steht entgegen, dass die Unfallversicherungsträger seit dem 1.1.1997 verpflichtet sind, dem Unternehmer einen wirkungsgleichen Verwaltungsakt über den Beginn ihrer Zuständigkeit für das Unternehmen zu erteilen.
2. Der unfallversicherungsrechtliche Unternehmensbegriff ist weit und erfasst prinzipiell jede "Tätigkeit" im Sinn einer willentlichen, zielgerichteten Aktivität.
Normenkette
SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d, § 121 Abs. 1, § 123 Abs. 1 Nr. 7, § 136 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 183 Abs. 5; SGB X § 39 Abs. 2, § 44 Abs. 1-3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 5. Februar 2020 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 26. Januar 2018 zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Mitglied der Beklagten ist und Beiträge für die Umlagejahre 2011, 2012 und 2015 sowie einen Beitragsvorschuss für 2016 zahlen muss.
Der Kläger ist ein eingetragener, gemeinnütziger Verein. Seine satzungsgemäßen Aufgaben und Ziele bestehen ua darin, durch die Pflege und Förderung aller Zweige des Jagdwesens Natur- und Kulturlandschaften sowie alle in diesen Räumen lebenden Tier- und Pflanzenarten zu schützen und zu erhalten, Bestände von Tierarten zu regulieren und die natürlichen Ressourcen durch Hege und Bejagung nicht bedrohter Tierarten nachhaltig zu nutzen. Er vertritt die Interessen seiner Mitglieder und unterstützt ihre Aus- und Weiterbildung auf allen Gebieten der Jagd und des Naturschutzes. Die Sächsische Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft (LBG) nahm ihn ab dem 1.4.1993 in ihr Unternehmerverzeichnis auf, weil er ein Unternehmen zum Schutz und zur Förderung der Landwirtschaft betreibe (Aufnahmebescheid vom 27.9.1995). Als deren Rechtsnachfolgerinnen setzten die LBG Mittel- und Ostdeutschland (LBG MOD) die Gesamtbeiträge für 2011 auf 43,36 Euro (Beitragsbescheid vom 2.3.2012) und die Beklagte für 2012 auf 50,02 Euro fest (Beitragsbescheid vom 11.2.2013).
Die Anträge des Klägers, die Beitragsbescheide zurückzunehmen und die Beiträge zu erstatten, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 20.4.2016), setzte den Beitrag für 2015 auf 84,65 Euro sowie den Beitragsvorschuss für 2016 auf 67,72 Euro fest (Bescheid vom 24.8.2016) und wies die Widersprüche zurück (Widerspruchsbescheid vom 21.12.2016). Außerdem lehnte sie es ab, den Aufnahmebescheid vom 27.9.1995 im Zugunstenverfahren zurückzunehmen, weil das Überweisungsverfahren (§ 136 Abs 1 Satz 4, Abs 2 SGB VII) vorrangig sei (Bescheid vom 29.3.2017 und Widerspruchsbescheid vom 11.4.2017).
Das SG hat die Klagen abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 26.1.2018). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG den Gerichtsbescheid, den Bescheid vom 29.3.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.4.2017 sowie die Bescheide vom 20.4. und 24.8.2016 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.12.2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Bescheid vom 27.9.1995 sowie die Beitragsbescheide vom 2.3.2012 und vom 11.2.2013 zurückzunehmen (Urteil vom 5.2.2020): Die Aufnahme des Klägers in das Unternehmerverzeichnis sei von Anfang an unrichtig und daher nach § 44 SGB X zurückzunehmen, weil er kein Unternehmen betreibe und deshalb auch kein Unternehmer sei, der Mitglied eines Unfallversicherungsträgers sein könne. Für ihn seien keine Versicherten tätig, die zu Schaden kommen könnten, sodass keine Berührungspunkte zum System der gesetzlichen Unfallversicherung bestünden. Mit der Rücknahme des Aufnahmeverwaltungsakts entfalle die Grundlage aller Beitragsbescheide.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§ 136 Abs 1 iVm § 121 Abs 1 SGB VII bzw des § 658 Abs 2 Nr 1 RVO sowie des § 776 Abs 1 Satz 1 Nr 4 RVO bzw des § 123 Abs 1 Nr 6 und 7 SGB VII): Der bestandskräftige Aufnahmebescheid vom 27.9.1995 sei anfänglich rechtmäßig gewesen, weil die Jagd zur Landwirtschaft iS des § 776 Abs 1 Satz 1 RVO gehöre und der Kläger daher ein "Unternehmen zum Schutz und zur Förderung der Landwirtschaft" bzw einen "Verband" iS des § 776 Abs 1 Satz 1 Nr 4 RVO betrieben habe. Mit Inkrafttreten des § 123 Abs 1 Nr 6 und 7 SGB VII habe sich daran nichts geändert. Selbst wenn man dies anders sehe, werde der allgemeine § 44 SGB X durch den spezielleren § 136 Abs 1 Satz 4, Abs 2 Satz 1 und 2 SGB VII verdrängt. Sei der Kläger somit in jedem Fall versicherungs- und beitragspflichtiges Mitglied der Beklagten, seien auch die Beitragsbescheide nicht zu beanstanden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 5. Februar 2020 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 26. Januar 2018 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er bekräftigt seine Rechtsansicht, kein Pflichtmitglied der Beklagten zu sein, und führt aus, er wolle weder an die Verwaltungs-BG überwiesen werden noch deren Mitglied sein oder werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG) und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Gerichtsbescheids vom 26.1.2018.
Zu Unrecht hat das LSG den Gerichtsbescheid, den Bescheid vom 29.3.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.4.2017 sowie die Bescheide vom 20.4. und 24.8.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.12.2016 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Bescheid der Sächsischen LBG vom 27.9.1995 (dazu A.), den Bescheid der LBG MOD vom 2.3.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.2.2013 (zu beiden B.) zurückzunehmen. Der Bescheid vom 24.8.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.12.2016 (§ 95 SGG) ist ebenfalls nicht zu beanstanden, weil die dort verkörperten Verwaltungsakte über die Festsetzung des Beitrags für das Umlagejahr 2015 sowie das entsprechende Zahlungsgebot rechtmäßig und die Festsetzung des Beitragsvorschusses für das Umlagejahr 2016 nebst Zahlungsgebot auf andere Weise erledigt sind (dazu C.).
Die erstrebten Rücknahmen richten sich nach § 44 SGB X. Danach ist ein iS des § 44 Abs 1 SGB X nicht begünstigender Verwaltungsakt zurückzunehmen, soweit er anfänglich rechtswidrig ist. Der Verwaltungsakt ist immer mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Abs 2 Satz 1 aaO), soweit er noch Rechtswirkungen hat, also noch nicht iS des § 39 Abs 2 SGB X erledigt ist. Die Rücknahme hat für die Vergangenheit zu erfolgen, wenn wegen der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind (§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB X). Das Gebot zur rückwirkenden Rücknahme gilt nicht in bestimmten Fällen der Bösgläubigkeit (Abs 1 Satz 2 aaO). Im Übrigen "kann" der anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakt auch in sonstigen Fällen, dh außerhalb des Abs 1 Satz 1 aaO, für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Abs 2 Satz 2 aaO).
A. Zu Unrecht hat das LSG die Ablehnungsentscheidungen in dem Bescheid vom 29.3.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.4.2017 (§ 95 SGG) aufgehoben (§ 54 Abs 1 Satz 1 Var 1 SGG) und die Beklagte verpflichtet (§ 54 Abs 1 Satz 1 Var 3 SGG), die Entscheidung der Sächsischen LBG vom 27.9.1995 über die Aufnahme des Klägers in das Unternehmerverzeichnis wegen anfänglicher Unrichtigkeit zurückzunehmen. Dem Anspruch auf Rücknahme des Aufnahmeverwaltungsakts vom 27.9.1995 steht entgegen, dass die Sächsische LBG spätestens mit Inkrafttreten des § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII ab dem 1.1.1997 (Art 1, Art 36 Satz 1 des Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das SGB ≪UVEG≫ vom 7.8.1996, BGBl I 1254) verpflichtet war, ihre Zuständigkeit für den Jagdverband als landwirtschaftliches Unternehmen gegenüber dem Kläger festzustellen (dazu I.). Für die Zeit vom 1.4.1993 bis 31.12.1996 besteht ebenfalls kein Aufhebungsanspruch (dazu II.), weil die Rücknahme des Aufnahmeverwaltungsakts für den Kläger in diesem Zeitraum keine günstigen Auswirkungen mehr haben kann.
I. Nach § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII stellt der Unfallversicherungsträger Beginn und Ende seiner Zuständigkeit für ein Unternehmen durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Unternehmer fest. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm sind seit dem 1.1.1997 durchgehend erfüllt (dazu 1.), sodass die Sächsische LBG den "Aufnahmebescheid" vom 27.9.1995 ab dem 1.1.1997 als "Zuständigkeitsbescheid" wirkungsgleich hätte erlassen müssen. In dieser Ausnahmesituation erlischt die Befugnis der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (§ 2 SGG), die zuständige Behörde (§ 44 Abs 3 SGB X) zu verpflichten, anfänglich rechtswidrige Aufnahmeverwaltungsakte für Zeiträume ab dem 1.1.1997 zurückzunehmen (dazu 2.).
1. Die Sächsische LBG hatte ab dem 1.1.1997 den Beginn ihrer Zuständigkeit gegenüber dem Kläger für den Jagdverband durch schriftlichen Bescheid festzustellen. Denn der Kläger war Unternehmer eines unfallversicherungsrechtlichen Unternehmens (dazu a) der Landwirtschaft (dazu b), und die Sächsische LBG war der sachlich und örtlich zuständige Unfallversicherungsträger (dazu c).
a) Entgegen der Ansicht des Klägers ist er "Unternehmer" eines unfallversicherungsrechtlichen "Unternehmens". Unternehmer ist nach § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII in seiner bis zum 16.11.2016 geltenden Fassung derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Den Typus des Unternehmens umschreibt der Klammerzusatz in § 121 Abs 1 SGB VII, indem er Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen und bloße Tätigkeiten aufzählt. Dieser Sammelbegriff macht deutlich, dass unter einem "Unternehmen" nicht nur ein Betrieb im herkömmlichen wirtschaftlichen Sinne zu verstehen ist (BSG Urteile vom 31.1.2012 - B 2 U 3/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 18 RdNr 16 und vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2 RdNr 13). Der unfallversicherungsrechtliche Unternehmensbegriff ist vielmehr "denkbar weit" bzw "weit umfassend" (BSG Urteile vom 30.3.2017 - B 2 U 10/15 R - BSGE 123, 35 = SozR 4-2700 § 130 Nr 1, RdNr 11 und vom 29.11.1990 - 2 RU 18/90 - SozR 3-2200 § 539 Nr 6 S 23; Spellbrink in Schulin, HdBSozVersR, Bd 2, 1996, § 25 RdNr 11). Er knüpft nicht an eine bestimmte Rechtsform oder das Vorliegen einer organisatorischen Einheit an und setzt weder einen Geschäftsbetrieb noch eine auf Erwerb oder Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit voraus (BSG Urteile vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2 RdNr 13, vom 28.9.1999 - B 2 U 40/98 R - SozR 3-2200 § 776 Nr 5 S 12 f und vom 5.8.1976 - 2 RU 189/74 - BSGE 42, 126, 128 = SozR 2200 § 539 Nr 24 S 68). Als "unterste Ausprägungsstufe eines Unternehmens ohne nennenswerte Anforderungen an die Organisation" (so BSG Urteil vom 5.3.2002 - B 2 U 8/01 R - juris RdNr 19; Bereiter-Hahn/Mehrtens, GUV, Stand 07/21, § 121 SGB VII RdNr 3.1) ist in der gesetzlichen Unfallversicherung prinzipiell jede willentliche, zielgetragene Aktivität (Dausmann/Platz, BG 1986, 748, 749; enger Bigge in Eichenhofer/v Koppenfels-Spies/Wenner, SGB VII, 2. Aufl 2019, § 121 RdNr 11) bzw jedes zielgerichtete Handeln (Lilienfeld in Kasseler Kommentar, Stand Mai 2021, SGB VII, § 121 RdNr 4; Schlaeger in BeckOK SozR, Stand 1.3.2021, SGB VII § 121 RdNr 3a) und in diesem Sinne jede "Tätigkeit" geeignet, ein Unternehmen zu begründen (BSG Urteile vom 31.1.2012 - B 2 U 3/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 18 RdNr 16 und vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2 RdNr 13; Bereiter-Hahn/Mehrtens, GUV, Stand 07/21, § 121 SGB VII RdNr 3.1). Deshalb kann zB eine Rettungshandlung (§ 539 Abs 1 Nr 9 Buchst a RVO; § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst a SGB VII), das bloße Halten von Fahrzeugen oder Tieren (§ 658 Abs 2 Nr 2 RVO, § 128 Abs 1 Nr 9 SGB VII), das Führen eines (Privat-)Haushalts (§ 129 Abs 1 Nr 2 SGB VII) oder das Mähen eines Wiesengrundstücks (BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - SozR 4-2700 § 123 Nr 2) unfallversicherungsrechtlich ein "Unternehmen" sein. Im Übrigen liegt ein Unternehmen jedenfalls dann vor, wenn materielle und immaterielle Mittel in einer organisatorischen, äußerlich abgrenzbaren Einheit planvoll für eine gewisse Dauer zusammengefasst werden, die unter einheitlicher Führung steht und ihrerseits einen bestimmten Zweck verfolgt (vgl BSG Urteile vom 20.8.2019 - B 2 U 35/17 R - SozR 4-2700 § 121 Nr 2 und vom 30.3.2017 - B 2 U 10/15 R - BSGE 123, 35 = SozR 4-2700 § 130 Nr 1; zum unfallversicherungsrechtlichen Unternehmensbegriff: Bereiter-Hahn/Mehrtens, GUV, Stand 07/21, § 121 Anm 3.1 mwN auf die Rspr). Als eingetragener Verein ist der Kläger ein auf Dauer angelegter Zusammenschluss mehrerer Personen zur Verfolgung gemeinsamer Zwecke, der körperschaftlich organisiert ist, durch seinen Vorstand handelt, einen Gesamtnamen führt und von der Mitgliederfluktuation unabhängig ist. Indem er die jagdlichen Interessen seiner Mitglieder vertrat und sie bei ihrer Aus- und Weiterbildung auf allen Gebieten der Jagd und des Naturschutzes unterstützte, betrieb er als äußerlich abgrenzbare Einheit ein "Unternehmen", dessen Ergebnis ihm unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereichte. Etwas anders könnte nur anzunehmen sein, wenn der Kläger seine Aktivitäten komplett eingestellt hätte. Dafür bestehen indes keine Anhaltspunkte.
b) Lag damit ein "Unternehmen" vor, so war es der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zuzuordnen, für die - mangels abdrängender Sonderzuweisung zu den Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand (§ 123 Abs 1 Satz 1, §§ 125 ff SGB VI) - die landwirtschaftlichen BGen gemäß § 123 Abs 1 Nr 7 SGB VII zuständig waren. Nach dieser Vorschrift sind die landwirtschaftlichen BGen zuständig für "Unternehmen, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen". Der klagende Jagdverband förderte die Landwirtschaft im Sinne der Jagd (dazu aa) unmittelbar (dazu bb) und überwiegend (dazu cc), sodass offenbleiben kann, ob Jagdverbände auch zu den "Berufsverbänden der Landwirtschaft" iS des § 123 Abs 1 Nr 6 Alt 2 SGB VII zählen (dazu dd).
aa) Objekt "der Sicherung, Überwachung oder Förderung" und Ziel entsprechender Maßnahmen ist die "Landwirtschaft", zu der auch die "Jagd" zählt, wie die Auslegung nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck ergibt, wobei die Entstehungsgeschichte unergiebig ist.
Der unfallversicherungsrechtliche Begriff der "Landwirtschaft" ist weit. Neben der Bodenbewirtschaftung (im Sinne von Acker-, Garten-, Obst-, Weinbau sowie Forstwirtschaft) und der Viehhaltung, auf die nach allgemeinem Sprachgebrauch ein enger Landwirtschaftsbegriff begrenzt ist (vgl https://www.duden.de/rechtschreibung/Landwirtschaft, https://www.wortbedeutung.info/ Landwirtschaft/ und Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 7. Aufl 2000), gehören nach einem weiten Wortverständnis auch die Fischerei und Jagd (vgl zB "Duden" Wirtschaft von A bis Z: Grundlagenwissen für Schule und Studium, Beruf und Alltag, 6. Aufl 2016, Landwirtschaft zitiert nach https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-der-wirtschaft/20010/landwirtschaft) sowie nach einer sehr weiten Lesart sogar die jeweils erste Verarbeitungsstufe (Mehlmahlen, Schlachten, Molkerei, Kellerei, vgl zB Art 38 Abs 1 AEUV) zur Landwirtschaft. Zu deren Akteuren zählen die landwirtschaftlichen Unternehmer mit ihren landwirtschaftlichen Unternehmen, die § 123 Abs 1 SGB VII bereichsspezifisch auflistet. Diese Aufzählung erfasst neben der Bodenbewirtschaftung und der Viehhaltung (auch ohne Bodenbewirtschaftung, Nr 2) die Fischerei und Landschaftspflege (Nr 1), land- und forstwirtschaftliche Lohnunternehmen (Nr 3), Park- und Gartenpflege sowie Friedhöfe (Nr 4) und Jagden (Nr 5). Damit wird deutlich, dass dem SGB VII ein weiter Landwirtschaftsbegriff zugrunde liegt (für eine weite Auslegung: Bereiter-Hahn/Mehrtens, GUV, Stand 07/21, § 123 Anm 15; Büntig in Lauterbach, UV, Stand 09/2016, § 123 RdNr 65; Koch in Kasseler Kommentar, Stand Mai 2021, SGB VII, § 123 RdNr 27; die enge Auslegung befürwortend: Sächsisches LSG Urteil vom 15.5.2003 - L 2 U 145/01 LW - juris RdNr 82; Bigge in Eichenhofer/v Koppenfels-Spies/Wenner, SGB VII, 2. Aufl 2019, § 123 RdNr 31; Feddern, jurisPK-SGB VII, Stand 26.10.2020, § 123 SGB VII RdNr 78). Dieser erfasst grundsätzlich die gesamte Landnutzung (der natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung und Verwertung von Pflanzen und Tieren) und damit den gesamten primären Sektor (im Sinne der "Urproduktion" mit Ausnahme der Rohstoffgewinnung) und darüber hinaus auch agrarnahe Einrichtungen des tertiären (Dienstleistungs-)Sektors wie Landwirtschaftskammern und Berufsverbände der Landwirtschaft (Nr 6) sowie die Träger der landwirtschaftlichen Sozialversicherung und Ähnliches (Nr 8) einschließt. Sind damit ua "Jagden" landwirtschaftliche Unternehmen im Sinne des Unfallversicherungsrechts, so umfasst der Oberbegriff der Landwirtschaft auch die Jagd als dessen Unterbegriff. Folglich sind landwirtschaftliche Unternehmen nach § 123 Abs 1 Nr 7 SGB VII auch solche Unternehmen, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung und Förderung von Jägern, Jagdunternehmern und ihren jeweiligen Jagdunternehmen überwiegend dienen. Spiegelbildlich sind nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst d SGB VII alle Personen kraft Gesetzes unfallversichert, die in diesen Jagdunternehmen ehrenamtlich tätig sind. Die überschießende Anwendung des weiten Landwirtschaftsbegriffs begrenzen die kumulativen Zusatzerfordernisse der "Unmittelbarkeit" und des "überwiegenden Dienens".
Aus systematischer und teleologischer Sicht sind keine Sachgründe erkennbar, Jagdverbände von vornherein aus dem sachlichen Zuständigkeitsbereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung auszuschließen. Denn auch wesensgleiche Verbände der "Fischzucht", "Binnenfischerei" oder "Imkerei", die § 123 Abs 1 Nr 1 SGB VII als Landwirtschaftszweige aufführt, können anerkanntermaßen zu den landwirtschaftlichen Unternehmen zählen, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen. Auch Gesichtspunkte der Unfallprävention und Rehabilitation (vgl § 1 SGB VII) stehen einer Zuständigkeit der landwirtschaftlichen BG für Jagdverbände der vorliegenden Art nicht entgegen. Denn die Verbandsarbeit erfordert keine Spezialkenntnisse, über die andere BGen exklusiv verfügen. Schließt die Zuständigkeit der landwirtschaftlichen BG mit den Landwirtschaftskammern und Berufsverbänden der Landwirtschaft (§ 123 Abs 1 Nr 6 SGB VII) sowie den Trägern der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (§ 123 Abs 1 Nr 8 SGB VII) auch agrarnahe Dienstleistungen ein, erscheint es keinesfalls willkürlich (Art 3 Abs 1 GG), Jagdverbände ebenfalls in diese Gefahrengemeinschaft einzubeziehen (zu den Gesichtspunkten der Präventionsarbeit und dem Einpassen in eine bestimmte Gefahrengemeinschaft vgl BSG Urteil vom 11.8.1998 - B 2 U 31/97 R - juris RdNr 30).
Historische Gesichtspunkte stehen einem weiten Landwirtschaftsbegriff nicht entgegen, wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 13.8.2002 (B 2 U 104/02 B - juris RdNr 4) ausgeführt hat: Nach dem bis zum 31.12.1996 geltenden § 776 Abs 1 Satz 1 Nr 4 RVO umfasste die landwirtschaftliche Unfallversicherung Unternehmen zum Schutz und zur Förderung der Landwirtschaft einschließlich der landwirtschaftlichen Selbstverwaltung und ihrer Verbände (§ 539 Abs 1 Nr 5 RVO). Diese Regelung ist - wie auch die übrigen Vorschriften des Dritten Buches der RVO - durch Art 35 Nr 1 des UVEG vom 7.8.1996 (BGBl I 1254) aufgehoben und mit Wirkung vom 1.1.1997 (Art 36 Satz 1 UVEG) durch § 123 Abs 1 Nr 6 und 7 SGB VII ersetzt worden. Die Unterschiede zwischen § 776 Abs 1 Satz 1 Nr 4 RVO und § 123 Abs 1 Nr 7 SGB VII sind nicht nur formaler und sprachlicher Art. Die Vorschriften unterscheiden sich vielmehr auch im Begrifflichen. Insbesondere fordert letztere Vorschrift im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin die Unmittelbarkeit und das Überwiegen der Sicherung, Überwachung und Förderung der Landwirtschaft, sodass die voneinander abweichenden Formulierungen der alten und der neuen Vorschrift rechtserhebliche Unterscheidungskriterien bei der jeweiligen Auslegung beinhalten. Zwar heißt es in der amtlichen Begründung zu § 123 Abs 1 Nr 7 SGB VII, die Vorschrift entspreche dem geltenden Recht; ohne inhaltliche Änderung würden die hierdurch erfassten Unternehmen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung konkreter beschrieben (BT-Drucks 13/2204 S 104). Abgesehen davon, dass bei der Auslegung von Rechtsnormen im Zweifel deren objektiver Erklärungsinhalt und nicht die Gesetzesmaterialien ausschlaggebend sind, ist zu der genannten Gesetzesbegründung festzustellen, dass auch eine Konkretisierung eine inhaltliche Änderung ist, weil sie die bei einer allgemein gehaltenen Formulierung möglichen weiten Auslegungen einer Vorschrift in der Regel einschränkt. An diesen Ausführungen hält der Senat fest, sodass der Entwicklungsgeschichte für die Auslegung des § 123 Abs 1 Nr 7 SGB VII keine weiterführenden Gesichtspunkte entnommen werden können und die Norm deshalb aus sich heraus auszulegen ist.
bb) Die satzungsmäßigen Aufgaben des Klägers dienen nahezu ausschließlich und damit jedenfalls "überwiegend" der Landwirtschaft im Sinne der Jagd. Soweit § 2 der Satzung auch den "Schutz und die Erhaltung der Naturlandschaften" (Ziffer 1.1.), "die Gestaltung der Kulturlandschaften als naturnahe Lebensräume" (Ziffer 1.2.) sowie den "Schutz und die Erhaltung aller in diesen Lebensräumen lebenden Tier- und Pflanzenarten" (Ziffer 1.3.) zu den Aufgaben und Zielen des Klägers zählt, verdeutlichen der Vereinsname ("Jagdverband") und die Umschreibung der Satzungszwecke insbesondere in den Abschnitten 1.4. und 1.5. sowie in 2.2. und 2.3. des § 2 der Satzung, dass die übergeordneten Umwelt- und Naturschutzziele vorrangig mit den Mitteln der Jagdausübung gefördert, gesichert und erreicht werden sollen. Damit verfolgt der Kläger überwiegend mit der Jagd verbundene Ziele.
cc) Schließlich dienen die Aktivitäten und Tätigkeiten des Jagdverbandes auch "unmittelbar" der Sicherung, Überwachung und Förderung der Landwirtschaft im Sinne der Jagd. Denn er pflegt die Waidgerechtigkeit, das jagdliche Brauchtum und die jagdliche Ethik (§ 2 Ziffer 2.2. der Satzung), widmet sich ua der jagdlichen Aus- und Weiterbildung, dem jagdlichen Schießen, dem Jagdgebrauchshundewesen sowie der Falknerei, vertritt die Interessen der Jäger, Hundeführer und Falkner auf Kreisebene, betreibt Öffentlichkeitsarbeit und fördert das jagdliche Schrifttum, Brauchtum und die jagdwissenschaftliche Forschung (§ 2 Ziffer 2.3. der Satzung).
dd) Es kann somit offenbleiben, ob Jagdverbände generell zu den "Berufsverbänden der Landwirtschaft" iS des § 123 Abs 1 Nr 6 Alt 2 SGB VII zählen, wie die Kommentarliteratur annimmt (Bigge in Eichenhofer/v Koppenfels-Spies/Wenner, SGB VII, 2. Aufl 2019, § 123 RdNr 30; Büntig in Lauterbach, UV, Stand 09/2016, § 123 SGB VII RdNr 64; Diel in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand 01/17, § 123 RdNr 41; Feddern in jurisPK-SGB VII, Stand 26.10.2020, § 123 RdNr 75; Köhler in Becker/Franke/Molkentin, LPK-SGB VII, 5. Aufl 2018, § 123 RdNr 28; Mehrtens in Bereiter-Hahn/Mehrtens, GUV, Stand 07/21, § 123 RdNr 14; Schmitt, SGB VII, 4. Aufl 2009, § 123 RdNr 21). Daran könnten hier indes Zweifel bestehen, weil sich der Kläger nicht als Interessenverband eines bestimmten Berufsstandes und damit nicht als "Berufsverband" versteht, der zuvörderst die Belange zB von Berufsjägerinnen und -jägern vertritt und fördert. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil der Kläger jedenfalls ein landwirtschaftliches Unternehmen im Sinne des § 123 Abs 1 Nr 7 SGB VII ist.
c) Die Sächsische LBG war der sachlich (§ 123 Abs 1 Nr 7 SGB VII iVm § 3 ihrer Satzung vom 22.1.1997, die gemäß § 62 der Satzung am 1.1.1997 in Kraft getreten ist) und örtlich (§ 4 der Satzung) zuständige Unfallversicherungsträger.
2. War sie damit am 1.1.1997 verpflichtet, den Beginn ihrer Zuständigkeit durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Kläger festzustellen, ist damit gleichzeitig die Befugnis der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (§ 2 SGG) entfallen, die zuständige Behörde (§ 44 Abs 3 SGB X) zu verpflichten, den Aufnahmeverwaltungsakt für Zeiträume ab dem 1.1.1997 zurückzunehmen, selbst wenn er anfänglich rechtswidrig wäre. Denn die Beklagte kann einerseits nicht verpflichtet werden, den Verwaltungsakt über die Aufnahme des Klägers in das Unternehmerverzeichnis vom 27.9.1995 mit Wirkung zum 1.1.1997 zurückzunehmen, und andererseits gehalten sein, ihm sofort einen wirkungsgleichen Verwaltungsakt über den Beginn ihrer Zuständigkeit für sein Unternehmen ab dem 1.1.1997 neu zu erteilen. Aufnahme- und Zuständigkeitsbescheid sind wirkungsgleich, weil sie die Mitgliedschaft (Status, Rechtsstellung) des Unternehmers und seine daraus resultierenden Rechte und Pflichten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis gegenüber der jeweiligen BG regeln. Dem Rücknahmeanspruch steht in diesen Fällen der Grundsatz "dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est" (arglistig handelt, wer etwas verlangt, was er augenblicklich wieder zurückgeben muss) entgegen (Baumeister, Der Beseitigungsanspruch als Fehlerfolge des rechtswidrigen Verwaltungsakts, 2006, S 339 f; Schenke, NVwZ 2015, 1341, 1347; ders in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl 2021, § 113 RdNr 50). Der Rückgriff auf die dolo-agit-Einrede ist - trotz Fehlens einer dem § 42 Satz 1 SGB X vergleichbaren Regelung - auch aus funktionell-rechtlichen Gründen nicht zu beanstanden, weil bereits ein Verwaltungsverfahren durchgeführt wurde und eine Verwaltungsentscheidung über die Aufnahme des Klägers vorliegt (vgl Schenke in Kopp/Schenke, aaO, § 113 RdNr 50). Eine Wiederholung dieses Verwaltungsverfahrens, wie sie bei einer behördlichen Rücknahme des Aufnahmebescheids und dem dann gebotenen Neuerlass eines wirkungsgleichen Zuständigkeitsbescheids erforderlich wäre, liefe auf eine reine Formalie hinaus, die unter verwaltungsverfahrensrechtlichen wie auch unter prozessökonomischen Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen wäre (Schenke, NVwZ 2015, 1341, 1347 f). Sie trüge auch nichts zur Stärkung des Rechtsschutzes des Klägers bei (Schenke in Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum GG, 2021, Stand 04/2021, Art 19 Abs 4), weil der Aufnahmeverwaltungsakt bei Übereinstimmung mit der materiellen Rechtslage ohnehin nur deklaratorische Bedeutung hat (BSG Urteile vom 23.1.2018 - B 2 U 4/16 R - BSGE 125, 120 = SozR 4-2700 § 123 Nr 3, RdNr 12 und vom 17.2.1971 - 7/2 RU 74/68 - BSGE 32, 218 = SozR Nr 1 zu § 655 RVO = juris RdNr 11).
II. Da § 136 Abs 1 Satz 1 SGB VII nicht auf Zeiträume vor dem 1.1.1997 zurückwirkt, kann dem Rücknahmebegehren des Klägers für die Zeit vom 1.4.1993 bis 31.12.1996 die dolo-agit-Einrede nicht entgegengehalten werden. Gleichwohl besteht kein Beseitigungsanspruch, weil die Rücknahme des anfänglich rechtswidrigen Verwaltungsakts für den Kläger keine günstigen Auswirkungen mehr haben kann (BSG Urteil vom 6.3.1991 - 9b RAr 7/90 - BSGE 68, 180 = SozR 3-1300 § 44 Nr 1; Steinwedel in Kasseler Kommentar, SGB X, Stand Mai 2021, § 44 RdNr 8). Als er die Rücknahme des Aufnahmeverwaltungsakts im Jahr 2016 - "rückwirkend für vier Jahre" - beantragte, waren etwaige, daraus resultierende Beitragserstattungsansprüche für den Zeitraum vom 1.4.1993 bis 31.12.1996 nach § 27 Abs 2 Satz 1 SGB IV bereits verjährt. Nach dieser Vorschrift verjähren Erstattungsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Dass der Kläger nach dem 31.12.2011 Beiträge für die Zeit vom 1.4.1993 bis 31.12.1996 entrichtet haben könnte, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich.
B. Zu Unrecht hat das LSG den Bescheid vom 20.4.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.12.2016 (§ 95 SGG) aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, ihren Bescheid vom 11.2.2013 sowie den Bescheid der LBG MOD vom 2.3.2012 gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X zurückzunehmen. Denn das Recht ist bei Erlass der darin jeweils verkörperten Beitragsfestsetzung für die Umlagejahre 2011 und 2012 sowie entsprechende Zahlungsgebote nicht unrichtig angewandt worden.
Ermächtigungsgrundlage für die LBG MOD und die Beklagte, die Beiträge durch Verwaltungsakt festzusetzen und ein entsprechendes Zahlungsgebot an den Beitragspflichtigen zu richten, war § 183 Abs 5 Satz 1 SGB VII. Danach teilt die landwirtschaftliche BG den Unternehmern den von ihnen zu zahlenden Beitrag schriftlich mit. Diese "Mitteilung" ist nicht nur die verbindliche Feststellung einer kraft Gesetzes bestehenden Zahlungspflicht, sondern erlaubt es zugleich, dem Beitragspflichtigen ein vollstreckbares Zahlungsgebot zu erteilen ("Beitragsbescheid"; § 183 Abs 5 Satz 2 SGB VII; vgl BSG Urteile vom 23.6.2020 - B 2 U 14/18 R - juris RdNr 10, vom 20.8.2019 - B 2 U 35/17 R - SozR 4-2700 § 121 Nr 2 RdNr 9 und vom 23.1.2018 - B 2 U 4/16 R - BSGE 125, 120 = SozR 4-2700 § 123 Nr 3, RdNr 15). Die Festsetzungen der Beiträge für die Umlagejahre 2011 und 2012 sowie die entsprechenden Zahlungsgebote in den beiden Umlagebescheiden vom 2.3.2012 und 11.2.2013 waren rechtmäßig. Denn der Kläger war landwirtschaftlicher Unternehmer eines Unternehmens zur Förderung der Landwirtschaft und deshalb Beitragsschuldner (dazu unter I.). Als landwirtschaftliche BGen waren die Beklagte und die LBG MOD Beitragsgläubiger und für den Erlass der zur Überprüfung gestellten Umlagebescheide zuständig (dazu unter II.). Sie haben die zu zahlenden Beiträge für die Umlagejahre 2011 und 2012 zutreffend festgesetzt (dazu unter III.).
I. Die Eigenschaft des Klägers als landwirtschaftlicher Unternehmer steht sowohl materiell-rechtlich (siehe bereits oben A. I. 1 a und b) als auch aufgrund des bestandskräftigen (§ 77 SGG) Aufnahmeverwaltungsakts vom 27.9.1995 jedenfalls für Zeiträume ab dem 1.1.1997 fest.
II. Da keine abdrängende Sonderzuweisung (§ 123 Abs 1 Halbsatz 2 iVm §§ 125 ff SGB VII) zu einem Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand bestand, war die LBG MOD als landwirtschaftliche BG gemäß § 4 ihrer Satzung idF des 1. Nachtrags vom 8.12.2011 (Satzung LBG MOD) für alle Unternehmen auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung und Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienten (§ 3 der Satzung LBG MOD iVm § 123 Abs 1 Nr 7 SGB VII), und damit auch für den Erlass des Beitragsbescheids vom 2.3.2012 örtlich und sachlich zuständig. Als dessen Rechtsnachfolgerin war die Beklagte gleichfalls für den Erlass des Beitragsbescheids vom 11.2.2013 örtlich und sachlich zuständig, sodass beide Beitragsgläubigerinnen waren. Dabei ist unerheblich, dass die Beklagte zwischenzeitlich selbst mehrfach die Rechtsansicht vertreten hat, nicht der sachlich zuständige Unfallversicherungsträger für das Unternehmen des Klägers zu sein, und deshalb dessen Überweisung (§ 136 Abs 1 Satz 4 iVm Abs 2 SGB VII) an die Verwaltungs-BG angeboten hat. Denn die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind an das Vorbringen der Beteiligten nicht gebunden (§ 103 Satz 2 SGG).
III. Die Beitragsfestsetzungen und Zahlungsgebote in dem Bescheid der LBG MOD vom 2.3.2012 (dazu 1.) und in dem Bescheid der Beklagten vom 11.2.2013 (dazu 2.) sind materiell rechtmäßig.
1. Die LBG MOD hat die von dem Kläger zu zahlenden Beiträge für das Umlagejahr 2011 zutreffend auf 43,36 Euro festgesetzt. Nach § 39 Satz 1 der Satzung LBG MOD war ein Grundbeitrag iHv 40 Euro zu berücksichtigen. Gemäß § 41 Satz 2 Satzung LBG MOD war zu dem Grundbeitrag ein auf zwei Dezimalstellen kaufmännisch gerundeter Eurobetrag zu addieren, der gemäß § 41 Satz 1 Satzung LBG MOD aus der Summe der für jedes Unternehmen nach den §§ 36 und 37 der Satzung LBG MOD ermittelten Berechnungseinheiten vervielfältigt mit dem Unfallfaktor, dem Risikogruppenfaktor sowie dem Hebesatz zu bilden war, der von der Vertreterversammlung festgesetzt wurde. Für Unternehmen, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienten, war nach § 37 Abs 2 Nr 7 Ziffer 1 der Satzung LBG MOD eine Berechnungseinheit von 1,0000 anzusetzen und mit dem Unfallfaktor von 1,0 (für den ehrenamtlich tätigen Vorstand, § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst d SGB VII), dem Risikogruppenfaktor von 1,00 (§ 38 Abs 8 der Satzung LBG MOD) sowie dem von der Vertreterversammlung auf 3,3602 festgelegten Hebesatz zu vervielfältigen. Dabei hat die LBG MOD einen Beitrag von 3,36 Euro rechnerisch richtig ermittelt. Unter Addition des Grundbeitrags iHv 40 Euro ergibt sich der festgesetzte Gesamtbeitrag von 43,36 Euro.
2. Ebenfalls zutreffend hat die Beklagte die vom Kläger zu zahlenden Beiträge für das Umlagejahr 2012 auf 50,02 Euro festgesetzt. Für das Umlagejahr 2012 wird gemäß § 221 Abs 3 Satz 1 SGB VII das Umlageverfahren nach § 183 SGB VII von der landwirtschaftlichen BG auf der Grundlage des am 31.12.2012 geltenden Rechts und der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit der bis zum 31.12.2012 bestehenden landwirtschaftlichen BGen durchgeführt (§ 40 Abs 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten vom 9.1.2013). In deklaratorischer Konkretisierung dieses Anwendungsbefehls des Bundesgesetzgebers bestimmt die Beklagte in § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 9 ihrer Satzung vom 9.1.2013, dass die §§ 34 bis 43, 45, 48, 54 und 58 der Satzung LBG MOD in der am 31.12.2012 gültigen Fassung (des 1. Nachtrags vom 8.12.2011) in deren bisherigem Zuständigkeitsbereich fortgelten (BSG Urteil vom 23.6.2020 - B 2 U 14/18 R - juris RdNr 16). Auf dieser Grundlage hat sie zutreffend die Berechnungseinheit von 1,0000, den Unfallfaktor von 1,0, den Risikogruppenfaktor von 1,00 und den Hebesatz von 10,0223 miteinander multipliziert und nach Addition des Grundbeitrags von 40 Euro den geforderten Gesamtbeitrag iHv 50,02 Euro errechnet. Wie der Senat bereits entschieden hat (BSG Urteil vom 23.6.2020 - B 2 U 14/18 R - juris RdNr 18), ist dabei unerheblich, dass der Vorstand (§ 35 Abs 1 Satz 1 SGB IV) den Hebesatz verlautbart hat, obwohl diese Aufgabe exklusiv der Vertreterversammlung der LBG MOD zugewiesen war (§ 40 Abs 1 Satz 2 Nr 9 der Satzung der Beklagten vom 9.1.2013 iVm § 41 der Satzung LBG MOD), die zum maßgeblichen Zeitpunkt (ab 1.1.2013) allerdings nicht mehr existierte (vgl Art 1 des Gesetzes zur Errichtung der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, BGBl I 2012, 579). Denn die "Festsetzung des Hebesatzes" ist kein Werturteil, sondern das Ergebnis einer reinen Rechenoperation, die jeder Rechtsanwender nach den Gesetzen der Logik (Mathematik) selbst durchführen kann (BSG Urteile vom 23.6.2020 - B 2 U 14/18 R - juris RdNr 18 und vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - BSGE 94, 38 RdNr 16 = SozR 4-2700 § 182 Nr 1 RdNr 15; anders für die Festsetzung des Mindestbeitrags vgl BSG Urteile vom 4.12.2014 - B 2 U 11/13 R - BSGE 118, 9 = SozR 4-2700 § 161 Nr 1 und - B 2 U 16/13 R - UV Recht Aktuell 2015, 171, weil es sich dort um eine der Vertreterversammlung vorbehaltene Wertentscheidung handelte).
C. Zu Unrecht hat das LSG schließlich den Bescheid vom 24.8.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.12.2016 aufgehoben. Dieser Bescheid enthält folgende Verwaltungsakte (§ 31 Satz 1 SGB X): Die Festsetzung des Beitragsvorschusses für das Umlagejahr 2016 auf 67,72 Euro und ein entsprechendes Zahlungsgebot (dazu I.) sowie die Festsetzung des Beitrags für das Umlagejahr 2015 auf 84,65 Euro nebst entsprechendem Zahlungsgebot (dazu II.).
I. Über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Beitragsvorschusses für das Umlagejahr 2016 und das Zahlungsgebot war im Berufungs- und Revisionsverfahren nicht mehr zu entscheiden, weil sich diese Verwaltungsakte durch die Festsetzung des Beitrags im Bescheid vom 1.8.2017 nebst Anrechnung des Beitragsvorschusses bereits "auf andere Weise" iS des § 39 Abs 2 SGB X erledigt hatten.
II. Die Festsetzung des Unfallversicherungsbeitrags für das Umlagejahr 2015 und das entsprechende Zahlungsgebot im Beitragsbescheid vom 24.8.2016 sind rechtmäßig. Diese Verwaltungsakte beschweren den Kläger nicht, weil sie rechtmäßig sind (§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG). Er kann deren Aufhebung weder wegen materieller (dazu 1.) noch aufgrund formeller Mängel (dazu 2.) verlangen (§ 54 Abs 1 Satz 1 Var 1 SGG).
1. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 183 Abs 5 Satz 1 SGB VII sind erfüllt. Der Kläger war als Unternehmer (§ 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII) eines landwirtschaftlichen Unternehmens (§ 123 Abs 1 Nr 7 SGB VII) beitragspflichtiger Schuldner der Umlagebeiträge, weil acht ehrenamtlich tätige Personen als grundsätzlich Versicherte nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst d SGB VII zu seinem Unternehmen in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung standen (§ 150 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB VII). Gleichzeitig war die Beklagte als bundesweit agierende landwirtschaftliche BG für den Erlass des angefochtenen Umlagebescheids örtlich und sachlich zuständig. Sie hat den zu zahlenden Beitrag für das Umlagejahr 2015 zutreffend festgesetzt. Nach § 49 Abs 1 ihrer Satzung idF des 9. Nachtrags vom 26.11.2015 war der Beitrag je Unternehmen aus der Summe der Einzelbeiträge je Produktionsverfahren zuzüglich des Grundbeitrags zu ermitteln. Der Beitrag je Produktionsverfahren berechnete sich aus der Multiplikation der festgestellten Berechnungseinheiten mit dem Hebesatz, dem Risikogruppenfaktor und dem Risikofaktor Produktionsverfahren (§ 49 Abs 2 der Satzung idF des 9. Nachtrags). Zur Ermittlung der Berechnungseinheiten je Produktionsverfahren war der in Euro ermittelte Arbeitswert durch 200 Euro zu teilen (Ziffer 2 der Anl 1 zur Satzung idF des 9. Nachtrags). Als Arbeitswert waren für die nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst d SGB VII versicherten Personen 100 Euro je ehrenamtlich Tätigen für Unternehmen anzusetzen, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienten (§ 40 Abs 2 Nr 4 und Abs 1 Nr 6 der Satzung idF des 9. Nachtrags), sodass sich eine Berechnungseinheit von 0,5000 (= 100 Euro : 200 Euro) ergab, die ihrerseits mit dem Faktor 8 (ehrenamtlich tätige Personen) zu multiplizieren war. Das Produkt von 4,0000 war sodann mit dem Hebesatz von 6,23, dem Risikogruppenfaktor von 0,3083 und dem Risikofaktor von 1,2200 zu vervielfältigen, sodass sich ein Risikobeitrag von 9,37 Euro errechnete. Der Grundbeitrag war gemäß § 49 Abs 3 der Satzung idF des 9. Nachtrags aus der Multiplikation der Summe der Berechnungseinheiten Grundbeiträge (§ 46 Abs 1 Satz 2 und 3 der Satzung idF des 9. Nachtrags) mit dem Hebesatz und dem Deckungsfaktor zu ermitteln. Unter Zugrundelegung des Mindestansatzes von 87,5 Berechnungseinheiten ergab sich unter Vervielfältigung des Hebesatzes von 6,23 und des Deckungsfaktors von 0,1381 ein Grundbeitrag von 75,28 Euro. Durch Addition des Risikobeitrags iHv 9,37 Euro summierte sich der Gesamtbeitrag auf 84,65 Euro, den die Beklagte im angefochtenen Bescheid festgesetzt und im Wege eines vollstreckbaren Zahlungsgebots rechtmäßig gefordert hat.
2. Schließlich sind die angefochtenen Verwaltungsakte weder wegen Anhörungsmängeln (§ 42 Satz 2 SGB X) noch aufgrund anderer formeller Mängel (§ 42 Satz 1 SGB X) aufzuheben. Die Beklagte hat den Beitragsbescheid als örtlich (§ 3 Abs 1 der Satzung) und sachlich (§ 123 Abs 1 Nr 7 SGB VII) zuständige Trägerin der landwirtschaftlichen Unfallversicherung in der vorgeschriebenen Form ("schriftlich", § 183 Abs 5 Satz 1 SGB VII) erlassen. Die im Erlasszeitpunkt notwendige Anhörung (§ 24 Abs 1 SGB X; siehe jetzt aber § 183 Abs 5 Satz 3 SGB VII, der mit Art 7 Nr 21a des Siebten Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 12.6.2020, BGBl I 1248, mit Wirkung vom 1.7.2020 eingefügt worden ist) hat sie mit ihrem Aufklärungsschreiben vom 22.9.2016 im Widerspruchsverfahren gemäß § 41 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 3 SGB X wirksam nachgeholt (vgl dazu zuletzt BSG Urteile vom 23.6.2020 - B 2 U 14/18 R - juris RdNr 34, vom 20.8.2019 - B 2 U 35/17 R - SozR 4-2700 § 121 Nr 2 mwN und insbesondere vom 23.1.2018 - B 2 U 4/16 R - BSGE 125, 120 = SozR 4-2700 § 123 Nr 3, RdNr 17), sodass der initiale Anhörungsfehler "unbeachtlich" (§ 41 Abs 1 Nr 3, Abs 2 SGB X) geworden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1, § 183 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.
Fundstellen
BSGE 2022, 295 |
NWB 2021, 2801 |
NZS 2022, 113 |
SGb 2021, 628 |
Breith. 2022, 303 |