Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungspflicht gemäß KVLG § 2 Abs 1 Nr 2. Anrechnung des Ehegattenzuschlags
Orientierungssatz
Die Anrechnung der Grundrente ist nicht generell, sondern jeweils nach Maßgabe der Anrechnungsvorschrift ausgeschlossen. Für die Berücksichtigung der Grundrente im Rahmen des KVLG § 2 aF sind damit nicht allgemeine Rechtsgrundsätze, sondern allein die dort getroffene Regelung maßgebend. Wortlaut und Zielsetzung dieser Bestimmung lassen jedoch nur die Auslegung zu, daß einschränkungslos alle Nebeneinkünfte, auch die Grundrente, der Ehegattenzuschlag und der Pauschbetrag für Kleiderverschleiß, zu berücksichtigen sind (Festhaltung BSG vom 1977-10-20 11 RK 18/76 = SozR 5420 § 2 Nr 8).
Normenkette
KVLG § 2 Abs 1 Nr 2 Fassung: 1972-08-10; BVG § 31 Abs 1, § 33a
Verfahrensgang
SG Stuttgart (Entscheidung vom 20.07.1979; Aktenzeichen S 7 Kr 3154/78) |
Tatbestand
Das klagende Land und die beklagte Landwirtschaftliche Krankenkasse streiten, ob der Beigeladene bei der Beklagten vom 1. Oktober 1972 bis zum 30. Juni 1980 gegen Krankheit versichert war.
Der Beigeladene bewirtschaftete ein landwirtschaftliches Unternehmen, das keine Existenzgrundlage iS des § 2 Abs 1 Nr 1 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) darstellte. Die Beklagte lehnte es gegenüber dem Kläger ab, eine Versicherungspflicht des Beigeladenen nach § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG anzuerkennen, da dessen Nebeneinkünfte einschließlich der Grundrente die in dieser Vorschrift genannte Grenze überschritten.
Die daraufhin erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 20. Juli 1979). Zur Begründung wird ausgeführt, der Beigeladene sei nicht gemäß § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG bei der Beklagten versichert gewesen, weil seine Nebeneinkünfte einschließlich der Grundrente die dort genannte Grenze ständig überstiegen hätten. Auch die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) sei den Nebeneinkünften zuzurechnen, da sie zum Bestreiten des Lebensunterhalts diene, zu dem auch ein schädigungsbedingter Mehrbedarf gehöre (Hinweis auf SozR 5420 § 2 Nr 8). In Fortführung dieser Rechtsprechung sei auch der Ehegattenzuschlag gemäß § 33a BVG zu den Nebeneinkünften zu rechnen.
Mit der vom SG zugelassenen Revision beantragt der Kläger,
das Urteil des SG aufzuheben und festzustellen,
daß der Beigeladene über den 30. September 1972
hinaus bis zum 30. Juni 1980 bei der Beklagten
gemäß § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG versichert gewesen sei,
ferner, daß der Beklagte verpflichtet sei, dem
Kläger die entstandenen Aufwendungen für die
Heilbehandlung (die im Jahre 1976 insgesamt
819,09 DM betragen) zu erstatten.
Der Kläger rügt Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG. Das SG habe zu Unrecht die Grundrente zu den Nebeneinkünften im Sinne dieser Vorschrift gerechnet. Denn die Grundrente stehe nicht zur Deckung des Lebensunterhalts zur Verfügung, sondern sei zweckgebunden für die Abdeckung schädigungsbedingter Mehraufwendungen. Im übrigen würde eine Berücksichtigung der Grundrente dazu führen, daß ein leichtbeschädigter Kleinlandwirt (ohne Heil- und Krankenbehandlung nach § 10 Abs 2 BVG für Nichtschädigungsleiden) seinen Krankenversicherungsschutz verliere.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers war zurückzuweisen.
Die Sprungrevision ist zulässig. Der Kläger hat insbesondere innerhalb der Revisionsfrist die Zustimmungserklärung der Beklagten vorgelegt; da bei Abgabe der Erklärung, der "Revisionszulassung" werde zugestimmt, die Sprungrevision bereits zugelassen war, kann die Erklärung nur als Zustimmung zur Revisionseinlegung verstanden werden (vgl hierzu auch BSG SozR 1500 § 161 Nr 5).
Der Senat stimmt dem SG darin zu, daß die Klage zwar zulässig (vgl BSG SozR 5420 § 2 Nr 8), aber unbegründet ist. Streitig ist die Zeit vom 1. Oktober 1972 bis zum 30. Juni 1980. In dieser Zeit war der Beigeladene nicht gemäß § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG, der hier allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommt, bei der Beklagten versichert. Die Vorschrift ist in ihrer ursprünglichen Fassung vom 10. August 1972 anzuwenden; die Neufassung durch das 2. Agrarsoziale Ergänzungsgesetz (2. ASEG) vom 9. Juli 1980 (BGBl I 905) ist erst zum 1. Juli 1980 in Kraft getreten und auf den streitigen Zeitraum nicht anwendbar. Zu der alten Fassung hat der Senat bereits entschieden, daß die Grundrente aus der Kriegsopferversorgung (KOV) zu den Nebeneinkünften gehöre (vgl BSG SozR 5420 § 2 Nr 8). Der Senat verbleibt auch nach erneuter Prüfung bei dieser Rechtsprechung. Die hiergegen von der Revision vorgebrachten Bedenken entsprechen im wesentlichen den Einwänden des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen und des Bundesarbeitsministers, wie sie im Urteil des Senats vom 10. September 1980 - 11 RK 1/80 - (zur Veröffentlichung vorgesehen) näher behandelt sind. Dort ist ausgeführt, daß es einen Rechtssatz, die Zweckbindung einer Sozialleistung schließe schlechthin deren nachteilige Berücksichtigung aus, in der Rechtsordnung nicht gibt. Ein solcher Rechtssatz könne auch nicht eingeschränkt nur für die Grundrente anerkannt werden. Die sogenannte "Unantastbarkeit der Grundrente", die ohnedies nur als rechtspolitischer Grundsatz gelten kann, schließe keine solche Aussage ein. Ein solcher Rechtssatz könne auch nicht den zahlreichen Gesetzesbestimmungen, die eine Anrechnung der Grundrente ausschließen, im Wege der Rechtsanalogie entnommen werden. Denn diese Bestimmungen würden die Anrechnung anderer Leistungen der speziellen Zielsetzung der jeweiligen Leistung entsprechend so unterschiedlich regeln, daß schon aus diesem Grunde eine Rechtsanalogie ausgeschlossen sei. Der Gesetzgeber habe die Vorschrift über die Berücksichtigung der Grundrente als Einkommen im Sinne anderer Leistungsgesetze mehrfach geändert und damit die Ansicht der Rechtsprechung bestätigt, daß die Anrechnung der Grundrente nicht generell, sondern jeweils nach Maßgabe der Anrechnungsvorschrift ausgeschlossen sei. Für die Berücksichtigung der Grundrente im Rahmen des § 2 KVLG aF seien damit nicht allgemeine Rechtsgrundsätze, sondern allein die dort getroffene Regelung maßgebend. Wortlaut und Zielsetzung dieser Bestimmung ließen jedoch nur die Auslegung zu, daß einschränkungslos alle Nebeneinkünfte, auch die Grundrente, der Ehegattenzuschlag und der Pauschbetrag für Kleiderverschleiß, zu berücksichtigen seien.
Da nach den nicht angegriffenen Feststellungen des SG in der streitigen Zeit die Bezüge des Beigeladenen aus der KOV einschließlich der Grundrente jeweils die Freigrenze des § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG überstiegen, war das die Klage abweisende Urteil des SG zu bestätigen.
Soweit der Kläger mit der Revision über den in der Vorinstanz zuletzt gestellten Antrag hinaus die Feststellung beantragt, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihm die entstandenen Aufwendungen für die Heilbehandlung (die im Jahre 1976 insgesamt 819,09 DM betragen), zu erstatten, konnte die Revision ebenfalls keinen Erfolg haben, da eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageerweiterung vorliegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen