Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungspflicht gemäß KVLG § 2 Abs 1 Nr 2. Anrechnung der Grundrente
Orientierungssatz
Die Anrechnung der Grundrente ist nicht generell, sondern jeweils nach Maßgabe der Anrechnungsvorschrift ausgeschlossen. Für die Berücksichtigung der Grundrente im Rahmen des KVLG § 2 aF sind damit nicht allgemeine Rechtsgrundsätze, sondern allein die dort getroffene Regelung maßgebend. Wortlaut und Zielsetzung dieser Bestimmung lassen jedoch nur die Auslegung zu, daß einschränkungslos alle Nebeneinkünfte, auch die Grundrente, der Ehegattenzuschlag und der Pauschbetrag für Kleiderverschleiß, zu berücksichtigen sind (Festhaltung BSG vom 1977-10-20 11 RK 18/76 = SozR 5420 § 2 Nr 8).
Normenkette
KVLG § 2 Abs 1 Nr 2 Fassung: 1972-08-10; BVG § 31 Abs 1
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 26.04.1979; Aktenzeichen L 5 K 54/78) |
SG Mainz (Entscheidung vom 27.10.1978; Aktenzeichen S 2 K 4/77) |
Tatbestand
Das klagende Land und die beklagte landwirtschaftliche Krankenkasse streiten darüber, ob der nach Klageerhebung am 13. Dezember 1977 verstorbene kriegsbeschädigte Kleinlandwirt P H (H) bei der Beklagten gegen Krankheit versichert war.
Dieser hatte (zumindest seit Oktober 1972) ein landwirtschaftliches Unternehmen bewirtschaftet, das keine Existenzgrundlage iS des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) darstellte. Die Beklagte lehnte es gegenüber dem Kläger ab, eine Versicherungspflicht des H anzuerkennen, da dessen Nebeneinkünfte einschließlich der Grundrente die in § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG (in der Fassung vor Juli 1980) genannte Grenze überschritten hätten.
Mit der daraufhin erhobenen Klage hat das klagende Land vor dem Sozialgericht (SG) beantragt, festzustellen, daß H bei der Beklagten ab 1. Oktober 1972 versichert sei. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 27. Oktober 1978). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 26. April 1979). Zur Begründung wird im Urteil ausgeführt: Gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage bestünden zwar keine Bedenken, die Klage sei jedoch unbegründet. Denn in den Kalenderjahren 1972 bis 1977 hätten die Nebeneinkünfte des H unter Berücksichtigung auch der Grundrente die in § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG aF genannte Grenze jeweils überschritten. Mit dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. Oktober 1977 - 11 RK 18/76 - (SozR 5420 § 2 Nr 3) sei davon auszugehen, daß zu den Nebeneinkünften auch die Grundrente zu zählen sei, weil diese den Mitteln zugerechnet werden müsse, mit denen der versorgungsberechtigte Unternehmer seinen Lebensunterhalt bestreite und auf die er im Bedarfsfall zurückgreifen könne. Die gegenteilige Ansicht des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, wie sie in der Stellungnahme vom 24. Juli 1978 zum Ausdruck komme, sei demgegenüber nicht überzeugend, sie berücksichtige lediglich die der Grundrente innewohnende Zweckbestimmung, lasse aber die tatsächlichen Verhältnisse weitgehend außer acht.
Mit der zugelassenen Revision beantragt der Kläger,
die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und
festzustellen, daß H nach § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG
bei der Beklagten ab 10. August 1972 gegen
Krankheit pflichtversichert war.
Er rügt Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG aF. Die Vorschrift stelle nach Sinn und Zweck auf das Bestreiten des Lebensunterhaltes ab. Leistungen, die ausdrücklich für andere Zwecke als zum Bestreiten des Lebensunterhaltes bestimmt seien, müßten daher außer Betracht bleiben. Der Gesetzgeber sei der Ansicht, daß die Grundrente nicht auf andere Leistungen angerechnet werden solle, dem Berechtigten also nicht zum Nachteil gereichen dürfe. Die Einbeziehung in die Krankenversicherung sei ein Vorteil und dürfe daher von der Grundrente nicht infrage gestellt werden. Dem steht nicht entgegen, daß bei Schwerbeschädigten die Krankenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) gesichert sei, so daß diese durch die Einbeziehung in die Krankenversicherung nur mit der Beitragslast beschwert würden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger hat auf Anfrage des Senats erklärt, für die Zeit vom 1. Oktober 1972 bis zum Tode des H für dessen Heil- und Krankenbehandlung nach Quartalen aufgegliederte Aufwendungen von insgesamt 14.314,05 DM getragen zu haben.
Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers war zurückzuweisen.
Zu Recht haben die Vorinstanzen das Verfahren nicht durch den Tod von H für unterbrochen erachtet, obgleich H nach § 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig beigeladen war. Denn, wie der Senat im Urteil vom 10. September 1980 - 11 RK 1/80 - (zur Veröffentlichung vorgesehen) ausgeführt hat, führt der Tod des Beigeladenen, und zwar auch der Tod des notwendig Beigeladenen keine Unterbrechung des Verfahrens (§ 202 SGG iVm § 239 Abs 1 Zivilprozeßordnung -ZPO-) herbei.
Der Senat stimmt dem LSG auch darin zu, daß die Klage zwar zulässig (vgl BSG SozR 5420 § 2 Nr 8), aber unbegründet ist. Streitig ist die Zeit vom 1. Oktober 1972 bis zum 13. Dezember 1977. Der Kläger hat zwar die Zeit ab 10. August 1972 im Revisionsantrag bezeichnet; daß es sich dabei aber um eine bloße Datumsverwechslung handelt, ergibt der Vergleich mit den in den Vorinstanzen gestellten Anträgen, zumal das KVLG erst zum 1. Oktober 1972 in Kraft getreten ist.
In dieser Zeit war H nicht gemäß § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG, der hier allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommt, bei der Beklagten versichert. Die Vorschrift ist in ihrer ursprünglichen Fassung vom 10. August 1972 anzuwenden; die Neufassung durch das 2. Agrarsoziale Ergänzungsgesetz (2. ASEG) vom 9. Juli 1980 (BGBl I, 905) ist erst zum 1. Juli 1980 in Kraft getreten und auf den streitigen Zeitraum nicht anwendbar. Zu der hier anzuwendenden alten Fassung hat der Senat bereits entschieden, daß die Grundrente aus der Kriegsopferversorgung (KOV) zu den Nebeneinkünften gehöre (vgl BSG SozR 5420 § 2 Nr 8). Der Senat verbleibt auch nach erneuter Prüfung bei dieser Rechtsprechung. Die hiergegen von der Revision vorgebrachten Bedenken entsprechen im wesentlichen den Einwänden des LSG Niedersachsen und des Bundesarbeitsministers, wie sie in dem bereits angeführten Urteil des Senats vom 10. September 1980 - 11 RK 1/80 - näher behandelt sind. Dort ist ausgeführt, daß es einen Rechtssatz, die Zweckbindung einer Sozialleistung schließe schlechthin deren nachteilige Berücksichtigung aus, in der Rechtsordnung nicht gibt. Ein solcher Rechtssatz könne auch nicht eingeschränkt nur für die Grundrente anerkannt werden. Die sogenannte "Unantastbarkeit der Grundrente", die ohnedies nur als rechtspolitischer Grundsatz gelten kann, schließt keine solche Aussage ein. Ein solcher Rechtssatz könne auch nicht den zahlreichen Gesetzesbestimmungen, die eine Anrechnung der Grundrente ausschließen, im Wege der Rechtsanalogie entnommen werden. Denn diese Bestimmungen würden die Anrechnung anderer Leistungen der speziellen Zielsetzung der jeweiligen Leistung entsprechend so unterschiedlich regeln, daß schon aus diesem Grunde eine Rechtsanalogie ausgeschlossen sei. Der Gesetzgeber habe die Vorschriften über die Berücksichtigung der Grundrente als Einkommen iS anderer Leistungsgesetze mehrfach geändert und damit die Ansicht der Rechtsprechung bestätigt, daß die Anrechnung der Grundrente nicht generell sondern jeweils nach Maßgabe der Anrechnungsvorschrift ausgeschlossen sei. Für die Berücksichtigung der Grundrente im Rahmen des § 2 KVLG aF seien damit nicht allgemeine Rechtsgrundsätze, sondern allein die dort getroffene Regelung maßgebend. Wortlaut und Zielsetzung dieser Bestimmung ließen jedoch nur die Auslegung zu, daß einschränkungslos alle Nebeneinkünfte, auch die Grundrente, der Ehegattenzuschlag und der Pauschbetrag für Kleiderverschleiß, zu berücksichtigen seien.
Da nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG in der streitigen Zeit die Bezüge des H aus der KOV einschließlich der Grundrente jeweils die Freigrenze des § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG aF überstiegen haben, war das die Klage abweisende Urteil des LSG zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen