Leitsatz (amtlich)
Zur Geeignetheit einer Bildungsmaßnahme für einen bestimmten Teilnehmer und zur Notwendigkeit ihrer Planung, insbesondere bei Behinderten.
Normenkette
AFG § 40 Fassung: 1969-06-25, § 34 Fassung: 1969-06-25; RehaAnO § 10 Nr. 5 Fassung: 1970-07-02, § 3 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1970-07-02
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 15.06.1976; Aktenzeichen L 5a Ar 439/74) |
SG Karlsruhe (Entscheidung vom 29.01.1974; Aktenzeichen S 7 Ar 223/72) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Juni 1976 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte der Klägerin die Kosten für die Ausbildung des Beigeladenen nur insoweit zu erstatten hat, als diese die dem Beigeladenen von der Beklagten zu zahlende Berufsausbildungsbeihilfe nicht übersteigen.
Die Beklagte hat dem Beigeladenen auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten zu übernehmen, die dem Kläger durch die Ausbildungsmaßnahmen für den Beigeladenen in der Zeit vom 31. August 1970 bis 30. August 1973 in der Unterfränkischen Berufslehranstalt für Körperbehinderte (J Heim) in W (Berufslehranstalt) entstanden sind.
Der 1954 geborene Beigeladene leidet an den Folgen einer frühkindlichen Hirnschädigung (Halbseitenlähmung rechts). Das Arbeitsamt veranlaßte im Rahmen der Berufsberatung noch während der Schulzeit eine psychologische und ärztliche Begutachtung. Der Psychologe kam in seinem Gutachten vom 4. Dezember 1969 zu dem Ergebnis, daß der Beigeladene bei durchschnittlicher Intelligenz und erheblicher Verlangsamung in allen Bereichen für eine einfache praktische Anlerntätigkeit in Betracht komme. Eine Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hielt er für fraglich. Die Arbeitsmedizinerin nahm an, daß eine Ausbildung am allgemeinen Stellenmarkt sowie eine Unterbringung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unmöglich seien und befürwortete die Unterbringung des Beigeladenen in einer Lehranstalt für Körperbehinderte (Gutachten vom 9. April 1970).
Das Arbeitsamt schlug darauf die Unterbringung des Beigeladenen in der W Berufslehranstalt zur Ausbildung als Herrenschneider vor. Eine Entscheidung stellte es aber zurück, weil es noch eine Anordnung des Verwaltungsrates über die Förderung Behinderter sowie den Erlaß von Verwaltungsrichtlinien abwarten wollte. Der Landeswohlfahrtsverband Baden (der zuständige Sozialhilfeträger und Kläger bis zur Kreisreform 1973, damit Rechtsvorgänger des Klägers) veranlaßte die Aufnahme des Beigeladenen in der W B. Sie erfolgt am 31. August 1970.
Der Sozialhilfeträger übernahm die Kosten der Ausbildung als vorläufige Hilfeleistung nach § 44 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) und leitete mit Schreiben vom 14. Juli 1970 den Anspruch des Beigeladenen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gem § 90 BSHG auf sich über. Ein Beratungsgespräch am 20. April 1971 in der Berufslehranstalt unter Beteiligung der Beklagten ergab, daß ein Ausbildungsvertrag nicht vorgesehen sei, da der Beigeladene nach seinen körperlichen Funktionseinschränkungen künftig nur Einzeltätigkeiten eines Herrenschneiders in einem Bekleidungswerk werde erbringen können. Der Direktor der Berufslehranstalt beurteilte im Bericht an das Arbeitsamt vom 6. Mai 1971 zwar die Intelligenz des Beigeladenen, nicht aber die körperlichen Fähigkeiten aufgrund der Behinderung für ausreichend, die Abschlußprüfung zu bestehen und schlug deshalb eine dreijährige Anlernung vor, die als Grundausbildung das Handgeschick verbessern werde. Der Psychologe der Beklagten hielt in seinem Gutachten vom 30. Juni 1971 den Beigeladenen nur für einfache handwerkliche Arbeiten und Maschinenarbeiten geeignet, die weitgehend einhändig ausgeführt werden können. Er sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch für längere Zeit nicht wettbewerbsfähig. Der Arzt der Beklagten meinte in seinem Gutachten vom 28. Juli 1971, der Beigeladene werde voraussichtlich trotz der Behinderung eine Berufsausbildung durchstehen. Auf die Anfrage des Arbeitsamtes antwortete der Direktor der Berufslehranstalt mit Schreiben vom 3. Dezember 1971, vom Beigeladenen könnten die folgenden Arbeiten erbracht werden:
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1. |
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Arbeitsvorgänge, die zum Anfertigen einer Hose erforderlich sind, |
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Anfertigen und Einsetzen von Ärmeln, |
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3. |
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Fertigstellung von Westen, |
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4. |
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Anfertigung von Taschen (Billettaschen, Uhrtaschen). |
Die Beklagte lehnte darauf den Antrag auf Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) ab (Bescheid vom 9. Dezember 1971; Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 1972, zugestellt an den Vater des Beigeladenen am 9. Februar 1972). Der Kläger erhielt von den Bescheiden Kenntnis. Zur Begründung ihrer Bescheide führte die Beklagte aus: Nach § 10 Nr 5 der Anordnung des Verwaltungsrates der Beklagten über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter vom 2. Februar 1970 (AReha) sei BAB für die Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme zu gewähren, die gezielt auf eine spätere berufliche Tätigkeit hinführe. Eine gezielte Vorbereitung erfordere systematische Anleitung; der Beigeladene werde in der Herrenschneiderei der Berufslehranstalt aber nur "beschäftigt".
Der Fürsorgeträger erhob Klage, die das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 29. Januar 1974 abgewiesen hat. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beteiligten auf die Entscheidungen des 7. und 12. Senats vom 11. März 1976, - 7 RAr 147/74 - (BSGE 41, 237) und vom 26. Mai 1976, - 12/7 RAr 70/75 - (SozSich 1976, 349) hingewiesen, in denen ausgeführt wurde, daß neben dem nach § 90 BSHG übergeleiteten Anspruch ein selbständiger Erstattungsanspruch nicht bestehe. Der Kläger hat darauf seinen bisher sowohl in erster wie zweiter Instanz gestellten Antrag auf Verurteilung zur Leistung geändert in den Antrag auf Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 9. Dezember 1971 und 7. Januar 1972 und auf Verurteilung zur Leistung.
Das LSG hat mit Urteil vom 15. Juni 1976 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die Aufwendungen für die Ausbildung des Beigeladenen in der Unterfränkischen Berufslehranstalt in W vom 31. August 1970 bis 30. August 1973 zu erstatten. Es hat ausgeführt:
Es stelle zwar eine Klageänderung dar, wenn der Kläger von der Leistungs- zur Anfechtungs- und Leistungsklage übergehe. Der Senat sehe sie aber als sachdienlich an (§§ 99 Abs 1, 153 Abs 1 SGG). Es wäre auch unbillig, den bei Klageerhebung auf die bisherige Rechtsprechung vertrauenden Kläger an der seinerzeit für die Verfolgung derartiger Ansprüche noch als ausreichend angesehenen reinen Leistungsklage festzuhalten.
Der Beigeladene habe einen Anspruch auf BAB gem § 40 AFG iVm §§ 9 ff AReha gehabt, der auf den Kläger übergegangen sei.
Bei der Rehabilitationsmaßnahme, der der Beigeladene sich unterzogen habe, habe es sich um eine berufliche, nicht aber um eine medizinische oder soziale Wiedereingliederung gehandelt. Der Beigeladene habe an einem Lehrgang zur Verbesserung der Eingliederungsmöglichkeiten für Behinderte teilgenommen, die den Anforderungen eines anerkannten Ausbildungsberufs nicht und einer Arbeitsaufnahme oder einer Tätigkeit in einer Werkstatt für Behinderte noch nicht gewachsen seien (§ 10 Nr 5 AReha). Sowohl aus dem psychologischen Gutachten vom 4. Dezember 1969 wie auch aus dem vom 30. Juni 1971 ergebe sich nämlich, daß der Beigeladene auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt schlecht zu vermitteln gewesen sei, daß aber eine künftige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für nicht unmöglich gehalten worden sei (Gutachten vom 28. Juli 1971). Auf jeden Fall habe man aber die Anlernung und spätere Tätigkeit des Beigeladenen in einer Werkstatt für Behinderte als angemessen angesehen. Die Voraussetzungen des § 3 der AReha hätten bei dem Beigeladenen auch vorgelegen. Das Leistungsvermögen des Behinderten habe erwarten lassen, daß er das Ziel der Maßnahme erreichen werde (§ 3 Abs 1 Nr 2). Die Förderung sei nach der beruflichen Eignung und Neigung des Beigeladenen zweckmäßig gewesen; denn die Teilnahme des Beigeladenen an der Maßnahme habe erwarten lassen, daß er zumindest später in einer Behindertenwerkstätte Fuß fassen könne. An der Geeignetheit der Maßnahme bestünden auch keine Zweifel, nachdem der Direktor der Anstalt aufgrund der vom Beigeladenen erbrachten Leistungen (Bericht vom 3. Dezember 1971) versichert habe, der Unterbringung in einer Behindertenwerkstätte könne hoffnungsvoll entgegengesehen werden.
Gegen die Förderungswürdigkeit der Teilnahme des Beigeladenen an der Maßnahme spreche auch nicht, daß mit dem Beigeladenen kein Lehrvertrag abgeschlossen worden sei, daß kein auf die künftige Betätigung in einer Behindertenwerkstatt ausgerichteter Plan vorgelegen habe und daß es an einem bereits in einer Behindertenwerkstatt in Aussicht genommenen Arbeitsplatz gefehlt habe. Soweit § 1 Abs 1 AReha bestimme, die Maßnahmen nach dieser Anordnung seien im Rahmen der Zielsetzung des AFG darauf auszurichten, daß die Behinderten vollständig und dauerhaft in Arbeit und Beruf eingegliedert und damit von der Hilfe anderer unabhängig gemacht würden, sei damit nicht ein fester Ausbildungsplan gemeint, der auf den künftigen Arbeitsplatz in einer Behindertenwerkstatt abgestellt sei. Für die Bejahung der Förderungswürdigkeit einer Maßnahme nach § 10 Abs 1 Nr 5 AReha genüge es vielmehr, daß einmal die Maßnahme allgemein ihrem Zweck nach dazu geeignet sei, den Behinderten in einer Behindertenwerkstätte Fuß fassen zu lassen und zum anderen, daß nicht bereits die Art und Schwere der Behinderung dem beabsichtigten Erfolg entgegenstünden. Beides sei hier der Fall. Auch die Dauer der Maßnahme stehe der Förderung nicht entgegen; denn eine Höchstdauer sei für Maßnahmen nach § 10 Nr 5 AReha nicht vorgesehen.
Im übrigen habe die Beklagte von Beginn der von ihr vorgeschlagenen Maßnahme an bis zu deren Beendigung zu dem von der Berufslehranstalt von Anfang an in Aussicht genommenen Zeitpunkt immer wieder in Beratungsgesprächen mit der Berufslehranstalt und dem Beigeladenen die berufliche Entwicklung des Jugendlichen gefördert, ohne eine andere und nach ihrer Auffassung zweckmäßigere Ausbildung anzuregen.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil des LSG zugelassen.
Die Beklagte trägt vor:
Dem LSG könne nicht gefolgt werden, soweit es seine Entscheidung damit begründe, daß die Voraussetzungen für die individuelle Förderung Behinderter nach § 3 AReha 1970 erfüllt seien, daß das Fehlen eines Ausbildungsplanes der Förderbarkeit der Maßnahme nicht entgegenstehend daß für die gesamte Dauer der Unterbringung des Beigeladenen in der W A die Leistungspflicht der Beklagten gegeben sei.
Der § 3 Abs 1 Nr 2 AReha setze voraus, daß die Förderung nach der beruflichen Eignung und Neigung des Behinderten zweckmäßig erscheine. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Auch habe der Maßnahme ein fester Ausbildungsplan gefehlt. Der § 34 Satz 2 AFG aF nenne die "Gestaltung des Lehrplans" als Kriterium der objektiven Anforderungen, die an eine Maßnahme als Bildungsangebot zu stellen seien. Damit setze diese Vorschrift das Vorhandensein eines Lehrplanes als Wesensmerkmal jeder beruflichen Bildungsmaßnahme voraus. Von Seiten des Maßnahmeträgers seien zwar wiederholt Ausbildungsinhalte - Teilfunktionen aus dem Berufsbild des Herrenschneiderhandwerks - mitgeteilt worden. Zu einem "didaktischen Planungskonzept" fehlten diesen Äußerungen bis zuletzt Angaben über die Reihenfolge der zu vermittelnden Kenntnisse und Fertigkeiten und vor allem über den - näher zu veranschlagenden - Zeitbedarf.
Bei der sehr langen Dauer der Unterbringung des Beigeladenen könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die Maßnahme über den gesamten Zeitraum erforderlich gewesen sei. Wenn § 22 Abs 3 AReha 1975 vorschreibe, daß die Dauer der Förderung von berufsvorbereitenden Maßnahmen sich ua nach dem Zeitraum richte, der zum Erreichen des angestrebten Zieles erforderlich sei, so gebe diese Formulierung nur das zusammengefaßt wieder, was bereits nach dem auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Rechtszustand maßgebend gewesen sei (§ 57 iVm §§ 58, 34 Satz 2 AFG aF, § 14 Abs 1 AReha 1970).
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Karlsruhe vom 29. Januar 1974 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt im wesentlichen vor:
Infolge der Behinderung des Beigeladenen seien die Lerninhalte naturgemäß eingeschränkt gewesen. Sie hätten auch nicht von vornherein festgelegt werden können. Das bedeute jedoch nicht, daß diese Lerninhalte nicht vorhanden gewesen seien. Die Berufslehranstalt habe sich darauf beschränken müssen, Bruchstücke des üblichen Ausbildungsprogramms an den Behinderten heranzubringen. Es habe sich dabei jeweils um tastende Versuche gehandelt, deren Ausgang ungewiß gewesen sei. In dem Herausnehmen und Beibringen einzelner Lerninhalte aus einem vorhandenen und vielfach praktizierten Ausbildungsprogramm sei ein planvolles didaktisches Vorgehen zu erkennen, wenn auch ein auf den Einzelfall zugeschnittenes von vornherein festgelegtes Konzept nicht vorhanden gewesen sein möge. Die Beklagte verkenne, daß gerade, weil der übliche Ausbildungsplan nicht habe eingehalten werden können, eine Einzelmaßnahme durchgeführt worden sei. Hätte ein Ausbildungsplan aufgestellt und eingehalten werden können, wäre die Ausbildung als Lehrgang zu bezeichnen gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte bejaht, der auf Ersatz der Aufwendungen für die Ausbildung des Beigeladenen in der Unterfränkischen B in W vom 31. August 1970 bis 30. August 1973 geht, soweit dem Beigeladenen BAB der Höhe nach zustand.
Die Revision ist nicht schon deshalb begründet, weil die Klage gegen die Bescheide der Beklagten vom 9. Dezember 1971/7. Februar 1972 verspätet war. Würde man mit dem LSG davon ausgehen, daß es einer Klageänderung bedurft hätte, um die Anfechtungsklage in den Rechtsstreit einzuführen, so wäre das allerdings zweifelhaft, weil gem §§ 202 SGG iVm 281 Zivilprozeßordnung (ZPO) möglicherweise davon auszugehen wäre, daß erst durch die geänderte Klage die Klagefrist (§ 87 SGG) gewahrt werden konnte.
Indessen bedarf es keiner Entscheidung über diese Frage, da die Gesamtumstände der Klageerhebung und der Prozeßführung durch den Kläger hier zu dem Schluß führen, daß er von vornherein die Anfechtungsklage erhoben hat. Der Kläger hat nicht nur die Klagefrist eingehalten. Die Klage ging am 21. Februar 1972 ein, der Widerspruchsbescheid war an den Beigeladenen, dessen Rechte der Kläger wahrnimmt, am 9. Februar 1972 zugestellt worden. Dieser hat seiner Klage dem Gericht sofort die Bescheide beigefügt, die den Anspruch gegenüber dem Beigeladenen ablehnten, und in der Klageschrift zum Ausdruck gebracht, daß er die Bescheide als fehlerhaft ansehe und entgegen ihrem Inhalt den Anspruch auf BAB gegen die Beklagte geltend mache. Auch hat der Kläger in der Klageschrift vorgebracht, daß er den Anspruch des Beigeladenen auf sich übergeleitet habe. Aus all dem ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß er nicht nur einen eigenen Rechtsanspruch gegen die Beklagte geltend machen, sondern sich auch gegen die von der Beklagten erlassenen Bescheide wenden wollte. Die Anfechtungsklage war demnach schon von vornherein erhoben. Daß das LSG den Kläger nochmals auf die Notwendigkeit der Anfechtungsklage hingewiesen und eine entsprechende Neufassung der Anträge veranlaßt hat, ändert daran nichts. Das LSG ist damit seiner Pflicht nachgekommen, darauf hinzuwirken, daß die Beteiligten sachdienliche und dem Begehren entsprechende Anträge stellen (§ 106 Abs 1 SGG).
Das LSG hat zu Recht den Anspruch des Beigeladenen auf BAB bejaht, der auf den Kläger nach § 90 BSHG übergegangen ist.
Wie die Revision zu Recht ausgeführt hat, ist der Inhalt des angefochtenen Urteils, wie die Gründe eindeutig ergeben, dahin zu verstehen, daß die Aufwendungen des Klägers von der Beklagten der Höhe nach soweit erstattet werden sollen, wie dem Beigeladenen ein Anspruch auf BAB zugestanden hat. Insoweit ist der Tenor klargestellt worden.
Nicht zu beanstanden ist die Wertung des LSG, daß der Beigeladene zu dem Personenkreis der Behinderten zählt, und daß er mit der Teilnahme an der Ausbildungsmaßnahme zum Herrenschneider an einem Lehrgang zur Verbesserung der Eingliederungsmöglichkeit für Behinderte teilgenommen hat, welche den Anforderungen eines Ausbildungsberufes nicht und einer Arbeitsaufnahme oder einer Tätigkeit in einer Werkstatt für Behinderte noch nicht gewachsen sind (§ 10 Nr 5 AReha 1970).
Zu Recht hat das LSG auch angenommen, daß die Voraussetzungen für die individuelle Förderung Behinderter im Falle des Beigeladenen erfüllt gewesen sind. Der Beigeladene war, wie sich aus seinem gesamten vom LSG geschilderten Verhalten ergibt, bereit, sich beruflich bilden oder eingliedern zu lassen (§ 3 Abs 1 Nr 1 AReha). Sein Leistungsvermögen ließ erwarten, daß er das Ziel der Maßnahme erreichen werde. Das LSG hat festgestellt, und dies ist unter den Beteiligten nicht streitig, daß es Ziel der Maßnahme im Falle des Beigeladenen nicht (oder nicht allein) war, ihm die volle Ausbildung in einem anerkannten Lehrberuf zu vermitteln. In seinem Falle sollte vielmehr erreicht werden, daß er befähigt werden sollte, in Zukunft in einer Werkstatt für Behinderte tätig zu werden oder doch durch Erhöhung seiner Geschicklichkeit an einer weiterführenden Bildungsmaßnahme für Behinderte teilnehmen zu können. Daß dies erreicht und daß dieses Ziel von vornherein mit Erfolgsaussicht angestrebt wurde, ist von dem LSG festgestellt worden, ohne daß gegen diese Feststellungen zulässige Revisionsgründe vorgebracht worden sind (§ 163 SGG).
In mißverständlicher Weise hat das LSG allerdings ausgeführt, daß das Fehlen eines Ausbildungsplanes der Förderbarkeit der Maßnahme nicht entgegenstehe, weil die AReha 1970 hierüber keine Regelung enthalte. In § 34 Satz 2 AFG (seit Inkrafttreten des Gesetzes vom 18. Dezember 1975 - BGBl I 3113 - am 1. Januar 1976: § 34 Abs 1 Satz 2 AFG) heißt es, die Förderung der Teilnahme setze voraus, daß die Maßnahme nach Dauer, Gestaltung des Lehrplans, Unterrichtsmethode, Ausbildung und Berufserfahrung des Leiters und der Lehrkräfte eine erfolgreiche berufliche Bildung erwarten läßt. Die Geeignetheit der Maßnahme ist aufgrund des § 34 AFG schon immer Voraussetzung der Förderung gewesen. Geeignet ist eine Maßnahme aber nur dann, wenn das Vorgehen planmäßig erfolgt. Das Gesetz erwähnt selbst bereits den "Lehrplan" und spricht von der "Unterrichtsmethode", die als solche auch nur dann besteht, wenn "methodisch" in der Unterrichtung fortgeschritten wird, also in der Weise, daß der jeweilige Schritt aus dem Vorangegangenen folgerichtig hervorgeht. Auch das setzt einen Plan voraus. Wenn das Gesetz erwartet, daß die Bundesanstalt prüft, ob die Maßnahme eine erfolgreiche Bildung erwarten läßt, so geht daraus hervor, daß die Maßnahme geplant durchgeführt werden soll. Nur wenn die Bundesanstalt aufgrund des Planes sich ein Bild von dem künftigen Vorgehen machen kann, ist sie in der Lage zu beurteilen, ob die Maßnahme voraussichtlich Erfolg haben wird.
Das kann allerdings weder bedeuten, daß in jedem Falle eine detaillierte Beschreibung aller Ausbildungsabschnitte vorhanden ist, noch daß überhaupt in starrer Weise das gesamte zukünftige Vorgehen festgelegt ist. Jeder Plan muß der Unsicherheit allen Bemühens, die Zukunft zu regeln, Rechnung tragen, indem er von vornherein die wesentlichen Züge des Vorgehens absteckt und für einzelne erst aus der Situation heraus zu treffende Entscheidungen Raum läßt. Bei einem Ausbildungsplan ist zu berücksichtigen, daß es sich um eine Einwirkung von Menschen auf Menschen handelt, also von dem oder den Ausbildenden auf den oder die Auszubildenden. Die Unsicherheiten, die sich aus diesem Verhältnis ergeben, engen die Möglichkeiten exakter Planung zusätzlich ein.
Auch was die Möglichkeit anbetrifft, die Erfolgsaussichten der Einzelnen in der Maßnahme abzuschätzen, ergeben sich Einschränkungen, die aus der Natur dieser Aufgabe folgen. Es wird eine Reihe von Personen geben, deren Eignung oder Nichteignung für eine bestimmte Ausbildung nahezu eindeutig sein wird. Bei einer erheblichen Anzahl wird eine gewisse Unsicherheit auch bei sorgfältiger Prüfung verbleiben.
Sowohl bei der Prüfung der Geeignetheit der Maßnahme als solcher wie auch bei der Prüfung der Geeignetheit der Maßnahme für diesen Teilnehmer verbleibt es also nicht selten bei einer relativen Ungewißheit.
Diese Unsicherheit haftet dem Versuch, eine Voraussage für die Zukunft zu treffen, als solchem an. Wenn der Gesetzgeber der Beklagten dennoch diese Aufgabe zugewiesen hat, so hat er das hingenommen. Es handelt sich bei der Beurteilung der Geeignetheit der Maßnahme, auch in Bezug auf den einzelnen Teilnehmer, um einen prognostischen Schluß, bei dem von vornherein auch Fehlschlüsse notwendigerweise eingerechnet sind. Entsprechend dem Ziel aller Ausbildungsmaßnahmen, nicht nur im Interesse der Geförderten, sondern auch der Allgemeinheit (§§ 1, 2, 3 Abs 2 Nr 3 AFG), den Ausbildungsstand der Berufstätigen zu heben, ist der Versuch angezeigt und nicht das Unterlassen der Förderung. Insoweit kann immer noch von einem Erfolg des Versuchs ausgegangen werden.
All das gilt erst recht bei Behinderten. Auf ihre eingeschränkten Möglichkeiten ist Rücksicht zu nehmen (§ 56 Abs 1 AFG). Deshalb ist gerade bei ihnen eine weitgehende Flexibilität des Planes unumgänglich.
Im vorliegenden Falle hat der Lehrgang, an dem der Beigeladene teilgenommen hat, diesen Anforderungen genügt.
Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, daß die Ausbildung des Beigeladenen in der Unterfränkischen Berufslehranstalt für Körperbehinderte planmäßig erfolgte. Der Beigeladene nahm an einer Maßnahme teil, die darauf abzielte, Behinderten eine Berufsausbildung zu geben. Im Falle des Beigeladenen war allerdings von vornherein klar, daß er nicht alle Funktionen, die dem angestrebten Beruf entsprachen, werde ausführen können. Im Hinblick darauf, daß aber bei ihm sowohl die Chance bestand, daß er dennoch einen Stand erreichen könne, der ihn auf dem Arbeitsmarkt verwendbar machen würde, als auch, wenn dies nicht der Fall sein sollte, er Fähigkeiten erwerben würde, aufgrund deren er in einer Behindertenwerkstatt arbeiten könne, nahm er an diesen Ausbildungsgängen teil.
Nach § 10 Nrn 4 und 5 AReha sind auch Einzelmaßnahmen förderungsfähig, wenn Lehrgänge nicht möglich, unzweckmäßig oder unzumutbar sind (vgl BSGE 42, 70; Urteil vom 20. Juni 1978 7 RAr 11/77). Im Falle einer solchen Einzelmaßnahme, wie sie im Falle des Beigeladenen vorgelegen hat, ist es nicht zu beanstanden, wenn, wie es hier geschehen ist, die Maßnahme sich an einem Ausbildungsplan ausrichtet, der für weniger stark Behinderte geeignet ist und bei dem betreffenden Behinderten versucht werden soll, die Ausbildungsziele soweit zu verwirklichen, wie es die noch zu erprobenden Fähigkeiten des Behinderten erlauben. Voraussetzung ist lediglich, daß mit Aussicht auf Erfolg ein Ergebnis angestrebt wird, das Ziel einer Maßnahme nach § 40 AFG und § 10 AReha sein kann. Im Falle des Beigeladenen bestand, wie sich aus den Feststellungen des LSG ergibt, aber kein Zweifel, daß er mit Aussicht auf Erfolg so weit beruflich angelernt werden konnte, daß er in einer Behindertenwerkstatt tätig werden könne (§ 10 Nr 5 AReha).
Nicht zu beanstanden ist ferner, daß das LSG den Anspruch des Beigeladenen, der auf den Kläger übergegangen ist, für die gesamte Dauer der Ausbildungsmaßnahme bejaht hat. Das LSG ist in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, daß der Beigeladene während der gesamten Dauer der Maßnahme in der Richtung gefördert worden ist, in der von vornherein der Sinn seiner Teilnahme an der Maßnahme gesehen worden ist, nämlich in der Richtung auf eine Erweiterung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten, die ihm entweder die Beteiligung am Arbeitsmarkt oder das Tätigwerden in einer Werkstatt für Behinderte erlauben würde. Solange das der Fall war, solange also noch Aussicht darauf bestand, daß der Beigeladene gezielt und planmäßig weiter gefördert werden konnte, also weder den Höchststand seiner ihm möglichen Leistungen noch das Ziel erreicht hatte, für den Arbeitsmarkt einsatzfähig zu sein, war die Förderung des Beigeladenen zweckmäßig. Eine starre zeitliche Begrenzung der Förderungsdauer ist, wie das LSG richtig ausgeführt hat, in § 10 Nr 5 AReha nicht enthalten.
Das LSG hat ferner zutreffend erkannt, daß die Rehabilitationsmaßnahme, an der der Beigeladene teilgenommen hatte, ihr Schwergewicht nicht in der sozialen Betreuung und Persönlichkeitsbildung gehabt hat, sondern nach Ziel, Plan und inhaltlicher Ausgestaltung wesentlich durch das Erlernen beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten geprägt worden ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen