Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. Zulässigkeit des Arbeitgebermodells zumindest bei anderweitig nicht möglicher Sicherstellung der häuslichen Krankenpflege. Verpflichtung der Krankenkasse zur Tragung erforderlicher Kosten im Einzelfall auch während eines Krankenhausaufenthalts
Leitsatz (amtlich)
1. Die Organisation der häuslichen Krankenpflege im Arbeitgebermodell durch die Versicherten mit von ihnen selbst beschäftigten besonderen Pflegekräften ist jedenfalls dann zulässig, wenn die im Einzelfall erforderliche häusliche Krankenpflege nicht anders sicherzustellen ist.
2. Kann die häusliche Krankenpflege anders als im Arbeitgebermodell nicht bedarfsdeckend organisiert werden, hat die Krankenkasse alle nach Lage des Einzelfalls auch während eines Krankenhausaufenthalts zur Aufrechterhaltung der häuslichen Krankenpflege erforderlichen Kosten in angemessener Höhe zu tragen.
Normenkette
SGB V § 11 Abs. 3 S. 1 Alt. 2, § 37 Abs. 2, 4, § 132a
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand
Im Streit stehen die Kosten einer vom Kläger im sogenannten Arbeitgebermodell organisierten häuslichen Krankenpflege während eines stationären Krankenhausaufenthalts im Mai und Juni 2013.
Der 1965 geborene, bei der beklagten Krankenkasse krankenversicherte Kläger leidet seit 2008 unter amyotropher Lateralsklerose (ALS). Er kann sich weder bewegen noch sprechen, liegt in einem Krankenpflegebett und kommuniziert mittels eines Augencomputers unter Einsatz einer ABC-Tafel. Die erforderliche 24-Stunden-Betreuung organisiert er seit November 2012 in Absprache mit der Beklagten im sogenannten Arbeitgebermodell selbst. Im Mai und Juni 2013 waren demgemäß fünf Assistenzkräfte bei ihm angestellt, deren Kosten in Höhe von 28,50 Euro/Stunde für 20,2 Stunden häusliche Krankenpflege am Tag von der Beklagten grundsätzlich zu erstatten waren. Daneben erhält er Pflegegeld nach dem SGB XI.
Vom 11.5. bis 24.6.2013 war der Kläger nach einem Atemnotstand vollstationär in einem Krankenhaus aufgenommen. Seine angestellten Assistenzkräfte betreuten ihn währenddessen zunächst in geringem Umfang - insbesondere für die Dauer eines künstlichen Komas - und übernahmen ab 7.6.2013 seine 24-Stunden-Betreuung vollständig. Die Erstattung der während der Krankenhausbehandlung angefallenen Assistenzpflegekosten lehnte die Beklagte ab: In der gesetzlichen Krankenversicherung seien die Kosten einer häuslichen Krankenpflege auch beim Arbeitgebermodell während eines Krankenhausaufenthalts nicht erstattungsfähig (Bescheid vom 30.5.2013; Widerspruchsbescheid vom 23.4.2014).
Das SG hat die Beklagte - nachdem der Kläger im einstweiligen Rechtsschutzverfahren obsiegt und die Beklagte vorläufig geleistet hatte - unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Kosten für die Assistenzpflege vom 11.5. bis 24.6.2013 in Höhe von 20 285,86 Euro endgültig zu übernehmen (Urteil vom 13.5.2016). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Der Gesetzgeber habe mit dem Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.7.2009 eine unbeabsichtigte Regelungslücke hinsichtlich der Personengruppe geschaffen, die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V erhalte. Sie werde durch § 11 Abs 3 SGB V ungleich gegenüber der Personengruppe behandelt, die ihre Pflege im Arbeitgebermodell nach dem SGB XII organisiert habe. Zudem ergebe sich der Anspruch unmittelbar aus § 37 Abs 4 SGB V, denn die Krankenkasse habe bei einem einvernehmlich mit ihr durchgeführten Arbeitgebermodell auch unvermeidliche Lohnansprüche während eines Krankenhausaufenthalts zu erstatten (Urteil vom 22.8.2019).
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 11 Abs 3 und § 37 Abs 2 und 4 SGB V sowie von § 30 Abs 1 SGB IV und § 31 SGB I. Ein Sachleistungsanspruch auf häusliche Krankenpflege bestehe während eines Krankenhausaufenthalts nicht, weshalb auch ein entsprechender Kostenerstattungsanspruch ausscheide. Anderes habe der Gesetzgeber weder in § 11 Abs 3 SGB V noch andernorts geregelt. Eine analoge Anwendung von Regelungen nach dem SGB XII auf angestellte Assistenzkräfte für häusliche Krankenpflege sei nicht überzeugend; es fehle an einer planwidrigen Regelungslücke, nachdem diese Konstellation Gegenstand der Erörterungen im Gesetzgebungsverfahren gewesen sei, aber nicht zu einer entsprechenden Gesetzesänderung geführt habe.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. August 2019 und des Sozialgerichts Kiel vom 13. Mai 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Beklagte für die streitbefangenen Kosten der vom Kläger zulässig im Arbeitgebermodell organisierten häuslichen Krankenpflege auch für die Zeit seines Krankenhausaufenthalts aufzukommen hat.
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die vorinstanzlichen Urteile, durch die die Beklagte zur endgültigen Kostenübernahme verurteilt worden ist und deren Aufhebung sie begehrt, sowie der Bescheid der Beklagten vom 30.5.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.4.2014, durch die sie die begehrte Übernahme von Kosten für häusliche Krankenpflege während eines Krankenhausaufenthalts abgelehnt hat. Gegen diese Bescheide wendet sich der Kläger der Sache nach mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG), gerichtet auf Änderung der angefochtenen Bescheide, durch welche die Beklagte Leistungen nur für einen Teilzeitraum bewilligt hatte, und auf endgültige Übernahme der Kosten für die Zeit vom 11.5. bis 24.6.2013 in Höhe von 20 285,86 Euro nach der Verpflichtung hierzu bereits im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes; erstrebt ist der Erlass eines bewilligenden Verwaltungsakts als Behaltensgrund für die aufgrund der einstweiligen Anordnung bereits geleistete Zahlung (vgl dazu BSG vom 9.3.2022 - B 7/14 AS 79/20 R - BSGE 133, 297 = SozR 4-4200 § 7 Nr 62, RdNr 11).
2. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs auf (endgültige) Erstattung von Kosten für häusliche Krankenpflege ist vorliegend § 37 Abs 4 SGB V (in der Normfassung des Gesetzes zur Änderung medizinprodukterechtlicher und anderer Vorschriften vom 14.6.2007, BGBl I 1066).
Danach haben Versicherte Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine selbstbeschaffte häusliche Krankenpflege in angemessener Höhe, wenn die Krankenkasse eine Kraft nicht selbst stellen kann oder Grund besteht, davon abzusehen (vgl hierzu nur BSG vom 26.3.2021 - B 3 KR 14/19 R - BSGE 132, 77 = SozR 4-2500 § 37 Nr 16, RdNr 13; BSG vom 17.2.2022 - B 3 KR 17/20 R - BSGE 133, 280 = SozR 4-2500 § 37 Nr 17, RdNr 10). Grundsätzlich sind Versicherte dabei auf die Inanspruchnahme von Pflegediensten beschränkt, die mit der Krankenkasse Verträge nach § 132a Abs 4 SGB V über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung geschlossen haben (vgl letztens dazu BSG vom 14.7.2022 - B 3 KR 1/22 R - vorgesehen für SozR 4 RdNr 11 ff und - B 3 KR 2/22 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4, RdNr 13 ff).
3. Das schließt die Organisation der häuslichen Krankenpflege durch die Versicherten mit von ihnen selbst beschäftigten besonderen Pflegekräften (Arbeitgebermodell) jedoch jedenfalls dann nicht aus, wenn die im Einzelfall erforderliche häusliche Krankenpflege anders nicht sicherzustellen ist (dazu 4.). Ist dem so, bleibt die Krankenkasse auch während eines Krankenhausaufenthalts zur Erstattung von Kosten in angemessener Höhe verpflichtet (dazu 5.). Ausgehend hiervon steht dem Kläger der Kostenerstattungsanspruch in der geltend gemachten Höhe zu (dazu 6.).
4. Die Organisation der häuslichen Krankenpflege im Arbeitgebermodell durch die Versicherten mit von ihnen selbst beschäftigten besonderen Pflegekräften ist zulässig jedenfalls dann, wenn die im Einzelfall erforderliche häusliche Krankenpflege anders nicht sicherzustellen ist.
a) Dass das im SGB V im Unterschied zum SGB XII und zum SGB XIV nicht ausdrücklich verankert ist, steht dem nicht entgegen. Daraus ist nicht abzuleiten, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung jedwede im Arbeitgebermodell organisierte häusliche Krankenpflege generell ausgeschlossen ist. An einer ausdrücklichen Ausschlussregelung fehlt es. Soweit die Krankenkassen nach § 11 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V bei stationärer Behandlung in einem Krankenhaus ua auch für die Kosten der Mitaufnahme von Pflegekräften aufzukommen haben, die von Versicherten zur Sicherstellung ihrer häuslichen Pflege nach § 63b Abs 6 Satz 1 SGB XII beschäftigt werden, ist der Bedarf nach einer im Arbeitgebermodell organisierten pflegerischen Versorgung vielmehr auch für die gesetzliche Krankenversicherung anerkannt (Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.7.2009, BGBl I 2495, und dazu BT-Drucks 16/12855; erweitert durch Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom 20.12.2012, BGBl I 2789, und dazu BT-Drucks 17/10747). Die Regelung soll Versicherten die Mitaufnahme von von ihnen selbst beschäftigten besonderen Pflegekräften ins Krankenhaus ermöglichen, soweit behinderungsbedingt - insbesondere schwerster Art - während einer stationären Krankenhausversorgung eine besondere pflegerische und persönliche Betreuung/Hilfe/Assistenz notwendig ist, die über die Krankenpflege bei stationärer Versorgung hinausgeht (vgl BT-Drucks 16/12855 S 6).
b) Ist damit auch im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung in Einzelfällen ein besonderer behinderungsbedingter Betreuungsbedarf schon bei stationärer Versorgung anerkannt, muss das für vergleichbare Bedarfslagen bei ambulanter Krankenpflege ebenso gelten. Soweit der Gesetzgeber hierfür anders als im SGB XII mit dessen § 63b Abs 6 Satz 1 und künftig in § 76 Abs 1 Satz 1 SGB XIV für die ambulante häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V besondere Regelungen nicht begründet hat, kann das in diesem Regelungsgefüge deshalb nicht so verstanden werden, dass die (Selbst-)Organisation der häuslichen Krankenpflege im Arbeitgebermodell im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung generell ausgeschlossen ist. Vielmehr muss in der Gesamtschau auch ohne ausdrückliche Regelung davon ausgegangen werden, dass die Erstattungsregelung des § 37 Abs 4 SGB V abweichend von der Grundnorm des § 132a Abs 4 SGB V in Ausnahmefällen auch die Kosten für die von einem Versicherten im Arbeitgebermodell selbst beschäftigten besonderen Pflegekräfte in angemessener Höhe umfasst, sofern hierfür ein entsprechender Krankenpflegebedarf besteht und zwischen den Beteiligten - anstelle der Vereinbarung nach § 132a Abs 4 SGB V - hierüber Einvernehmen erzielt worden ist.
5. Kann die häusliche Krankenpflege anders als im Arbeitgebermodell nicht bedarfsdeckend organisiert werden, hat die Krankenkasse alle nach Lage des Einzelfalls auch während eines Krankenhausaufenthalts zur Aufrechterhaltung der häuslichen Krankenpflege erforderlichen Kosten in angemessener Höhe zu tragen.
a) Mit der Organisation der häuslichen Krankenpflege im Arbeitgebermodell verliert die Krankenkasse nicht die Verantwortung für deren Erbringung. Auch wenn die häusliche Krankenpflege abweichend von dem Grundsatz des § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V nicht als Sachleistung abgegeben wird, macht schon § 37 Abs 4 SGB V mit dem Regel-Ausnahme-Verhältnis ("Kann die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen oder besteht Grund, davon abzusehen, sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten.") deutlich, dass die Krankenkassen für die ausreichende Versorgung mit häuslicher Krankenpflege auch dann verantwortlich bleiben, wenn die Versicherten sich diese selbst beschaffen. Das belegen auch die umfangreichen Vorgaben für die Erbringung der häuslichen Krankenpflege in leistungserbringungsrechtlicher Hinsicht nach § 132a SGB V.
b) Zu den von den Krankenkassen bei einer im Arbeitgebermodell organisierten häuslichen Krankenpflege zu erstattenden Kosten rechnen deshalb zunächst - angelehnt an den Rechtsgedanken von § 63b Abs 4 und § 64f Abs 3 SGB XII zur im Arbeitgebermodell organisierten häuslichen Pflege und künftig auch des § 76 Abs 2 SGB XIV - jedenfalls die Aufwendungen, die Versicherte vertretbar zu tragen haben, um nach der Rückkehr aus dem Krankenhaus die Kontinuität ihrer ambulanten Krankenpflege aufrechterhalten zu können, wenn diese anders als im Arbeitgebermodell nicht sicherzustellen ist; liegt das so, hat die Krankenkasse die Kosten der im Arbeitgebermodell organisierten häuslichen Krankenpflege auch dann zu tragen, wenn ein Versicherter davon wegen einer im Krankenhaus erforderlichen Akutversorgung vorübergehend keinen (unmittelbaren) Nutzen haben sollte (vgl insoweit näher zu § 63b Abs 4 Satz 1 SGB XII Meßling in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl, § 63b SGB XII RdNr 49 ff, Stand 25.1.2021, und zu § 64f Abs 3 SGB XII Meßling, aaO, § 64f SGB XII RdNr 33 ff, Stand 1.2.2020).
c) Reicht allerdings der Krankenpflegebedarf des Versicherten behinderungsbedingt nach Art und Umfang - wie in § 11 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V vorausgesetzt - über die für die stationäre Behandlung einer Krankheit erforderliche, nach § 39 Abs 1 Satz 3 SGB V vom Krankenhaus im Rahmen einer komplexen Gesamtleistung zu leistende Krankenpflege hinaus, kann hinsichtlich dieses zusätzlichen Krankenpflegebedarfs - abweichend von der Abgrenzung sonst (vgl dazu nur Padé in jurisPK-SGB V, 4. Aufl, § 37 SGB V RdNr 43, 66, Stand 10.8.2022) - auch ein Krankenhaus ein geeigneter Ort für die Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege als Behandlungspflege nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V sein.
Auch wenn § 11 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V seinem unmittelbaren Regelungsgegenstand nach nur die Kosten für die Mitaufnahme einer Pflegekraft in einem Krankenhaus betrifft, ist damit zugleich anerkannt, dass in einer besonderen Krankenpflegesituation - erst recht, wenn sie sich wie hier der Sache nach als eine die häusliche Pflege weitgehend verdrängende außerklinische Intensivpflege darstellt (vgl nunmehr § 37c SGB V, eingefügt durch das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz vom 23.10.2020, BGBl I 2220) - behinderungsbedingt ein zusätzlicher Krankenpflegebedarf besteht, der die Einbeziehung von weiterem (Kranken-)Pflegepersonal erfordern kann und die Übernahme der im Arbeitgebermodell hierfür anfallenden Kosten auch während eines vorübergehenden Aufenthalts in einem Krankenhaus rechtfertigen kann (vgl § 63b Abs 4 Satz 1 SGB XII). Hieran hat sich auch das Verständnis des - vom Gesetzgeber bewusst als unbestimmter Rechtsbegriff gefassten - Tatbestandsmerkmals des geeigneten Orts iS von § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V auszurichten (vgl zu dessen Konkretisierung nur BSG vom 26.3.2021 - B 3 KR 14/19 R - BSGE 132, 77 = SozR 4-2500 § 37 Nr 16, RdNr 16 mwN), ohne dass es insoweit des Rückgriffs auf Art 3 Abs 1 GG bedürfte.
Hiervon abweichende Regelungsvorstellungen des Gesetzgebers, die für einen Ausschluss der Kostenerstattung bei durch Versicherte im Arbeitgebermodell organisierter häuslicher Krankenpflege während eines stationären Krankenhausaufenthalts streiten, vermag der Senat - anders als die Beklagte - weder den Gesetzesmaterialien zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs noch späteren gesetzlichen Regelungen zu entnehmen. Vielmehr liegt das Verständnis des Senats auf einer Linie mit der Tendenz von Neuregelungen, die die Leistungsansprüche von Versicherten und deren Umfeld bei stationärer Behandlung erweitert haben (§ 44b SGB V und § 113 Abs 6 SGB IX idF des Gesetzes zum Erlass eines Tierarzneimittelgesetzes und zur Anpassung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 27.9.2021, BGBl I 4530: Krankengeld für eine bei stationärer Behandlung mitaufgenommene Begleitperson aus dem engsten persönlichen Umfeld und Leistungen für Begleitung sowie Befähigung durch vertraute Bezugspersonen, jeweils bei behinderungsbedingten besonderen Bedürfnissen; vgl BT-Drucks 19/31069 S 190 ff).
6. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ist davon auszugehen, dass die im Einzelfall des Klägers erforderliche häusliche Krankenpflege anders als im Arbeitgebermodell nicht bedarfsdeckend sicherzustellen ist. Davon ist auch die Beklagte ausgegangen, mit deren Einvernehmen der Kläger seine häusliche Krankenpflege im Arbeitgebermodell organisiert hat.
Dass dem Kläger im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorläufig ein höherer Betrag als die nach § 37 Abs 4 SGB V zu beanspruchende angemessene Kostenerstattung zugesprochen worden ist, vermag der Senat nicht zu erkennen. Dafür geben die Feststellungen der Vorinstanzen nach ihrem Gesamtzusammenhang keinen Anhalt.
Offenbleiben kann deshalb, inwiefern eine Krankenkasse unter Berücksichtigung ihrer allgemeinen Unterstützungspflichten im Rahmen des Versorgungsmanagements (vgl § 11 Abs 4 Satz 3 SGB V) und ihrer fortbestehenden Verantwortung für die im Einvernehmen mit ihr im Arbeitgebermodell organisierte häusliche Krankenpflege bereits während des Krankenhausaufenthalts eines Versicherten auf die Absenkung aus ihrer Sicht unangemessener Kosten hinzuwirken hat und wie sich ggf das Risiko einer - bei objektiver Betrachtung im Nachhinein - unangemessen hohen krankenpflegerischen Betreuung durch eigene Pflegekräfte und der Kosten hierfür im Verhältnis zwischen Versicherten und Krankenkasse verteilt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Fundstellen
Haufe-Index 15524011 |
FEVS 2023, 481 |
NZS 2023, 415 |
SGb 2023, 374 |
GesR 2023, 293 |
PflR 2023, 348 |
Breith. 2023, 930 |