Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. Anspruch auf Übernahme einer Assistenzpflege während eines stationären Krankenhausaufenthalts. Gleichbehandlung mit Personen nach dem SGB 12
Orientierungssatz
1. Ein Versicherter, der Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB 5 erhält, hat einen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Assistenzpflege während eines stationären Krankenhausaufenthalts in entsprechender Anwendung des § 11 Abs 3 SGB 5.
2. Für eine unterschiedliche Behandlung von Personen, die ihre Pflege nach dem SGB 12 durch von ihnen beschäftigte Pflegekräfte ambulant sicherstellen und Personen, die diese Pflege über § 37 SGB 5 erhalten, besteht keinerlei sachlicher Grund vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgebots nach Art 3 GG.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 13. Mai 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Übernahme von Pflegekosten während eines stationären Krankenhausaufenthaltes.
Der 1965 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Seit 2008 leidet er an einer degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems mit fortschreitender Schädigung der Nervenzellen, die für die Muskelbewegungen verantwortlich sind (amyotrophe Lateralsklerose - ALS -). Die Beklagte gewährt dem Kläger laufend Leistungen zur häuslichen Krankenpflege in Form der Intensivpflege. Er liegt in einem Krankenhauspflegebett, kann sich nicht mehr bewegen und nicht sprechen. Die Kommunikation erfolgt mithilfe eines Augencomputers unter Einsatz von ABC-Tafeln.
Von November 2011 bis November 2012 übernahmen 2 Pflegedienste die Betreuung des Klägers auf Kosten der Beklagten. Bei den Pflegediensten handelte es sich um deren Vertragspartner. Im Anschluss an diesen Zeitraum stellte der Kläger nach Absprache mit der Beklagten im Rahmen eines Arbeitgebermodells Assistenzkräfte zur Durchführung seiner 24-Stunden-Pflege an. Diese Kosten wurden nach mit der Beklagten vereinbarten Stundensätzen monatlich abgerechnet und von der Beklagten übernommen. Eine zunächst zwischen den Beteiligten beabsichtigte Zielvereinbarung kam nicht zustande. Im Mai und Juni 2013 waren bei dem Kläger 5 Assistenzkräfte angestellt, jeweils mit entsprechenden Arbeitsverträgen von 150 bzw. 160 Stunden im Monat, um die erforderliche 24-Stunden-Pflege zu gewährleisten. Unterstützt wurde der Kläger durch den Fachdienstleister p.
In der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 2013 wurde der Kläger wegen Atemnotstand im F-E-Krankenhaus in N stationär aufgenommen und auf der Intensivstation für 10 Tage in ein künstliches Koma versetzt. In diesem Zeitraum wurde der Kläger von den angestellten Assistenzkräften in geringem Umfang weiterhin betreut. Am 27. Mai 2013 erfolgte die Verlegung des Klägers auf die periphere Weaning-Station. Grund- und Beatmungspflege wurden vom Pflegepersonal des Krankenhauses übernommen.
Mit Bescheid vom 30. Mai 2013 lehnte die Beklagte die Gewährung häuslicher Krankenpflege während der Krankenhausbehandlung ab. Zur Begründung führte sie aus, nach § 37 SGB V könne häusliche Krankenpflege nur im Haushalt oder an sonst geeigneten Orten gewährt werden. Hierzu zählten unter anderem betreute Wohnformen, Kindergärten und Schulen, nicht jedoch Krankenhäuser. Eine Erstattung der Kosten der häuslichen Krankenpflege für Zeiten der Krankenhausbehandlung scheide somit aus. Es sei daher auch unerheblich, ob die Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach dem trägerübergreifenden persönlichen Budget oder nach dem Kostenerstattungsverfahren gewählt würden.
Diesem Bescheid widersprach die p mit Schreiben vom 29. Mai 2013. Zur Begründung trug sie vor, zum Zweck der Sicherung der häuslichen Krankenpflege seien Arbeitsverträge geschlossen worden. Aus § 615 BGB folge deshalb eine Weiterzahlungsverpflichtung des Gehalts für die angestellten Assistenzkräfte. Des Weiteren könnten die Mitarbeiter arbeitsrechtlich ihre Arbeitsleistung bis zur vollständigen Bezahlung des Gehalts zurückhalten. Dies würde bedeuten, dass der Kläger bei der Rückkehr in die häusliche Umgebung ohne Pflegepersonal dastünde. Daher sei unerheblich für die Zahlungsverpflichtung der Beklagten, ob häusliche Krankenpflege in der Klinik angefallen sei, da die Zahlungsverpflichtung im Vorfeld entstanden sei.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 7. Juni 2013 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. Mai 2013 ein. Die Betreuungssituation sei im Krankenhaus keine andere als zu Hause. Die 24-Stunden-Betreuung könne nur durch die Assistenzkräfte erfüllt werden. Diese Leistungen könne das Krankenhauspersonal nicht erbringen. Ab dem 7. Juni 2013 hätten im Einverständnis mit dem Krankenhaus die vom Kläger angestellten Assistenzkräfte die 24-Stunden-Betreuung übernommen. Am 12. Juni 2013 habe das Krankenhaus den ...