Leitsatz (amtlich)

1. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren ist die Revision nur zulässig, wenn der Revisionskläger beschwert ist.

2. Ist eine "Berufung" an das Oberversicherungsamt mit dem Inkrafttreten des SGG nach SGG § 215 Abs 4 "als Klage" auf das SG übergegangen, so ist die Klage nur zulässig, wenn die Berufung an das Oberversicherungsamt nach bisherigem Verfahrensrecht zulässig gewesen ist und wenn die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Klage nach dem SGG im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3. Die Aufhebungsklage des SGG § 54 Abs 1 ist in der Regel gegen die Stelle zu richten, die den Verwaltungsakt erlassen hat.

4. Eine Aufhebungsklage gegen eine Privatperson ist unzulässig.

5. Zur Frage des Insichprozesses.

 

Normenkette

SGG § 54 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 69 Fassung: 1953-09-03, § 215 Abs. 4 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. Oktober 1956 wird aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 8. Mai 1956 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Der Beklagte, der seit 1940 als Kraftfahrer bei der Sicherheitspolizei notdienstverpflichtet und von Juni 1945 bis Oktober 1949 in französischer Gefangenschaft war, stellte am 1. Dezember 1949 wegen verschiedener Leiden Antrag auf Versorgung. Mit Bescheid vom 5. September 1950 lehnte die Landesversicherungsanstalt Westfalen diesen Antrag ab. Auf den Einspruch des Beklagten hob der Beschwerdeausschuß des Versorgungsamts S den Bescheid durch Entscheidung vom 29. Juli 1953 auf und erkannte an, daß "Herzmuskelschaden, hypotone Kreislaufregulationsstörungen, Niereninsuffizienz, Herabsetzung der Lungentätigkeit und rheumatische Gelenkbeschwerden durch unmittelbare Kriegseinwirkung anläßlich des militärischen Dienstes entstanden sind und vom 1. Dezember 1949 ab eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) von 60 v. H. nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) zu gewähren ist"; über die Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wurde nicht entschieden. Der Leiter des Versorgungsamts S legte gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses am 19. September 1953 Berufung beim Oberversicherungsamt D ein. Nachdem die Sache mit dem Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf das Sozialgericht (SG.) Detmold übergegangen war, beantragte der Kläger - das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das Landesversorgungsamt Westfalen -, die Entscheidung des Beschwerdeausschusses aufzuheben, da Schädigungsfolgen nicht vorlägen. Der Beklagte beantragte, die Klage als unzulässig abzuweisen. Durch Urteil vom 8. Mai 1956 wies das SG. Detmold die Klage ab: Die Berufung beim Oberversicherungsamt D sei nach § 20 SVD Nr. 27 in der Fassung des Artikel 9 des Gesetzes vom 12. Juli 1949 (GVBl. NRW. S. 229) zulässig gewesen und am 1. Januar 1954 nach § 215 Abs. 2 und 4 SGG als Klage auf das SG. übergegangen; nach dem SGG sei jedoch die Klage weder als "Anfechtungsklage" nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG noch als "Aufsichtsklage" nach § 54 Abs. 3 SGG zulässig. Der Kläger legte gegen dieses Urteil am 23. Juni 1956 Berufung ein und beantragte, unter Aufhebung des Urteils des SG. Detmold vom 8. Mai 1956 der Klage stattzugeben. Durch Urteil vom 3. Oktober 1956 hob das Landessozialgericht (LSG.) das Urteil des SG. auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG. zurück: Die Berufung sei nach § 20 Abs. 2 der SVD Nr. 27 in Verbindung mit § 128 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zulässig gewesen; auch die Klage - als solche sei die "Berufung" nach dem Inkrafttreten des SGG weiter zu behandeln - sei nach § 54 Abs. 1 SGG zulässig, weil es sich bei der Entscheidung des Beschwerdeausschusses um einen den Kläger belastenden streitentscheidenden Verwaltungsakt (VA.) handele, den der Kläger nur auf dem Klagewege beseitigen könne; dies entspreche auch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), der den Rechtsweg nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts eröffne. Die Klage richte sich auch zu Recht gegen den Versorgungsberechtigten; schon das Berufungsverfahren vor dem Oberversicherungsamt sei zwischen ihm und dem Kläger geführt worden; auch nach der Auffassung des Preuß. Oberverwaltungsgerichts habe die Anfechtung streitentscheidender Verwaltungsakte durch Klage gegen den Sachgegner und nicht gegen die Stelle, die den VA. erlassen habe, erfolgen müssen; da Sachgegner und Klageziel identisch geblieben seien, sei es nach § 215 SGG gerechtfertigt gewesen, die Klage gegen den Versorgungsberechtigten als Beklagten zu erheben. Das SG. habe daher die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Das LSG. hat die Revision zugelassen: sowohl die Frage, ob die Zulässigkeit der gemäß § 215 Abs. 2 und 4 SGG als Klage übergegangenen Berufung nach den alten Vorschriften und nach dem SGG zu beurteilen sei, wie auch die Frage, ob in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung eine Klage des Landes gegen den Versorgungsberechtigten zulässig sei, seien von grundsätzlicher Bedeutung.

Am 30. November 1956 legte der Beklagte gegen das ihm am 16. November 1956 zugestellte Urteil Revision ein mit dem Antrag,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG. Detmold vom 8. Mai 1956 zurückzuweisen.

Am 16. Januar 1957 begründete er die Revision:

Die Klage des Landes, die als Berufung alten Rechts zulässig gewesen sei, sei nach dem SGG nicht zulässig. Der Begriff des "Klägers" in § 54 SGG könne sich nur auf den in seinen Rechten verletzten, durch den Akt der Verwaltung beschwerten einzelnen Staatsbürger beziehen, nicht aber auf die Verwaltung selbst. Nur die natürliche oder die juristische Einzelperson könne durch einen VA. beschwert sein, nicht aber könne ein Land, eine Behörde oder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts durch einen eigenen VA. verletzt sein; wegen der "Einheitlichkeit der Verwaltung" komme es dabei nicht darauf an, von welcher Dienststelle, Behörde oder sonstigen Verwaltungseinrichtung des Klägers der VA. erlassen sei; einen Rechtsstreit zwischen Behörden desselben Rechtsträgers könne es nicht geben, wenn nicht eine ausdrückliche Vorschrift das Klagerecht einräume. Auch im Sinne von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG könne Verletzter niemals die öffentliche Gewalt sein. Nach § 123 SGG entscheide das Gericht über die "Ansprüche" des Klägers, also über sein Recht, von dem Inanspruchgenommenen ein Tun, Dulden oder Unterlassen zu verlangen; im vorliegenden Fall sei der Beklagte gar nicht in der Lage, dem Klagebegehren zu entsprechen; er könne über den angegriffenen VA. nicht "verfügen".

Der Kläger beantragte,

die Revision zurückzuweisen.

Der Beklagte verkenne die Besonderheiten, die sich für Übergangsfälle aus den §§ 213, 215 SGG ergäben. Nach § 215 Abs. 2 und 4 SGG seien ausnahmslos alle vor den Oberversicherungsämtern rechtshängigen Sachen auf das zuständige SG. übergegangen und gälten vor diesem als Klage, ohne Rücksicht darauf, welche Partei als Kläger oder Beklagter erscheine. Wenn man der Rechtsauffassung des Beklagten folge, seien die Entscheidungen des Beschwerdeausschusses, die z. Zt. des Inkrafttretens des SGG noch nicht rechtskräftig waren, für die Versorgungsverwaltung durchweg unanfechtbar; dies habe der Gesetzgeber nicht gewollt.

II.

Die Revision ist nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft; der Beklagte hat sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet; die Beschwer, die auch im sozialgerichtlichen Verfahren eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision ist (vgl. für das verwaltungsgerichtliche Verfahren BVerwGE 4, S. 16 ff. (17) und für das zivilprozessuale Verfahren Rosenberg, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 7. Aufl., § 137 II 2 S. 635), ist gegeben; in der angefochtenen Entscheidung ist das Urteil des SG., das dem Antrag des Beklagten auf Abweisung der Klage entsprochen hat, wieder aufgehoben worden. Die Revision ist danach zulässig.

Die Revision ist auch begründet; das LSG. hat die Klage zu Unrecht für zulässig erachtet.

1.) Der Kläger (Revisionsbeklagte) hat beantragt, die Entscheidung des Beschwerdeausschusses aufzuheben. Die Zulässigkeit dieses Klageantrags ist, wie das LSG. zutreffend angenommen hat, sowohl nach bisherigem Verfahrensrecht als auch nach dem SGG zu prüfen.

Die "Berufung", die der Kläger beim Oberversicherungsamt eingelegt hat, ist nach Art. 9 des am 1. Juni 1949 in Kraft getretenen Gesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen zur Änderung der SVD Nr. 27 und der hierzu ergangenen Durchführungsvorschriften vom 12. Juli 1949 (GVBl. Nordrhein-Westfalen 1949, S. 229 ff.) zulässig gewesen. Zwar hat nach Nr. 20 der SVD Nr. 27 vom 2. Mai 1947 (Arbeitsblatt für die brit. Zone 1947, S. 155 ff.) nur derjenige das Recht gehabt, Berufung beim Beschwerdeausschuß und, falls ihn dessen Entscheidung nicht befriedigt, Berufung beim Oberversicherungsamt (Spruchkammer) einzulegen, der Leistungen der Sozialversicherung oder Kriegsopferversorgung begehrt hat. Diese Bestimmung ist aber durch Art. 9 des Gesetzes vom 12. Juli 1949 dahin geändert worden, daß - ohne Beschränkung auf den Antragsteller - "gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses" Berufung an die Spruchkammer des Oberversicherungsamts zulässig ist. Aus dieser Neufassung der Nr. 20 der SVD Nr. 27 ergibt sich, daß jedenfalls im Lande Nordrhein-Westfalen auch Versicherungsträger und Versorgungsbehörden das Recht gehabt haben, gegen "Entscheidungen" des Beschwerdeausschusses "Berufung" einzulegen.

Nach § 215 Abs. 2 SGG ist die "Berufung" mit dem Inkrafttreten des SGG auf das zuständige SG. übergegangen, nach § 215 Abs. 4 SGG ist sie "als Klage" zu behandeln. Mit diesem Übergang der Sache ist aber nicht auch schon die Zulässigkeit der Klage gegeben, vielmehr ist zunächst zu prüfen, ob die Klage nach dem SGG zulässig ist. Die Rechtslage ist im Grundsatz nicht anders als in den Fällen, in denen eine Sache nach § 215 Abs. 3 SGG oder nach § 215 Abs. 7 und 8 SGG als Berufung auf das LSG. übergegangen ist; hier ist ebenfalls, wie das Bundessozialgericht (BSG.) in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (z. B. BSG. 1 S. 62 ff., S. 264; Urteile vom 30.10.1957, 8 RV 203/55 und vom 21.8.1957, 3 RK 8/54, Beschluß vom 19.10.1957, 1 RA 25/57) zu prüfen, ob die Berufung auch nach dem SGG (§§ 143 ff.) zulässig ist.

2.) Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG kann durch Klage die Aufhebung eines VA. oder seine Abänderung begehrt werden. Eine solche "Aufhebungsklage" ist im vorliegenden Fall vom Kläger erhoben. Die Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 29. Juli 1953 wird von ihm als VA. angesehen. Dies ist auch richtig. VA. ist jede Verfügung, Anordnung oder sonstige Maßnahme, die von einer Verwaltungsbehörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen wird (vgl. § 25 Abs. 1 MRVO 165). Dieser Begriffsbestimmung entspricht die "Entscheidung" des Beschwerdeausschusses. Sie enthält die "Regelung" eines Einzelfalles auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung, also auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Sie ist auch durch eine "Verwaltungsbehörde" erlassen. Die Beschwerdeausschüsse sind auf Grund der SVD Nr. 27 zunächst bei den Landesversicherungsanstalten, später - nach der Errichtung der Verwaltungsbehörden in der Kriegsopferversorgung durch das Bundesgesetz vom 12. März 1951, BGBl. I S. 169, und die Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 2. April 1951, GVBl. S. 45 - bei den Versorgungsämtern gebildet worden (vgl. Nr. 3 der SVD Nr. 32, BVBl. 1951 S. 136); ihre Einrichtung hat ebenso wie ihre Ausgestaltung als weisungsfreie Gremien Anordnungen der Besatzungsmacht, von der damals die hoheitlichen Befugnisse im Besatzungsgebiet ausgeübt wurden, als Grundlage gehabt (vgl. außer der Nr. 20 der SVD Nr. 27 auch die Nr. 40 der Sozialversicherungsanordnung (SVA) Nr. 11 vom 5. Juli 1947, Arbeitsblatt für die brit. Zone, 1947 S. 234 ff. sowie Coenen, ZfS. 1953 S. 194 ff. (196) und BSG. 2 S. 201 ff. (204)).

3.) Die Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 29. Juli 1953 verpflichtet den Kläger, dem Beklagten Leistungen wegen bestimmter als Schädigungsfolgen bezeichneter Leiden zu gewähren. Sie ist ein streitentscheidender, den Beklagten begünstigender, den Kläger belastender VA. eines weisungsfreien Gremiums. Wer aber Adressat eines solchen VA. ist, muß sich auch im Wege der Klage gegen das hoheitliche Gebot, das in dem VA. liegt, zur Wehr setzen können, wenn er sich dadurch zu Unrecht beschwert fühlt (vgl. Baring, NJW. 1952 S. 1076 unter 6). Auch Bund und Länder und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts müssen in einem Rechtsstaat die Befugnis zur Klageerhebung haben, wenn sie durch einen VA. "belastet" werden, ohne imstande zu sein, den VA. selbst wieder aufheben oder seine Aufhebung im Aufsichtsweg veranlassen zu können. Nur auf diesem Wege kann verhindert werden, daß weisungsfreie Gremien, die Verwaltungsbehörden sind, "Entscheidungen" erlassen, die, obwohl sie nicht in einem gerichtlichen Verfahren zustande gekommen sind, ebenso unanfechtbar werden und dieselben weitreichenden Wirkungen erhalten wie gerichtliche Urteile. Die Generalklausel des Art. 19 Abs. 4 GG dient nicht nur dem Rechtsschutz natürlicher Personen, sie dient auch dem Rechtsschutz juristischer Personen und darüber hinaus der Kontrolle der Verwaltung. Dies wird auch dadurch nicht ausgeschlossen, daß in Ausnahmefällen ein Insichprozeß entsteht, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts Klage erhebt, weil sie der Meinung ist, durch einen VA. eines weisungsfreien Gremiums zu Unrecht belastet zu sein (Haas, DÖV. 1952, S. 135 und 170; Haueisen, Die Ortskrankenkasse, 1954, S. 244 und DÖV. 1955, S. 60; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung (Stand 15.3.1957), S. 238x; Buchwitz in "Arbeit, Beruf und Arbeitslosenhilfe", 1956, S. 83, sowie die Urteile des OVG. Münster vom 28.11.1952, NJW. 1953 S. 1647 = DÖV 1953, S. 570, des Bayer. LSG. vom 18.3.1954, Breith. 1954, S. 460 und des LSG. Schleswig vom 15.7.1954, Breith. 1954, S. 929 ff. = DÖV. 1955, S. 60 = SGb. 1954 S. 202; a. A. Turegg, NJW. 1953 S. 1647; Hofmann-Schroeter, 2. Aufl., Anm. 4 zu § 85; Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 4 zu § 85 SGG).

Eine Klage auf Aufhebung eines belastenden VA. ist in der Regel gegen die Stelle zu richten, die den VA. erlassen hat; Ausnahmen ergeben sich nur dann, wenn diese Stelle nicht selbst verklagt werden kann, etwa deshalb, weil das Landesrecht dies nicht vorsieht (§ 70 Abs. 3 SGG); auch in diesen Fällen kann aber nur eine Stelle der Verwaltung Beklagte sein. Grundsätzlich ist der Beklagte "identisch" mit dem Rechtssubjekt, dessen rechtspflegender Staatsakt der Rechtskontrolle des Verwaltungsgerichts durch die Klage unterworfen wird (Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954 S. 150), er ist nicht ohne weiteres auch "der sachliche Gegenspieler" (Menger a. a. O. S. 152, Buchwitz in "Die Sozialgerichtsbarkeit" 1954 S. 202). Dies ergibt sich für das Gebiet der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit aus den §§ 50 Abs. 1 Satz 1 MRVO 165, 46 Abs. 1 VGG; daran ändert sich, wie die §§ 50 Abs. 1 Satz 2 MRVO 165 und 45 VGG zeigen, auch nichts, wenn der angefochtene VA. ein Einspruchs- oder Beschwerdebescheid ist. Für das Gebiet der Sozialgerichtsbarkeit ist dies im Gesetz zwar nicht ausdrücklich gesagt; aus dem Klagesystem des SGG und aus § 95 SGG folgt jedoch, daß hier das gleiche gilt, zumal es sich bei der Sozialgerichtsbarkeit auch um eine Verwaltungsgerichtsbarkeit handelt.

Mit Menger (a. a. O. S. 152 ff.) ist davon auszugehen, daß die Rechtsprechung des Preuß. Oberverwaltungsgerichts über die Anfechtung von streitentscheidenden Verwaltungsakten durch Klage gegen den "Sachgegner" nicht mit der Erkenntnis vereinbar ist, daß auch die "Entscheidung" einer Einspruchs- oder Beschwerdeinstanz ein VA. und nicht ein "Akt administrativer Rechtsprechung" ist. Die Vorschriften in § 215 Abs. 2 und 4 SGG, die es nach Meinung des LSG. auch heute noch rechtfertigen, die Aufhebungsklage in solchen Fällen gegen den "Sachgegner" zu richten, können hier nicht herangezogen werden. Nach dem SGG können sich - wie bereits dargelegt - die Klagen auf Aufhebung eines VA. nur gegen die Stelle richten, die den VA. erlassen hat. Das ist hier der Beschwerdeausschuß gewesen. Mit dem 1. Januar 1954 ist aber der Beschwerdeausschuß ersatzlos weggefallen (vgl. § 224 Abs. 3 Nr. 10 SGG). Damit hat vom 1. Januar 1954 an auch die Möglichkeit aufgehört, die Entscheidungen des Beschwerdeausschusses im Wege der Aufhebungsklage anzufechten. Die Aufhebungsklage hat jetzt nicht etwa deshalb, weil die Stelle, die den VA. erlassen hatte, nicht mehr besteht und weil auch nicht eine andere Stelle ihre Aufgaben und Befugnisse übernommen hat, gegen den materiell Beteiligten (den "Sachgegner"), hier also den Beklagten, gerichtet werden können; eine solche Möglichkeit ist im SGG nicht vorgesehen.

4.) Zu der Frage, ob der Kläger unter diesen Umständen die Möglichkeit haben muß, von der Aufhebungsklage zur Feststellungsklage überzugehen und nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zu beantragen, es möge festgestellt werden, daß zwischen ihm und dem Beklagten wegen der Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Beschwerdeausschusses kein Rechtsverhältnis bestehe, das ihn zu Leistungen an den Beklagten nach dem BVG verpflichte, braucht hier nicht Stellung genommen zu werden. Der Kläger hat einen solchen Antrag im Verfahren vor dem SG. und LSG. auch nicht hilfsweise gestellt; im Revisionsverfahren kann er diesen Antrag wegen des Verbots der Klageänderung (§ 168 SGG) nicht mehr stellen. Daß das LSG. den Kläger nicht veranlaßt hat, den Antrag zu stellen, ist kein Mangel in dem Verfahren des LSG.; von der Rechtsauffassung des LSG. aus hat kein Anlaß bestanden, den Antrag anzuregen. Im übrigen hat der Kläger auch selbst nicht gerügt, daß das Verfahren des LSG. mangelhaft sei. Revision hat er gegen das Urteil des LSG. nicht eingelegt, obwohl auch er durch dieses Urteil - weil es seiner Klage nicht stattgegeben hat - beschwert worden ist.

5.) Die Revision des Beklagten ist hiernach begründet; das Urteil des LSG. ist aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG. zurückzuweisen. Das SG. hat im Ergebnis die Klage mit Recht als unzulässig abgewiesen; nicht nur ist - wie unter 3.) dargelegt - die Möglichkeit der Aufhebungsklage nicht gegeben, weil die Stelle, die den VA. erlassen hat, nicht mehr besteht, vielmehr sind Aufhebungsklagen, die sich nicht gegen Stellen richten, von denen nach materiellem Verwaltungsrecht Verwaltungsakte erlassen und aufgehoben werden können, sondern gegen Privatpersonen, im Klagesystem des SGG überhaupt nicht vorgesehen; solche Klagen enthält auch weder eine andere Verwaltungsgerichtsordnung noch der Entwurf für eine bundeseinheitliche Verwaltungsgerichtsordnung (vgl. die Bundestagsdrucksache 462 der 2. Wahlperiode); solche Klagen sind "von vornherein unhaltbar" (vgl. Ule, Gesetz über das Bundesverwaltungsgericht, Anm. II 1 zu § 15 BVerwGG, S. 85).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

NJW 1958, 399

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