Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtzeitigkeit der Schlechtwettergeldanzeige nach § 84 Abs 1 Nr 3 AFG
Orientierungssatz
1. Die Sammelanzeige ist dann jedenfalls unverzüglich erstattet, wenn sie am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche zur Post gegeben wird; Verzögerungen auf dem Postweg hat der Anzeigende nicht zu vertreten (vgl BSG 1979-06-19 7 RAr 7/78 = SozR 4100 § 84 Nr 3, 4, 5, 6).
2. Der Arbeitgeber hat die Anzeigenerstattung nicht schuldhaft verzögert, wenn er die Anzeige nicht schon am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche zur Post gibt, sondern erst am nächsten oder einem anderen Tag, sofern durch entsprechende Vorkehrungen sichergestellt ist, daß sie bei normalem Ablauf der Postbeförderung zu demselben Zeitpunkt beim Arbeitsamt eingeht, wie es der Fall wäre, wenn sie schon am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche zur Post gegeben (in den Briefkasten eingeworfen) wäre.
Normenkette
AFG § 84 Abs 1 Nr 3; WinterbauAnO § 15 Abs 3 Fassung: 1976-06-15; SGG § 136 Abs 1 Nr 6
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 12.11.1980; Aktenzeichen L 12 Ar 39/78) |
SG Duisburg (Entscheidung vom 08.12.1977; Aktenzeichen S 16 Ar 95/77) |
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der Gewährung von Schlechtwettergeld (SWG).
Sie betreibt im Bezirk des Arbeitsamtes W (W.), in H; ein Baugeschäft. Das Arbeitsamt teilte unter dem 9. November 1976 allen Betrieben des Baugewerbes seines Bezirks mit, daß es für die Zeit vom 1. Dezember 1976 bis zum 31. März 1977 auf die Erstattung der täglichen Anzeige über witterungsbedingten Arbeitsausfall verzichte, sofern die Bauarbeiten auf Baustellen durchgeführt würden, die innerhalb des Arbeitsamtsbezirks lägen und für die kein Mehrkostenzuschuß beantragt worden sei.
Unter Benutzung des von der Beklagten vorgesehenen Formblattes erstattete die Klägerin eine derartige Sammelanzeige über witterungsbedingten Arbeitsausfall auf verschiedenen Baustellen im Bezirk des Arbeitsamtes W. für die Zeit von Montag, dem 31. Januar bis Donnerstag, dem 3. Februar 1977. Als Datum der Erstellung dieser Anzeige ist der 4. Februar 1977 angegeben. Die Anzeige wurde in einfachem Brief und ausreichend frankiert, an das Arbeitsamt adressiert, mit der Post befördert; der Briefumschlag erhielt den Poststempel des Postamtes D (D.) vom 6. Februar 1977, 8.00 Uhr. Die Anzeige ging am 9. Februar 1977 (Mittwoch) beim Arbeitsamt ein.
Mit Bescheid von 24. Februar 1977 lehnte die Beklagte die Gewährung von SWG ab, weil die Anzeige über Arbeitsausfall nicht unverzüglich erstattet worden sei. Mit ihrem Widerspruch hiergegen machte die Klägerin geltend, die Sammelanzeigen würden bei ihr jeweils Freitag abends ausgefüllt, nachdem feststehe, ob es zu witterungsbedingtem Arbeitsausfall gekommen sei. Es komme vor, daß die Anzeigen erst in einer Zeit fertiggestellt seien, in der freitags an ihrem Sitz die letzte Briefkastenleerung bereits erfolgt sei. Die Sammelanzeige für den streitbefangenen Zeitraum sei am 5. Februar 1977 morgens in einen Briefkasten eingeworfen worden. Mit Verzögerungen bei der Postzustellung habe sie nicht gerechnet. Durch Bescheid vom 25. März 1977 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, sie habe an dem Ort ihres Betriebssitzes erhebliche Probleme mit der Postbeförderung. Deshalb sei die Sammelanzeige für die streitige Zeit in dem nächstgrößeren Ort, nämlich in D., in einen Briefkasten eingeworfen worden. Daß dies nicht bereits am Freitagabend, sondern erst am darauffolgenden Sonnabend geschehen sei, könne ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden. Es sei ihr nicht zuzumuten, im Interesse einer schnelleren Postbeförderung noch am Freitagabend die Sendung in die nächstgelegene größere Stadt zur Post zu geben.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte den Bescheid vom 28. März 1977 erlassen. Sie lehnte darin - unter Bewilligung von SWG für andere Zeiträume - einen Antrag der Klägerin auf Gewährung von SWG auch für den streitigen Zeitraum (erneut) ab, weil die Anzeige hierfür nicht unverzüglich erstattet worden sei.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klägerin wegen Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und durch Urteil vom 8. Dezember 1977 unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Februar 1977 und des Widerspruchsbescheides vom 25. März 1977 die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 31. Januar bis zum 3. Februar 1977 SWG zu zahlen. Es hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und 250,- DM für Gerichtskosten auferlegt. Die Berufung wurde nicht zugelassen.
Durch Urteil vom 12. November 1980 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Beklagten im wesentlichen zurückgewiesen. Lediglich hinsichtlich der Auferlegung von Gerichtskosten in Höhe von 250,- DM hat es das Urteil des SG aufgehoben. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Die gemäß § 144 Abs 1 Nr 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossene Berufung sei nach § 150 Nr 2 SGG zulässig gewesen, da die Beklagte einen wesentlichen Verfahrensmangel gerügt habe und dieser Mangel auch vorliege. Das SG habe nämlich, worauf die Beklagte abgehoben habe, § 128 Abs 1 Satz 2 und § 136 Abs 1 Nr 6 SGG verletzt. Das Urteil des SG enthalte lediglich Feststellungen zu der Rechtzeitigkeit der Anzeigenerstattung; - ausgehend hiervon habe das SG angenommen, daß die Klägerin die Anzeige nicht verspätet erstattet habe und daraufhin die Beklagte auf Gewährung von SWG verurteilt. Dem Urteil fehlten Feststellungen und rechtliche Erwägungen zu der Frage, ob auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von SWG vorlägen. Bei dieser Sachlage könne es dahingestellt bleiben, ob, wie die Beklagte in der Berufungsbegründung vorgetragen hat, der Bescheid der Beklagten vom 28. März 1977, mit dem sie ua den Antrag der Klägerin auf Gewährung von SWG für die streitige Zeit abgelehnt habe, nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sei.
Die Entscheidung des SG über die Auferlegung von Mutwillenskosten sei rechtlich nicht begründet und müsse aufgehoben werden. Im übrigen sei die Berufung jedoch nicht begründet. Die Klägerin habe für die Zeit vom 31. Januar bis 3. Februar 1977 gegen die Beklagte Anspruch auf Gewährung des von ihr geltend gemachten SWG. Sie habe insbesondere die Anzeige über witterungsbedingten Arbeitsausfall iS von § 84 Abs 1 Nr 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) unverzüglich erstattet. Die Klägerin habe für die Anzeige den nach § 15 Abs 3 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über die Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft (WinterbauAnO) vom 4. Juli 1972 (ANBA S. 511) vorgeschriebenen Weg beachtet. Sie habe diesen Weg wählen dürfen, weil die Beklagte auf die Einzelanzeige verzichtet habe. Nach § 15 Abs 3 Winterbau AnO komme der Anzeigende seiner sich aus § 84 Abs 1 Nr 3 AFG ergebenden Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeigenerstattung jedenfalls dann in vollem Umfange nach, wenn er - wie hier - für die Übermittlung die übliche Versendungsart des einfachen Briefes wähle und er diesen Brief noch rechtzeitig am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche zur Post gebe. Erfülle er diese Verpflichtung, so sei es für die Wirksamkeit der Anzeige ohne Bedeutung, wann sie beim Arbeitsamt eingehe. Dies bedeute jedoch nicht, daß eine - wie hier - nicht am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche zur Post gegebene Anzeige nicht ebenfalls als wirksam erstattet anzusehen sei. Eine Ausnahme gelte zunächst für die Fälle, in denen die Anzeige noch in einem Zeitpunkt zur Post gegeben worden sei, in dem damit zu rechnen war, daß sie bei normaler Postbeförderung zum selben Zeitpunkt beim Arbeitsamt vorliegen würde, wie eine am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche - also am Freitag - zur Post gegebene Sammelanzeige. Im Normalfalle könne auch eine solche Sammelanzeige erst am Montagmorgen im zuständigen Arbeitsamt bearbeitet werden. Deshalb könne § 15 Abs 3 WinterbauAnO nicht dahin ausgelegt werden, daß die Erstattung der Sammelanzeige nur dann unverzüglich erfolgt sei, wenn sie noch am Freitag zur Post gegeben worden ist. Vielmehr reiche es aus, wenn sie so rechtzeitig zur Post gegeben werde, daß sie bei normaler Postbeförderung dem Arbeitsamt am Montag bei Dienstbeginn vorliege. Dabei dürfe dem Postbenutzer eine Verzögerung der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Post, die er nicht zu vertreten habe, nicht angerechnet werden. Dies folge auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), die das LSG im einzelnen anführt.
Ein solcher Sachverhalt sei hier gegeben. Die Klägerin habe die Anzeige so rechtzeitig zur Post gegeben, daß sie bei einem ungestörten Postverkehr dem Arbeitsamt am Morgen des 7. Februar 1977 zur Bearbeitung hätte vorliegen müssen. Nach der vom Senat eingeholten Auskunft des Postamtes 1 W. vom 31. Oktober 1980 wäre eine am 6. Februar 1977 bis 8.00 Uhr in D. eingelieferte Briefsendung normalerweise mit einem um 12.33 Uhr ab D. fahrenden Zug zur zentralen Briefabgangsstelle nach Oberhausen weitergeleitet und von dort mit einem um 17.30 Uhr abfahrenden und um 17.43 Uhr in W. ankommenden Zug weiterbefördert worden. Sie wäre dann montags zwischen 6.00 und 8.45 Uhr in die Postfächer einsortiert worden. Demnach hätte die richtig adressierte und ausreichend frankierte Sammelanzeige der Klägerin spätestens um 8.45 Uhr in das Postfach und damit in den Dienstbetrieb des Arbeitsamtes W. gelangen müssen. Die Klägerin habe demnach alles getan, um die Anzeige der Beklagten zum frühestmöglichen Zeitpunkt zur Bearbeitung zuzuleiten. Sie habe damit die ihr gemäß § 84 Abs 1 Nr 3 AFG iVm § 15 Abs 3 WinterbauAnO obliegende Verpflichtung der unverzüglichen Anzeigenerstattung erfüllt.
Auch die übrigen Voraussetzungen zur Gewährung des SWG lägen vor. Sowohl die allgemeinen als auch die betrieblichen und die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von SWG seien, wie die Beklagte schriftsätzlich nach Überprüfung zugestanden habe, gegeben. Der Senat habe keine Bedenken, sich diese Feststellungen der Beklagten zu eigen zu machen.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 84 Abs 1 Nr 3 AFG und von § 15 Abs 3 WinterbauAnO. Sie führt dazu im einzelnen aus: Der Auffassung des LSG über die unverzügliche Anzeigenerstattung im vorliegenden Falle könne nicht gefolgt werden. Die Klägerin habe zwar für die Erstattung der Anzeige den Postweg benutzen dürfen; hätte sie dabei die Anzeige noch am 4. Februar 1977 (Freitag), dem letzten Arbeitstag der Kalenderwochen, der Post zur Beförderung übergeben, wäre ihr der tatsächlich verspätete Eingang der Anzeige im Arbeitsamt nicht anzulasten. Dies habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits mehrfach entschieden. Hier sei die Anzeige jedoch erst am 5. Februar 1977 (Sonnabend) der Post übergeben worden. Die Anzeige sei deshalb nicht unverzüglich abgesandt worden und somit nicht wirksam erstattet, denn die Klägerin habe nicht auf andere Weise sichergestellt, daß die Anzeige dem Arbeitsamt zu dem Zeitpunkt zur Kenntnis gelangte, in dem sie bei normaler Postbeförderung dort frühestens hätte eintreffen können, nämlich am Montag, dem 7. Februar 1977. Die Klägerin habe auch keine Gründe vorgebracht, solche seien auch nicht vom LSG festgestellt worden, daß sie daran gehindert gewesen wäre, die anzeige unverzüglich am 4. Februar 1977 der Post zur Beförderung zu übergeben. Durch die Übergabe der Anzeige erst amt 5. Februar 1977 zur Postbeförderung habe die Klägerin nicht unverzüglich, dh, nicht ohne schuldhaftes Zögern innerhalb der durch § 15 Abs 3 WinterbauAnO bestimmten Frist gehandelt. Auch dies habe das BSG bereits entschieden. Diese Frist sei nach dem eindeutigen Wortlaut der Anordnung am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche, dem 4. Februar 1977 (Freitag) abgelaufen. Daraus folge, daß der Klägerin der verspätete Eingang der Sammelanzeige angelastet werden müsse.
Bei der vom LSG vertretenen Auffassung würde § 15 Abs 3 WinterbauAnO seine Bedeutung in all den Fällen verlieren, in denen kurze Postlaufzeiten üblich sind. An die Stelle des letzten Arbeitstages der Kalenderwoche würde dann der Sonnabend oder sogar der Sonntag treten. Berücksichtige man, daß im Baugewerbe die Fünftagewoche üblich und damit der Freitag als letzter Arbeitstag die Regel sei, so würde sich der nach geltendem Recht maßgebliche Zeitraum zwischen Absendung der Sammelanzeige und deren üblichem Eintreffen beim Arbeitsamt (Freitag bis Montag) auf eine Zeitspanne Samstag bis Montag oder sogar Sonntag bis Montag verkürzen. Die Zahl der Fälle, in denen die Anzeigen am Montagmorgen zur Verfügung stünden, müßte sich zweifelsfrei erhöhen. Eine größere Anzahl arbeitsaufwendiger Ermittlungen durch das Arbeitsamt wäre die Folge. Dies würde eine geordnete und zeitgerechte Bearbeitung der Anzeigen über witterungsbedingten Arbeitsausfall, die bei den Arbeitsämtern in großer Zahl anfielen, empfindlich stören.
Die vom LSG angeführte Rechtsprechung des BVerfG sei nicht einschlägig; denn dort habe es sich um die Frage der Einhaltung verfahrensrechtlicher Fristen gehandelt und nicht, wie hier, um eine materiell-rechtliche Frist. Infolgedessen stelle sich die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hier nicht. Im übrigen hätten in jenen Fällen die Beschwerdeführer jeweils vor Ablauf der betreffenden Rechtsmittelfristen gehandelt. Im vorliegenden Falle habe die Klägerin dagegen nicht am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche, sondern entgegen § 15 Abs 3 WinterbauAnO erst an dem darauffolgenden Tag die Anzeige zur Post gegeben.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil und das Urteil des Sozialgerichts
Duisburg vom 8. Dezember 1977 aufzuheben, die Klage abzuweisen
und zu entscheiden, daß außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Unter Bezugnahme auf die ihrer Meinung nach zutreffenden Entscheidungsgründe des Berufungsgerichts führt sie ergänzend aus: Die Klägerin habe die Anzeige unverzüglich erstattet, denn sie habe dafür Sorge getragen, daß sie bei normaler Postbeförderung rechtzeitig, nämlich am Montag, im Arbeitsamt vorgelegen hätte. Wäre dies der Fall gewesen, so hätte sich die Beklagte auch hier kaum auf eine mangelhafte Anzeigenerstattung berufen oder berufen können. Im übrigen könne die Beklagte mit ihrer Regelung in § 15 Abs 3 WinterbauAnO dem Begriff der Unverzüglichkeit keine andere Bedeutung geben, als ihm nach der gesetzlichen Regelung zukomme. Das Gesetz schreibe nicht die Aufgabe der Anzeige an einem bestimmten Wochentag vor. Dies erscheine auch sinnvoll, da es allein darauf ankomme, daß die Anzeige sofort beim zuständigen Arbeitsamt bearbeitet werden könne. Wenn die Anordnung als Absendetag den Freitag vorschreibe, so deshalb, damit die Anzeige am Montag bearbeitet werden könne. Gehe aber die Anzeige am Montag ein - und das wäre bei ordnungsgemäßem Postablauf nach den Feststellungen des LSG auch im vorliegenden Falle geschehen -, dann könne und dürfe es nicht darauf ankommen, an welchem Wochentage sie bei der Post aufgegeben worden ist; jede andere Auslegung wäre sinnwidrig. Im übrigen habe die Klägerin in dem Bestreben, die sofortige Bearbeitung ihrer Anzeige sicherzustellen, mehr getan als ihre Pflicht war und die Anzeige nicht an ihrem postalisch ungünstigen Betriebsort, sondern an der größeren Postanstalt D. aufgegeben. Dies sei mehr, als das BSG in seiner Rechtsprechung verlange.
Der Beklagten könne auch nicht darin gefolgt werden, für die Anwendung der ständigen Rechtsprechung des BVerfG müsse zwischen reinen Verfahrensfristen und materiell-rechtlichen Fristen unterschieden werden. Fristen hätten keinen Selbstzweck; sie dienten dem Rechtsfrieden, sollten aber auch dem Rechtsuchenden Gelegenheit geben zu prüfen, ob er den ihm verfassungsmäßig garantierten Rechtsschutz in Anspruch nehmen wolle oder nicht. Das BVerfG habe demzufolge in seinem in NJW 1977 S 1233 veröffentlichten Beschluß vom 4. Mai 1977 den generellen Satz aufgestellt, daß durch falsche Auslegung des Fristbegriffs dem Bürger der effektive Rechtsschutz nicht genommen werden dürfe. Im übrigen würde es an Willkür grenzen, würde man demjenigen das SWG zubilligen, der die Anzeige an einem Freitag aufgibt, demjenigen aber versagen, der sie erst an einem Samstag zur Post gibt, obwohl beide Anzeigen an demselben Montag vom selben Sachbearbeiter bearbeitet würden.
Beide Beteiligten haben sich mit Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Das LSG hat zutreffend die Entscheidung des SG in der Sache bestätigt, daß die Klägerin in dem mit der Klage begehrten Umfange Anspruch auf SWG hat. Es war an dieser Entscheidung nicht mangels Zulässigkeit der Berufung gehindert, eine Frage, die auch bei einer zugelassenen Revision von Amts wegen zu prüfen ist (BSG SozR 1500 § 150 Nr 18). Die Berufung der Beklagten war zwar nicht kraft Gesetzes zulässig, weil sie Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu dreizehn Wochen betrifft (§ 144 Abs 1 Nr 2 SGG). Ungeachtet dessen war sie jedoch gemäß § 150 Nr 2 SGG zulässig, weil die Beklagte im Berufungsverfahren wirksam tatsächlich vorliegende Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens gerügt hat. Einmal handelte es sich um die Verletzung von § 136 Abs 1 Nr 6 SGG. Danach sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind; fehlt es hieran, fehlt es an ausreichenden Entscheidungsgründen. Dem LSG ist beizupflichten, daß das SG die Beklagte zur Gewährung von SWG verurteilt hat, ohne festzustellen, ob hierfür sämtliche Anspruchsvoraussetzungen iS von §§ 83, 84, 85, 88 Abs 2 AFG vorlagen, und ihm seine Entscheidung insoweit rechtlich zu begründen. Die Ausführungen des SG, daß die Klägerin ihrer Anzeigepflicht nach § 84 Abs 1 Nr 3 AFG rechtzeitig nachgekommen sei, tragen die für den Urteilsspruch rechtserheblichen Anspruchsvoraussetzungen nicht (vgl BSG SozR 1500 § 136 Nr 1). Zum anderen ergibt sich aus der Berufungsbegründung der Beklagten auch die Rüge einer Verletzung des § 96 SGG, und dieser Verfahrensmangel (vgl BSGE 4, 24) liegt ebenfalls vor. Nach § 96 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn er nach Klageerhebung den mit der Klage angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Die Beklagte hat in der Berufungsbegründung darauf hingewiesen, daß sie, veranlaßt durch Anträge der Klägerin auf Bewilligung von SWG vom 13. Februar und 7. März 1977, im Bescheid vom 28. März 1977 den mit der Klage geltend gemachten SWG-Anspruch erneut abgelehnt hat. Diese Tatsachenangaben sind für die wirksame Rüge eines Verfahrensmangels jedenfalls dann ausreichend, wenn der Berufungskläger - wie hier - die Zulässigkeit der Berufung gemäß § 150 Nr 2 SGG geltend macht (vgl Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, RdNr 19 zu § 150 mwN). Der Bescheid vom 28. März 1977 ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, so daß das SG über ihn hätte mitentscheiden müssen. Dafür spielt es keine Rolle, daß er durch Anträge der Klägerin auf Gewährung von SWG gemäß § 88 Abs 2 AFG ausgelöst wurde. Er wiederholt die streitige Ablehnung aus anderem Anlaß und ersetzt damit den angefochtenen Verwaltungsakt iS von § 96 SGG (vgl BSG SozR 1500 § 96 Nr 4).
Nach den Feststellungen des LSG steht der Klägerin für die mit der Schlechtwetteranzeige vom 4. Februar 1977 bezeichneten Arbeitsausfälle Anspruch auf SWG zu. Danach war auf den darin bezeichneten Baustellen für dort beschäftigte Arbeitnehmer der Klägerin ein täglich mehrstündiger Arbeitsausfall aus witterungsbedingten Gründen eingetreten (§ 84 Abs 1 Nrn 1 und 2 AFG). Die persönlichen Voraussetzungen der §§ 83 und 85 AFG lagen, wie das LSG ebenfalls festgestellt hat und zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist, gleichfalls vor.
Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin den in Rede stehenden Arbeitsausfall rechtzeitig iS von § 84 Abs 1 Nr 3 AFG angezeigt. Nach dieser Vorschrift ist (auch) Voraussetzung für den Anspruch auf SWG, daß der Arbeitsausfall dem Arbeitsamt unverzüglich angezeigt wird (zum Rechtscharakter der Anzeige, ihrer Bedeutung und Wirkungen vgl BSG SozR 4100 § 84 Nrn 1, 3, 4). An die Stelle der täglichen Anzeige kann ua die wöchentliche Sammelanzeige treten, wenn die Beklagte dies, wie hier, zugelassen hat (§ 15 WinterbauAnO). Für diesen Fall schreibt § 15 Abs 3 WinterbauAnO idF vom 15. Juni 1976 (ANBA S. 869) vor, daß der Arbeitgeber die Sammelanzeige am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche zu erstatten hat; er soll hierfür den Vordruck der BA verwenden. Wie das BSG schon mehrfach entschieden hat, muß auch diese Sammelanzeige unverzüglich erstattet werden, um den Anspruch auf SWG zu begründen. Die Anzeige ist dann jedenfalls unverzüglich erstattet, wenn sie am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche zur Post gegeben wird; Verzögerungen auf dem Postweg hat der Anzeigende nicht zu vertreten (vgl BSG SozR 4100 § 84 Nrn 3, 4, 5, 6).
Sinn der Unverzüglichkeit bei der Erstattung der Anzeige als einer empfangsbedürftigen Willenserklärung (vgl BSG aaO) ist es, dem Arbeitsamt eine möglichst zeitnahe Überprüfung der Witterungs- und sonstigen Verhältnisse auf der Baustelle zu ermöglichen. Dem Arbeitgeber obliegt es (vgl dazu BSG SozR 4100 § 84 Nr 2), dafür Sorge zu tragen, daß dieser Erfolg gewährleistet ist. Er muß dabei ohne schuldhaftes Zögern handeln, wie es der Begriff der Unverzüglichkeit verlangt (vgl § 121 Abs 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-). Der Vorwurf schuldhaften Zögerns trifft ihn keinesfalls, wenn er die Anzeige am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche erstattet (§ 15 Abs 3 WinterbauAnO), wofür es ausreicht, daß er sie an diesem Tage der Post zur Beförderung übergibt und dadurch der rechtzeitige Zugang im Arbeitsamt zu erwarten ist (BSG SozR 4100 § 84 Nr 6).
Das bedeutet jedoch nicht, daß der Arbeitgeber die Anzeigenerstattung stets schuldhaft verzögert und damit nicht unverzüglich handelt, wenn er die Anzeige nicht schon am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche zur Post gibt, sondern erst am nächsten oder einem anderen Tag, sofern durch entsprechende Vorkehrungen sichergestellt ist, daß sie bei normalem Ablauf der Postbeförderung zu demselben Zeitpunkt beim Arbeitsamt eingeht, wie es der Fall wäre, wenn sie schon am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche zur Post gegeben (in den Briefkasten eingeworfen) wäre. Der Begriff der Unverzüglichkeit verbietet nämlich nicht jedwedes Zögern, er bedeutet nicht die Pflicht zu sofortigem Handeln. Entscheidend ist die vom Gesetzeszweck verfolgte und dementsprechend rechtzeitige Veranlassung des gewollten Erfolges. So hat bereits der 12. Senat des BSG ausgeführt, daß eine Ausnahme von der Obliegenheit, die Anzeige am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche zur Post zu geben, jedenfalls gelten wird, wenn der Arbeitgeber auf andere Weise sicherstellt, daß die Anzeige dem Arbeitsamt zu dem Zeitpunkt zur Kenntnis gelangt, in dem sie bei normaler Postbeförderung dort frühestens hätte eintreffen können; sie ist dann unverzüglich erstattet worden (vgl BSG SozR 4100 § 84 Nr 4). Es wäre in der Tat ein sinnwidriges Ergebnis, wollte man eine Sammelanzeige, die der Arbeitgeber zB persönlich oder durch Boten am Montag früh im Arbeitsamt abgibt, allein deswegen nicht als unverzüglich erstattet behandeln, weil er sie nicht bereits am Freitag, dem letzten Arbeitstag der Vorwoche, zur Postbeförderung gegeben hat, mit der sie ebenfalls erst am Montag früh in das Arbeitsamt gelangt wäre. Die Beklagte trägt dem in ihren Dienstanweisungen Rechnung; sie erkennt darüber hinaus auch eine Sammelanzeige ohne Rücksicht auf das Datum des Poststempels als rechtzeitig erstattet an, wenn sie nur am Montag der folgenden Woche beim Arbeitsamt eingeht (vgl Runderlaß der BA Nr 346/72.4 RdNrn 30.1 und 31.7).
Eine Anzeige ist folglich nur dann als nicht rechtzeitig erstattet anzusehen, wenn eine Verspätung eingetreten ist und der Arbeitgeber oder Erfüllungsgehilfe diese verschuldet hat (vgl BSG SozR 4100 § 84 Nr 5). Daraus folgt, daß die Beachtung der Regelung in § 15 Abs 3 WinterbauAnO durch den Arbeitgeber iS der Aufgabe der Anzeige zur Post lediglich die Vermutung begründet, daß der Arbeitgeber die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet, mithin ohne schuldhaftes Zögern gehandelt hat. Das bedeutet jedoch nicht gleichzeitig, daß die Absendung der Anzeige nach dem letzten Arbeitstag der betreffenden Kalenderwoche die Vermutung oder gar die Gewißheit begründet, der Absender habe eine tatsächliche Verzögerung des Eingangs der Anzeige zu vertreten, er habe nicht unverzüglich gehandelt. Dies liefe auf die Schaffung einer Ausschlußfrist hinaus, wofür keine gesetzliche Grundlage besteht (BSG SozR 4100 § 84 Nr 5). Vielmehr ist auch in einem solchen Falle zu prüfen, ob der Verpflichtete die Anzeige unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern, abgesandt hat (vgl BSG vom 12. November 1981 - 7 RAr 83/80 -). Das ist, wie das LSG festgestellt und zutreffend gewürdigt hat, im vorliegenden Falle geschehen.
Danach hat die Klägerin die Anzeige vom 4. Februar 1977 in einem ausreichend frankierten Briefumschlag am Sonnabend, dem 5. Februar 1977, morgens in einen Briefkasten in D. eingeworfen, von dem feststand, daß die in ihm selbst noch bei der vorgesehenen Leerung am 6. Februar 1977 um 8.00 Uhr enthaltene Post bei normalen Postlauf am Montag, dem 7. Februar 1977, um 8.45 Uhr in den Dienstbetrieb des zuständigen Arbeitsamtes W. gelangen würde. Die Klägerin hat, wie sie nach den Feststellungen des LSG angab, diesen Weg gewählt, weil Briefkastenleerungen an ihrem Sitz freitags oft schon erfolgten, bevor die Anzeigen von ihr fertiggestellt werden könnten.
Die Klägerin hat deshalb ohne schuldhaftes Zögern gehandelt, mithin die Anzeige unverzüglich erstattet. Sie durfte davon ausgehen, daß die Anzeige der Beklagten zum frühestmöglichen Zeitpunkt einer Bearbeitung, nämlich dem Dienstbeginn am folgenden Montagmorgen, zugehen würde. Daß dies gleichwohl nicht der Fall war, lag nicht am Verhalten der Klägerin, sondern beruht auf einem Postversehen, welches, wie schon ausgeführt wurde, der Klägerin nicht zur Last fällt.
Der Einwand der Beklagten, daß sich durch diese Rechtsfolge die Zahl der Fälle erhöhen könnte, in denen Postsendungen erst verspätet bei ihr eingehen, ohne daß dies dem Anzeigenden zur Last fällt, überzeugt nicht. Er allein rechtfertigte, selbst wenn er zutrüge, nicht eine Vernachlässigung der Rechtslage zum Nachteil der Anspruchsberechtigten (vgl dazu auch das Urteil des Senats vom 12. November 1981 - 7 RAr 83/80 -).
Die Revision der Beklagten kann nach allem keinen Erfolg haben. Sie ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß auch der Bescheid der Beklagten vom 28. März 1977 aufgehoben wird, soweit er den begründeten Klageanspruch (erneut) ablehnt. Er ist, wie schon ausgeführt wurde, in diesem Umfange gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Über diesen Verwaltungsakt muß deshalb kraft der Anfallwirkung des § 96 SGG in diesem Verfahren entschieden werden. Das LSG hat dies übersehen, obwohl es den Klageanspruch in vollem Umfang für begründet gehalten hat. Weil das LSG alle dafür erforderlichen Feststellungen getroffen hat, konnte der Senat diese Entscheidung ohne Zwang zur Zurückverweisung der Sache nachholen (vgl BSG SozR 1500 § 96 Nrn 13, 18).
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 SGG
Fundstellen