Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 30.01.1987)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 30. Januar 1987 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger begehrt Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 29. Juli 1982.

Der 1938 geborene Kläger bezog von der Beklagten bis zum 17. Mai 1981 Alhi. Wegen Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung, die bis zum 17. November 1981 dauern sollte, erhielt er ab 18. Mai 1981 Unterhaltsgeld (Uhg). Vom 19. Oktober 1981 bis 28. Juli 1982 war er in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) inhaftiert. Am 29. Juli 1982 meldete er sich erneut arbeitslos und beantragte Alhi. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, der Kläger habe innerhalb eines Jahres vor der Arbeitslosmeldung weder Arbeitslosengeld (Alg) bezogen noch mindestens 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen könnten; auch habe er keine einer Beschäftigung gleichstehende Zeit zurückgelegt (Bescheid vom 13. August 1982; Widerspruchsbescheid vom 7. September 1982). Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts – SG – vom 14. September 1983; Urteil des Landessozialgerichts – LSG – vom 9. November 1984). Das Bundessozialgericht (BSG) hat die Sache wegen fehlender notwendiger Beiladung der Stadt Neumünster – Sozialamt – zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen (Urteil vom 23. Oktober 1985). Das LSG hat sowohl die Stadt Neumünster als auch die nichteheliche Tochter des Klägers zum Rechtsstreit beigeladen, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom 30. Januar 1987) und in den Entscheidungsgründen ausgeführt:

Der frühere Anspruch des Klägers auf Alhi sei gemäß § 135 Abs 1 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erloschen, weil seit dem letzten Tag des Bezuges mehr als ein Jahr vergangen sei. Letzter Tag des Alhi-Bezuges sei der 17. Mai 1981 gewesen; erst am 29. Juli 1982 habe sich der Kläger erneut arbeitslos gemeldet.

Die Nichtgleichstellung des Bezuges von Uhg mit dem Bezug von Alhi in § 135 Abs 1 Nr 2 AFG beinhalte keine planwidrige Gesetzeslücke. Einzuräumen sei, daß der Kläger, wenn er an der Fortbildungsmaßnahme nicht teilgenommen und Uhg nicht bezogen hätte, seinen Anspruch auf Alhi nicht verloren hätte. Doch habe der Gesetzgeber in § 135 Abs 1 Nr 2 AFG bewußt allein auf die Tatsache der Beendigung des Leistungsbezuges und nicht auf die Gründe der Unterbrechung abgestellt. Dafür sprächen Wortlaut, Inhalt und Zweck sowie Entstehungsgeschichte der Norm.

Die Vorschrift des § 135 Abs 1 Nr 2 AFG verstoße nicht gegen das Grundgesetz (GG). Die Eigentumsgarantie (Art 14 GG) sei nicht verletzt, da der Anspruch auf Alhi nicht aufgrund eigener Leistung erworben worden sei, sondern durch den Bund finanziert werde. Der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 Abs 1 GG) sei nicht mißachtet, weil Alhi-Bezug einerseits und Uhg-Bezug andererseits an völlig unterschiedliche Lebenssachverhalte anknüpften. Das Sozialstaatsprinzip, das in erster Linie einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber enthalte, gebiete nicht die Gleichsetzung des Vorbezuges von Alhi und Uhg zwecks Erhaltung des Anspruchs auf Alhi. Im übrigen habe der Gesetzgeber den Bezieher von Uhg dadurch geschützt, daß er ihm entweder nach Erfüllung der entsprechenden Anwartschaft einen vorrangigen Anspruch auf Alg zubillige (§ 107 Abs 1 Satz 1 Nr 5a AFG aF iVm § 104 und § 135 Abs 1 Nr 1 AFG) oder aber das einmal erworbene Stammrecht auf Alhi aufrechterhalte (§ 135 Abs 1 Nr 2 AFG). Dieser Schutz sei bei normalem, störungsfreien Ablauf des Uhg-Bezuges ausreichend. Sonderfälle, die – wie hier – ausschließlich in den Verantwortungsbereich des Betroffenen fielen, hätten vom Gesetzgeber nicht berücksichtigt zu werden brauchen.

Schließlich habe der Kläger nicht gemäß § 134 Abs 1 Nr 4b AFG einen neuen Anspruch auf Alhi erworben. Er habe im Jahr vor dem 29. Juli 1982 nicht mindestens 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen könnten. Die Zeiten des Bezuges von Uhg, die den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstünden, hätten unter Beachtung der Jahresfrist nicht einmal 100 Kalendertage ausgemacht. Während der Inhaftierung sei der Kläger nicht beitragspflichtig beschäftigt gewesen.

Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung des § 135 Abs 1 Nr 2 AFG; diese Vorschrift sei dahin auszulegen, daß dem Bezug von Alhi der Bezug von Uhg gleichzusetzen sei. Zur Begründung macht er geltend: Das LSG habe zu Unrecht auf einen normalen, störungsfreien Ablauf des Uhg-Bezuges abgehoben. Ein solcher Begriff sei im Gesetz nicht definiert. Auch das LSG habe nicht erläutert, was darunter zu verstehen sei. Lebensläufe seien derart verschieden, daß es nicht gerechtfertigt sei, Normbegriffe einzuführen, die sich lediglich auf ein konkretes Schicksal – hier das des Klägers – bezögen. Überdies sei mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren, Fragen der Schuld bzw der Verantwortungsbereiche aufzuwerfen. Die These vom Verantwortungsbereich sei schon deswegen unhaltbar, weil ein Alhi-Empfänger keine Möglichkeit habe, einer von der Beklagten angeordneten Maßnahme der beruflichen Fortbildung auszuweichen. In Wirklichkeit sei es so, daß die Beklagte durch die Anordnung der Fortbildungsmaßnahme die Verantwortung für den Kläger übernommen habe. Das bedeute, daß sie sich vor der Anordnung hätte vergewissern müssen, daß Abweichungen vom normalen, störungsfreien Ablauf des Uhg-Bezuges nicht zu erwarten seien. Hätte sie das getan, hätte sie von der bevorstehenden Strafverbüßung des Klägers erfahren und von der Anordnung der Fortbildungsmaßnahme aller Voraussicht nach abgesehen.

Der Kläger beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. August 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 1982 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Alhi ab 29. Juli 1982 zu gewähren,

hilfsweise,

die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend auf mehrere höchstrichterliche Entscheidungen hin, wonach es im Rahmen des § 135 Abs 1 Nr 2 AFG allein darauf ankomme, daß der Antragsteller ein Jahr lang keine Alhi bezogen habe.

Die Beigeladenen haben sich weder zur Sache geäußert noch einen Antrag gestellt.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des SozialgerichtsgesetzesSGG –).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht die Entscheidung des SG bestätigt, daß der angefochtene Bescheid der Beklagten nicht rechtswidrig ist; dem Kläger steht ein Anspruch auf Alhi ab 29. Juli 1982 nicht zu.

Wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben, hat der Kläger einen solchen Anspruch nicht gemäß § 134 Abs 1 Nr 4b AFG – in der hier anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz – AFKG –) vom 22. Dezember 1981 – BGBl I 1497 –, in Kraft ab 1. Januar 1982 (Art 18) – erworben. Nach dieser Bestimmung setzt ein Anspruch auf Alhi ua voraus, daß der Arbeitslose innerhalb eines Jahres vor der Arbeitslosmeldung, die dem Antrag auf Alhi vorausgeht, mindestens 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt hat, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen können. Der Kläger, der sich am 29. Juli 1982 arbeitslos meldete, ist in der maßgeblichen Einjahresfrist vom 29. Juli 1981 bis 28. Juli 1982 einer beitragspflichtigen Beschäftigung (§ 168 AFG) nicht nachgegangen. Er hat während dieses Zeitraumes auch nicht 150 Kalendertage zurückgelegt, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen können. Die Zeitspanne vom 29. Juli bis 18. Oktober 1981, in der er Uhg bezog und die der Zeit einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichsteht (§ 134 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 1 AFG idF des AFKG, § 107 Abs 1 Satz 1 Nr 5a AFG idF des Fünften Gesetzes zur Änderung des AFG -5. AFG-ÄndG- vom 23. Juli 1979 – BGBl I 1189 –; nunmehr § 107 Satz 1 Nr 5d AFG), beläuft sich auf lediglich 92 Kalendertage. Der Zeitraum vom 19. Oktober 1981 bis 28. Juli 1982, in dem der Kläger inhaftiert war, kann weder als eine der Beitragspflicht unterliegende Zeit (§ 168 AFG) angesehen noch den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichgeachtet werden (§ 107 Abs 1 Satz 1 Nr 6 iVm § 168 Abs 3a AFG), weil der Kläger während dieser Zeit, wie das LSG unangegriffen und deshalb für den Senat bindend festgestellt hat (§ 163 SGG), kein Arbeitsentgelt erhalten hat.

Demgegenüber kann der Kläger sich nicht mit Erfolg auf die zeitlich vorangegangene Fassung des AFG berufen, wonach zur Begründung eines Anspruchs auf Alhi 70 Kalendertage entlohnter Beschäftigung – oder des gleichgestellten Uhg-Bezuges – ausreichten (§ 134 Abs 1 Nr 4b; § 134 Abs 2 Satz 1, § 107 Abs 1 Satz 1 Nr 5a AFG idF des 5. AFG-ÄndG). Die Erschwerung des Zugangs zum Alhi-Anspruch durch das AFKG verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Der Senat hat dies bereits durch Urteil vom 12. Dezember 1985 entschieden (BSGE 59, 227, 233 = SozR 4100 § 134 Nr 29).

Der Kläger kann den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Alhi auch nicht mit Erfolg darauf stützen, daß am 29. Juli 1982 noch die Anwartschaft aus dem früheren Anspruch auf Alhi bestanden hat. Der von ihm vor dem 18. Mai 1981 erworbene Anspruch auf Alhi ist nämlich schon vor der am 29. Juli 1982 erfolgten Antragstellung gemäß § 135 Abs 1 Nr 2 AFG erloschen.

Nach dieser Vorschrift erlischt der Anspruch auf Alhi, wenn seit dem letzten Tage des Bezuges von Alhi ein Jahr vergangen ist. Mit dieser Regelung ist – wie der Senat bereits früher ausgeführt hat – nicht etwa auf die Frage der Verjährung Bezug genommen; diese richtet sich wie bei anderen Anprüchen auf Sozialleistungen nach § 45 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB 1). Die Regelung betrifft vielmehr das Stammrecht, das dem Arbeitslosen nach der Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen aus der Anwartschaft erwachsen ist. Das bedeutet, daß mit dem Erlöschen des Anspruches auf Alhi die Anspruchsberechtigung untergeht, die dem Berechtigten – nach Wegfall von Leistungsvoraussetzungen wie Arbeitslosigkeit, Verfügbarkeit und Bedürftigkeit – vorerst erhalten geblieben war. Das Erlöschen hat somit zur Folge, daß – obschon die Leistungsvoraussetzungen wie Arbeitslosigkeit, Verfügbarkeit und Bedürftigkeit wieder gegeben sind – nicht mehr auf die früher verwirklichte Anwartschaft (§ 134 Abs 1 Nr 4 AFG) zurückgegriffen werden kann (BSG vom 15. Mai 1985 – 7 RAr 22/84 –; Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, Stand August 1988, § 135 Anm 1 ff; Schmidt in Ambs ua, Gemeinschaftskommentar zum AFG, § 135 RdNr 2; Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm zum AFG, Stand März 1988, § 135 RdNr 3).

Im vorliegenden Fall war das Jahr, nach dessen Ablauf die Anspruchsberechtigung des Klägers aus dem letzten Alhi-Anspruch erlischt, bei der erneuten Antragstellung auf Alhi längst verstrichen; denn der Kläger hatte zuletzt für den 17. Mai 1981 Alhi bezogen. Erst am 29. Juli 1982 hat er erneut Antrag auf Alhi gestellt.

Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger noch bis zum 18. Oktober 1981 Uhg bezogen hat und – von diesem Zeitpunkt an gerechnet – am 29. Juli 1982 noch kein Jahr verstrichen war; denn die Vorschrift des § 135 Abs 1 Nr 2 AFG ist, anders als der Kläger vorträgt, nicht in dem Sinne auslegbar, daß dem Bezug von Alhi der Bezug von Uhg gleichzusetzen ist. Insoweit ist keine planwidrige Gesetzeslücke erkennbar. Einer solchen Annahme stehen – wie das LSG zutreffend betont hat – Wortlaut, Gesetzesgeschichte sowie Sinn und Zweck der Norm entgegen.

Der Wortlaut des § 135 Abs 1 Nr 2 AFG ist eindeutig. Danach ist für das Erlöschen des Anspruches auf Alhi allein maßgebend, daß seit dem letzten Tage des Bezuges von Alhi ein Jahr vergangen ist. Auf den Grund für den Nichtbezug kommt es nicht an (BSG SozR 4100 § 134 Nr 15; BSG vom 15. Mai 1985 – 7 RAr 22/84 –; Hennig/Kühl/Heuer, aaO, § 135 Anm 4; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 2. Aufl, § 135 RdNr 7; Schmidt, aaO, § 135 RdNr 6).

Die Gesetzesgeschichte liefert keine gegenteiligen Anhaltspunkte. Vorläuferbestimmung des § 135 Abs 1 Nr 2 AFG war – wie das LSG zu Recht bemerkt hat – § 141c Abs 1 Nr 3 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) idF des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des AVAVG vom 16. April 1956 (BGBl I 243). Danach erlosch der Anspruch auf Unterstützung nach Ablauf von zwei Jahren seit dem letzten Tag des Unterstützungsbezuges. Im Ersten Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit wird hervorgehoben, daß nach einer mehr als zweijährigen Unterbrechung des Unterstützungsbezugs ein Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden könne, es sei denn, daß in der Zwischenzeit durch erneute Erfüllung der Voraussetzungen des § 141a Abs 1 Nr 4 AVAVG (jetzt § 134 Abs 1 Nr 4 AFG) ein neuer Anspruch erworben worden sei (BT-Drucks I/2101 S 5 zu § 141c Abs 1). Dieser Hinweis auf das uneingeschränkte Erlöschen des seinerzeitigen Unterstützungsanspruchs durch bloßen Zeitablauf verdeutlicht, daß die Gründe für die Beendigung des Leistungsbezuges aus der Sicht der Gesetzgebungsorgane keine Rolle spielen sollten.

Sinn und Zweck der Vorschrift bestätigen das Ergebnis. Dem Erlöschenstatbestand des § 135 Abs 1 Nr 2 AFG liegt die Erwägung zugrunde, daß die Anwartschaftsvoraussetzungen – die gewährleisten sollen, daß nur der derjenige Alhi erhält, der eine relativ enge Beziehung zum Arbeitsmarkt aufweist – ihre Funktion nicht mehr erfüllen, wenn der Berechtigte ein Jahr lang (früher zwei Jahre) nicht gezwungen war, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stehen und von Alhi zu leben (BSG vom 15. Mai 1985 – 7 RAr 22/84 –). Im vorliegenden Fall sind diese Voraussetzungen gegeben. In der Zeit vom 18. Mai bis 18. Oktober 1981 stand der Kläger der Arbeitsvermittlung wegen Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Fortbildung (§§ 41 ff AFG) nicht zur Verfügung (§ 103 AFG); überdies ruhte sein Anspruch auf Alhi, weil ihm Uhg zuerkannt war (§ 134 Abs 2 Satz 1 iVm § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG idF des 5. AFG-ÄndG), so daß er zur Deckung seines Lebensbedarfs nicht auf die Gewährung von Alhi angewiesen war. In der Zeit vom 19. Oktober 1981 bis 28. Juli 1982 war er aufgrund seiner Inhaftierung nicht verfügbar. Zwischen dem letzten Tage des Bezuges von Alhi und der erneuten Antragstellung auf Alhi lag mithin weit mehr als ein Jahr.

Daß die Erlöschenswirkung des § 135 Abs 1 Nr 2 AFG mit dem Beginn des Ruhens des Anspruchs auf Alhi – hier dem 18. Mai 1981 – einsetzt, widerspricht nicht der Ruhensvorschrift des § 118 AFG. Zwar berührt das Ruhen nicht das Stammrecht als solches; der Arbeitslose ist während der Ruhensdauer lediglich gehindert, die Auszahlung von Alhi zu verlangen. Indes nimmt das Ruhen des Alhi-Anspruchs nicht das Stammrecht von dem rechtlichen Schicksal aus, das für die Anspruchsberechtigung allgemein vorgesehen ist. Das Stammrecht auf Alhi geht nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers mit Ablauf eines Jahres seit dem letzten Tage des Bezuges von Alhi vielmehr unabhängig davon unter, ob die Anspruchsvoraussetzungen fehlen oder ob der Ruhenstatbestand des § 118 AFG gegeben ist. Dafür spricht nicht allein § 135 Abs 1 Nr 2 AFG, sondern auch § 118 AFG, dessen Sinn und Zweck dahin gehen, den Doppelbezug von Unterhaltsleistungen durch öffentliche Leistungsträger (§ 12 SGB 1) zu unterbinden (BSG vom 15. Mai 1985).

Unerheblich ist nach dem Gesetz, ob der Arbeitslose die Möglichkeit besitzt, einer von der Beklagten angeordneten Maßnahme zur Fortbildung auszuweichen oder nicht; denn die Beendigung des Alhi-Bezuges als Folge der Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme und der Ruhenswirkung des § 118 AFG und damit der Beginn der Einjahresfrist des § 135 Abs 1 Nr 2 AFG setzen ein, soweit eine der in § 118 AFG genannten Leistungen zuerkannt ist. Die Beklagte brauchte sich, anders als der Kläger annimmt, vor Bewilligung der Fortbildungsmaßnahme auch nicht zu vergewissern, ob eine eventuelle Inhaftierung des Klägers zu erwarten stehe. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß für die Beklagte überhaupt ein Anlaß bestand, dieser Frage nachzugehen. Abgesehen davon, daß ihr ein entsprechendes Auskunftsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft nicht zustand, wäre es in erster Linie Sache des Klägers gewesen, die Beklagte darauf aufmerksam zu machen, daß eventuelle Hindernisse auf seiner Seite der Durchführung der beabsichtigten Fortbildungsmaßnahme entgegenstünden. Folglich bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Beklagte hätte in Zusammenhang mit der Bewilligung der Bildungsmaßnahme ihre Beratungspflicht (§ 14 SGB 1) verletzt; ein solcher Vorwurf wird vom Kläger selbst nicht erhoben. Auf der anderen Seite sollte die Maßnahme der beruflichen Fortbildung bis zum 17. November 1981 dauern. Bei dieser Sachlage hätte der Kläger, wäre er nicht ab 19. Oktober 1981 inhaftiert worden, ab 18. November 1981 eine neue Anwartschaft auf Alg erworben (§ 104 Abs 1 Satz 1, § 107 Abs 1 Satz 1 Nr 5a AFG idF des 5. AFG-ÄndG). Daß es dazu nicht kam, ist nicht der Beklagten, sondern allenfalls ihm anzulasten. Aus diesem Grunde gehen auch seine in diesem Zusammenhang gegebenen Hinweise fehl, das LSG habe zu Unrecht auf einen normalen, störungsfreien Ablauf des Uhg-Bezuges abgehoben und die Fragen der Schuld bzw der Verantwortungsbereiche nicht aufwerfen dürfen. Abgesehen davon, daß das LSG den Begriff der Schuld nicht verwendet hat, hat es mit den von ihm gebrauchten Formulierungen nur das gekennzeichnet, was der Sach- und Rechtslage im vorliegenden Fall entspricht.

Schließlich verstößt § 135 Abs 1 Nr 2 AFG nicht gegen die Verfassung. Richtig ist, daß sozialversicherungsrechtliche Positionen unter die durch Art 14 GG geschützte Eigentumsgarantie fallen können. Doch ist Voraussetzung, daß sie nicht ausschließlich auf einseitiger staatlicher Gewährung und Ausübung staatlicher Fürsorge, sondern auf nicht unerheblicher Eigenleistung des Versicherten beruhen (BVerfGE 53, 257, 289 ff; 58, 81, 109; Maunz/Papier in Maunz/Dürig/Herzog, Komm zum GG, Art 14 RdNr 130). Bereits hieran scheitert eine eigentumsrechtliche Anerkennung des Anspruchs auf Alhi. Dieser erwächst nicht aus Beiträgen des Begünstigten; die Kosten der Alhi werden vielmehr vom Bund getragen (§ 188 Satz 1 AFG). Dem Gesetzgeber steht deshalb bei der Festlegung der Voraussetzungen für das Erlöschen des Anspruchs auf Alhi ein besonders weiter Gestaltungsspielraum zu.

In der Nichtgleichsetzung des Bezuges von Uhg mit dem Bezug von Alhi in § 135 Abs 1 Nr 2 AFG kann auch keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG erblickt werden. Dieser enthält die allgemeine Weisung, bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (BVerfGE 3, 58, 135; 9, 237, 244; 18, 38, 46). Er ist nicht verletzt, wenn der Gesetzgeber nicht die gerechteste oder zweckmäßigste Regelung getroffen hat, sondern erst dann, wenn die äußersten Grenzen des Ermessens überschritten sind (BVerfGE 9, 137, 146; 11, 245, 253; 19, 354, 367 f), dh wenn sich ein sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt (BVerfGE 24, 220, 228; 25, 101, 105; 27, 375, 386). Der Gesetzgeber hat einerseits die Bezieher von Uhg den Personengruppen gleichgestellt, die der Arbeitsvermittlung in der Regel ebenfalls nicht zur Verfügung stehen (§ 118 Abs 1 Nr 2 AFG) oder die aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind (§ 118 Abs 1 Nrn 3 und 4 AFG); auch bei diesem Personenkreis ruht der Anspruch auf Alhi nach Zuerkennung der anderweitigen Leistung. Andererseits hat der Gesetzgeber in § 135 Abs 1 Nr 2 AFG die Bezieher von Uhg den Beziehern von Alhi deswegen nicht gleichgesetzt, weil er die Zeiten des Bezuges von Uhg den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichgeachtet hat (§ 107 Satz 1 Nr 5d AFG). Umfaßt der Uhg-Bezug weniger als 150 Kalendertage, bleibt dem Bezieher der (frühere) Anspruch auf Alhi erhalten. Umfaßt er 150 Kalendertage, kann der Uhg-Bezieher einen neuen Anspruch auf Alhi mit der Folge des Untergangs des alten Anspruchs erwerben (§ 134 Abs 1 Nr 4b AFG idF des AFKG, § 134 Abs 2 Satz 1, § 107 Abs 1 Satz 1 Nr 5a AFG idF des 5. AFG-ÄndG, § 125 Abs 1 AFG). Umfaßt der Uhg-Bezug 360 Kalendertage, kann daraus ein Anspruch auf Alg hergeleitet werden (§ 104 Abs 1 Satz 1 AFG idF des AFKG, § 107 Abs 1 Satz 1 Nr 5a AFG idF des 5. AFG-ÄndG). Diese Regelung ist nicht willkürlich. Sie trägt vielmehr der Idee des Sozialstaats (Art 20 Abs 1, 28 Abs 1 GG) ausreichend Rechnung. Zum einen nämlich wird ein nicht gerechtfertigter Doppelbezug von Lohnersatzleistungen durch öffentliche Leistungsträger vermieden. Zum anderen erhält der Uhg-Empfänger die Chance auf Erwerb einer Anwartschaft für einen neuen Anspruch. Das ist eine in jeder Weise sinnvoll erscheinende Regelung.

An diesem Ergebnis ändert nichts, daß in Einzelfällen der frühere Anspruch auf Alhi erlischt, ohne daß zugleich ein Äquivalenz-Anspruch erworben wird. Es sind auch sonst Lebenssachverhalte denkbar, bei denen der Bezug von Alhi für mehr als ein Jahr unter brochen wird und der Arbeitslose nicht in der Lage gewesen ist oder keine Veranlassung genommen hat, während der Unterbrechungszeit einen neuen Anspruch auf Leistungen für den Fall der Arbeitslosigkeit zu erwerben.

Die Vorinstanzen sind hiernach zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß dem Kläger ab 29. Juli 1982 kein Anspruch auf Gewährung von Alhi zusteht. Die Revision ist folglich zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung leitet sich aus § 193 SGG ab.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174513

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