Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsfreiheit - Student - betriebliche Tätigkeit - Diplomarbeit
Leitsatz (redaktionell)
Die betriebliche Tätigkeit einer Studentin, die allein der Erstellung der für den Studienabschluß erforderlichen Diplomarbeit dient, unterliegt regelmäßig nicht der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit.
Normenkette
AFG § 168 Abs. 1; RVO § 172 Abs. 1 Nr. 5; AFG § 169 Nr. 1 Fassung: 1975-05-07, § 169b S. 1 Nr. 2 Fassung: 1988-12-20
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 27. Oktober bis 31. Dezember 1989.
Sie bezog, nachdem sie von 1978 bis 1983 als Chemielaborantin beschäftigt gewesen war, in der Zeit vom 2. Januar bis 3. März 1984 Arbeitslosengeld (Alg). Vom 5. März 1984 bis 19. Januar 1985 besuchte sie erfolgreich an der Fachhochschule Heilbronn einen Vorbereitungskurs zur Fachhochschulreife. Nach nochmaligem Bezug von Alg (aufgrund einer Wiederbewilligung) in der Zeit vom 21. Januar bis 28. Februar 1985 begann sie an der Fachhochschule Gießen-Friedberg ein Studium im Fachbereich Technisches Gesundheitswesen, das sie am 25. Oktober 1989 mit dem akademischen Grad einer Diplom-Ingenieurin abschloß. Am 1. Januar 1990 nahm sie eine Beschäftigung auf.
Im September 1988 hatte sie mit der Beigeladenen zu 3) einen formularmäßigen "Arbeitsvertrag" geschlossen, demzufolge sie zur Förderung ihrer für die Erlangung des Studienabschlusses notwendigen Diplomarbeit in deren Betrieb tätig sein sollte. Die vertragliche Arbeitszeit belief sich auf 37 Wochenstunden bei einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 850,-- DM. Ziel der Tätigkeit in der Zeit vom 1. November 1988 bis 30. April 1989 war es, der Klägerin Kenntnisse aus der Praxis zu vermitteln, die ihrer Diplomarbeit zugute kommen sollten; zugleich erwartete die Beigeladene zu 3) Nutzungsmöglichkeiten der Diplomarbeit für ihren Bereich. Insbesondere war die Klägerin verpflichtet, der Beigeladenen zu 3) spätestens einen Monat nach Fertigstellung mindestens zwei Exemplare der Diplomarbeit kostenlos zu übereignen, weil man aus der Arbeit für gezielte Projekte Lösungsansätze, Denkanstöße sowie die Durchführung von Grundsatzuntersuchungen erwartete. Aus der der Klägerin gewährten Bruttovergütung und einer im August 1989 gezahlten "Anerkennungsprämie" wurden an die Beigeladene zu 1) als Einzugsstelle Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie zur Beklagten abgeführt. Während des gesamten Zeitraums vom 1. November 1988 bis 30. April 1989 blieb die Klägerin als Studierende an der Fachhochschule eingeschrieben (bis 25. Oktober 1989).
Ihren Antrag vom 27. Oktober 1989 auf Gewährung von Alhi lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 13. November 1989, Widerspruchsbescheid vom 27. November 1989). Das Sozialgericht (SG) Heilbronn hat die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides idF des Widerspruchsbescheides verurteilt, für den streitigen Zeitraum Alhi zu gewähren (Urteil vom 18. Dezember 1990). Auf die zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 14. Mai 1992). Dabei hat es im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe schon deshalb keinen Alhi-Anspruch erworben, weil sie nicht innerhalb der Vorfrist mindestens 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt habe, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen könnten (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Arbeitsförderungsgesetz ≪AFG≫). Sie sei bei der Beigeladenen zu 3) nicht beitragspflichtig beschäftigt gewesen, da sie vom Erscheinungsbild her Studentin geblieben sei, so daß Beitragsfreiheit vorgelegen habe (§ 169 Nr 1 AFG aF iVm § 172 Abs 1 Nr 5 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫ aF; § 169b Satz 1 Nr 2 AFG). Die Klägerin habe zwar eine Betätigung, zu der sie wegen des angestrebten Studienabschlusses verpflichtet gewesen sei, in der nicht notwendigen Form eines Arbeitsvertrages geleistet; der für die Beitragsfreiheit ordentlicher Studierender maßgebliche Gedanke der versicherungsrechtlichen Kontinuität spreche jedoch gegen eine Beitragspflicht, weil durch die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 3) das Studium nur örtlich verlagert worden sei.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 134 Abs 1, 169b Satz 1 Nr 2 AFG, 169 Nr 1 AFG aF iVm § 172 Abs 1 Nr 5 RVO aF. Sie ist der Ansicht, innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt gewesen seien (Vorfrist), mindestens 150 Kalendertage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden zu haben. Sie sei vom Erscheinungsbild her wegen der Vollschichtigkeit der Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 3) nicht als Studentin anzusehen gewesen. Daß die Beschäftigung die Möglichkeit geboten habe, die erzielten Ergebnisse für die Diplomarbeit zu verwenden, stehe der Annahme einer Arbeitnehmereigenschaft mit der Folge des Eintritts einer Beitragspflicht nicht entgegen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das
Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Klägerin sei als Studentin nach § 169 Nr 1 AFG aF iVm § 172 Abs 1 Nr 5 RVO aF bzw nach § 169b Satz 1 Nr 2 AFG beitragsfrei gewesen, weil das Beschäftigungsverhältnis zur Beigeladenen zu 3) ausschließlich der Verwirklichung des Studienziels gedient habe. Mit der "Verlagerung" der Studienzeit in den Betrieb sei die Tätigkeit vollständig den Erfordernissen des Studiums angepaßt worden.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das
Urteil des SG zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Klägerin sei bei der Beigeladenen zu 3) als Arbeitnehmerin tätig geworden. Wegen der vollschichtigen Eingliederung in das Industrieunternehmen sei die Klägerin nach ihrem "Erscheinungsbild" keine ordentliche Studierende einer Hochschule mehr gewesen; das Studium sei nicht die Hauptsache geblieben. Hieran ändere sich nichts dadurch, daß die Beschäftigung dem Studium förderlich gewesen sei.
Die Beigeladenen zu 2) und 3) stellen keine Anträge.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Verfahrenshindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Es bedurfte insbesondere nicht notwendig der Beiladung der Stadt Heilbronn nach § 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), obwohl die Klägerin, wie den Verwaltungsvorgängen der Beklagten zu entnehmen ist, ab 30. November 1989 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz bezogen hat. Denn bei dem denkbaren Erstattungsanspruch der Stadt Heilbronn als Trägerin der Sozialhilfe nach § 104 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren (SGB X) handelt es sich nicht um einen von der Rechtsposition der Klägerin abgeleiteten, sondern um einen eigenständigen Anspruch ohne Notwendigkeit zur Beiladung (BSGE 61, 66, 68 = SozR 2200 § 182 Nr 104; Urteil des Senats vom 19. März 1992 - 7 RAr 128/90 -, SozR 3-4100 § 103 Nr 7 ≪insoweit nicht abgedruckt≫).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Alg. Dies ist ungeachtet des auf die Gewährung von Alhi gerichteten Antrags nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung (BSGE 44, 164, 166 f = SozR 4100 § 134 Nr 3; BSGE 49, 114, 115 ff = SozR 4100 § 100 Nr 5; BSG, Urteil vom 21. Mai 1980 - 7 RAr 31/79 -, USK 80153; Urteil vom 16. März 1983 - 7 RAr 12/82 - ≪unveröffentlicht≫ und vom 20. September 1989 - 7 RAr 38/89 - ≪unveröffentlicht≫) zu prüfen, da nicht davon auszugehen ist, daß die Klägerin Alg nicht geltend machen wollte, falls ihr dies zu gewähren wäre. Ein Anspruch auf Alg scheitert jedoch daran, daß ein Restanspruch aus dem Jahre 1984 inzwischen verfallen ist und ein neuer Anspruch nicht erworben wurde. Die Verfallwirkung ergibt sich aus § 125 Abs 2 AFG idF des am 1. Januar 1986 in Kraft getretenen Siebten Gesetzes zur Änderung des AFG (7. AFG-ÄndG) vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484), wonach der Anspruch auf Alg nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen sind. Am 27. Oktober 1989, dem Tag der Antragstellung, waren seit Entstehung des Anspruchs aus dem Jahre 1984 mehr als vier Jahre vergangen. Die Klägerin hat andererseits in der Rahmenfrist des § 104 AFG idF des insoweit am 1. Oktober 1984 in Kraft getretenen Ersten Gesetzes zur Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes vom 15. Oktober 1984 (BGBl I 1277) mangels beitragspflichtiger Beschäftigung von 360 Tagen keine neue Anwartschaftszeit erfüllt.
Ihr steht auch keine Alhi gemäß § 134 Abs 1 AFG idF des 7. AFG-ÄndG zu. Danach hat Anspruch auf Alhi nur, wer ua (Nr 4) innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt sind (Vorfrist) Alg bezogen hat, ohne daß der Anspruch nach § 119 Abs 3 AFG erloschen ist, oder mindestens 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt hat, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen können.
Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Innerhalb der Vorfrist, die hier nur die Zeit vom 27. Oktober 1988 bis 26. Oktober 1989 umfassen kann (vgl zur Fixierung der Vorfrist das Urteil des BSG vom 30. September 1992 - 11 RAr 11/91 - ≪zur Veröffentlichung vorgesehen≫), hat sie weder Alg bezogen noch eine beitragspflichtige Beschäftigungszeit aufzuweisen. Die Anwartschaftszeit kann nämlich gemäß § 104 AFG neben den hier nicht einschlägigen gleichgestellten Zeiten (§ 107 AFG) grundsätzlich nur durch Zeiten einer beitragspflichtigen Beschäftigung (§ 168 AFG) erfüllt werden, was für die von der Klägerin in dieser Zeit allein ausgeübte Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 3) vom 1. November 1988 bis 30. April 1989 nicht zutrifft.
Nach § 168 AFG in der bis 31. Dezember 1988 geltenden Fassung, die er durch das 7. AFG-ÄndG erhalten hat und § 168 AFG idF des Gesetzes zur Änderung des AFG und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2343) - in Kraft getreten am 1. Januar 1989 - waren grundsätzlich beitragspflichtig Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausübung beschäftigt waren. § 173a AFG iVm § 7 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) bezeichnet als Beschäftigung jede nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (vgl zum Begriff der "Arbeit" BSGE 10, 94, 96). Die das Beschäftigungsverhältnis prägende Voraussetzung ist die persönliche Abhängigkeit (stRspr: BSGE 13, 130, 132 = SozR Nr 20 zu § 165 RVO; BSGE 16, 289, 293 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO; BSG, Urteil vom 24. September 1992 - 7 RAr 12/92 - ≪zur Veröffentlichung vorgesehen≫). Persönliche Abhängigkeit äußert sich einerseits in der Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers und andererseits der Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers (stRspr: BSGE 37, 10, 13 f = SozR Nr 62 zu § 1259 RVO; BSGE 41, 41, 52 = SozR 2200 § 1259 Nr 13; BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 6) bzw in der Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb, die in aller Regel mit einem mehr oder weniger stark ausgeprägten Weisungsrecht des Betriebsinhabers, das sich auf Zeit, Ort, Dauer, Inhalt und Gestaltung der Tätigkeit bezieht, verbunden ist (stRspr: BSGE 13, 130, 132 = SozR Nr 20 zu § 165 RVO; BSGE 51, 164, 167 = SozR 2400 § 2 Nr 16). Kennzeichnend für ein Beschäftigungsverhältnis ist damit die Fremdbestimmtheit der Tätigkeit ohne eigenes Unternehmerrisiko.
Das LSG hat zwar unter Rückgriff auf die vertraglichen Regelungen eine derartige Abhängigkeit angenommen, ohne allerdings die tatsächlichen Verhältnisse zu überprüfen. Nur wenn diese dem, was formal vertraglich fixiert ist, nicht zuwiderlaufen, kommt indes dem Vertragstext entscheidende Bedeutung zu (BSGE 35, 20, 21 f = SozR Nr 34 zu § 539 RVO; Kasseler Komm, Stand Januar 1992, § 7 SGB IV RdNrn 48, 62 und 75). Ob eine fremdbestimmte Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 3) vorliegend zu bejahen ist, ist insbesondere im Hinblick darauf, daß die Klägerin nicht vorrangig Leistungen für die Beigeladene zu 3) erbracht, sondern ihr Studienziel, nämlich das Erstellen einer Diplomarbeit, verfolgt hat, nicht unzweifelhaft. Letztlich bedarf dies keiner Klärung. Selbst wenn die Klägerin als Arbeitnehmerin tätig gewesen sein sollte, war sie nämlich beitragsfrei beschäftigt.
Dies ergibt sich für den Zeitraum bis 31. Dezember 1988 aus § 169 Nr 1 AFG in der Fassung, die er durch das Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter vom 7. Mai 1975 (BGBl I 1061) erhalten hat. Beitragsfreiheit bestand insoweit für Arbeitnehmer in einer Beschäftigung, in der sie die in § 172 RVO genannten Voraussetzungen für die Krankenversicherungsfreiheit erfüllten. Danach waren bis 31. Dezember 1988 versicherungsfrei Personen, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule gegen Entgelt beschäftigt waren (§ 172 Abs 1 Nr 5 RVO).
Für den Zeitraum vom Januar 1989 bis April 1989 beurteilt sich die Beitragsfreiheit der Tätigkeit nach § 169b Satz 1 Nr 2 AFG idF des Gesetzes zur Änderung des AFG und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand. Durch dieses Gesetz wurde die in § 168 Abs 1 Satz 1 AFG zuvor enthaltene Verweisung auf § 169 (mit dessen Verweisung auf § 172 RVO) ersetzt durch eine Verweisung ua auf den eingefügten § 169b AFG. Dieser ordnet unter Satz 1 Nr 2 nun eigenständig, aber mit gleichem Wortlaut, die Beitragsfreiheit von Arbeitnehmern an, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule eine Beschäftigung ausüben. Inhaltlich entspricht diese Regelung in vollem Umfang der des § 172 Abs 1 Nr 5 RVO aF (Hennig/ Kühl/Heuer/Henke, AFG, Stand Januar 1993, § 169b RdNr 3 unter Hinweis auf BT-Drucks 11/3603 S 12), so daß eine differenzierende rechtliche Beurteilung der von der Klägerin zurückgelegten Zeit vom 1. November 1988 bis 30. April 1989 (mehr als 150 Kalendertage) nicht erforderlich ist. Die Klägerin war zwar möglicherweise gemäß § 168 AFG aF und nF bei der Beigeladenen zu 3) als Arbeitnehmerin gegen Entgelt beschäftigt, jedoch in jedem Falle nach § 169 Nr 1 AFG aF iVm § 172 Abs 1 Nr 5 RVO aF bzw ab 1. Januar 1989 gemäß § 169b Satz 1 Nr 2 AFG beitragsfrei.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat sich in zahlreichen Entscheidungen mit der Frage befaßt, wann Versicherungs- und Beitragsfreiheit von sogenannten Werkstudenten besteht und wann es bei dem Grundsatz der Versicherungs- und Beitragspflicht der abhängig Beschäftigten bleibt. Es hat hierzu im wesentlichen ausgeführt, daß die Beschäftigung dann versicherungs- bzw beitragsfrei ist, wenn sie "neben" dem Studium, dh ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet, ausgeübt wird, das Studium also die Haupt- und die Beschäftigung die Nebensache ist. Umgekehrt ist danach derjenige, der seinem "Erscheinungsbild" nach zum Kreis der Beschäftigten gehört, durch ein gleichzeitiges Studium in der Beschäftigung nicht versicherungsfrei; Versicherungsfreiheit besteht insoweit vielmehr nur für Personen, deren Zeit und Arbeitskraft überwiegend durch das Studium beansprucht werden (BSGE 40, 93 ff = SozR 2200 § 172 Nr 3; BSGE 50, 25, 26 = SozR 2200 § 172 Nr 14; BSG SozR 2200 § 172 Nrn 19 und 20; BSG, Urteile vom 29. September 1992 - 12 RK 24/92 und 12 RK 31/91 - ≪zur Veröffentlichung vorgesehen≫); diese Wertung ist im Wege einer Gesamtschau vorzunehmen (BSGE 50, 25, 26 f = SozR 2200 § 172 Nr 14; BSG SozR 2200 § 172 Nrn 19 und 20).
In Konkretisierung der vorbezeichneten Grundsätze hat das BSG darin, daß während des Semesters - bei einer üblichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden - eine Arbeitszeit von 20 Stunden überschritten wurde, ein wesentliches Beweisanzeichen für Versicherungspflicht im Rahmen einer Beschäftigung gesehen (vgl ua BSG SozR 2200 § 172 Nr 20), während die Erwerbstätigkeit eines Studenten ausschließlich während der Semesterferien unabhängig vom Umfang der Tätigkeit regelmäßig nicht versicherungspflichtig bzw beitragspflichtig ist (BSG SozR 2200 § 172 Nr 20; BSG, Urteil vom 17. April 1986 - 7 RAr 71/84 -, USK 8692). Indes wurde betont, daß es keine festen zeitlichen Grenzen gibt und immer eine Prüfung im Einzelfall erforderlich ist (vgl ua BSG SozR 2200 § 172 Nr 20). Vollschichtige Arbeit in der vorlesungsfreien Zeit und bis zu grundsätzlich halbschichtige Arbeit in der Vorlesungszeit sind - ebenso wie bei einer Beschäftigungsdauer von 26 Wochen innerhalb eines Jahres - Richtwerte für Obergrenzen und stehen sämtlich unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit einem ordnungsgemäßen Studium. Diese Vereinbarkeit dürfte sich, wenn die Obergrenzen über längere Zeit ausgeschöpft würden, kaum noch ergeben (BSG SozR 2200 § 172 Nr 20).
Die erwähnten Urteile betrafen den typischen "Werkstudenten", der neben seinem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausübte. Darüber hinaus wurde entschieden, daß die Versicherungs- bzw Beitragsfreiheit als Student nicht auf diesen Personenkreis beschränkt ist. Da die Abgrenzung der versicherungsfreien Studentenbeschäftigung von der versicherungspflichtigen Beschäftigung danach zu erfolgen hat, ob Zeit und Arbeitskraft des Betreffenden überwiegend vom Studium oder überwiegend von der Erwerbstätigkeit in Anspruch genommen werden, ob also der Betreffende seinem Erscheinungsbild nach Student oder Erwerbstätiger ist, sind durch die Studien- oder Prüfungsordnung vorgeschriebene (zeitlich gegenüber der reinen Studienzeit untergeordnete) Zwischenpraktika im Rahmen des Studiums versicherungs- und beitragsfrei (BSG SozR 2200 § 172 Nrn 12 und 15; BSG, Urteil vom 17. Dezember 1980 - 12 RK 3/80 -, USK 80283). Die Freistellung einer Beschäftigung von der Versicherungspflicht mag zwar ursprünglich auf den sogenannten Werkstudenten ausgerichtet gewesen sein. Dahinter stand jedoch auch der Gedanke, daß ein Student seinem Status nach grundsätzlich nicht zum von der Sozialversicherung erfaßten Personenkreis der Beschäftigten gehört und deshalb nicht aufgrund meist kurzfristiger Beschäftigungen vorübergehend wegen dieser Beschäftigung, also nicht über seinen Status als Student, in die Sozialversicherung einbezogen werden soll. Es gilt vielmehr der Grundsatz der versicherungsrechtlichen Kontinuität; ein Wechsel des Versicherungsgrundes soll während des Studiums möglichst vermieden werden (BT-Drucks 7/3640 S 5, Begründung zu § 1 Nr 3; BSG SozR 2200 § 172 Nr 15).
Nach diesen Kriterien beurteilt sich auch die Beitragspflicht der Beschäftigung der Klägerin bei der Beigeladenen zu 3). Die Besonderheit zu den bisher entschiedenen Konstellationen liegt darin, daß die Klägerin mit der Erstellung der Diplomarbeit ihr Studium fortgeführt, dieses aber gewissermaßen von der Universität örtlich in den Betrieb der Beigeladenen zu 3) verlagert hat. Dabei hat sie jedoch nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG inhaltlich nichts anderes getan, als sie getan hätte, wenn sie ihre Diplomarbeit an der Universität selbst erstellt hätte, also eine originäre studentische Tätigkeit verrichtet. Daß dies eventuell im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses geschehen ist, ändert nichts daran, daß die gesamte Tätigkeit geprägt und bestimmt war durch die Anforderungen des Studiums sowie durch das Ziel, mit Hilfe der Diplomarbeit das Studium erfolgreich zu beenden. Die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 3) war damit insgesamt dem Studium zuzuordnen; unter diesen Umständen würde es dem Gedanken der versicherungsrechtlichen Kontinuität widersprechen, die Klägerin sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmerin zu behandeln. Zwangsläufig hat das bei der erforderlichen einheitlichen versicherungs- und beitragsrechtlichen Betrachtung die Beitragsfreiheit nach dem AFG zur Folge. Die gleichen Überlegungen - allerdings im gegenläufigen Sinne - bestimmen schließlich die Rechtsprechung zur Versicherungspflicht einer Beschäftigung, die schon vor Aufnahme des Studiums ausgeübt wurde (BSGE 39, 223 ff = SozR 2200 § 172 Nr 2). Die Klägerin blieb ihrem "Erscheinungsbild" nach in der Zeit vom 1. November 1988 bis 30. April 1989 Studentin. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Kürze der Tätigkeit (6 Monate).
Mit der vorliegenden Entscheidung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu Entscheidungen des 1. und des 12. Senats (BSGE 64, 130 ff = SozR 2200 § 1232 Nr 26; BSGE 66, 211 ff = SozR 3-2940 § 2 Nr 1; BSG, Urteil vom 11. Juni 1992 - 12 RK 46/90 - ≪zur Veröffentlichung vorgesehen≫) bezüglich der Beitragspflicht von Praxiszeiten im Rahmen von Rechtspraktikantenverhältnissen der einstufigen Juristenausbildung (zur Thematik der Praktika im Rahmen der einstufigen Juristen- und einphasigen Lehrerausbildung vgl außerdem: BSG, Urteil vom 22. Februar 1984 - 7 RAr 8/83 -, Beiträge 1984, 258 ff; BSGE 59, 157 ff = SozR 1300 § 45 Nr 19; BSG, Urteil vom 12. Dezember 1985 - 7 RAr 122/84 -, NJW 1986, 2134 ff; BSG, Urteil vom 12. Dezember 1985 - 7 RAr 137/84 -, Beiträge 1986, 264 ff; BSG, Urteil vom 12. Dezember 1985 - 7 RAr 31/85 -, USK 85228; BSGE 60, 61 ff = SozR 2200 § 1232 Nr 19; BSG, Urteil vom 20. März 1986 - 11a RA 32/85 -, EzB AVG § 9 Nr 1; BSG, Urteil vom 20. März 1986 - 11a RA 54/85 - ≪unveröffentlicht≫; BSG, Urteile vom 17. April 1986 - 7 RAr 127/84 und 7 RAr 133/84 -, USK 8675; BSGE 65, 281 ff = SozR 4100 § 134 Nr 38; BSG, Urteil vom 20. September 1989 - 7 RAr 38/89 - ≪unveröffentlicht≫; BSG, Urteil vom 24. September 1992 - 7 RAr 14/92 - ≪unveröffentlicht≫; vgl auch die Urteile zur Beitragsfreiheit von Praktikanten im Rahmen der einphasigen Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher in Rheinland-Pfalz: BSG, Urteil vom 26. Juni 1986 - 7 RAr 90/84 -, USK 86102; BSG vom 21. Januar 1987 - 7 RAr 10/86 -, USK 8712).
Im Urteil des 12. Senats vom 21. Februar 1990 wird im Anschluß an die Entscheidung des 1. Senats vom 6. Oktober 1988 (BSGE 64, 130 ff = SozR 2200 § 1232 Nr 26), die mit Besonderheiten des Rentenversicherungsrechts begründet wird, verdeutlicht, daß an der Rechtsprechung zu den Zwischenpraktika im Rahmen eines Hochschulstudiums festgehalten werde (BSGE 66, 211, 214 f = SozR 3-2940 § 2 Nr 1). Hierauf ist zudem im Urteil vom 11. Juni 1992 - 12 RK 46/90 - verwiesen. In seiner Entscheidung vom 21. Februar 1990 (aaO) hat der 12. Senat nämlich wesentlich auf die Dauer der Beschäftigung abgestellt und unter Rückgriff auf seine früheren Urteile vom 17. Dezember 1980 (SozR 2200 § 172 Nr 15; USK 80283) den Gesichtspunkt der versicherungsrechtlichen Kontinuität für den Fall eines achtmonatigen Praktikums (USK 80283) noch einmal gerechtfertigt. Dieser Situation ist die vorliegende vergleichbar, während die Rechtslage bezüglich der Rechtspraktikanten wegen der dortigen Dauer der praktischen Tätigkeiten anders war, worauf auch der 12. Senat verweist (aaO).
Fehlt somit die für den Anspruch auf Alhi erforderliche beitragspflichtige Beschäftigung innerhalb der Vorfrist, so kann diese Voraussetzung nicht dadurch ersetzt werden, daß an die Beigeladene zu 1) als zuständige Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28h SGB IV) Beiträge entrichtet worden sind; dies gilt selbst dann, wenn eine Beitragspflicht durch Verwaltungsakt festgestellt worden sein sollte (vgl BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8). Der fehlerhaften Beitragsentrichtung trägt das Gesetz durch eine ohne Antrag von Amts wegen vorzunehmende Beitragserstattung Rechnung (§ 185a AFG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei wurde der Umstand berücksichtigt, daß die Beigeladene zu 3) im Revisionsverfahren keine Anträge gestellt hat, so daß für die Bestimmung eine Kostenerstattung zu ihren Gunsten kein Anlaß bestand.
Fundstellen
Haufe-Index 60297 |
BSGE 72, 105-111 (LT1) |
BSGE, 105 |
BB 1993, 1518 |
RegNr, 20769 (BSG-Intern) |
AuB 1993, 306-308 (T) |
BR/Meuer AFG § 168, 11-02-93, 7 RAr 52/92 (LT1) |
USK, 9310 (LT1) |
ZAP, EN-Nr 778/93 (S) |
BKK 1994, 114-116 (T) |
Breith 1993, 953-959 (LT1) |
DBlR 4024a, AFG/§ 168 (LT1) |
Die Beiträge 1993, 513-520 (LT1) |
SGb 1993, 627-630 (LT1) |
SozR 3-4100 § 169b, Nr 1 (LT1) |