Leitsatz (amtlich)

Eine Versicherung nach Reichsrecht im Sinne von SVFAG § 9 Abs 1 liegt vor, wenn die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte die vom tschechoslowakischen Versicherungsträger festgestellte Rente nach Protektoratsabk SV Art 5 Abs 1 vom 1940-03-14 (RGBl 2 S 107) übernommen hat.

 

Normenkette

SVFAG § 9 Fassung: 1940-03-14; SVProtektoratsAbk Art. 5

 

Tenor

Die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Januar 1958 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13. Juni 1955 sowie der Bescheid der Landesversicherungsanstalt R... vom 2. Oktober 1953 werden aufgehoben, soweit sie die Rente nach § 9 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes betreffen; insoweit wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.

Im übrigen wird die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts als unbegründet zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in den Rechtszügen zu erstatten, im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger macht als Sohn und Erbe des am 9. Februar 1955 verstorbenen Oberbergrats a.D. Gustav R... dessen Rentenansprüche geltend. Der Verstorbene wohnte früher in T.../S... (Sudetenland); er war nach seiner Zurruhesetzung als Staatsbeamter in der Zeit von 1929 bis 1938 als Privatangestellter tätig und bei der Allgemeinen Pensionsanstalt (APA) in P... versichert. Von dieser Anstalt erhielt er vom 1. April 1938 an eine Altersrente. Die Rente wurde vom 1. Oktober 1938 an von der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (RfA.) übernommen und bis Mai 1945 weitergezahlt. Nach seiner Vertreibung im Mai 1945 begab sich der Vater des Klägers - nach kurzem Aufenthalt in Bayern - nach Südtirol, wo er von Dezember 1945 bis zu seinem Tode wohnte. Von dort aus beantragte er im Oktober 1950 die Weitergewährung der Rente.

Die Landesversicherungsanstalt R..., die damals die Aufgaben des Trägers der Angestelltenversicherung gegenüber Rentenbewerbern im Ausland wahrnahm, lehnte den Rentenantrag ab: Ein Anspruch nach § 8 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FremdRG) vom 7. August 1953 (BGBl, I S. 848) sei nicht gegeben, weil eine Versicherung nach Reichsrecht, Bundesrecht oder dem Recht des Landes Berlin nicht bestanden habe. Aus dem gleichen Grunde könne auch § 9 FremdRG nicht angewandt werden (Bescheid vom 2.10.1953).

Der Vater des Klägers rief das frühere Oberversicherungsamt Düsseldorf an, von dem das Verfahren auf das Sozialgericht Düsseldorf überging. An Stelle der Landesversicherungsanstalt trat die durch das Gesetz vom 7. August 1953 (BGBl. I S. 857) errichtete Beklagte in das Verfahren vor dem Sozialgericht ein. Dieses entschied - nachdem beide Beteiligte ihr Einverständnis erklärt hatten - ohne mündliche Verhandlung (wobei dem Sozialgericht der inzwischen eingetretene Tod des ursprünglichen Klägers nicht bekannt war). Es hob den angefochtenen Bescheid teilweise auf und verpflichtete die Beklagte, den Rentenanspruch, soweit es sich um die Entscheidung nach §9 FremdRG handele, nicht aus den im Bescheid angegebenen Gründen abzulehnen. Im übrigen wies es die Klage ab (Urteil vom 13.6.1955).

Gegen das Urteil des Sozialgerichts legten die Beklagte Berufung und der Kläger - unter Aufnahme des Rechtsstreits - Anschlußberufung ein. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß die Klage in vollem Umfang abgewiesen wurde; die Anschlußberufung wies es zurück: Obwohl das angefochtene Urteil nicht habe ergehen dürfen, weil das Verfahren durch den Tod des ursprünglichen Klägers unterbrochen war, sei das Berufungsgericht nicht zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz gezwungen, es könne vielmehr in der Sache selbst entscheiden. Der Anspruch des Klägers sei nach Abschnitt II FremdRG zu beurteilen. Nach § 8 in diesem Abschnitt habe nur derjenige einen Anspruch auf Leistungen, dessen Versicherungsverhältnis "einen irgendwie gearteten Zusammenhang mit dem Bundesgebiet" aufweise. Der ursprüngliche Kläger sei aber niemals im Gebiet der heutigen Bundesrepublik oder im heutigen Land Berlin versichert gewesen, seine Versicherungszeiten seien auch nicht in einer Leistung berücksichtigt worden, die von einem Versicherungsträger mit dem Sitz in diesen Gebieten rechtskräftig festgestellt worden sei. Er habe außerdem nicht zu den Personen gehört, die in den gesetzlichen Rentenversicherungen nach Reichsrecht, Bundesrecht oder dem Recht des Landes Berlin versichert waren. Der Umstand, daß die von dem tschechoslowakischen Versicherungsträger festgesetzte Rente von der RfA. zur Zahlung übernommen worden sei, habe nicht zur Folge gehabt, daß der Berechtigte auch bei der RfA. als versichert anzusehen war. In den maßgebenden Vorschriften werde nur von den "zu übernehmenden Leistungen" bzw. "übernommenen Renten" gesprochen. Nach dem Sprachgebrauch des Sozialversicherungsrechts seien sie damit anders gekennzeichnet als die nach Reichsrecht festgesetzten Renten und das Versicherungsverhältnis nach Reichsrecht. Die Verpflichtung der RfA. gegenüber den ursprünglichen Kläger entspreche etwa dem zivilrechtlichen Begriff der Erfüllungsübernahme. Die Voraussetzungen für eine Leistung nach §§ 8 und 9 FremdRG seien daher nicht gegeben (Urteil vom 29.1.1958).

Das Landessozialgericht ließ die Revision zu. Der Kläger legte gegen das ihn am 27. März 1958 zugestellte Urteil am 25. April 1958 Revision ein. Er beantragte,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als Erben seines Vaters die diesem nach den FremdRG zustehende Rente vom Tag der Antragstellung - spätestens aber vom 1. April 1952 an - zu zahlen und dem Kläger einen entsprechenden Rentenbescheid zu erteilen.

Er begründete die Revision (innerhalb der bis zum 27. Juni 1958 verlängerten Begründungsfrist) am 27. Juni 1958: Gerügt werde die fehlerhafte Anwendung der §§ 3, 8 und 9 FremdRG. Die Rentenverpflichtungen der APA. in Prag seien ohne jede Einschränkung auf die BfA. übergegangen. Der Übergang habe ein Verhältnis geschaffen, das einer gesetzlichen Versicherung nach Reichsrecht gleichzuachten sei. Das Landessozialgericht habe übersehen, daß die RfA. von der APA. die Deckungsmittel erhalten habe. Die übernommenen Rentenzahlungsverpflichtungen seien rechtlich nicht anders zu beurteilen, als die von der gleichen Anstalt übernommenen Versicherungsverhältnisse, bei denen der Leistungsfall noch nicht eingetreten sei. Selbst wenn die Rente nicht nach § 8 FremdRG gewährt werden könne, müsse § 9 FremdRG angewandt werden. Der ursprüngliche Kläger sei deutscher Staatsangehöriger gewesen und habe sich zuletzt in einem Gebiet aufgehalten, in dem die Bundesrepublik eine amtliche Vertretung unterhalten habe. Der rechts- und sozialpolitische Zweck des § 9 FremdRG gehe dahin, jeden Deutschen in den Genuß der für ihn vorgesehenen Leistungen zu bringen.

Die Beklagte beantragte die Zurückweisung der Revision. Nach ihrer Auffassung wollte der Gesetzgeber die vor dem Rentenübergang liegenden Versicherungszeiten nicht den reichsrechtlichen Versicherungszeiten gleichstellen.

Die Revision des Klägers ist zulässig und zum Teil auch begründet.

Angefochten ist ein Bescheid, der in der Zeit vor dem Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - (1. Januar 1954) ergangen ist. Die nach früherem Recht beim Oberversicherungsamt in Düsseldorf eingelegte Berufung ist am 1. Januar 1954 als Klage auf das Sozialgericht Düsseldorf übergegangen (§ 215 Abs. 2 und 4 SGG). In derartigen Streitsachen braucht der Klage ein Vorverfahren nach den §§ 78 ff. SGG nicht vorausgegangen zu sein. Im vorliegenden Falle ist daher die Klage - obwohl ein Vorverfahren nicht stattgefunden hat - auch insoweit zulässig, als eine Ermessensleistung nach § 9 FremdRG streitig ist.

In das ursprünglich gegen die Landesversicherungsanstalt R... gerichtete Klageverfahren ist an deren Stelle die BfA. nach §§ 26, 34 des Errichtungsgesetzes vom 7. August 1953 (BGBl. I S. 857) als neue Beklagte wirksam eingetreten.

Zutreffend ist das Landessozialgericht davon ausgegangen, die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 13. Juni 1955 seien zulässig. Zwar war der ursprüngliche Kläger, als das Urteil erging, bereits verstorben; dieses Ereignis hat den Klageanspruch zeitlich begrenzt, weil von da an nur noch Rente für einen abgelaufenen Zeitraum (§ 146 SGG) beansprucht werden konnte. Die Begrenzung des Klageanspruchs ist aber im Verfahren vor dem Sozialgericht weder geltend gemacht worden noch war sie dem Sozialgericht überhaupt bekannt. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Streitfall von dem Sachverhalt, der dem in BSG. 3 S. 24 abgedruckten Urteil des 4. Senats zugrunde lag. Das Sozialgericht hat über den Rentenanspruch des ursprünglichen Klägers ohne zeitliche Einschränkung entschieden. Auf den Inhalt des Urteils kommt es aber bei der Prüfung der Frage an, ob die Berufung nach § 146 3GG ausgeschlossen ist, wenn diese Vorschrift - wie hier - noch in der vor dem Zweiten Änderungsgesetz vom 25. Juni 1958 (BGBl. I S. 409) gültigen Fassung anzuwenden ist (BSG. 1 S. 44/46 und Beschluß vom 23.10.1958 - 1 RA 14/58 -). Im Sinn dieser Vorschrift "betrifft" das Urteil des Sozialgerichts nicht nur Rente für bereits abgelaufene Zeiträume. Die Berufung und die Anschlußberufung waren daher nicht durch § 146 SGG a.F. ausgeschlossen.

Da der ursprüngliche Kläger zuletzt in einem zu Italien gehörenden Ort gewohnt und von dort aus den Rentenantrag gestellt hat, ist zunächst zu prüfen, ob auf den Rentenanspruch die Vorschriften des deutsch-italienischen Abkommens über Sozialversicherung vom 5. Mai 1953 (BGH. I 1956 II S. 1) anzuwenden sind. Dies ist zu verneinen. Das Abkommen nebst Zusatzvereinbarung ist erst am 1. April 1956 in Kraft getreten (BGBl. 1956 II S. 763). Zu dieser Zeit war der ursprüngliche Kläger bereits verstorben. Er hat daher Rechte, die auf den jetzigen Kläger als seinen Rechtsnachfolger übergehen konnten, nach dem genannten Abkommen nicht erworben. Vielmehr ist es, wie das Landessozialgericht zutreffend entschieden hat, allein nach den Vorschriften des FremdRG zu beurteilen, ob dem ursprünglichen Kläger Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung des Bundesgebiets gewährt werden konnten. Hiervon geht auch die Revision des Klägers aus.

Nach Lage des Falles kommt nur Abschnitt II des FremdRG in Betracht. Dieser Abschnitt nennt besondere Erfordernisse für die Rentenzahlung in das Ausland, die zusätzlich zu den allgemeinen Leistungsvoraussetzungen gegeben sein müssen. § 8 FremdRG gibt unter den dort genannten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf die Leistung, während es nach § 9 FremdRG im Ermessen des Versicherungsträgers steht, ob er die Rente in das Ausland zahlen will. Dem Landessozialgericht ist zunächst im Ergebnis zuzustimmen, wenn es annimmt, der ursprüngliche Kläger habe keinen Rechtsanspruch auf die Leistung nach § 8 FremdRG erlangt. Hierfür fehlt es schon an den Voraussetzungen, die in Abs. 1 Nr. 2 dieser Vorschrift genannt sind. Der ursprüngliche Kläger hat keine Versicherungszeiten im Bundesgebiet oder im Land Berlin zurückgelegt (Abs. 1 Nr. 2a). Die APA. in Prag, bei der er bis 1938 versichert war, lag außerhalb dieser Gebiete. Auch wenn man der Auffassung des Klägers zustimmt, die Übernahme der Rente durch die RfA. habe bewirkt, daß der Berechtigte auch als bei ihr versichert anzusehen sei, trifft diese Gesetzesstelle nicht zu; die RfA. ist entgegen der Auffassung des Klägers kein Versicherungsträger im Bundesgebiet oder im Land Berlin, sondern ein stillgelegter Versicherungsträger im Sinne des FremdRG gewesen (BSG. 4 S. 84 und S. 91).

Aus diesem Grunde sind ferner die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 b FremdRG nicht gegeben. Der ursprüngliche Kläger war, auch wenn man ihn als Versicherten der RfA. betrachtet, weder im Bundesgebiet oder im Land Berlin versichert (Nr. 2 b, aa) noch sind seine Versicherungszeiten in einer Leistung berücksichtigt worden, die von einem Versicherungsträger mit dem Sitz im Bundesgebiet oder von dem für das Land Berlin zuständigen Träger der Rentenversicherung rechtskräftig festgestellt worden ist (Nr. 2 b, bb). Danach ist ein Rechtsanspruch auf eine Leistung nach § 8 FremdRG zu verneinen, ohne daß es noch der Prüfung bedarf, ob die sonstigen Erfordernisse dieser Vorschrift erfüllt sind. Auch der Kläger als Rechtsnachfolger des ursprünglichen Klägers kann der Beklagten gegenüber diese Rente nicht beanspruchen. Mit Recht hat daher das Landessozialgericht die Anschlußberufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts als unbegründet zurückgewiesen. Auch die Revision des Klägers muß insoweit zurückgewiesen werden.

Dagegen bestehen Bedenken gegen die weitere Annahme des Landessozialgerichts, es seien auch nicht die Voraussetzungen für eine Ermessensleistung der Beklagten nach § 9 FremdRG gegeben, weil eine Versicherung nach Reichsrecht nicht bestanden habe. Zwar war die APA. in P..., zu der der ursprüngliche Kläger bis zum Beginn des Jahres 1938 Beiträge nach tschechoslowakischem Recht geleistet hat, eine ausländische Versicherungseinrichtung, die auch nach 1938 kein deutscher Versicherungsträger im Sinne von § 1 Abs. 7 FremdRG wurde. Das Versicherungsverhältnis bei dieser Anstalt in seinem ursprünglichen Bestand war sicher keine reichsrechtliche Versicherung. Die Frage, ob eine Versicherung nach Reichsrecht im Sinne des § 9 Abs. 1 FremdRG bestand, darf hier aber nicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des ursprünglich begründeten Versicherungsverhältnisses beurteilt werden. Es muß vielmehr berücksichtigt werden, daß dieses Versicherungsverhältnis durch die Gesetzgebung, die auf dem Gebiet der Sozialversicherung nach der Eingliederung des Sudetenlandes in das Deutsche Reich erging, eine neue Gestalt gefunden hat. Die richtige Deutung der Vorschriften, auf Grund derer die Rente des ursprünglichen Klägers auf die RfA. übergegangen ist, führt zu dem Ergebnis, daß die RfA. damit nicht nur die Pflicht zur Weiterzahlung der Rente an den ursprünglichen Kläger, sondern dessen gesamten versicherungsrechtlichen Verhältnisse übernommen hat mit der Folge, daß er nach dem Übergang auch wie ein bei der RfA. nach Reichsrecht Versicherter zu behandeln ist.

Daß die vom tschechoslowakischen Versicherungsträger festgesetzte Altersrente vom 1. Oktober 1938 an von der RfA. zu übernehmen und weiterzuzahlen war, beruhte auf den Vorschriften des Abkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Regierung des Protektorats Böhmen und Mähren über die Auseinandersetzung auf dem Gebiet der Sozialversicherung vom 14. März 1940 (RGBl. II 3. 107) und auf den Vorschriften der Verordnung über die endgültige Regelung der Reichsversicherung in den ehemals tschechoslowakischen, dem Deutschen Reich eingegliederten Gebieten vom 27. Juni 1940 (RGBl. I S. 957). Durch diese Regelung, die einen Bestandteil des deutschen Sozialversicherungsrechts bildet (BSG. 3 S. 50/54), verlor der ursprüngliche Kläger endgültig und für alle Zukunft seinen Anspruch gegen den tschechoslowakischen Versicherungsträger; er konnte vom Übergang der Rente an Ansprüche nur noch gegen die RfA. geltend machen. In den genannten "Einführungsvorschriften" (§ 3 Abs. 1 FremdRG) wird an verschiedenen Stellen bestimmt, daß die übernommenen Renten (aus Versicherungsfällen vor dem 1. Oktober 1938) als Leistungen des Reichsrechts gelten (vgl. Art. 5 Abs. 1, 10, 26 Nr. 1 des Abkommens und §§ 5, 37 Abs. 5, 45 Abs. 3, 55 Abs. 4 der Verordnung; ebenso gelten die beim tschechoslowakischen Versicherungsträger zurückgelegten Versicherungszeiten, die beim späteren Eintritt des Versicherungsfalls vom deutschen Versicherungsträger zu berücksichtigen sind, als Versicherungszeiten der Reichsversicherung, Art. 7 Abs. 1 und 2, 10, 26 Nr. 1 des Abkommens, §§ 6 ff., 30 ff. der VO). Auf die nach Art. 5 Abs. 1 des Abkommens übernommenen Renten war vom Übergang an in jeder Hinsicht das Recht der Reichsversicherung anzuwenden (vgl. Dobbernack in AN. 1940 II S. 286 ff., bes. B III a). Dementsprechend hat die RfA. den ursprünglichen Kläger die Rente bis zum Zusammenbruch als Altersruhegeld nach dem AVG weitergewährt. Der Bezug dieses Ruhegeldes hatte die gleichen Rechtsfolgen, wie bei einem von der RfA. festgesetzten Ruhegeld (Ruhen der Rente, Versicherungsfreiheit, Zugehörigkeit zur Krankenversicherung der Rentner u.a.). Für alle Maßnahmen, z.B. für die Gewährung der während des Krieges angeordneten Leistungsverbesserungen (Gesetz vom 24.7.1941 - RGBl. I S. 443-) und für die Aufgaben der Rentenüberwachung war allein die RfA. zuständig. Richtig ist zwar, daß die Einführungsvorschriften ausdrücklich nur die übernommenen Leistungen erwähnen, nicht auch die ihnen vorausgegangenen und zugrunde liegenden Versicherungszeiten. Dies mag damit zusammenhängen, daß nach dem damals geltenden Recht das Versicherungsverhältnis mit der Gewährung der Rente im allgemeinen erlosch und der Anspruch aus dem Versicherungsverhältnis sich in einen solchen auf Zahlung der Rente verwandelte. Daraus folgt aber nicht, daß das vorausgegangene Versicherungsverhältnis bedeutungslos gewesen wäre. Seine Wirksamkeit zeigte sich vor allem dann, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung der Rente an den Berechtigten nach der Übernahme weggefallen waren, so z.B. wenn eine dem Berechtigten wegen Berufsunfähigkeit gewährte Rente nach Wiedereintritt der Berufsfähigkeit rechtskräftig entzogen worden war. In einem solchen Fall richtete sich der Anspruch auf die Neubewilligung der Rente nicht gegen den tschechoslowakischen Versicherungsträger, bei dem die Versicherung ursprünglich bestanden hatte; vielmehr war allein der deutsche Versicherungsträger zuständig, der auch im Besitz der Akten und Versicherungsunterlagen verblieb (Art. 20 Abs. 2 des Abkommens). Gerade das Beispiel der Entziehung und Neubewilligung der Rente zeigt deutlich, daß sich der Übergang der Rente nicht - wie das Landessozialgericht annimmt - in einer bloßen Weiterzahlung der von tschechoslowakischen Versicherungsträger festgesetzten Leistung erschöpfte, sondern gleichzeitig auch das zugrunde liegende Versicherungsverhältnis auf den deutschen Versicherungsträger übertrug. Denn bei der Wiedergewährung der Rente hatte der deutsche Versicherungsträger die früheren tschechoslowakischen Versicherungszeiten für Wartezeit, Anwartschaft und Rentenberechnung nicht anders zu berücksichtigen, als wenn er die Rente erstmals auf Grund von "übernommenen" Versicherungszeiten (Art. 7 des Abkommens) festzusetzen gehabt hätte (vgl. Hartraht in AN. 1943 II S. 317/ 320). Dann ist es aber auch nicht gerechtfertigt, zwischen den beiden Fällen zu unterscheiden, soweit es sich um die Frage handelt, ob eine Versicherung nach Reichsrecht bestanden hat. Eine ähnliche Betrachtung gilt für den Fall, daß der ursprüngliche Berechtigte verstarb und die Hinterbliebenenrenten festzusetzen waren. Auch dies war allein Aufgabe des deutschen Versicherungsträgers, der die Leistungen für die Hinterbliebenen unter denselben Voraussetzungen, wie den Hinterbliebenen von Berechtigten einer nach Reichsrecht festgestellten Rente zu gewähren hatte (§§ 22 Abs. 6, 37 Abs. 3, 45 Abs. 2, 55 Abs. 2 der VO). Mit Recht weist der Kläger schließlich darauf hin, daß bei der Auseinandersetzung zwischen der deutschen und der tschechoslowakischen Rentenversicherung ein Finanzausgleich stattfand und daß die APA. zum Ausgleich für die von der RfA. übernommenen Renten einen Pauschbetrag auf diese zu übertragen hatte (vgl. Abschnitt III Art. 11 ff., insbesondere Art, 13 d des Abkommens und § 65 Abs. 1 Nr. 3 der VO, ferner die Regelung zwischen den tschechoslowakischen Ersatzinstituten und der RfA. in Art. 14 Abs. 3 des Abkommens in Verbindung mit der Zusatzvereinbarung vom 5.11.1940 - AN. S II 394 -). Danach muß schon auf Grund der Gesetzgebung des Jahres 1940 angenommen werden, daß bei den von der RfA. übernommenen, früher tschechoslowakischen Renten aus Versicherungsfällen vor dem 1. Oktober 1938 - jedenfalls vom Zeitpunkt des Übergangs an - eine Versicherung nach Reichsrecht bestand (im Ergebnis ebenso: BSG. 7 S. 71/73).

Von der gleichen Auffassung geht auch das FremdRG aus. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 dieses Gesetzes gilt ein Versicherungsverhältnis bei einem deutschen Versicherungsträger auch dann als gegeben, wenn die aus dem Versicherungsverhältnis entstehenden Verpflichtungen (Leistungen und Anwartschaften) eines nicht deutschen Versicherungsträgers nach Reichsrecht auf den deutschen Versicherungsträger übergegangen sind. Diese Vorschrift unterstellt für die Berechtigten ein Versicherungsverhältnis bei einem deutschen Versicherungsträger (§ 1 Abs. 7 FremdRG) und stellt sie damit als nach Reichsrecht versichert an. Die hiernach zurückgelegten Versicherungszeiten sind - bei Berechtigten, die sich im Bundesgebiet oder im Lande Berlin ständig aufhalten - nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FremdRG wie die in den Rentenversicherungen im Bundesgebiet zurückgelegten Versicherungsseiten anzurechnen. Unter den Vorschriften, die nach § 8 Abs. 1 FremdRG bei der Entscheidung über die Rentengewährung in das Ausland entsprechend angewandt werden sollen, wird zwar § 1 FremdRG nicht ausdrücklich erwähnt, sondern nur die §§ 2 - 6 FremdRG. Doch behandelt § 8 Abs. 1 Nr. 2 b FremdRG im Zusammenhang mit den reichsgesetzlichen Rentenversicherungen, die außerhalb des Bundesgebiets und des Landes Berlin zurückgelegt worden sind, auch die Versicherungszeiten, die aus einer ausländischen Versicherung auf die reichsgesetzliche Rentenversicherung übergegangen sind, soweit solche Zeiten nach § 4 bei Berechtigten, die sich im Bundesgebiet oder im Land Berlin aufhalten, zu berücksichtigen sind. Aus diesen Versicherungszeiten werden unter den dort in aa) und bb) genannten, einschränkenden Voraussetzungen (die beim ursprünglichen Kläger nicht gegeben sind) Leistungen in das Ausland gewährt. In § 9 FremdRG werden zwar diese übernommenen Versicherungszeiten nicht ausdrücklich erwähnt. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß § 9 FremdRG insoweit enger ausgelegt werden soll. Die ausdrückliche Erwähnung der fraglichen Versicherungszeiten war hier nicht erforderlich, weil insoweit auf die Begriffe in den §§ 1 und 8 FremdRG zurückgegriffen werden kann. Die Regelung in § 9 FremdRG umfaßt sonach die Verpflichtungen (Leistungen und Anwartschaften), die von nicht deutschen Versicherungsträgern nach Reichsrecht auf die deutschen Versicherungsträger übergegangen sind. Die Auffassung des Klägers, der Übergang der Rente auf die RfA. habe bewirkt, daß der Berechtigte wie ein bei ihr nach Reichsrecht im Sinne von § 9 FremdRG Versicherter anzusehen sei, wird danach auch durch das FremdRG bestätigt. Der gegenteiligen Auffassung im angefochtenen Urteil, die nur dem Wortlaut der Einführungsvorschriften Rechnung trägt, vermag der Senat nicht zu folgen; er sieht vielmehr die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 FremdRG, daß eine Versicherung nach Reichsrecht bestanden hat, in der Person des ursprünglichen Klägers als gegeben an.

Danach war die Landesversicherungsanstalt R..., die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, nicht berechtigt, den Rentenantrag des ursprünglichen Klägers - soweit die Ermessensleistung nach § 9 FremdRG in Betracht kommt - mit der von ihr gegebenen (und von der Beklagten aufrechterhaltenen) Begründung abzulehnen. Der Bescheid war, wie das Sozialgericht Düsseldorf an sich richtig erkannt hat, insoweit rechtswidrig. Die Beklagte zu der beantragten Ermessensleistung zu verurteilen, ist indessen nicht möglich, weil das Gericht sein eigenes Ermessen in der Regel nicht an die Stelle desjenigen der Verwaltung setzen darf. Ein Fall, in dem jede andere Entscheidung eine Ermessenswidrigkeit im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG bedeuten würde, und der es dem Senat ausnahmsweise ermöglicht, die Beklagte zur Bewilligung der Rente zu verurteilen (BSG. 2 S. 148), ist nicht offensichtlich gegeben, zumal die übrigen Voraussetzungen, von denen die Gewährung der Leistung nach § 9 FremdRG abhängt, insbesondere die Frage, ob der ursprüngliche Kläger Deutscher oder früher, deutscher Staatsangehöriger gewesen ist, bisher nicht vollständig geklärt sind. Unter diesen Umständen kann die Beklagte nur verurteilt werden, dem Kläger einen neuen Bescheid über die Gewährung der Rente nach § 9 FremdRG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu erteilen (§ 131 Abs. 3 SGG). Dies hat auch das Sozialgericht bei der Abfassung seines Urteilstenors verkannt.

Auf die Revision des Klägers müssen daher die Urteile der Vorinstanzen und der Bescheid der Landesversicherungsanstalt aufgehoben werden, somit die Rente nach § 9 FremdRG streitig ist; die Beklagte muß zur Erteilung eines neuen Bescheides verurteilt werden, in dem sie der Rechtsauffassung des Senats Rechnung trägt. Im übrigen ist die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2767480

BSGE, 215

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