Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einer in Abschnitte gegliederten Bildungsmaßnahme kann die Anwendung unterschiedlichen Satzungsrechts auf die Maßnahmeteile nicht dadurch gerechtfertigt werden, daß über die Förderung der einzelnen Maßnahmeteile zu verschiedenen Zeitpunkten entschieden wird.
2. Die Bundesanstalt für Arbeit kann sich gegenüber einem Maßnahmeteilnehmer auch dann nicht auf treuwidriges Verhalten des Maßnahmeträgers berufen, wenn dieser den Beginn der Maßnahme zu dem Zwecke vorverlegt hat, der Änderung von Förderungsbestimmungen zuvorzukommen.
Orientierungssatz
Die Regelung des AFuU § 24 Abs 2 S 2 ist insoweit unvollständig, als sie diejenigen Personen nicht erfaßt, die vor dem 1972-01-01 in eine Maßnahme eingetreten waren, die aber weder einen Verwaltungsakt noch eine Zusage zuvor erhalten hatten. Für diese Personen ist davon auszugehen, daß der Beginn der Maßnahme maßgebend ist für die Anwendung alten oder neuen Rechts.
Normenkette
AFuU § 24 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1971-09-09
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Juni 1974 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten der Revisionsinstanz zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger, der vom 6. Dezember 1971 bis 8. September 1972 an einer Bildungsmaßnahme teilgenommen hat, Erstattung seiner Kosten (§ 45 Arbeitsförderungsgesetz - AFG -) entsprechend der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969 (AFuU 1969) oder der vom 9. September 1971 (AFuU 1971) zu erhalten hat.
Der 1938 geborene Kläger war 1971 als Bankangestellter (Organisator) tätig. Am 17. August 1971 beantragte er bei der Beklagten, seine Teilnahme an fünf Ausbildungswochen der "Akademie für Organisation" in G zu fördern. Ziel der Fortbildung war der Erwerb des "Organisatoren-Grundscheins". Die erste Ausbildungswoche sollte in der Zeit vom 6. Dezember bis 10. Dezember 1971 laufen, die letzte am 8. September 1972 enden. Ursprünglich war die erste Ausbildungswoche des Kursus 39/A, an dem der Kläger teilnehmen wollte, auf die Zeit vom 31. Januar bis 4. Februar 1972 gelegt worden.
Das Arbeitsamt gewährte dem Kläger für die Lehrgangswoche vom 6. Dezember bis 10. Dezember 1971 einen Kostenzuschuß gemäß der bisher geltenden Regelung der AFuU 1969. Mit späteren Bescheiden förderte es die nachfolgenden Lehrgangsabschnitte nur noch nach der für den Kläger ungünstigeren Regelung der AFuU 1971.
Die Widersprüche des Klägers blieben ohne Erfolg.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 13. März 1973 unter Abänderung der angefochtenen Bescheide die Beklagte verurteilt, dem Kläger Leistungen für Unterkunft, Verpflegung und Lehrgangsgebühren entsprechend den vor dem 1. Januar 1972 geltenden Vorschriften zu gewähren.
Das Landessozialgericht (LSG) hat Auskünfte bei der "Akademie für Organisation" eingeholt und die Antwort erhalten, daß Voraussetzung für den Erwerb des Organisatoren-Grundscheins der ordnungsgemäße Besuch der Grundausbildung sei, die aus fünf einzelnen Lehrgangswochen bestehe. Die Teilnehmer müßten außerdem zwei Klausuren schreiben und eine Hausarbeit anfertigen. Die Lehrgangsreihe "Grundausbildung für Organisatoren" müsse als eine einheitliche Fortbildungsmaßnahme angesehen werden. Jeder folgende Wochenabschnitt baue auf dem vorangegangenen auf.
Das LSG hat mit Urteil vom 26. Juni 1974 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat ausgeführt: Nach § 24 der AFuU 1971 sei diese auf Antragsteller anzuwenden, die vom 1. Januar 1972 an in eine Maßnahme einträten. Für Antragsteller, die vor diesem Zeitpunkt eine Maßnahme begonnen hätten, bestimme § 24 Abs. 2 Satz 2 AFuU 1971, daß die bewilligten Leistungen weitergewährt würden. Dem Kläger seien auf seinen Antrag vom 17. August 1971 zwar keine Leistungen vor dem 1. Januar 1972 zugesprochen worden. Doch ergebe sich schon im Wege des Umkehrschlusses aus § 24 Abs. 1 AFuU 1971, daß alle Maßnahmen, die vor dem 1. Januar 1972 begonnen hätten, nach der bisher geltenden AFuU zu behandeln seien.
Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß der Maßnahmeträger in rechtsmißbräuchlicher Weise nach Kenntnis der die Förderungsleistungen einschränkenden neuen AFuU 1971 den ersten Bildungsabschnitt noch in das Jahr 1971 gelegt habe, obwohl dieser zunächst für Ende Januar/Anfang Februar 1972 geplant gewesen sei. Die Vorverlegung sei geschehen, bevor die AFuU vom 9. September 1971 in den Amtlichen Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit am 26. November 1971 bekannt gemacht worden sei. Bis zur Bekanntgabe der Neuregelung habe immer noch mit einer möglichen Änderung durch den Anordnungsgeber gerechnet werden können. Bis dahin habe der Maßnahmeträger so planen dürfen, daß er im Hinblick auf eine sich möglicherweise verschlechternde gesetzliche Regelung die ihm und seinen Lehrgangsteilnehmern günstigere Position ausgenutzt habe.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 24 der AFuU 1971 und bringt hierzu insbesondere vor: Zu Unrecht folgere das Berufungsgericht im Wege des Umkehrschlusses aus § 24 Abs. 1 AFuU 1971, daß die bis zum 31. Dezember 1971 geltende AFuU 1969 dann weiterhin anzuwenden sei, wenn der Teilnehmer vor dem 1. Januar 1972 in die Maßnahme eingetreten sei. Eine solche Schlußfolgerung wäre aber nur dann zulässig, wenn Fälle dieser Art in den Übergangsbestimmungen selbst nicht geregelt wären. Die Sätze 2 und 3 des Abs. 2 des § 24 AFuU 1971 enthielten jedoch entsprechende Bestimmungen. Danach würden Antragstellern, die vor dem 1. Januar 1972 eine Maßnahme begonnen hätten, Leistungen nach der AFuU 1969 nur dann weiter gewährt bzw. gewährt, wenn ihnen bereits vor diesem Stichtag Leistungen nach bisherigem Anordnungsrecht bewilligt oder zugesagt worden seien. Aber auch wenn nach § 24 AFuU 1971 die Förderung des Klägers noch nach altem Recht zu beurteilen sei, würde die Anwendung der für den Kläger günstigeren AFuU 1969 daran scheitern, daß der Maßnahmeträger bewußt den Beginn der Maßnahme in das Jahr 1971 vorverlegt habe, um zur Anwendung der für die Bildungswilligen vorteilhafteren AFuU 1969 zu gelangen.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Köln vom 13. März 1973 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das LSG den Anspruch des Klägers auf Förderung in dem Umfange als begründet angesehen, wie er sich aus der AFuU vom 18. Dezember 1969 i. d. F. der 1. Änderungsanordnung vom 30. September 1970 ergibt.
Die Beklagte hat ihre Leistungspflicht gegenüber dem Kläger dem Grunde nach bejaht. Im Streit ist unter den Beteiligten nur, ob sich die Höhe der Leistungen nach der AFuU 1969 oder der von 1971 richtet.
Die AFuU vom 9. September 1971 brachte gegenüber der vom 18. Dezember 1969 hinsichtlich der Höhe der von der Beklagten zu erstattenden Kosten (§ 45 AFG) Einschränkungen. Während nach §§ 12 und 13 der AFuU 1969 die Lehrgangsgebühren und die Kosten der Lernmittel von der Beklagten voll getragen wurden, setzten die §§ 12 und 13 AFuU 1971 Höchst- bzw. Pauschbeträge fest.
Aus § 24 AFuU 1971 geht hervor, daß sich der Leistungsanspruch des Klägers in seiner Höhe nach der AFuU 1969 richtet. Nach § 24 Abs. 1 AFuU 1971 trat die Anordnung von 1971 am 1. Januar 1972 in Kraft. Am gleichen Tage endete der Geltungszeitraum der AFuU 1969. Da die Anordnungen über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung sich meist auf länger dauernde Maßnahmen beziehen, bei denen die fortdauernde Teilnahme durch wiederkehrende Leistungen der Beklagten gefördert wird, könnte dieser Satz für sich allein genommen einmal bedeuten, daß mit dem Inkrafttreten auch die Förderung der Teilnahme an bereits vor dem 1. Januar 1972 laufenden Maßnahmen sich nach der neuen AFuU richte. Es kann aber auch gemeint sein, daß die Gewährung der geänderten Leistungen an den Beginn der Maßnahme anknüpft. Jedoch bestimmt § 24 Abs. 2 Satz 1 der AFuU 1971, daß diese auf Antragsteller anzuwenden ist, die vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an in eine Maßnahme eintreten. Damit ist klargestellt, daß sich der Beginn des zeitlichen Geltungsbereichs der AFuU 1971 auf diejenigen Maßnahmen beschränkt, die nach ihrem Inkrafttreten begonnen worden sind.
Da es in § 24 Abs. 2 Satz 1 AFuU 1971 heißt, daß die Anordnung auf Antragsteller anzuwenden ist, die "vom Zeitpunkt ihres Inkrafttreten an" in eine Maßnahme eintreten, gilt die AFuU 1971 demgemäß nicht für solche Personen, die vor dem 1. Januar 1972 (§ 24 Abs. 1 AFuU 1971) schon eine Maßnahme begonnen hatten. Wie Antragsteller zu behandeln sind, die schon vor dem 1. Januar 1972 in eine Maßnahme eingetreten sind, wird durch § 24 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AFuU 1971 nur unvollständig geregelt. Bildungswilligen, denen schon vor dem 1. Januar 1972 Leistungen bewilligt worden sind, sollen diese weiter nach früherem Recht erhalten, ebenso solche, denen Leistungen nach der bisher geltenden AFuU zugesagt waren. Wollte man aus § 24 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AFuU 1971 den Schluß ziehen, daß die AFuU 1969 nur auf diejenigen anzuwenden sei, die vor dem 1. Januar 1972 einen Bescheid oder eine Zusage erhalten haben, so würde es für alle, die vor 1972 keinen Bescheid und keine Zusage erhalten hatten, sich aber schon in einer Maßnahme befanden, an einer Regelung überhaupt fehlen. Die in dieser Regelung enthaltene Lücke kann nicht dadurch ausgefüllt werden, daß die Anwendung alten oder neuen Rechts davon abhängig gemacht wird, wann ein Bescheid über die Bewilligung von Leistungen ergangen ist, weil es sonst im Belieben der einzelnen Arbeitsämter gelegen hätte, bei objektiv gleichem Sachverhalt je nach dem Zeitpunkt des Erlasses eines Bescheides günstige oder herabgesetzte, also unterschiedliche Leistungen festzusetzen. Ein solches Verständnis des § 24 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AFuU 1971 würde Bedenken hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit (§ 39 AFG) der gesamten Regelung des § 24 Abs. 2 AFuU aufwerfen.
Zu einer derartigen Auslegung besteht indes kein Anlaß. Wenn § 24 Abs. 2 Satz 1 AFuU 1971 bestimmt, daß die AFuU 1971 auf solche Antragsteller anzuwenden ist, die vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an in eine Maßnahme eintreten, so ist daraus vielmehr zu folgern, daß auf Bildungswillige, die noch unter der Geltung der AFuU 1969 mit der Teilnahme an einer Maßnahme begonnen haben, die bisher in Kraft gewesene AFuU 1969 weiter angewendet werden soll. Die Sätze 2 und 3 des Absatzes 2 des § 24 AFuU 1971 enthalten demnach nur besondere Ausprägungen dieser bereits aus § 24 Abs. 2 AFuU 1971 zu entnehmenden Regelung. Ein Hinweis darauf, daß § 24 Abs. 2 AFuU 1971 so zu verstehen ist, ergibt sich auch aus Art. 2 der 1. Änderungsanordnung zur AFuU vom 10. Dezember 1973 (ANBA 1974, 500).
Art. 2 lautet:
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1) |
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Diese Anordnung tritt am 1. April 1974 in Kraft. |
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2) |
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Diese Anordnung ist auf Antragsteller anzuwenden, die an einer Maßnahme teilnehmen, die vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an oder danach beginnt. Für Teilnehmer an Maßnahmen, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Anordnung begonnen haben, gilt die A. Fortbildung und Umschulung in der Fassung vom 9. September 1971 weiter. |
Bei Erlaß der Änderungsanordnung vom 19. Dezember 1973 stand der Anordnungsgeber vor derselben Frage, wie er sie bei Inkrafttreten der AFuU 1971 zu lösen hatte. Während er aber 1971 eine Regelung getroffen hat, die zu Auslegungsschwierigkeiten führen konnte, hat er 1973 nicht nur für die Maßnahmen ausdrücklich den Geltungsbereich abgesteckt, die nach Inkrafttreten der neuen Anordnung begonnen wurden, sondern auch für diejenigen, welche vorher begonnen wurden.
Der Kläger ist nach den bindenden Feststellungen des LSG vor dem 1. Januar 1972 in die Bildungsmaßnahme eingetreten. Sein Anspruch auf Erstattung von Kosten richtet sich demnach noch nach der AFuU 1969.
Zu Recht hat das LSG auch ausgeführt, daß die einzelnen Abschnitte der Maßnahme, die dem Erwerb des Organisatoren-Grundscheins dienten, als eine Einheit anzusehen sind. Bei der Frage, welche Unterrichtseinheiten unselbständige Teile einer einheitlichen Maßnahme sind, hat es der Senat einmal auf die organisatorische und inhaltliche Verbundenheit der einzelnen Ausbildungsbemühungen (BSGE 36, 296), zum anderen aber und besonders darauf abgestellt, mit welchem Abschnitt der Maßnahme das angestrebte Ziel erreicht, also ein auf dem Arbeitsmarkt verwertbares Ergebnis, insbesondere ein auf dem Arbeitsmarkt verwertbarer Beruf erlangt wird BSG Een v. 3.6.1975 - 7 RAr 56/73; 7 RAr 141/74). Von diesen Merkmalen ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Wie das LSG in tatsächlicher Hinsicht unangegriffen festgestellt hat, waren die einzelnen Abschnitte der Fortbildung des Klägers, die aus mehreren Wochenlehrgängen bestand, so aufeinander bezogen, daß die jeweils vorausgehenden Abschnitte für die Teilnahme an den ihnen folgenden unerläßliche Voraussetzung waren. Erst mit dem erfolgreichen Abschluß der letzten Unterrichtswoche konnte der Organisatoren-Grundschein erworben werden. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden (§ 163 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Organisatorisch und inhaltlich bildeten die einzelnen Wochenlehrgänge demnach eine Einheit. Nur zusammen führten sie zu einem verwertbaren Ergebnis (Organisatoren-Grundschein), so daß von einer einheitlichen Bildungsmaßnahme auszugehen ist.
Die Beklagte hatte daher auch die verschiedenen Teile der Gesamtmaßnahme, bei der sie die Voraussetzungen der Förderung bejaht hatte, einheitlich zu behandeln. Sie konnte Teile der Maßnahme nicht dadurch verschiedenen Anordnungen (der von 1969 und der von 1971) unterwerfen, daß sie über die Kostenerstattung bezüglich jeder einzelnen Unterrichtswoche getrennt entschied. Nach § 24 AFuU 1971 war die Förderung einer Maßnahme noch nach der AFuU 1969 zu regeln, wenn der Antragsteller vor dem 1. Januar 1972 in die Maßnahme eingetreten war. Da der Kläger noch im Dezember 1971 an einer vollen Unterrichtswoche teilgenommen hatte, und da dieser Teil des Kurses mit den anderen Wochenlehrgängen eine Einheit bildete, richtet sich die Förderung der gesamten Maßnahme noch nach der AFuU 1969.
Dem steht nicht entgegen, daß der Maßnahmeträger möglicherweise in Kenntnis der bevorstehenden Änderung den ersten Teil der Lehrgangsreihe 39/A in das Jahr 1971 verlegt hat, obwohl vorher der Beginn der Kurswochen für Januar 1972 vorgesehen gewesen war. Daß das Verbot treuwidrigen Verhaltens auch im Sozialrecht Geltung hat, ist allgemein anerkannt (vgl. die Entscheidungen des BSG, SozR zu § 242 BGB; SozR 7610 § 242 BGB). Doch kann innerhalb der Leistungsverwaltung ein Verhalten noch nicht allein deshalb als treuwidrig angesehen werden, weil ein Begünstigter oder potentiell Begünstigter sich in seinem Verhalten auf Förderungsbestimmungen und deren Änderungen einrichtet. Es gehört gerade zum Wesen erheblicher Teile der Leistungsverwaltung, aber auch etwa von Vergünstigungen innerhalb der eingreifenden Verwaltung (etwa bei Steuervergünstigungen u. dergl.), daß bei dem Erlaß des Gesetzes ein bestimmtes Verhalten herbeigeführt werden soll, an das eine Förderung oder Vergünstigung angeknüpft wird. So soll die gesamte Förderung der Aus- und Fortbildung sowie der Umschulung gerade die Bildungswilligkeit der Arbeitnehmer anregen und damit ein Verhalten begünstigen, das zwar in erster Linie dem Einzelnen, darüber hinaus aber auch dem Arbeitsmarkt und damit der gesamten Volkswirtschaft (§§ 1, 2 AFG) und somit der Allgemeinheit nützt. Wenn nun die Kreise, an die sich diese wirtschaftlichen Anreize richten und die zum Teil durch diese Förderungen erst ins Leben gerufen werden, z. B. Maßnahmeträger, sich daran gewöhnen, beweglich auf Änderungen des Gesetzes oder der Anordnungen zu reagieren, so widerspricht das nicht von vornherein dem Gesetzeszweck. Es kann daher auch nicht ohne weiteres als gesetz- oder treuwidrig angesehen werden. Zu berücksichtigen ist zunächst einmal, daß die Beklagte selbst durch die Senkung ihrer Förderungsleistungen erhebliche Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit aller auf dem Gebiet der beruflichen Bildung Tätigen stellte. Durch das Anknüpfen der höheren oder geringeren Leistungen an einen Stichtag konnten für Maßnahmeträger und Bildungswillige durchaus Härten entstehen. Bei dem Angewiesensein der Beklagten auf das Eingehen von Maßnahmeträgern und Bildungswilligen auf die von ihr gegebenen Anreize konnte die Beklagte gar nichts anderes erwarten, als daß alle Beteiligten auch auf den Stichtag mit dem Versuch reagieren würden, die darin für sie liegenden Härten zu mildern, indem sie noch die Voraussetzungen der günstigeren Förderung zu erfüllen suchten. Sinn des Schutzes von Treu und Glauben ist es, daß der Glaube an ein anständiges, dem Grundgedanken einer vertraglichen und gesetzlichen Regelung entsprechendes Verhalten nicht enttäuscht werden soll. Darauf, daß die Maßnahmeträger nicht versuchen würden, noch die günstigere Regelung für die von ihnen betreuten Schüler zu erlangen, konnte die Beklagte, die nach der gesamten Regelung der Bildungsförderung durch Gewähren oder Versagen von Leistungen auf das Verhalten dieser Kreise Einfluß nimmt, nach Treu und Glauben aber nicht vertrauen. Die von ihr erlassene Anordnung (AFuU 1971) läßt nicht einmal erkennen, daß sie ein solches Verhalten der Maßnahmeträger gewünscht hat. Die Verwaltung kann aber nicht durch ihre Anweisungen den Anordnungen einen Sinn geben, den diese nach dem eigenen Wortlaut und dem aus dem Wortlaut erkennbaren Zweck nicht haben.
Daß der Maßnahmeträger im vorliegenden Falle nicht nur zum Schein Unterrichtsteile in den Dezember 1971 verlegt und damit die Voraussetzungen nicht vorgetäuscht hat, unter denen die Förderung noch nach der AFuU 1969 zu beurteilen war, ist vom LSG unangegriffen und damit für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt worden.
Nach alledem hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das zusprechende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen