Leitsatz (amtlich)
1. Für die Befreiung einer ausländischen Angestellten von der Angestelltenversicherungspflicht nach Art 2 § 1 Abs 1 und 2 AnVNG reichte der Abschluß eines auf die Dauer der Aufenthaltsgenehmigung (hier: zunächst auf 3 Jahre) beschränkten Lebensversicherungsvertrages nicht aus (Abgrenzung zu BSG 1965-08-13 11/1 RA 207/62 = BSGE 23, 241).
2. Ein trotzdem ergangener Befreiungsbescheid ist als rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt nach § 44 Abs 2 SGB 10 jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen.
Normenkette
AnVNG Art 2 § 1 Abs 2 Fassung: 1969-07-28; SGB 10 § 44 Abs 2 Fassung: 1980-08-18, § 48 Fassung: 1980-08-18; AnVNG Art 2 § 1 Abs 1
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 12.08.1982; Aktenzeichen L 10 An 70/81) |
SG Berlin (Entscheidung vom 27.07.1981; Aktenzeichen S 11 An 2467/79) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die - von der Klägerin beantragte - Aufhebung eines Bescheides über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung (AV) nach Art 2 § 1 Abs 1 und 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG).
Die am 2. März 1943 in Korea geborene Klägerin kam 1972 in die Bundesrepublik Deutschland und war seitdem, zuletzt im H - Krankenhaus B, als Krankenschwester beschäftigt. Am 13. September 1977 erhielt sie die unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für die Bundesrepublik Deutschland. 1978 erkrankte sie berufsbedingt an Hepatitis und bezog hierwegen Übergangsgeld von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege.
Auf ihren Antrag vom 27. November 1972 war sie mit Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 1973 gemäß Art 2 § 1 Abs 1 und 2 AnVNG vom 1. Oktober 1972 an von der Versicherungspflicht in der AV befreit worden.
Am 16. November 1978 beantragte sie, den Befreiungsbescheid aufzuheben. Seinerzeit sei sie von den sehr geschäftsgewandten Vertretern der -Lebensversicherungs-AG getäuscht worden. Sie beabsichtige, in Deutschland zu bleiben. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die Befreiung sei rechtmäßig gewesen; ein Grund für die Anfechtung des Befreiungsantrages wegen arglistiger Täuschung liege nicht vor, weil ihr eine etwaige Täuschung nicht bekannt geworden sei (Bescheid vom 8. Juni 1979; Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 1979).
Das Sozialgericht (SG) Berlin gab der Klage statt und verpflichtete die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide, über die Beendigung der Befreiung von der Versicherungspflicht der Klägerin in der AV mit Wirkung für die Zukunft unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens einen (neuen) Bescheid zu erteilen und hierbei die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten (Urteil vom 27. Juli 1981). Zur Begründung führte das SG aus, die Sachlage habe sich gegenüber 1972 so sehr geändert, daß die Befreiung von der Versicherungspflicht, die seinerzeit ein begünstigender Verwaltungsakt gewesen sei, jetzt für die Klägerin nur noch belastend sei. Diese habe damals einen auf drei Jahre befristeten Arbeitsvertrag geschlossen, auch der Lebensversicherungsvertrag sei auf drei Jahre befristet gewesen. Im September 1977 habe sie aber die unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für die Bundesrepublik Deutschland erhalten, und sie wolle die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben und hier verbleiben. Eine nach Erlaß des Erstbescheides veränderte Sachlage könne die Beklagte zwingen, einen rechtmäßigen bindenden Verwaltungsakt zu widerrufen. Die rechtliche Grundlage hierfür sei der im Verwaltungsrecht anerkannte Grundsatz des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.
Das Landessozialgericht (LSG) Berlin hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 12. August 1982). Es hat, wie das SG, darauf abgestellt, daß es bei der gegebenen Sachlage an einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung fehle, die die Aufhebung des Befreiungsbescheides gebiete oder auch nur zulasse. Zwar seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) erfüllt. Die unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift scheitere jedoch daran, daß sie erst am 1. Januar 1981 in Kraft getreten sei. Gleichwohl habe der dieser Bestimmung innewohnende Rechtsgedanke schon vor der ausdrücklichen Normierung Eingang in die Rechtslehre und die Rechtsprechung gefunden mit der Folge, daß die Beklagte zum Erlaß eines Zweitbescheides wegen einer wesentlich geänderten Sachlage habe verpflichtet werden können.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 48 SGB X. Sie weist darauf hin, daß der 1. und 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) auch in Fällen, in denen das eigentliche Verwaltungsverfahren bereits vor dem 1. Januar 1981 abgeschlossen wurde, den § 48 SGB X für unmittelbar anwendbar hielten. Diese Auslegung durch das BSG sei jedoch bedenklich. Dem SGB X sei nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, was "Verfahren" im Sinne dieser Vorschriften bedeuten solle. Jedenfalls seien hier die Tatbestandsmerkmale des § 48 SGB X nicht vollständig erfüllt. Danach müsse nämlich eine "wesentliche Änderung" eingetreten sein. Wesentlich sei eine Änderung aber nur, wenn sie dem ursprünglichen Verwaltungsakt die Rechtsgrundlage entziehe. Eine solche Änderung hätte vorgelegen, wenn die Befreiung im Falle des beabsichtigten unbefristeten Aufenthalts der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland nicht hätte ausgesprochen werden dürfen. Das treffe aber gerade nicht zu. Das Gesetz frage nicht nach den persönlichen Motiven des Antragstellers. Die Änderung in den persönlichen Beweggründen könne dem ursprünglichen Verwaltungsakt nicht die Rechtsgrundlage entziehen.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen, mit denen die Beklagte verpflichtet wird, über die Aufhebung der mit dem Bescheid vom 12. Oktober 1973 ausgesprochenen Befreiung der Klägerin von der AV-Pflicht neu zu entscheiden, sind im Ergebnis zu
Entgegen der Auffassung des LSG ist die von der Klägerin beantragte Aufhebung des Befreiungsbescheides der Beklagten vom 12. Oktober 1973 nach §§ 44 bis 49 SGB X zu beurteilen. Diese Vorschriften sind auch dann anzuwenden, wenn der aufzuhebende Verwaltungsakt vor dem 1. Januar 1981 erlassen worden ist (Art II - Übergangs- und Schlußvorschriften zum SGB X - § 40 Abs 2 Satz 2). Der Ausnahmetatbestand des § 40 Abs 2 Satz 3 aaO liegt hier nicht vor; er bezweckt allein, das Vertrauen eines - durch einen nach früherem Recht bereits bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakt - Begünstigten in den Fortbestand dieses Verwaltungsaktes zu schützen (vgl hierzu Großer Senat des BSG in BSGE 54, 223, 228 f).
Die §§ 44 bis 49 SGB X sind auch dann rückwirkend anzuwenden, wenn - wie hier - die Verwaltung über die beantragte Aufhebung eines vor dem 1. Januar 1981 erlassenen Bescheides noch vor diesem Stichtag entschieden hatte, sofern ihre ablehnende Entscheidung angefochten und das Gerichtsverfahren über die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage am Stichtag noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war (BSGE aaO, S 226 ff). Denn die Anwendung des neuen Rechts kann nach Ansicht des Senats nicht von dem mehr oder weniger zufälligen Umstand abhängen, ob die Verwaltung über einen vor dem genannten Stichtag gestellten Aufhebungsantrag noch vor diesem Tag oder erst nachher - und dann schon unter Anwendung des neuen Rechts - entschieden hat. Jedenfalls in Fällen, in denen - wie hier - die Anfechtungsklage mit einer Verpflichtungsklage verbunden ist, hat das Gericht nicht allein die richtige Anwendung des im Zeitpunkt des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung (noch) gültigen Rechts nachzuprüfen, sondern über den mit der Verpflichtungsklage geltend gemachten Anspruch zu entscheiden, der sich auch aus einer im Verwaltungsverfahren noch nicht anwendbar gewesenen Vorschrift ergeben kann.
Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, den das LSG hier zwar nicht unmittelbar, aber seinem Rechtsgedanken nach für anwendbar gehalten hat, liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Trifft dies zu, dann muß der ursprünglich zu Recht ergangene, durch die nachfolgende Änderung jedoch unrichtig gewordene Verwaltungsakt aufgehoben werden. Ob dies auch für Befreiungsbescheide nach Art 2 § 1 AnVNG gilt, die bisher als "nicht widerruflich, sofern die Voraussetzungen für die Befreiung bei Erlaß des Bescheides vorgelegen haben", angesehen worden sind (vgl BSGE 23, 241, 244), kann dahingestellt bleiben. Bei dem streitigen Befreiungsbescheid vom 12. Oktober 1973 fehlt es nämlich schon an der Voraussetzung, daß er im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig war.
Eine Befreiung von der AV-Pflicht nach Art 2 § 1 Abs 2 iVm Abs 1 Buchst b AnVNG, die hier für die Klägerin allein in Betracht kam, durfte - was die Beklagte vor der Befreiung zu prüfen hatte und ihr im übrigen auch möglich war zu prüfen - nur erfolgen, wenn die Angestellten "mit einem öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmen für sich und ihre Hinterbliebenen einen Versicherungsvertrag für den Fall des Todes und des Erlebens des 65. oder eines niedrigeren Lebensjahres" abgeschlossen und für diese Versicherung mindestens ebensoviel aufzuwenden hatten, wie für sie Beiträge zur AV zu zahlen gewesen wären.
Da die Befreiung von der AV-Pflicht nicht nur für das im Zeitpunkt der Befreiung bestehende Beschäftigungsverhältnis, sondern auch für künftige Beschäftigungsverhältnisse des Befreiten gilt, soweit sie der AV-Pflicht unterliegen, die Befreiung also grundsätzlich das gesamte Berufsleben des Angestellten erfaßt (Urteile des Senats vom 28. April 1983, 12 RK 42/81, und vom 11. April 1984, 12 RK 74/82), dürfen für ihn nach erfolgter Befreiung keine Pflichtbeiträge zur AV mehr entrichtet werden und kommen deshalb später in der Regel auch keine Leistungen aufgrund solcher Beiträge mehr in Betracht. Bei den nach Art 2 § 1 AnVNG von der AV-Pflicht befreiten Angestellten traten deshalb, wenn sie aufgrund eines Lebensversicherungsvertrages befreit wurden, die ihnen in diesem Vertrag zugesagten Leistungen an die Stelle der Versicherungsleistungen der AV. Das bedeutete zwar nicht, daß die Vertragsleistungen denen der AV gleichwertig sein mußten (BSGE 23, 241, 245; etwas anderes galt früher für Befreiungsversicherungen von Handwerkern, BSGE aaO 245 ff RVO). Für eine Befreiungsversicherung nach Art 2 § 1 AnVNG genügte es vielmehr, daß der Beitragsaufwand für die Lebensversicherung mindestens dem der AV entsprach und als Versicherungsfälle der Tod und das Erleben des 65. "oder eines niedrigeren Lebensjahres" vorgesehen waren. Wie weit dabei die Altersgrenze "vorgezogen" werden konnte, kann hier offen bleiben (nach BSGE 23, 241, 243 konnte die Fälligkeit einer Kapitalversicherung "lange vor dem Eintritt des 65. Lebensjahres liegen", in dem damals entschiedenen Fall lag sie bei Vollendung des 60. Lebensjahres, aaO S 247). Die Laufzeit eines die Befreiung von der AV-Pflicht rechtfertigenden Lebensversicherungsvertrages durfte jedenfalls nicht so kurz sein, daß die insgesamt während der Laufzeit zu zahlenden Prämien nicht ausreichten, um daraus im Todes- oder Erlebensfall Leistungen zu gewähren, die noch den Namen einer Hinterbliebenen- und Alterssicherung verdienen, wie sie dem Gesetzgeber offenbar vorgeschwebt hat.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß der Gesetzgeber es den unter die genannte Vorschrift fallenden Angestellten überlassen hat, "die Vorsorge für den Fall des Alters und des Todes in eigener Verantwortung zu gestalten" (BSGE 23, 241, 244). Die mit dieser Eigenverantwortung verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten dürfen, wenn die gesetzliche Festlegung von Mindestvoraussetzungen für eine Befreiung von der AV-Pflicht in Art 2 § 1 AnVNG einen Sinn behalten soll, nicht so weit gezogen werden, daß jede beliebige Laufzeit, selbst eine sehr kurze von wenigen Jahren (im äußersten Fall: von einem Jahr), gewählt werden kann. Ein Vertrag mit einer so kurzen Laufzeit würde dem Versicherten oder seinen Hinterbliebenen bei Eintritt des Versicherungsfalles nur eine für die Existenzsicherung kaum ins Gewicht fallende Rente oder - bei Wahl einer Kapitalversicherung - Kapitalsumme verschaffen (im Falle der Klägerin dürfte aufgrund der von ihr für drei Jahre etwa insgesamt gezahlten Prämien von knapp 9.000,-- DM nach Ablauf der Versicherungszeit ein Kapital von etwa 5.000 bis 6.000,-- DM zur Verfügung gestanden haben).
Die Bedenken, die gegen eine Befreiung von der AV-Pflicht aufgrund eines Lebensversicherungsvertrages mit nur kurzer Laufzeit sprechen, gelten auch für den Fall, daß der Angestellte im Zeitpunkt seines Befreiungsantrages (und der Erteilung des Befreiungsbescheides) in einem zeitlich befristeten Beschäftigungsverhältnis stand. War er auch bisher schon im Inland beschäftigt gewesen und nur wegen des Wegfalls der Versicherungspflichtgrenze zum 1. Januar 1968 angestelltenversicherungspflichtig geworden (Art 2 § 1 Abs 1 AnVNG), so war der Umstand, daß er bei der Antragstellung zufällig eine befristete Beschäftigung ausübte, angesichts der - grundsätzlich das gesamte Berufsleben des Angestellten umfassenden - Rechtswirkung der Befreiung kein hinreichender Grund, auf eine angemessene, dh auf eine der voraussichtlichen Dauer des Berufslebens in etwa entsprechende Laufzeit des Versicherungsvertrages zu verzichten; denn die zunächst befristete Beschäftigung konnte jederzeit in eine unbefristete übergehen oder es konnte später eine weitere versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen werden.
Die gleiche Möglichkeit bestand aber auch bei Angestellten, die unter den Tatbestand des Art 2 § 1 Abs 2 AnVNG fielen, die also im Dezember 1967 oder später aus dem Ausland in die Bundesrepublik zurückkehrten (nur an diesen Fall scheint der Gesetzgeber gedacht zu haben, vgl zu BT-Drucks V/4474 S 7 und 17) oder die als Ausländer erstmals in die Bundesrepublik kamen und hier zunächst lediglich einen befristeten Arbeitsvertrag erhielten. Auch bei ihnen konnte der Vertrag verlängert werden oder sich an den ersten ein weiterer anschließen, bei Ausländern allerdings unter der Voraussetzung, daß auch die Aufenthaltserlaubnis entsprechend verlängert wurde oder daß sie - wie die Klägerin - eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhielten.
Hätten diese Personen sich auch aufgrund eines Lebensversicherungsvertrages mit sehr kurzer, der Befristung des Arbeitsvertrages entsprechender Laufzeit von der AV-Pflicht befreien lassen können, dann wären die nach Ablauf des ersten Arbeitsvertrages weiter im Bundesgebiet Beschäftigten ohne Versicherungsschutz geblieben, weil sie einerseits von der Versicherungspflicht befreit waren, andererseits ihr Lebensversicherungsvertrag abgelaufen war. Um dieses bedenkliche, der Zielsetzung des Gesetzes widersprechende Ergebnis zu vermeiden, durften nach Ansicht des Senats auch die zunächst nur befristet beschäftigten Ausländer, nur dann von der Versicherungspflicht befreit werden, wenn sie einen Lebensversicherungsvertrag abschlossen und der Bundesversicherungsanstalt vorlegten, der auf das 65. Lebensjahr (oder auf ein niedrigeres, aber noch für eine angemessene Alterssicherung ausreichendes Lebensjahr) abgestellt war. Blieben sie auch nach Ablauf des ersten Arbeitsvertrages weiter im Bundesgebiet beschäftigt, so waren sie durch ihren Lebensversicherungsvertrag ausreichend gesichert. Kehrten sie dagegen wieder in ihre Heimat zurück, so konnten sie sich die bis dahin entrichteten Versicherungsprämien in Höhe der sog Rückkaufsumme auszahlen lassen; im Falle ihres Vorversterbens waren ihre Hinterbliebenen durch die Versicherungssumme gesichert.
Ob ausnahmsweise auch ein Lebensversicherungsvertrag mit sehr kurzer Laufzeit für die Befreiung eines Ausländers von der Versicherungspflicht dann ausreichte, wenn von vornherein zweifelsfrei feststand, daß der Betreffende nach Ablauf des befristeten Arbeitsvertrages das Bundesgebiet wieder verlassen würde, kann dahinstehen. Bei der Klägerin lag ein solcher Fall nicht vor. Sie hätte deshalb von der Beklagten, wenn diese bei der Prüfung ihres Befreiungsantrages rechtmäßig verfahren wäre, sich insbesondere ihren Lebensversicherungsvertrag hätte vorlegen lassen, aufgrund des nur auf drei Jahre geschlossenen Vertrages nicht von der AV-Pflicht befreit werden dürfen. Die gleichwohl erteilte Befreiung war von Anfang an rechtswidrig.
Als ein von Anfang an rechtswidriger Verwaltungsakt ist die Befreiung, auch nachdem sie unanfechtbar geworden ist, von der Beklagten gemäß § 44 Abs 2 SGB X zurückzunehmen, und zwar jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft, wie dies die Klägerin beantragt hat und von den Vorinstanzen entschieden worden ist. Als ein zugleich belastender Verwaltungsakt war er kein (nur) begünstigender iS des § 45 SGB X ("der ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil begründet oder bestätigt"); er ist deshalb nicht nach dieser Vorschrift, sondern nach § 44 SGB X zu beurteilen. § 44 SGB X gilt nicht nur für ausschließlich belastende Verwaltungsakte, sondern für alle Verwaltungsakte, die den Adressaten nicht lediglich begünstigen. Dabei kann hier offen bleiben, wie Verwaltungsakte zu behandeln sind, die mehrere voneinander trennbare Regelungen enthalten, von denen die eine belastend, die andere begünstigend ist; der hier vorliegende Befreiungsbescheid enthält keine in mehrere Teile zerlegbare, teils belastende, teils begünstigende Regelung, sondern ist ein einheitlicher und jedenfalls auch belastender Verwaltungsakt. Ob er die Klägerin zugleich begünstigte, weil er seinerzeit ihrem Antrag entsprach, braucht der Senat nicht zu entscheiden (zu den im einzelnen noch umstrittenen Fragen im Falle eines zugleich belastenden und begünstigenden Verwaltungsakts vgl die Kommentare zu § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes -VwVfG- des Bundes vom 25. Mai 1976 und zu der dortigen, dem § 45 Abs 1 SGB X entsprechenden Definition des begünstigenden Verwaltungsaktes, insbesondere Obermayer, VwVfG, § 48 RdNr 21: Der Gesamtcharakter eines Statusaktes sei nach der "Interessenlage" des Betroffenen zu bestimmen; vgl auch Wiesner bei Schroeder-Printzen, SGB X, § 44 Anm 2: Auch "neutrale" Verwaltungsakte seien nach § 44 SGB X zu beurteilen).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen