Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungspflicht, Krankenversicherung, Rentenversicherung. Beitragspflicht, Arbeitslosenversicherung. Beschäftigungsverhältnis, mißglückter Arbeitsversuch. Mißbrauchsabwehr, Versicherungsprinzip. brauchbare Arbeit, wirtschaftlich ins Gewicht fallender Zeitraum. Anschlußbeschäftigung
Leitsatz (amtlich)
Zur Rechtsfigur des mißglückten Arbeitsversuchs.
Normenkette
SGB I § 2 Abs. 2 Hs. 2, § 31; SGB IV § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 7 Abs. 1; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 186 Abs. 1; RVO § 165 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 306 Abs. 1; AFG § 168 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 24. April 1991 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darum, ob aufgrund einer Beschäftigung Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und in der Rentenversicherung sowie Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung bestanden hat.
Die Kläger sind die Witwe und die Söhne des 1946 geborenen und inzwischen verstorbenen Jürgen Ladwig. Dieser war bis zum 19. Juli 1988 Mitglied einer Ersatzkasse gewesen. Vom 13. September 1988 (Dienstag) bis zum 30. September 1988 (Freitag) war er als Bauhelfer versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beigeladenen Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK). Am 3. Oktober 1988 (Montag) nahm er eine Beschäftigung als Kraftfahrer auf und wurde von seinem neuen Arbeitgeber bei der beklagten Innungskrankenkasse angemeldet. Am 14. Oktober 1988 (Freitag) erlitt er in Ausübung seines Berufes infolge eines Schwächeanfalls einen Verkehrsunfall, der eine stationäre Behandlung bis zum 2. November 1988 erforderlich machte. Dabei wurde ein kleinzelliges Bronchial-Carzinom im rechten Oberlappen und bei weiteren stationären Aufenthalten ein Hirntumor festgestellt. Nach Einholung medizinischer Auskünfte verneinte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Dezember 1988 und Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 1989 Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und der Rentenversicherung sowie Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung, weil ein mißglückter Arbeitsversuch vorgelegen habe. Da der Versicherte nicht ihr Mitglied geworden sei, könnten von ihr keine Sach- und Geldleistungen erbracht werden.
Während des Klageverfahrens hat das Sozialgericht (SG) die Akten des Arbeitsamts beigezogen und eine Auskunft des letzten Arbeitgebers eingeholt. Am 1. Oktober 1989 ist Jürgen Ladwig verstorben. Er ist von seiner Witwe und seinen Söhnen beerbt worden, die das Verfahren fortgesetzt haben. Mit Urteil vom 10. August 1990 hat das SG den angefochtenen Bescheid aufgehoben und festgestellt, aufgrund der am 3. Oktober 1988 aufgenommenen Beschäftigung habe Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und in der Rentenversicherung sowie Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung bestanden. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 24. April 1991 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zwar sei davon auszugehen, daß der Beschäftigte bereits bei Eintritt in die Beschäftigung am 3. Oktober 1988 arbeitsunfähig gewesen sei. Gleichwohl dürfe Versicherungs- und Beitragspflicht nicht verneint werden. Der Rechtsprechung und Lehre vom mißglückten Arbeitsversuch sei nicht zu folgen.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der Vorschriften, die nach der langjährigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Versicherungs- und Beitragspflicht nur begründeten, wenn kein mißglückter Arbeitsversuch vorliege.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 24. April 1991 und das Urteil des SG vom 10. August 1990 aufzuheben sowie die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des LSG für zutreffend.
Die AOK (Beigeladene zu 1) schließt sich dem Antrag der Kläger, die Landesversicherungsanstalt Berlin (Beigeladene zu 2) dem Antrag der Beklagten an. Die Bundesanstalt für Arbeit (Beigeladene zu 3) und der Arbeitgeber (Beigeladener zu 4) haben keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht den angefochtenen Bescheid aufgehoben sowie Versicherungs- und Beitragspflicht festgestellt.
Der verstorbene Ehemann und Vater der Kläger ist am 3. Oktober 1988 durch die Aufnahme der entgeltlichen Beschäftigung in der Krankenversicherung und in der Rentenversicherung versicherungspflichtig sowie in der Arbeitslosenversicherung beitragspflichtig geworden. Dieses ergab sich für die Krankenversicherung und die Rentenversicherung aus den damals noch geltenden Regelungen in § 165 Abs 1 Nr 1, Abs 2 und in § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Dabei war in § 306 Abs 1 RVO für die Krankenversicherung zusätzlich bestimmt, daß die Mitgliedschaft mit dem Tage des Eintritts in die versicherungspflichtige Beschäftigung begann. Heute finden sich inhaltsgleiche Vorschriften für die Krankenversicherung in § 5 Abs 1 Nr 1 und in § 186 Abs 1 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) sowie für die Rentenversicherung in § 1 Satz 1 Nr 1 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Die Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung folgt aus § 168 Abs 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG).
Die Versicherungs- und Beitragspflicht scheiterte nicht daran, daß es sich bei der Beschäftigung um einen “mißglückten Arbeitsversuch” gehandelt hätte. Diese Rechtsfigur ist nach längerer Entwicklung in der Zeit vor Errichtung der Sozialgerichtsbarkeit (vgl die Nachweise bei Gagel, SGb 1990, 1, 2; Girardi ZfS 1975, 4, 5 ff; Töns, DOK 1969, 101, 107 ff) vom BSG in zahlreichen Entscheidungen übernommen und ausgestaltet worden (BSGE 15, 89 = SozR Nr 25 zu § 165 RVO; BSG SozR Nrn 44, 53, 61, 63 und 75 zu § 165 RVO; BSG SozR 2200 § 165 Nrn 2, 4, 33, 34, 66; BSG SozR 2200 § 306 Nr 12; BSGE 54, 148 = SozR 2200 § 306 Nr 13; BSGE 54, 257 = SozR 2200 § 312 Nr 14; BSG USK 7399, 78142, 78196 und 8323). Nach den genannten Urteilen läßt ein mißglückter Arbeitsversuch ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis und damit auch Leistungsansprüche nicht entstehen. Er liegt vor, wenn objektiv feststeht, daß der Beschäftigte bei Aufnahme der Arbeit zu ihrer Verrichtung nicht fähig war oder er die Arbeit nur unter schwerwiegender Gefährdung seiner Gesundheit – etwa unter der Gefahr einer weiteren Verschlimmerung seines Leidens – würde verrichten können, und wenn er die Arbeit entsprechend der darauf zu gründenden Erwartung vor Ablauf einer wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeit aufgegeben hat (BSG SozR 2200 § 165 Nr 34). Von einem mißglückten Arbeitsversuch kann mithin nicht gesprochen werden, wenn der Beschäftigte trotz der genannten ungünstigen Erwartung tatsächlich brauchbare Arbeit über einen wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeitraum geleistet hat und deshalb nach den Umständen des Falles darauf vertrauen durfte, durch seine Beschäftigung Versicherungsschutz erworben zu haben (BSG SozR 2200 § 165 Nr 34 mwN). Das BSG hat es in seiner neueren Rechtsprechung abgelehnt, für den wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeitraum eine feste Grenze zu bestimmen, um allen denkbaren Fallgestaltungen gerecht werden zu können. Ein gewisser Rahmen ergab sich allerdings insofern, als ein mißglückter Arbeitsversuch nach einer Beschäftigung von drei Wochen noch für möglich (BSG SozR 2200 § 165 Nrn 2, 33; vgl auch USK 78142), nach einer Arbeitsleistung von sechs Wochen hingegen für ausgeschlossen gehalten wurde (BSG USK 7399). Bei der Bestimmung des wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeitraums sind in mehreren Urteilen verschiedene Beschäftigungszeiten zusammengerechnet worden (BSG SozR 2200 § 165 Nrn 33, 34). Zur Rechtfertigung der Figur des mißglückten Arbeitsversuchs wird die Notwendigkeit einer Mißbrauchsabwehr und ferner angeführt, kein am Versicherungsprinzip orientiertes Leistungssystem könne darauf verzichten, daß jeder Versicherte mindestens der Möglichkeit nach zugleich Leistungsempfänger und Beitragszahler sei, niemand könne also Mitglied der Versichertengemeinschaft werden, der von vornherein wegen Arbeitsunfähigkeit als Beitragszahler ausscheide (BSG SozR Nr 63 zu § 165 RVO; BSG SozR 2200 § 165 Nr 33).
Das Schrifttum folgt der Lehre vom mißglückten Arbeitsversuch überwiegend, wobei jedoch zu Einzelheiten teilweise Kritik geübt oder ein Überprüfungsbedarf gesehen wird (Breuer im Gemeinschaftskommentar zum SGB, Stand Oktober 1990, § 5 SGB V RdNrn 93 ff; Gerlach in Hauck/Haines, Komm zum SGB, Stand 1989, § 5 SGB V RdNrn 110 ff; Heinze in Gesamtkommentar § 165 RVO Anm 6 und § 5 SGB V Anm 7; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, § 165 RVO Anm 5.1 und § 5 SGB V RdNr 9; H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 165 RVO Anm 11 und § 5 SGB V RdNrn 107 ff; Schulin, Fälle zum Sozialrecht, 1. Aufl 1987, S 26 ff, jedoch auch ZfA 1978, 215, 218 Fußnote 5; Zipperer in Maaßen/Schirmer/Wiegand/Zipperer, Kommentar zur Gesetzlichen Krankenversicherung, Stand März 1992, § 5 SGB V RdNrn 15, 16). Die Rechtsfigur des mißglückten Arbeitsversuchs ist andererseits, insbesondere soweit mit ihr trotz Aufnahme einer entgeltlichen Beschäftigung das Entstehen von Versicherungs- und Beitragspflicht in Zweifel gezogen wird, seit längerem und neuerdings zunehmend grundlegender Kritik ausgesetzt (in zeitlicher Folge: Girardi, ZfS 1975, 4, 5 ff; Kunze, DOK 1981, 454 ff; Gagel, SGb 1985, 268, 270 f und SGb 1990, 1, 2 ff; Seewald, Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand Juli 1991, § 7 SGB IV RdNrn 22 bis 24).
Im wesentlichen wird eingewandt: Nach dem Wortlaut der eingangs genannten gesetzlichen Vorschriften hängt der Bestand der Versicherungs- und Beitragspflicht allein vom Eintritt in die entgeltliche Beschäftigung ab; auf den Gesundheitszustand kommt es demnach grundsätzlich nicht an. Weitreichenden Ausnahmen hiervon, wie die Lehre vom mißglückten Arbeitsversuch sie über die nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen auch hier zulässige und notwendige Mißbrauchsabwehr hinaus zuläßt, kann das Gebot zur möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte (§ 2 Abs 2 des Sozialgesetzbuchs – Allgemeiner Teil – ≪SGB I≫) entgegenstehen, ferner der Vorbehalt des Gesetzes (§ 31 SGB I), der – außer der Kritik in der Literatur – auch eine gewohnheitsrechtliche Verfestigung der Rechtsfigur verhindert haben mag (vgl zur Bildung von Gewohnheitsrecht in anderem Zusammenhang BSGE 69, 131, 137 = SozR 3-2200 § 520 Nr 1). Auch besteht bei anderen Tatbeständen der Versicherungspflicht, etwa bei der Krankenversicherung der Studenten oder der Rentenantragsteller, kein vergleichbares Institut zur Wahrung des Versicherungsprinzips, sofern nicht die Grundsätze über den mißglückten Arbeitsversuch entsprechend angewandt werden (vgl dazu im Kasseler Kommentar § 186 SGB V RdNr 13). Soweit das Gesetz zur Wahrung des Versicherungsprinzips krankheitsbedingte Erschwerungen der Versicherung oder Leistungseinschränkungen vorsah, waren diese im Gesetz ausdrücklich geregelt, jedoch nicht für Versicherungspflichtige (§ 206 RVO), sondern nur für Versicherungsberechtigte (freiwillig Versicherte) und nur in dem bis Ende 1988 geltenden Recht (§ 207, § 310 Abs 2, 3 RVO); selbst dort galten diese Erschwerungen bei manchen Beitrittsrechten nicht (§ 176a Abs 1 Satz 3, § 176b Abs 2 Satz 1, § 176c Satz 2 Halbsatz 2 RVO). Ferner ist der mißglückte Arbeitsversuch bisher im wesentlichen krankenversicherungsrechtlich begründet worden, eine Anwendung auf andere Versicherungszweige mithin nicht ohne weiteres gerechtfertigt. Seine Beschränkung auf die Krankenversicherung durchbricht andererseits die versicherungszweigübergreifende einheitliche Anknüpfung der Versicherungs- und Beitragspflicht an die Aufnahme einer entgeltlichen Beschäftigung (§ 2 Abs 2 Nr 1, § 7 Abs 1 des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung ≪SGB IV≫). Schließlich hat die Rechtsfigur wegen ihrer unscharfen Abgrenzung in der Praxis zu Rechtsunsicherheit und zahlreichen Streitigkeiten geführt, wie die Rechtsprechungsnachweise belegen. Wiederholt sind Bestrebungen erkennbar geworden, wenigstens einen festen Zeitraum der Beschäftigung zu bestimmen, nach dessen Ablauf ein mißglückter Arbeitsversuch ausscheidet (so Töns, DOK 1969, 101, 146, 152: eine Woche). Sofern bei Annahme eines mißglückten Arbeitsversuchs der Versicherungsschutz auf sonstige Weise (zB aufgrund einer anderen Versicherungspflicht, eines nachgehenden Anspruchs aus einer früheren Versicherung oder durch Familienhilfe), jedoch bei einer anderen Krankenkasse gewährleistet war, dienten Auseinandersetzungen um den mißglückten Arbeitsversuch in der zur Zeit noch stark gegliederten Krankenversicherung mitunter lediglich einer Leistungsverschiebung unter den Kassen.
Die Bedenken gegen die Rechtsfigur des mißglückten Arbeitsversuchs in einer die Versicherungs- und Beitragspflicht verneinenden Wirkung sind von Gewicht. Ob sie dazu nötigen, die Lehre in der bisherigen Form aufzugeben, braucht im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden. Jedenfalls stehen sie einer Ausdehnung ihres Anwendungsbereichs entgegen und gebieten eine restriktive Handhabung. Bei dieser scheidet jedenfalls hier die Annahme eines mißglückten Arbeitsversuchs aus.
Das LSG hat einen mißglückten Arbeitsversuch beschränkt auf die Beschäftigung vom 3. Oktober (Montag) bis 14. Oktober (Freitag) 1988 geprüft und ihn allein deswegen angenommen, weil schon bei Aufnahme dieser Beschäftigung objektiv gesehen Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe; gleichwohl hat das LSG dann in einer beabsichtigten Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung Versicherungs- und Beitragspflicht bejaht. Dabei hat es indes nicht berücksichtigt, daß schon nach dieser Rechtsprechung ein mißglückter Arbeitsversuch nicht vorliegt, wenn der Beschäftigte trotz objektiv bestehender Arbeitsunfähigkeit eine gewisse Zeit brauchbare Arbeit geleistet hat und bei dieser Prüfung mehrere Beschäftigungen zusammengerechnet worden sind. Unter Mitberücksichtigung der vorangegangenen Beschäftigung vom 13. September (Dienstag) bis 30. September (Freitag) 1988 und einer damit insgesamt vorliegenden Beschäftigungsdauer von einem Monat reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG aus, um hier auf der Grundlage und in Fortführung der bisherigen Rechtsprechung einen mißglückten Arbeitsversuch auszuschließen.
Das BSG hat in seinen Urteilen vom 19. Dezember 1978 und vom 25. Januar 1979 (SozR 2200 § 165 Nrn 33, 34) entschieden: Bei der Frage, wann ein wirtschaftlich ins Gewicht fallender Zeitraum zu bejahen sei, dürfe eine Beschäftigung hinsichtlich ihrer Dauer dann nicht isoliert betrachtet werden, wenn sie sich – ohne wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse – an ein der Art nach gleichgelagertes vorangegangenes versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis anschließe. Dann stelle sich die neue Beschäftigung nicht als Arbeitsversuch, sondern als Fortsetzung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung dar. Dem ersten Urteil lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem ein tuberkulosekranker Arbeiter angeblich nahezu drei Monate (nicht gemeldet) beschäftigt gewesen war und anschließend drei Wochen bei einem anderen Arbeitgeber eine neue Beschäftigung aufgenommen hatte, bevor die Krankheit erneut ausgebrochen war. Ob es sich bei der zweiten Beschäftigung um eine versicherungspflichtige Anschlußbeschäftigung gehandelt hat, hing nach dem Urteil davon ab, ob die behauptete Vorbeschäftigung tatsächlich ausgeübt worden war. Das zweite Urteil betraf einen ausländischen Arbeitnehmer, der etwa sechs Monate als Müllader beschäftigt gewesen war, dann einen siebenwöchigen “Heimaturlaub” verbracht und anschließend bis zum Auftreten der Erkrankung erneut zwei Wochen bei seinem früheren Arbeitgeber beschäftigt gewesen war, was als versicherungspflichtige Anschlußbeschäftigung angesehen worden ist.
Im Hinblick auf diese Entscheidungen ist auch hier eine einheitliche Betrachtung der Beschäftigungen vom 13. bis 30. September und vom 3. bis 14. Oktober 1988 geboten. Das erste Beschäftigungsverhältnis ist der beigeladenen AOK gemeldet worden, die es als versicherungs- und beitragspflichtig behandelt hat. Zweifel hieran sind von keiner Seite geäußert worden. Zum zweiten Beschäftigungsverhältnis hat der Arbeitgeber nach den Feststellungen des LSG dem SG gegenüber erklärt, daß bei seinem Arbeitnehmer keine Anzeichen für eine Einschränkung durch den Gesundheitszustand erkennbar gewesen seien und die geleistete Arbeit im Rahmen der normal dafür benötigten Zeit durch Umsichtigkeit sogar zeitsparend ausgeführt worden sei. Nach den weiteren Feststellungen des LSG ist dem Arbeitgeber die Krankheit seines Arbeitnehmers verborgen geblieben, und das LSG hat nicht einmal einen Anhaltspunkt dafür gesehen, daß sich der Arbeitnehmer selbst seiner Krankheit bewußt gewesen ist. Unter diesen Umständen kann ein Arbeitnehmer darauf vertrauen, nach insgesamt einmonatiger Beschäftigung Versicherungsschutz erworben zu haben. Daß die Beschäftigungsverhältnisse nur zum Schein oder in Kenntnis der Arbeitsunfähigkeit im wesentlichen nur zum Erwerb von Krankenversicherungsschutz begründet worden seien, scheidet bei dem Arbeitnehmer des vorliegenden Verfahrens damit aus. Ob auch dem Umstand Bedeutung zukommt, daß der Verstorbene vor den beiden genannten Beschäftigungen bis zum 19. Juli 1988 – ebenfalls aufgrund einer Beschäftigung – bei einer Ersatzkasse versichert war, kann offenbleiben.
In den beiden zuletzt erwähnten Urteilen hat das BSG eine einheitliche Betrachtung mehrerer Beschäftigungen allerdings davon abhängig gemacht, daß es sich um gleichartige Beschäftigungen gehandelt haben müsse und keine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse eingetreten sein dürfe. Beide Anforderungen sind in den Urteilen indes nicht näher beschrieben worden, und in der Literatur wird mit beachtlicher Begründung bezweifelt, daß es auf sie ankommen könne (Schulin, Fälle zum Sozialrecht aaO S 29/30). Abgesehen davon ergibt sich aus dem ersten Urteil, daß es sich bei der behaupteten Erstbeschäftigung um eine Hilfsarbeitertätigkeit gehandelt haben soll, die zweite hingegen eine qualifizierte Facharbeitertätigkeit gewesen ist. Im Anschluß hieran sind auch bei dem verstorbenen Arbeitnehmer des vorliegenden Verfahrens die Erstbeschäftigung als Bauhelfer und die Anschlußbeschäftigung als Kraftfahrer als gleichartig anzusehen. Für eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse zwischen beiden Beschäftigungen ist nichts erkennbar. Das Fortschreiten einer einstweilen noch nicht erkannten Krebserkrankung reicht dazu nicht aus.
Hiernach scheitert ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis schon in der Krankenversicherung nicht an der Figur des mißglückten Arbeitsversuchs. Erst recht hat dann ein die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und die Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung begründendes Beschäftigungsverhältnis bestanden. Deshalb erwies sich die Revision der Beklagten als unbegründet und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten für den beigeladenen Arbeitgeber anzuordnen, war nicht geboten, weil er sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt hat.
Fundstellen