Leitsatz (redaktionell)
1. Auch keine Anrechnung von Leistungen aufgrund bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsansprüche gegen Abkömmlinge als Einkommen auf Elternrente für die Zeit vor dem Inkrafttreten des 5. AnpG-KOV (1974-01-01).
2. Auch bei der Auslegung des Begriffs "verständiger Grund" in DV § 33 BVG § 1 Abs 2 Halbs 2 Fassung: 1967-11-09 ist - wie bei BVG § 44 Abs 5 - eine Abwägung der Interessen des einzelnen und der Allgemeinheit vorzunehmen.
3. Im Anwendungsbereich des BVG § 51 war, wie die Materialien zum 5. AnpG-KOV (BT-Drucks 7/315 und 7/1009) zeigen, das fiskalische Interesse der Allgemeinheit an der Heranziehung der Abkömmlinge zum Unterhalt der Kriegereltern schon während der letzten Jahre vor der Gesetzesnovellierung (BVG § 51 Abs 4 Buchst a S 2 Fassung: 1973-12-18) nur als ziemlich unbedeutend einzuschätzen.
4. Legt man demzufolge den Belangen der Allgemeinheit eine dermaßen eingeschränkte Bedeutung bei, so folgt daraus für Fälle der hier gegebenen Art - wo die Mutter (76) von zwei gefallenen Söhnen ihren überlebenden Sohn lange Zeit hindurch nicht auf Unterhaltsleistungen in Anspruch genommen hat -, daß ein verständiger Grund dafür, den Unterhaltsanspruch nicht geltend zu machen, so lange gegeben ist, wie sich der Lebensstandard dieses Sohnes nicht erheblich (zB durch einen beruflichen Aufstieg oder ungewöhnliche Gewinne außerhalb der Erwerbstätigkeit) zu seinen Gunsten verändert. Das gilt um so mehr, wenn zudem der nach DV § 33 BVG § 16 zu errechnende Unterhaltsbetrag im Verhältnis zur Höhe der Elternrente nicht besonders hoch ist.
Normenkette
BVG § 51 Abs. 4, § 33 DV § 1 Abs. 2; KOVAnpG 5; BVG § 33 DV § 1 Abs. 2 Hs. 2 Fassung: 1967-11-09, § 51 Abs. 4 Buchst. a S. 2 Fassung: 1973-12-18, § 33 DV § 16, § 44 Abs. 5
Tenor
Die Urteile des Landessozialgerichts Bremen vom 23. November 1972 und des Sozialgerichts Bremen vom 2. August 1972 sowie der Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts Bremen vom 16. April 1971 werden aufgehoben.
Der Bescheid des Versorgungsamts Bremen vom 10. Februar 1971 wird dahin geändert, daß auch vom 1. März 1971 an die Elternrente der Klägerin ohne Anrechnung eines Einkommens in Gestalt von Leistungen auf Grund bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsansprüche festzustellen ist.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
Die 1895 geborene Klägerin, deren geschiedener Ehemann im Jahre 1961 verstorben ist, bezieht seit Juli 1960 Altersruhegeld aus der Arbeiterrentenversicherung (ArV). Wegen des Kriegstodes ihrer Söhne Fritz (geboren 1917) und Kurt (geboren 1919) erhält sie seit 1951 Elternrente gemäß §§ 50, 51 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Außer den beiden gefallenen Söhnen hat die Klägerin noch die Tochter Lotte (geboren 1921, verheiratet, 3 Kinder) und den 1934 geborenen Sohn Hans; dieser ist seit 1957 verheiratet (2 Kinder), seit 1959 als Schlosser bei den Stadtwerken Bremen beschäftigt, seine Ehefrau arbeitet bei der Firma Siemens. Die Klägerin erhielt die Elternrente jahrelang in voller Höhe, weil ihr anrechenbares Einkommen den Freibetrag nicht überstieg; dabei ergab sich insbesondere zur Frage von Unterhaltsansprüchen der Klägerin (§ 16 Abs. 2 und 3 DVO zu § 33 BVG) aus regelmäßigen Überprüfungen - zuletzt Anfang 1968 - der Einkommensverhältnisse bei Hans B (B.) und Lotte Sch, daß die Klägerin von ihren beiden Kindern keinen Unterhalt verlangen konnte. Das Ergebnis der nächsten Überprüfung, die Ende 1970 stattfand, veranlaßte die Versorgungsbehörde, nunmehr ein Monatseinkommen der Klägerin in Höhe von 165,- DM auf die Elternrente anzurechnen; im Bescheid vom 10. Februar 1971 wurde dementsprechend die Elternrente für Januar und Februar 1971 noch auf 203,- DM, für die Zeit vom 1. März 1971 an jedoch auf 38,- DM monatlich neu festgestellt. Der Widerspruch hiergegen wurde durch Bescheid vom 16. April 1971 zurückgewiesen, zu dessen Begründung im wesentlichen ausgeführt wurde: Der Sohn Hans B. habe im Jahre 1970 ein Monatseinkommen von durchschnittlich 1.543,30 DM erzielt. Da seine Ehefrau monatlich mehr als 600,- DM verdient habe, sei er gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 DVO 1967 zu § 33 BVG als Lediger anzusehen; nach Abzug der Freibeträge für ihn (520,- DM, § 16 Abs. 3 Satz 1 DVO) und seine beiden Kinder (260,- DM, § 16 Abs. 3 Satz 2 DVO) blieben also von seinem Monatseinkommen 763,30 DM für Unterhaltsleistungen an die Klägerin verfügbar; ob auch die Tochter Lotte Sch der Klägerin gegenüber unterhaltspflichtig wäre, könne unter diesen Umständen dahingestellt bleiben. Von den verfügbaren 763,30 DM werde nur ein Betrag von 249,90 DM als monatlicher Unterhaltsanspruch der Klägerin eingesetzt (zusammen mit dem Altersruhegeld von 60,10 DM = monatlich 310,- DM ergab das nach der Anrechnungs-VO 1971 ein anzurechnendes Einkommen von 165,- DM). Einen "verständigen Grund" dafür, den Unterhaltsanspruch gegen ihren Sohn Hans B. nicht geltend zu machen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 DVO 1967 zu § 33 BVG), habe die Klägerin nicht aufgezeigt; die sicherlich nicht vereinzelt vorkommenden familiären Schwierigkeiten bei der Realisierung von Unterhaltsansprüchen könnten nicht bewirken, daß die nachrangige Elternrente nach dem BVG in der Regel ungekürzt zu gewähren sei.
Die Klägerin beantragte mit ihrer hiergegen erhobenen Klage, die Beklagte zur Zahlung einer höheren Elternrente ab 1. März 1971 zu verurteilen. Das Sozialgericht (SG) Bremen wies mit Urteil vom 2. August 1972 die Klage ab.
Das Landessozialgericht (LSG) Bremen hat durch Urteil vom 23. November 1972 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Es sei nicht zu beanstanden, daß die Beklagte - gestützt auf die gesetzes- und verfassungskonformen (SozR Nr. 8 zu § 51 BVG) Bestimmungen des § 16 Abs. 2 und 3 DVO 1967 zu § 33 BVG - der Berechnung der Elternrente einen Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen ihren Sohn Hans B. in Höhe von 249,90 DM zugrundegelegt habe; selbst wenn dessen Ehefrau ihren Unterhalt nicht durch eigene Einkünfte sichergestellt hätte, würde sich bei dem dann zustehenden Freibetrag von 1.170,- DM noch ein solcher Unterhaltsanspruch der Klägerin ergeben. Ob und in welcher Höhe Hans B. der Klägerin tatsächlich Unterhalt zahle, könne im Hinblick auf die Regelung des § 51 Abs. 4 BVG iVm § 16 Abs. 2 und 3 DVO 1967 zu § 33 BVG offen bleiben.
Die Ansicht der Klägerin, aufgrund von § 1 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 DVO 1967 zu § 33 BVG stehe der von der Beklagten errechnete Unterhaltsanspruch einem tatsächlich gezahlten Unterhalt nicht gleich, weil sie einen solchen Anspruch gegen ihren Sohn aus verständigem Grund nicht geltend mache, treffe nicht zu. Ein verständiger Grund in diesem Sinne sei nicht darin zu erblicken, daß die Klägerin als nunmehr 77 Jahre alte Kriegermutter keinen Unterhaltsrechtsstreit gegen ihren einzigen überlebenden Sohn führen wolle. Das von der Klägerin für ihre gegenteilige Meinung angeführte Urteil des SG Hamburg vom 31. August 1966 (Breithaupt 1967, 153), wonach in Fällen der hier gegebenen Art die Interessen der Allgemeinheit zurücktreten müßten, berücksichtige zu einseitig die Interessen der Rentenbezieherin, obwohl einzuräumen sei, daß ein Unterhaltsprozeß zwischen der Klägerin und ihrem Sohn zu einem Familienzerwürfnis führen könne, welches die Klägerin in ihrem hohen Alter belasten müsse. Der Begriff des verständigen Grundes, der gleichermaßen in § 1 Abs. 2 DVO 1967 zu § 33 BVG wie in § 44 Abs. 5 BVG verwendet werde, sei bezüglich der wiederaufgelebten Witwenrente in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) dahin ausgelegt worden, daß als "verständig" nur ein solcher Grund in Betracht komme, der auch unter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und bei Berücksichtigung des Gesetzeszweckes als verständig erscheine; höchstpersönliche, allein aus dem Blickwinkel der Witwe als triftig anzusehende Gründe für einen Unterhaltsverzicht seien nicht mit öffentlichen Leistungen zu honorieren (SozR Nr. 11 zu § 44 BVG; Urteil vom 8.3.1966, BVBl 1966, 119). Diese Rechtsprechung sei für die Auslegung des § 1 Abs. 2 DVO 1967 zu § 33 BVG entsprechend heranzuziehen. Auch bei der Elternrente wäre eine Ausnahmeregelung, wonach die Anrechnung von Unterhaltsansprüchen entfalle, wenn auf diese Ansprüche aus einem allein von den Eltern her zu beurteilenden Grund verzichtet werde, ebenso überflüssig wie sinnlos; denn dann könnte praktisch jeder die Anrechnung von realisierbaren Unterhaltsansprüchen allein mit dem Hinweis unterbinden, daß eine Geltendmachung dieser Ansprüche wegen erheblicher Beeinträchtigung der familiären Bande unzumutbar sei. - Das LSG hat die Revision zugelassen.
Bevor das Berufungsurteil am 31. Januar 1973 zugestellt wurde, erteilte das Versorgungsamt den Bescheid vom 17. Dezember 1972, womit die Elternrente der Klägerin - wiederum unter Anrechnung eines fiktiven Einkommens aus Unterhalt - für die Zeit ab 1. Januar 1973 neu festgestellt worden ist.
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Revision beantragt die Klägerin
unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 1. März 1971 eine höhere Elternrente zu zahlen.
Zur Begründung wird - unter weitgehender Anlehnung an das Urteil des SG Hamburg vom 31. August 1966 (aaO) - im wesentlichen geltend gemacht, das LSG habe den unbestimmten Begriff des "verständigen Grundes" im Sinne des § 1 Abs. 1 DVO 1967 zu § 33 BVG unrichtig gedeutet.
Dieser Begriff sei so zu verstehen, daß ein Anspruch auf Unterhaltszahlung jedenfalls dann nicht als Einkommen zu werden sei, wenn einem verständigen Menschen bei Abwägung seiner Interessen mit denen der Allgemeinheit nicht zugemutet werden könne, den Anspruch geltend zu machen. Einer im 79. Lebensjahr stehenden kranken Greisin, die zwei Söhne durch den Krieg verloren habe, sei es schlechthin nicht zuzumuten, durch eine Unterhaltsklage im Verhältnis zu ihrem letzten noch lebenden Sohn tiefgreifende Zerwürfnisse zu provozieren und dadurch noch die letzte Stütze ihres Alters zu verlieren. Nach dem Sinn des § 1 Abs. 2 DVO 1967 sollten die Rentenleistungen des BVG nicht dazu führen, daß die Berechtigten im Hinblick auf zu erwartende Versorgungsleistungen auf die Geltendmachung von geldwerten Ansprüchen ohne zwingenden Anlaß verzichten. Den Bestrebungen zur Gestaltung eines würdigen Lebensabends würde es aber zuwiderlaufen, wenn alte Mitbürger in Konfliktsituationen gebracht würden, die zur Vereinsamung führen müßten. Die vom LSG angeführte Rechtsprechung zu § 44 Abs. 5 BVG sei wegen der abweichenden Tatumstände auf den Anwendungsbereich des § 51 BVG nicht übertragbar.
Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Durch Art. 1 Nr. 25 iVm Art. 5 § 3 des 5. Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des BVG (5. AnpG-KOV) vom 18. Dezember 1973 (BGBl I, 1909) ist mit Wirkung ab 1. Januar 1974 in § 51 Abs. 4 Buchst. a BVG als Satz 2 angefügt worden: "Leistungen auf Grund bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsansprüche gegen Abkömmlinge sind nicht als Einkommen anzurechnen". Die Beklagte hat hierauf mit Bescheid vom 25. Februar 1974 die Elternrente der Klägerin vom 1. Januar 1974 an ohne Einkommensanrechnung neu festgestellt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin hat Erfolg.
Der angefochtene Bescheid vom 10. Februar 1971 enthält eine Neufeststellung der Elternrente wegen einer wesentlichen Änderung der - wirtschaftlichen - Verhältnisse, die für die Rentenbemessung bisher maßgebend gewesen waren; rein formal gesehen, waren die Mindestanforderungen an die Zulässigkeit einer solchen Neufeststellung, die dem § 62 Abs. 1 Satz 2 BVG zu entnehmen sind, für das Versorgungsamt deshalb gegeben, weil als anzurechnendes Einkommen der Klägerin nicht mehr - wie bisher - allein das geringfügige Altersruhegeld aus der ArV zu berücksichtigen war, sondern erstmals auch Unterhaltsleistungen des Sohnes Hans B. an die Klägerin hierbei in Betracht kamen, deren Höhe das Versorgungsamt auf monatlich 249,90 DM veranschlagt hat.
Ob und in welcher Höhe Hans B. tatsächlich Unterhalt an die Klägerin gezahlt hat bzw. zahlt, ist vom LSG offengelassen worden; auch die Revision trägt hierzu nichts vor. Die Vorinstanzen und die Beteiligten halten eine Sachaufklärung insoweit für unnötig, weil es allein darauf ankomme, ob der Klägerin ein Unterhaltsanspruch gegen Hans B. seit Anfang 1971 in der vom Versorgungsamt errechneten Höhe zustehe. Die Rechtsgrundlage zur Beurteilung dieser Frage bilden § 51 Abs. 4 BVG mit der Verweisung auf § 33 BVG, § 33 Abs. 5 Buchst. a BVG mit der Ermächtigung der Bundesregierung, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, "was als Einkommen gilt" (vgl. zur gleichlautenden Ermächtigung in § 51 Abs. 9 Buchst. a BVG aF: BSG 10. Senat, Urteil vom 27.1.1966, SozEntsch. 2. Folge BSG IX/3 Nr. 8 zu § 51 BVG), die hierauf beruhende DVO 1967 zu § 33 BVG (BGBl 1967, I, 1140) sowie schließlich § 33 Abs. 6 BVG nebst den hierzu ergangenen Anrechnungsverordnungen, von denen für den Bescheid vom 10. Februar 1971 die Anrechnungsverordnung 1971 gemäß ihrem § 5 maßgebend war. Die DVO 1967 zu § 33 BVG, nach deren § 2 Abs. 1 Nr. 19 und Abs. 2 Unterhaltsleistungen und Ansprüche hierauf bei der Feststellung der Ausgleichsrente unberücksichtigt bleiben, hat für die Elternversorgung eine hiervon abweichende Regelung in § 16 getroffen, denn nach Abs. 2 dieser Bestimmung sind als Einkommen der Eltern auch Leistungen aufgrund bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsansprüche zu berücksichtigen; nach § 16 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 DVO stehen den tatsächlich bezogenen Einkünften Ansprüche auf geldwerte Leistungen gleich. Bei der Bewertung der - fiktiven - Unterhaltsansprüche von Eltern ist nach § 16 Abs. 3 - wenn ein Unterhaltsbetrag nicht gerichtlich festgesetzt ist - davon auszugehen, daß der Unterhaltspflichtige einen gewissen Mindestbetrag seines Bruttoeinkommens monatlich behält; dieser Mindestbetrag wurde durch die 3. Änderungs-Verordnung vom 9. November 1967 (BGBl I, 1133) mit Wirkung ab 1. Januar 1967 auf 520,- DM für einen ledigen, 910,- DM für einen verheirateten Unterhaltspflichtigen sowie 130,- DM für jedes unterhaltsberechtigte Kind festgesetzt. Diese Rahmensätze galten zwar noch in dem Zeitpunkt, als der Bescheid vom 10. Februar 1971 erteilt wurde. Durch die 5. Änderungs-Verordnung vom 24. Januar 1972 (BGBl I, 70), die insoweit schon am 1. Januar 1971 in Kraft getreten ist (Art. 2 § 3 Abs. 1), sind jedoch gemäß Art. 1 Nr. 10 Buchst. b die Mindestbeträge des § 16 Abs. 3 Satz 1 DVO auf 600,- DM bzw. 1.040,- DM und der Mindestbetrag des § 16 Abs. 3 Satz 2 auf 150,- DM erhöht worden. Die Unterhaltsleistungsfähigkeit des Hans B. ist hiernach in den angefochtenen Entscheidungen unrichtig beziffert worden. Sieht man ihn, weil seine Ehefrau im Jahre 1970 einen eigenen Monatsverdienst von angeblich mehr als 600,- DM erzielt hatte, nach § 16 Abs. 3 Satz 3 als "Ledigen" an, so sind von seinen monatlichen Einkünften nicht 763,30 DM, sondern nur 643,30 DM verfügbar. Bleibt dagegen das Arbeitseinkommen der Ehefrau unberücksichtigt, so könnte Hans B. einen Freibetrag von 1.340,- DM geltend machen, sein Monatseinkommen wäre dann also bis auf einen Restbetrag von nur 203,30 DM dem unterhaltsrechtlichen Zugriff entzogen, so daß - entgegen der Annahme des LSG - der im Bescheid vom 10. Februar 1971 zugrundegelegte Unterhaltsanspruch der Klägerin von monatlich 249,90 DM in dieser Höhe keinesfalls gerechtfertigt erscheint. Näherer Ausführungen hierzu sowie allgemein zur Rechtsgültigkeit der in § 16 Abs. 3 DVO 1967 zu § 33 BVG getroffenen Regelungen (zur DOV 1961 vgl. insoweit SozR Nr. 8 zu § 51 BVG und Urteil des 10. Senats vom 27.1.1966, aaO) bedarf es nicht, denn die Revision erweist sich schon unter einem anderen Aspekt als begründet.
Nach der Bestimmung des § 1 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 DVO 1967 zu § 33 BVG, die nach § 16 Abs. 1 DVO für Unterhaltsansprüche von Eltern entsprechend gilt, stehen Leistungsansprüche den tatsächlich erzielten Einkünften ua. dann nicht gleich, wenn sie aus einem verständigen Grund nicht geltend gemacht worden sind bzw. nicht geltend gemacht werden. Der Begriff des verständigen Grundes ist auch in der Vorschrift des § 44 Abs. 5 Satz 2 BVG enthalten, wonach bei der wiederaufgelebten Witwenversorgung eine fiktive Unterhaltsleistung des früheren Ehemannes anzurechnen ist, wenn die Witwe "ohne verständigen Grund" auf einen Unterhaltsanspruch aus der neuen Ehe verzichtet hat. Es versteht sich nun zwar von selbst, daß gewisse typische Fallgestaltungen, deren sachgerechter Regelung diese Vorschrift dient - insbesondere etwa Unterhaltsverzicht zwecks Umgehung eines Schuldausspruchs bei der Ehescheidung (vgl. SozR Nr. 11 zu § 44 BVG, 10. Senat, Urteil vom 8.3.1966, BVBl 1966, 119, 120) - im Verhältnis zwischen Eltern und unterhaltspflichtigen Kindern wohl kaum vorstellbar sind. Dies hindert aber - entgegen der von der Revision vertretenen Meinung - nicht die Übernahme einer objektiven Betrachtungsweise, wie sie in der angeführten Rechtsprechung zu § 44 Abs. 5 BVG entwickelt worden ist, auch bei der Auslegung des Begriffs "verständiger Grund" in § 1 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 DVO 1967 zu § 33 BVG; auch die Revisionsbegründung räumt letztlich ein, daß eine Abwägung der Interessen des einzelnen und der Allgemeinheit dem in dieser Bestimmung verwendeten Begriff "verständiger Grund" immanent sei.
Die Entscheidung des SG Hamburg vom 31. August 1966 (aaO), deren Gedankengängen sich die Revision vollinhaltlich anschließt, gibt allerdings, wie das LSG Bremen im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, keine wirklich überzeugende Lösung der hier zu beurteilenden Frage, weil in dieser Entscheidung allzu einseitig die Belange einer über 70 Jahre alten Kriegermutter, die einer Gefährdung ihres familiären Friedens unbedingt ausweichen will, in den Vordergrund der Betrachtung gerückt sind. Der dem Gesetzgeber sicherlich von jeher bekannte Umstand, daß Abkömmlinge erfahrungsgemäß sehr häufig ihre Unterhaltspflicht gegenüber den Eltern nicht erfüllen, zumal weil die Eltern, die ein Leben lang ihre Kinder unterhalten haben, diesen später eine Unterhaltsleistung nicht zumuten, kann für sich allein nicht als zwingendes Argument für die von der Revision vertretene Auffassung angesehen werden (vgl. SozR Nr. 8 zu § 51 BVG). Die Gedankengänge des SG Hamburg würden auch wohl kaum einen Unterhaltsverzicht der Mutter "verständig" erscheinen lassen, wenn etwa der Sohn in Wohlstand lebt und im übrigen alle Umstände darauf hindeuten, daß in Wirklichkeit die Hilfsbedürftigkeit der Mutter nur vorgeschoben wird, damit auch noch die Elternrente als zusätzliches Familieneinkommen verbucht werden kann.
Was indessen im vorliegenden Fall einer kritischen, dem LSG z. Zt. seiner Entscheidung noch nicht möglichen Überprüfung bedarf, ist das Gewicht, das im Anwendungsbereich des § 51 BVG den "Belangen der Allgemeinheit" beizumessen ist. Den Anlaß zu einer solchen Überprüfung entnimmt der Senat den erst im Laufe des Revisionsverfahrens veröffentlichten Materialien zum 5. AnpG-KOV, soweit darin die ab 1. Januar 1974 wirksam gewordene Beseitigung der Anrechenbarkeit von Unterhaltsansprüchen gegen Abkömmlinge erläutert wird. In Rückblick auf die letzten Jahre vor dieser Gesetzesnovellierung zeigt sich hierbei, daß die Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen gegenüber Kindern zu erheblichen verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten geführt hat; da den Kriegereltern zumeist die wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Kinder nicht bekannt waren, mußten umfangreiche Ermittlungen bei den Kindern selbst durchgeführt werden, die jedoch vielfach nicht oder nur nach längerem Schriftwechsel zur Erteilung von Auskünften und Vorlage der benötigten Unterlagen bereit waren; die durch eine so umständliche Aufklärung des Sachverhalts entstandenen Kosten standen häufig in keinem angemessenen Verhältnis zu den durch eine Anrechnung von Unterhaltsleistungen erzielbaren Einsparungen infolge Minderungen von Elternrenten (vgl. BT-Drucks. 7/315 vom 14.3.1973 und 7/1009 vom 18.9.1973). Eine derart bescheidene Effizienz, wie sie übrigens auch im versorgungsrechtlichen Schrifttum hervorgehoben wurde (vgl. Kurz, KOV 1970, 113; derselbe in Arbeits- und Sozialrecht 1973, 51, 53; Becker KOV 1970, 149), rechtfertigt den Schluß, daß jedenfalls das fiskalische Interesse der Allgemeinheit an einer Heranziehung der Abkömmlinge zum Unterhalt von Kriegereltern auch schon z. Zt. der Erteilung des hier angefochtenen Bescheides nur als ziemlich unbedeutend eingeschätzt werden kann. Aber auch die rechts- und sozialpolitischen Erwägungen, mit denen die Bundesregierung zunächst die Beibehaltung des bisherigen Rechtszustandes zu begründen versuchte (vgl. BT-Drucks. 7/1008 vom 18.9.1973), haben sich, wie den Darlegungen des Bundesministers A und des Abgeordneten G in der Plenarsitzung vom 5. Oktober 1973 (Deutscher Bundestag, 7. Wahlperiode, 55. Sitzung, Seite 3143, 3152) zu entnehmen ist, letzten Endes als nicht ganz stichhaltig erwiesen (siehe auch BT-Drucks. 7/1106 vom 18.10.1973).
Legt man nun demzufolge den Belangen der Allgemeinheit eine dermaßen eingeschränkte Bedeutung bei, so folgt daraus für Fälle der hier gegebenen Art, wo die Mutter von zwei gefallenen Söhnen ihren überlebenden Sohn lange Zeit hindurch nicht auf Unterhaltsleistungen in Anspruch genommen hat, daß ein verständiger Grund dafür, den Unterhaltsanspruch nicht geltend zu machen, so lange gegeben war, wie sich der Lebensstandard dieses Sohnes nicht erheblich - z. B. durch einen beruflichen Aufstieg oder ungewöhnliche Gewinne außerhalb der Erwerbstätigkeit - zu seinen Gunsten verändert hatte. Das gilt um so mehr, wenn zudem - wie für die Verhältnisse des Sohnes bereits dargelegt, der nach § 16 DVO zu errechnende Unterhaltsbetrag im Verhältnis zur Höhe der Elternrente nicht besonders hoch ist. Die Vorgänge im Jahre 1970, die das Versorgungsamt zum Anlaß für die Erteilung des Bescheides vom 10. Februar 1971 nahm, hatten eine so erhebliche Veränderung offenbar nicht bewirkt. Der Sohn Hans B. war nach wie vor als Schlosser bei den Stadtwerken in Bremen beschäftigt und sein im Vergleich zu 1968 erhöhtes Arbeitsentgelt infolge von Tarifverbesserungen brachte nur die ganz allmähliche Anhebung des allgemeinen Lebensstandards zum Ausdruck. Daß aber seine Ehefrau nunmehr als Mitverdienerin erstmals in Erscheinung trat, konnte eine Anwendung des § 16 Abs. 3 DVO 1967 zu § 33 BVG sicherlich nicht rechtfertigen. Bei Abwägung der Belange der Allgemeinheit mit ihren eigenen handelte die Klägerin zweifellos verständig, wenn sie die Arbeitsbereitschaft ihrer Schwiegertochter nicht dazu ausnutzte, nunmehr Unterhaltsansprüche gegen Hans B. zu erheben; mitverdienende Ehefrauen, die gegenüber ihren Schwiegereltern nicht unterhaltspflichtig sind, wollen nämlich ihre Arbeitskraft primär für das Wohl ihrer eigenen engsten Familie und nicht gerade für den Unterhalt von Schwiegereltern einsetzen.
Bei sachgerechter Abwägung der Belange der Allgemeinheit mit denen der Klägerin und unter Berücksichtigung der Erkenntnisse, die aus der Vorgeschichte des § 51 Abs. 4 Buchst. a Satz 2 BVG zu gewinnen sind, gelangt hiernach der Senat - entgegen der vom LSG vertretenen Ansicht - zu dem Ergebnis, daß auch schon am 1. März 1971 die Klägerin einen verständigen Grund dafür hatte, Unterhaltsansprüche gegen ihren Sohn Hans B. nicht geltend zu machen und demgemäß nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 DVO 1967 zu § 33 BVG ein solcher Anspruch bei der Feststellung der Elternrente nicht angerechnet werden durfte. Auf die begründete Revision sind deshalb die Urteile der Vorinstanzen und der Widerspruchsbescheid vom 16. April 1971 aufzuheben; der Bescheid vom 10. Februar 1971 ist in dem Sinne zu ändern, daß die bis Ende Februar 1971 ungekürzt gewährte Elternrente der Klägerin auch in der Folgezeit ohne Anrechnung eines Einkommens in Gestalt von Leistungen aufgrund eines bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruchs gegen Hans B. festzustellen ist.
Der Bescheid vom 17. Dezember 1972, der die Elternrente nach dem gleichen Bemessungsmaßstab wie der Bescheid vom 10. Februar 1971 für einen anschließenden Zeitabschnitt geregelt hat, ist zunächst in entsprechender Anwendung des § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des erkennenden Senats vom 29.1.1974 - 9 RV 620/72 -), jedoch nicht in den Revisionsrechtszug übergegangen (vgl. BSG 8, 164, 166); vielmehr gilt er nach Einlegung der Revision in entsprechender Anwendung des § 171 Abs. 2 SGG als mit der Klage beim SG angefochten (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur SGb, Anm. 2 e zu § 96).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen