Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusammentreffen von Ansprüchen aus der Unfallversicherung und dem Versorgungsrecht
Orientierungssatz
1. Die Anwendbarkeit des § 541 Nr 9 RVO aF schließt nicht aus, daß es sich bei der Schädigung, für die Versorgung gewährleistet oder gewährt wird, zugleich um einen Unfall iS des Dritten Buches der RVO (Arbeitsunfall) handelt. Anders als die in § 541 Nr 1 ff RVO aF sonst angeführten Personen, die schlechthin für ihr gesamtes Beschäftigungs- und Tätigkeitsverhältnis versicherungsfrei waren, bezeichnete die Nr 9 alle Versicherten nur hinsichtlich bestimmter Unfälle als versicherungsfrei.
2. Die Vorschrift des § 54 BVG schließt - entsprechend der durch die Nr 9 des § 541 RVO aF geschaffenen Rechtslage - für Versicherungsfälle vom 1.1.1942 an einen Anspruch gegen den Unfallversicherungsträger aus, beschränkt dies jedoch ausdrücklich auf die Zeit bis zum 8.5.1945.
Normenkette
RVO § 541 Nr. 1 Fassung: 1942-01-01, Nr. 9 Fassung: 1942-01-01; BVG §§ 54, 65; RVO § 537
Verfahrensgang
LSG für das Saarland (Entscheidung vom 28.11.1972; Aktenzeichen 1 L U 38/71) |
SG für das Saarland (Entscheidung vom 12.05.1971; Aktenzeichen S 2 U 137/67) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 28. November 1972 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger vom 1. Juni 1960 an eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung gegen die beklagte landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft (BG) zusteht.
Der Kläger war als Gespannführer in einem landwirtschaftlichen Unternehmen in B beschäftigt. Am 10. Oktober 1945 fuhr er beim Kleemähen mit der Mähmaschine auf eine Mine. Die Mine explodierte, dem Kläger wurde der rechte Unterschenkel abgerissen.
Den Verlust des rechten Unterschenkels, verursacht durch Minenexplosion, erkannte das Fürsorgeamt für Kriegsopfer und deren Familien in S durch Bescheid vom 20. Juni 1947 als Personenschaden an und gewährte dem Kläger vom 1. Oktober 1945 an ein Versehrtengeld. Der Bescheid erging aufgrund der Verordnung des Regierungspräsidenten Saar vom 20. Oktober 1945 (Amtsbl Saar S 39) in Anwendung der Personenschädenverordnung (PSchVO) vom 10. November 1940 (RGBl I 1482) und des Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsgesetzes (WFVG) vom 26. August 1938 (RGBl I 1077). Den Versorgungsbezügen wurde eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 vH zugrunde gelegt.
Im Januar 1967 beantragte der Kläger die Gewährung einer Verletztenrente. Die Beklagte lehnte dies durch Bescheid vom 26. April 1967 ab, da der Kläger hinsichtlich des Unfalls vom 10. Oktober 1945 gemäß § 541 Nr 9 der Reichsversicherungsordnung (RVO) alter Fassung (aF) versicherungsfrei gewesen sei und § 54 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) an dieser Rechtslage nichts geändert habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage. Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 12. Mai 1971 die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 1. Januar 1967 an Verletztenrente nach einer dem Unfallfolgezustand entsprechenden MdE zu gewähren. Die weitergehende, auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente vom 10. Oktober 1945 an gerichtete Klage hat es abgewiesen. Es geht davon aus, daß der Kläger vom Inkrafttreten des BVG im Saarland an eine Verletztenrente hätte beanspruchen können, die Beklagte jedoch, da sie den Anspruch nicht von Amts wegen festgestellt habe, erst seit dem Monat der Antragstellung zur Leistung verpflichtet sei.
Die Beklagte hat Berufung eingelegt mit der Begründung, der Kläger sei im Unfallzeitpunkt versicherungsfrei gewesen und habe daher keinen Arbeitsunfall erlitten; ein Anspruch auf Verletztenrente sei auch nicht nachträglich begründet worden.
Der Kläger hat nach Ablauf der für ihn geltenden Berufungsfrist Anschlußberufung eingelegt mit dem Antrag, die Beklagte zur Gewährung der Verletztenrente vom 1. Juni 1960 an zu verurteilen. Diesem Antrag hat sich der Beigeladene - das Saarland, vertreten durch das Landesversorgungsamt Saarland - angeschlossen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 28. November 1972 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Anschlußberufung des Klägers die Beklagte verurteilt, dem Kläger Entschädigung bereits vom 1. Juni 1960 an zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Anschlußberufung des Klägers stehe, da sie kein eigenes Rechtsmittel, sondern ein innerhalb der zulässigen Berufung der Beklagten erhobener Anspruch sei, die Vorschrift des § 145 Nr 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht entgegen. Der Kläger habe Anspruch auf eine Verletztenrente schon vom 1. Juni 1960 an, die Berufung der Beklagten sei unbegründet. Der Kläger sei zwar im Zeitpunkt des Unfalls nach dem damals geltenden Recht (§ 541 Nr 9 RVO a) versicherungsfrei gewesen, habe deshalb auch nicht zu den Versicherten in der Unfallversicherung gehört, so daß die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles nicht gegeben gewesen seien. Diese Rechtslage habe sich jedoch mit dem Inkrafttreten des BVG im Saarland am 1. Juni 1960 rückwirkend auf den Unfallzeitpunkt geändert. Nach § 54 BVG solle eine Schädigung im Sinne des § 1 BVG, die nach dem 8. Mai 1945 eingetreten und zugleich ein Arbeitsunfall sei, von dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung entschädigt werden. Damit sei die Versicherungsfreiheit nachträglich rückwirkend beseitigt worden. Der Anspruch gegen die Beklagte stehe dem Kläger vom Inkrafttreten des BVG im Saarland - 1. Juni 1960 - an und nicht erst seit der Antragstellung zu, da in der gesetzlichen Unfallversicherung der Versicherungsträger das neue Recht von Amts wegen durchzuführen habe. Auf die Verjährungsvorschrift habe sich die Beklagte nicht berufen.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und wie folgt begründet: Der Kläger sei zwar bei einer Tätigkeit verunglückt, die an sich zu Entschädigungsansprüchen aus der landwirtschaftlichen Unfallversicherung hätte führen können. Da er jedoch zur Unfallzeit gemäß § 541 Nr 9 RVO aF versicherungsfrei gewesen sei, stehe ihm nicht nur für die Zeit unmittelbar nach dem Unfall, sondern auch für die Folgezeit ein Anspruch aus der Unfallversicherung nicht zu. Im Saarland sei in der Zeit bis zum 31. Dezember 1956, als es von der Bundesrepublik getrennt gewesen sei, für Fälle, der hier vorliegenden Art eine abschließende Rechtslage geschaffen worden. Die schon frühzeitig in Anwendung des Erlasses des Regierungspräsidenten vom 20. Oktober 1945 geregelten Ansprüche im Sinne des § 541 Nr 9 RVO aF seien durch das saarländische Gesetz Nr 515 über Änderungen auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung und Neufassung von Vorschriften des Reichsversorgungsgesetzes vom 9. Juli 1956 (Amtsbl Saar 1956 Nr 77 S 957) zusätzlich gewährleistet worden. In der Bundesrepublik seien demgegenüber nach Kriegsende die Wehrmachtsversorgungsgesetze außer Kraft gesetzt worden, die Tätigkeit der Versorgungsämter habe geendet. Der Kläger habe somit zu einem gegenüber vergleichbaren Fällen in der Bundesrepublik begünstigten Personenkreis gehört. § 541 Nr 9 RVO aF sei erst mit dem 1. Juli 1963 außer Kraft getreten, und zwar nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ohne Rückwirkung (Art 4, §§ 1, 2, 16 UVNG). Die Rechtsprechung in Fällen mit ähnlichen Sachverhalten betreffe - anders als hier - im wesentlichen Unfälle aus der Zeit nach dem Inkrafttreten des BVG. Daß § 54 BVG die Rechtsentwicklung im Saarland für den vorliegenden Fall nicht beeinflußt habe, ergebe sich auch aus § 2 Abs 1 des Gesetzes zur Einführung des BVG im Saarland vom 16. August 1961 - EG Saar - (BGBl I 1292), nach dem die durch die besondere Rechtsentwicklung im Saarland geschaffene Rechtslage auch künftig verbindlich sei; daraus sei zu folgern, daß der Unfall einer versicherungsfreien Person, deren Versorgung gewährleistet gewesen sei, nicht nachträglich in einen Arbeitsunfall umgewandelt werden könne.
Die Beklagte beantragt,
die angefochtenen Urteile aufzuheben und unter Zurückweisung der Anschlußberufung des Klägers die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Der Beigeladene schließt sich dem Antrag des Klägers an.
Entscheidungsgründe
Mit Einverständnis der Beteiligten hat der Senat ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Der Kläger hat für die Zeit vom 1. Juni 1960 an gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen des Unfalls, von dem er am 10. Oktober 1945 betroffen wurde.
Zutreffend hat das LSG eine Entscheidung in der Sache bereits für die Zeit vom 1. Juni 1960 an getroffen, obwohl nur die Beklagte das Urteil des SG mit dem Rechtsmittel der Berufung angefochten hat. Der Kläger hat sich der Berufung - nach Ablauf der Berufungsfrist - formgerecht durch Schriftsatz am 16. Dezember 1971 angeschlossen und damit eine auch im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit zulässige sog unselbständige Anschlußberufung eingelegt (§ 202 SGG iVm §§ 521, 522a Abs 1 der Zivilprozeßordnung -ZPO-; vgl BSG 2, 229, 231, 234; 24, 247, 248). Die Anschließung nach Ablauf der Berufungsfrist ist lediglich ein innerhalb der gegnerischen Berufung gestellter Antrag, der sich - unter Ausschaltung der Wirkung des Verbots der Schlechterstellung (reformatio in peius) - auf Ansprüche erstrecken kann, die über den Rahmen des mit der Berufung anhängig gemachten Streitstoffes hinausgehen. Der Kläger hat folglich mit der Anschließung erreicht, daß nicht nur über die vom SG ausgesprochene Leistungsverpflichtung der Beklagten vom 1. Januar 1967 an, sondern darüber hinaus auch für die Zeit vom 1. Juni 1960 an zu entscheiden ist. Da die unselbständige Anschließung kein Rechtsmittel ist, unterliegt sie auch nicht den Berufungsausschlußgründen der §§ 144ff SGG.
Der Kläger hat den Unfall nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die insoweit von der Revision nicht angegriffen und deshalb für das Bundessozialgericht (BSG) bindend sind (§ 163 SGG), bei seiner Tätigkeit als Gespannführer erlitten, die er aufgrund eines Arbeitsverhältnisses in einem landwirtschaftlichen Unternehmen verrichtete. Dem Kläger steht daher wegen der Verletzungsfolgen grundsätzlich ein Anspruch auf Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu (§§ 915 iVm 542, 537 Nr 1 RVO idF des 6. ÄndG -aF-). Auch die Beklagte geht davon aus, daß der Kläger bei einer Tätigkeit zu Schaden gekommen ist, die an sich zu Entschädigungsansprüchen nach den Vorschriften der landwirtschaftlichen Unfallversicherung hätte führen können, meint jedoch, ein Anspruch sei durch § 541 Nr 9 RVO aF ausgeschlossen.
Nach dieser Vorschrift, die durch die Verordnung (VO) vom 16. April 1943 (RGBl I 267) rückwirkend vom 1. Januar 1942 an in die RVO eingefügt wurde, waren versicherungsfrei die im § 537 aufgeführten Personen hinsichtlich der Unfälle, wegen derer ihnen Fürsorge und Versorgung nach den Wehrmachtsversorgungsgesetzen und den Vorschriften, die diese Gesetze für anwendbar erklären, gewährleistet war. Die Personenschädenverordnung (PSchVO) sah für deutsche Staatsangehörige, die Schäden an Leib und Leben durch Kriegsereignisse, zB durch Einwirkung von Waffen oder sonstige Kampfmittel, erlitten, Fürsorge und Versorgung nach dem Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsgesetz (WFVG) vom 26. August 1938 (RGBl I 1077) vor (§§ 1, 2, 3 bis 8 der PSchVO vom 1. September 1939 idF vom 10. November 1940 - RGBl 1940 S 1482 -). In Anwendung der PSchVO und des WFVG ist dem Kläger aufgrund der VO des Regierungspräsidenten Saar vom 20. Oktober 1945 (Amtsbl Saar S 39) durch Bescheid vom 20.Juni 1947 wegen der Folgen der Minenexplosion Versorgung gewährt worden.
Auch die Anwendbarkeit des § 541 Nr 9 RVO aF schließt jedoch nicht aus, daß es sich bei der Schädigung, für die Versorgung gewährleistet oder gewährt wird, zugleich um einen Unfall im Sinne des Dritten Buches der RVO (Arbeitsunfall) gehandelt hat. Anders als die in § 541 Nr 1ff RVO aF sonst angeführten Personen, die schlechthin für ihr gesamtes Beschäftigungs- und Tätigkeitsverhältnis versicherungsfrei waren, bezeichnete die Nr 9 alle Versicherten nur hinsichtlich bestimmter Unfälle als versicherungsfrei. Sinn und Zweck dieser Vorschrift war es, Doppelleistungen aus der Unfallversicherung und Versorgung zu vermeiden, und die Unfallversicherungsträger, die in ständig steigendem Umfang durch Kriegspersonenschäden in Anspruch genommen wurden, rückwirkend für die Versicherungsfälle nach dem 31. Dezember 1941 zu entlasten (vgl BSG 23, 79, 81; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 8. Aufl, S 478 g, h mit weiteren Nachweisen). Dementsprechend ist die Versicherungsfreiheit in Nr 9 des § 541 RVOaF dahin zu verstehen, daß Arbeitsunfälle, für die Fürsorge und Versorgung ... gewährleistet war, keinen Anspruch aus der Unfallversicherung begründeten (vgl Schulte-Holthausen in BG 1943, 145, 146f).
Der Ausschluß von Ansprüchen aus der Unfallversicherung beim Zusammentreffen mit Versorgungsansprüchen ist nach § 54 BVG auf die Versicherungsfälle nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung bis zum 8. Mai 1945 beschränkt. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 25.Mai 1965 (BSG 23, 79) mit näherer Begründung, auf die im einzelnen Bezug genommen wird, dargelegt, daß § 54 BVG auch unmittelbar in das Recht des Dritten Buches der RVO eingreift. Die Vorschrift schließt - entsprechend der durch die Nr 9 des § 541 RVO aF geschaffenen Rechtslage - für Versicherungsfälle vom 1. Januar 1942 an einen Anspruch gegen den Unfallversicherungsträger aus, beschränkt dies jedoch ausdrücklich auf die Zeit bis zum 8. Mai 1945. Daraus hat der Senat den Schluß gezogen, daß der Gesetzgeber durch § 54 BVG einerseits das Zusammentreffen von Ansprüchen aus der Unfallversicherung und der Versorgung für Versicherungsfälle vor dem 1.Januar 1942 - wie bisher - nur durch die Ruhensvorschrift für die Versorgungsleistung regeln, andererseits aber die vom 1. Januar 1942 an eingetretene Entlastung der Unfallversicherungsträger nunmehr auf die Versicherungsfälle bis zum 8.Mai 1945 beschränken wollte und von da an beim Zusammentreffen von Leistungen gleichfalls nur das Ruhen der Versorgungsleistungen (§ 65 BVG) vorsieht (vgl BSG 23, 79; BSG in Breithaupt 1967, 106; BSG in BG 1968, 320). Die Nr 9 des § 541 RVO aF, die unter den dort angeführten Voraussetzungen für Unfälle nach dem 31.Dezember 1941 Ansprüche aus der Unfallversicherung zeitlich unbegrenzt ausschloß, hat infolgedessen vom Inkrafttreten des BVG an für Arbeitsunfälle, die sich - wie hier- nach dem 8. Mai 1945 ereignet haben ihre Gültigkeit verloren; das Zusammentreffen mit Versorgungsansprüchen ist insoweit nur noch durch die Ruhensvorschrift des § 65 BVG geregelt. Im Saarland ist das BVG am 1. Juni 1960 in Kraft getreten (Art I § 1 Satz 1 des Gesetzes zur Einführung des BVG im Saarland vom 16. August 1961 - EG Saar - (BGBl I 1292)). Da der Kläger Leistungen erst von diesem Zeitpunkt an geltend macht und das zu seiner Verletzung führende Ereignis, das zugleich ein Arbeitsunfall (§ 542 RVO aF) war, am 10. Oktober 1945, also nach dem 8. Mai 1945 eingetreten ist, hat das LSG der Anschlußberufung des Klägers mit Recht stattgegeben. Entgegen der Ansicht der Beklagten rechtfertigt die besondere Entwicklung des Versorgungsrechts im Saarland keine andere Entscheidung. Allerdings sind die bis zum Zusammenbruch Deutschlands in Geltung gewesenen reichsrechtlichen Versorgungsvorschriften (ua das WFVG) im Saarland - teilweise geändert - nach 1945 weiter angewendet worden und haben auch nach der Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland zunächst, und zwar bis zur Einführung des BVG, weitergegolten. Da der Zeitpunkt, in dem § 541 Nr 9 RVO aF seine Gültigkeit verloren hat, infolge der verschiedenartigen Entwicklung, die das Versorgungsrecht nach 1945 in den einzelnen Teilen Deutschlands genommen hat, unterschiedlich sein kann (vgl BSG in BG 1968, 320), ist ein Anspruch des Klägers aus der Unfallversicherung nicht bereits vom 1. Oktober 1950 an (Inkrafttreten des BVG im Bundesgebiet), sondern erst vom 1. Juni 1960 (Inkrafttreten des BVG im Saarland) an begründet. Andere Auswirkungen auf Ansprüche aus der Unfallversicherung in Fällen der vorliegenden Art sind aus der besonderen Rechtsentwicklung im Saarland nicht herzuleiten. Die Auffassung der Beklagten findet insbesondere entgegen ihrer Meinung keine Stütze im EG Saar. In Art I § 2 Abs 1 aaO ist die Rechtsverbindlichkeit der nach den Rechtsvorschriften des Saarlandes getroffenen Entscheidungen über die Frage des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Ereignis im Sinne des § 1 BVG vorgesehen. Bei der Umanerkennung im Saarland darf danach, ähnlich wie bei der Einführung des BVG im Bundesgebiet (§ 85 BVG), die Zusammenhangsfrage nicht mehr geprüft werden. Darüber hinaus ist die Besitzstandswahrung durch die §§ 4 bis 6 - hinsichtlich hier nicht in Betracht kommender Verhältnisse - erschöpfend und ausschließlich geregelt worden (BSG 25, 153, 154f). Die Anwendbarkeit des § 54 BVG ist im EG Saar nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt worden.
Die Beklagte hat sich weder auf einen Ausschluß (§ 1546 RVO aF) noch auf die Verjährung des Leistungsanspruchs (§ 29 Abs 3 RVO) berufen. Es kann deshalb dahinstehen, ob sie dies mit Erfolg hätte geltend machen können. Mit Recht hat das LSG entschieden, daß die durch das Inkrafttreten des BVG (§ 54) bewirkte Änderung der Rechtslage von Amts wegen zu berücksichtigen und die Beklagte daher verpflichtet ist, dem Kläger die Leistungen - unabhängig von einem Antrag - bereits vom 1. Juni 1960 an zu gewähren (vgl BSG in Breithaupt 1967, 106).
Die Revision der Beklagten ist danach zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen