Leitsatz (amtlich)
Bei der Bestimmung des in RVO § 1248 Abs 2 S 1 verwendeten Begriffs "arbeitslos" ist die für die Gewährung von Arbeitslosengeld in AVAVG § 75 Abs 2 gegebene Fiktion der Arbeitslosigkeit ohne Bedeutung.
Die Frage, ob ein Versicherter - trotz Ausübung von Beschäftigungen - seit mindestens einem Jahr ununterbrochen arbeitslos iS von RVO § 1248 Abs 2 S 1 ist, ist allein aus Satz 4 dieser Vorschrift zu beantworten.
Bei wiederholten tageweisen Beschäftigungen während des Jahres, das RVO § 1248 Abs 2 S 1 als Anspruchsvoraussetzung verlangt, ist eine "gelegentliche Aushilfe" im Sinne des Satzes 4 dieser Vorschrift noch anzunehmen, wenn eine Beschäftigungsdauer von insgesamt 75 Arbeitstagen nicht überschritten wird.
Normenkette
RVO § 1248 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1957-02-23, S. 4 Fassung: 1957-02-23, § 1228 Abs. 2 Fassung: 1965-06-09, § 168 Abs. 1 Fassung: 1965-06-09; AVAVG § 66 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-04-03, Nr. 2 Fassung: 1957-04-03, Abs. 2 Nr. 1 Fassung: 1957-04-03, § 75 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1957-04-03
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 2. Dezember 1960 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Niedersachsen zurückverwiesen.
Gründe
Der im Juli 1897 geborene Kläger begehrt das vorzeitige Altersruhegeld gemäß § 1248 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) für die Zeit von April 1958 an. Er hat in der vorausgehenden Zeit in seinem Beruf als Kellner wiederholt Aushilfsarbeiten übernommen. Es ist deshalb streitig, ob die Anspruchsvoraussetzung der einjährigen ununterbrochenen Arbeitslosigkeit gegeben ist.
In den Jahren von 1951 bis 1956 bezog der Kläger - mit Unterbrechungen - Arbeitslosengeld. Seit Juni 1956 erhielt er laufend Arbeitslosenhilfe. In den Jahren 1957 und 1958 arbeitete er - überwiegend an den Wochenenden - als Aushilfskellner bei verschiedenen Arbeitgebern. Der Umfang dieser Arbeiten, die Zahl der Arbeitgeber und die Arbeitsverdienste ergeben sich aus der folgenden Übersicht:
|
Monat |
|
Zahl der Arbeitstage |
Zahl der Arbeitgeber |
Bruttoverdienst |
Januar |
1957 |
3 |
1 |
70,23 |
Februar |
1957 |
8 |
1 |
176,01 |
März |
1957 |
2 |
1 |
58,37 |
April |
1957 |
3 |
2 |
22,40 |
Mai |
1957 |
8 |
3 |
101,46 |
Juni |
1957 |
12 |
3 |
168,96 |
Juli |
1957 |
9 |
5 |
122,25 |
August |
1957 |
6 |
4 |
96,96 |
September |
1957 |
10 |
7 |
168,83 |
Oktober |
1957 |
7 |
4 |
95,80 |
November |
1957 |
4 |
2 |
54,01 |
Dezember |
1957 |
4 |
2 |
64,60 |
|
|
|
|
|
Februar |
1958 |
3 |
1 |
73,40 |
April |
1958 |
4 |
2 |
94,05 |
Mai |
1958 |
5 |
2 |
62,57 |
Juni |
1958 |
7 |
3 |
134,37 |
Juli |
1958 |
5 |
2 |
135,19 |
August |
1958 |
1 |
1 |
15,- |
September |
1958 |
3 |
2 |
68,28 |
Oktober |
1958 |
5 |
3 |
70,46 |
November |
1958 |
3 |
1 |
56,68 |
Dezember |
1958 |
5 |
2 |
86,47 |
Außerdem hatte der Kläger im Januar 1958 Arbeitslöhne in Höhe von 164,29 DM und im März 1958 von 59,79 DM; die Arbeitstage und die Arbeitgeber in diesen Monaten waren nicht zu ermitteln.
Den Antrag des Klägers vom April 1958 auf Gewährung des vorzeitigen Altersruhegeldes lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Kläger sei wegen der Aushilfsarbeiten nicht ununterbrochen arbeitslos gewesen; er sei auch noch nicht berufsunfähig.
Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger das Altersruhegeld gemäß § 1248 Abs. 2 RVO vom 1. April 1958 an zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hat die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat in den Arbeiten, die der Kläger von 1957 an ausgeübt hat, eine über eine "gelegentliche Aushilfe" im Sinne des § 1248 Abs. 2 Satz 4 RVO nicht hinausgehende Beschäftigung erblickt und daher eine ununterbrochene Zeit der Arbeitslosigkeit als gegeben angesehen. Dabei hat es den im § 1248 Abs. 2 RVO nicht näher erläuterten Begriff "gelegentliche Aushilfe" anhand von Vorschriften des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) ermittelt und im Ergebnis mit demjenigen der "geringfügigen Beschäftigung" im Sinne des § 66 Abs. 2 AVAVG gleichgestellt.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Mit der Revision beantragt die Beklagte,
das angefochtene Urteil und das Urteil des SG Hildesheim vom 13. August 1959 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie rügt, das LSG habe die Begriffe "arbeitslos" und "gelegentliche Aushilfe" im Sinne des § 1248 Abs. 2 RVO verkannt und damit diese Vorschrift unrichtig angewandt. Hierzu führt sie aus: Es sei bedenklich, bei der Deutung des Begriffs Arbeitslosigkeit in diesem Zusammenhang die Regelungen des AVAVG in allen Einzelheiten und Konsequenzen zu verwerten. Vielmehr müsse, auch nach verbreiteter Meinung in der Literatur, die Eigenart der Rentenversicherung berücksichtigt werden. Die Ausführungen des LSG zum Begriff der "gelegentlichen Aushilfe" seien nicht überzeugend. Darunter könne schon nach dem Sprachgebrauch nur eine kurzfristige und von vornherein zum Zwecke der Aushilfe geleistete Arbeit verstanden werden, nicht aber eine für längere Zeit anhaltende Beschäftigung oder fortgesetzt ausgeführte Aushilfstätigkeiten. Der Kläger arbeite schon seit Jahren laufend als Aushilfskellner; er sei Aushilfskellner von Beruf. Ein derartiger beruflicher Einsatz könne nicht mehr als eine gelegentliche Aushilfe aufgefaßt werden. Das LSG habe auch eine Prüfung darüber unterlassen, ob der Kläger während der Zeit weiterhin arbeitslos gewesen sei, für die ihm mit dem angefochtenen Urteil das Altersruhegeld zugesprochen sei.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für richtig.
Die Revision ist zulässig und begründet.
Nach § 1248 Abs. 2 Satz 1 RVO erhält Altersruhegeld auf Antrag der Versicherte, der das 60. Lebensjahr vollendet, die Wartezeit erfüllt hat und seit mindestens einem Jahr ununterbrochen arbeitslos ist, für die weitere Dauer der Arbeitslosigkeit. Zu Unrecht haben die Vorinstanzen angenommen, daß dem Kläger das vorzeitige Altersruhegeld vom 1. April 1958 an zustehe. Zu dieser Zeit war der Kläger - der die Voraussetzungen für diesen Rentenanspruch im übrigen erfüllt - nicht "seit mindestens einem Jahr ununterbrochen arbeitslos" im Sinne dieser Vorschrift.
Was unter "arbeitslos" zu verstehen ist, ist in der RVO nicht gesagt. Zur näheren Bestimmung dieses Begriffs hat das Bundessozialgericht (BSG) bei früheren Entscheidungen auf das Recht der Arbeitslosenversicherung zurückgegriffen. Es hat die Auffassung vertreten, daß bei der Anwendung von Vorschriften über die Gewährung des vorzeitigen Altersruhegeldes die Voraussetzung der Arbeitslosigkeit zu bestimmen ist nach den rechtlichen Gesichtspunkten, denen der Begriff im jeweils geltenden Recht der Arbeitslosenversicherung unterliegt; jedoch hat es hervorgehoben, daß den Besonderheiten des Rechts der Rentenversicherung Rechnung zu tragen ist (BSG 14, 53; 15, 131; 18, 287; 20, 190).
Nach § 75 Abs. 1 AVAVG gehört zur Arbeitslosigkeit, daß der Arbeitnehmer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Als arbeitslos gilt aber nach § 75 Abs. 2 AVAVG auch ein Arbeitnehmer, der nur geringfügige Beschäftigungen im Sinne des § 66 AVAVG ausübt, wenn die Arbeitszeiten oder die Entgelte die in § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AVAVG bezeichneten Ausmaße nicht überschreiten. Derartige Beschäftigungen verhindern im Recht der Arbeitslosenversicherung den Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht, üben keinen Einfluß auf einen bereits eingetretenen Zustand der Arbeitslosigkeit aus und vermögen somit die Arbeitslosigkeit nicht zu unterbrechen. Wäre dieser Rechtssatz auch bei der Bestimmung des in § 1248 Abs. 2 Satz 1 RVO verwendeten Begriffs "arbeitslos" von Bedeutung, so könnte der Kläger während des Zeitraums von April 1957 bis März 1958 trotz der ausgeübten Aushilfsbeschäftigungen als arbeitslos gelten, sofern diese als geringfügig im Sinne der §§ 75 Abs. 2, 66 AVAVG anzusehen sind. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt brauchte der Senat indessen die vom Kläger in der maßgeblichen Zeit übernommenen Arbeiten nicht zu beurteilen. Die nur für die Gewährung von Arbeitslosengeld im AVAVG getroffene Regelung, wann dafür Arbeitslosigkeit vorliegt, ist bei der Auslegung des § 1248 Abs. 2 RVO nicht zu berücksichtigen. Dies deshalb nicht, weil in § 1248 Abs. 2 Satz 4 RVO eine Regelung eigens für das Rentenrecht besteht, die das Verhältnis von Arbeitsleistung und Arbeitslosigkeit betrifft. Die Frage, ob ein Versicherter trotz Ausübung von Beschäftigungen seit mindestens einem Jahr - und zwar ununterbrochen - arbeitslos ist, ist allein aus dieser Vorschrift zu beantworten. Daß diese Regelung bei der Beurteilung, ob eine einjährige Dauer der Arbeitslosigkeit zurückgelegt ist (Satz 1 des § 1248 Abs. 2 RVO), ebenso zur Anwendung kommt wie bei Fragen des Wegfalls und der Wiedergewährung des vorzeitigen Altersruhegeldes (Sätze 3 und 4 des § 1248 Abs. 2 RVO), hat das BSG bereits wiederholt ausgesprochen (BSG 14, 53, 57; SozR RVO § 1248 nF Bl. Aa 30 Nr. 26). Sie greift nicht neben oder gar erst nach den §§ 75 Abs. 2, 66 AVAVG ein, weil dem Besonderheiten entgegenstehen, die dem vorzeitigen Altersruhegeld eigentümlich sind.
Das Altersruhegeld wird regelmäßig erst nach Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt (§ 1248 Abs. 1 RVO). Die Möglichkeit, es unter den in § 1248 Abs. 2 RVO im einzelnen genannten Voraussetzungen vorzeitig zu beziehen, bildet eine Ausnahme. Eine Milderung der besonderen Anforderungen darf den Ausnahmecharakter dieser Rentenart nicht gefährden, sondern muß ihn wahren. Hierzu ist die Übernahme der in den §§ 75 Abs. 2, 66 AVAVG getroffenen Regelung nicht geeignet. Es erscheint schon fraglich, ob die nur für einen bestimmten Anspruch aus der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosengeld) niedergelegten Grundsätze überhaupt auf Ansprüche anderer Art - unmittelbar oder entsprechend - Anwendung finden können. Die Beantwortung dieser Frage kann hier jedoch dahinstehen. Denn die Übernahme der Regelung des AVAVG würde zu Ergebnissen führen, die mit dem Rentenrecht nicht zu vereinbaren sind und dessen Eigenarten verkennen.
Als arbeitslos gilt u. a. nach §§ 75 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 2 Nr. 1 AVAVG noch ein Arbeitnehmer, der eine Beschäftigung ausübt, die auf 24 Wochenstunden beschränkt zu sein pflegt (geringfügige Beschäftigung). Das entspricht bei der heute üblichen 44-Stundenwoche einer guten Halbtagsbeschäftigung. Daß Arbeitsleistungen dieses Umfangs im Rahmen des § 1248 Abs. 2 Satz 1 RVO unbeachtlich sein sollen und der Versicherte als ununterbrochen arbeitslos zu gelten habe, würde nicht nur dem Wortlaut des Gesetzes - "ununterbrochen arbeitslos" -, sondern auch dem Sinn des vorzeitigen Bezuges von Altersruhegeld widersprechen. Letzterer geht dahin, die Vergünstigung des frühzeitigen Rentenbezuges auf Fälle zu beschränken, in denen durch Beschäftigungslosigkeit während eines Jahres dargetan ist, daß die Erlangung eines Dauerarbeitsplatzes auf Schwierigkeiten stößt. Die Übernahme der Regelung der Arbeitslosigkeit im AVAVG für einen bestimmten Anspruch dieses Gesetzes in das Rentenrecht könnte dazu verleiten, den Bezug des vorzeitigen Altersruhegeldes und die Ausübung einer Halbtagsbeschäftigung gleichzeitig - und nebeneinander - anzustreben. Damit würde der Ausnahmecharakter des vorzeitigen Altersruhegeldes nicht gewahrt.
Die Frage, ob durch ein Beschäftigungsverhältnis die Arbeitslosigkeit unterbrochen wird, ist auch im Zusammenhang mit dem Wegfall dieses Altersruhegeldes von Bedeutung. Es fällt nämlich mit dem Ablauf des Monats weg, in dem der Berechtigte in eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit eintritt (§ 1248 Abs. 2 Satz 2 RVO). Das kann, da die Rente für die Dauer der Arbeitslosigkeit gewährt wird, nur eine Beschäftigung sein, welche die Arbeitslosigkeit beendet. Da nun eine Halbtagsarbeit als "geringfügige Beschäftigung" eine Arbeitslosigkeit im Sinne des AVAVG nicht behebt, wäre neben dem Bezug des vorzeitigen Altersruhegeldes die Ausübung einer Halbtagsbeschäftigung - regelmäßig und für dauernd - möglich, ein mit den Zielen des vorzeitigen Altersruhegeldes nicht zu vereinbarendes Ergebnis. Vor Erreichen des 65. Lebensjahres sieht das System der Rentenversicherung (vgl. auch § 1246 Abs. 2 RVO) keine Versichertenrente neben einer Halbtagsarbeit vor.
Diese Erwägungen verbieten es, bei der näheren Bestimmung des Begriffs der Arbeitslosigkeit im Sinne des § 1248 Abs. 2 RVO die im Arbeitslosenrecht getroffene Sonderregelung zu berücksichtigen. § 1248 Abs. 2 Satz 4 RVO bestimmt vielmehr für das Recht der Rentenversicherung ausschließlich, welche Arbeitsleistungen des Versicherten die Arbeitslosigkeit beeinflussen. Danach bleibt eine Beschäftigung oder Tätigkeit, die über eine gelegentliche Aushilfe nicht hinausgeht, außer Betracht. Hiermit ist den Besonderheiten des vorzeitigen Altersruhegeldes Rechnung getragen. Für diese Auffassung spricht, daß auch die Rechtsprechung zu § 397 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) aF - der Vorschrift, der § 1248 Abs. 2 RVO nachgebildet ist - eine etwaige Unterbrechung der Arbeitslosigkeit unter dem Gesichtspunkt der gelegentlichen Aushilfe beurteilt hat, obwohl auch das damals geltende Recht der Arbeitslosenversicherung die Annahme einer Arbeitslosigkeit bei geringfügigen Beschäftigungen kannte (vgl. RVA AN 1930, 340; 1939, 172; BSG SozR § 397 AVG aF Bl. Aa 1). Die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte hatte ebenfalls eigene Richtlinien für die Beurteilung von Aushilfsbeschäftigungen im Sinne des § 397 Abs. 4 AVG aF erarbeitet, die nicht das entsprechende Recht der Arbeitslosenversicherung zur Grundlage hatten, sondern auf die Verhältnisse der Rentenversicherung abgestellt waren (vgl. Koch/Hartmann, Das Angestelltenversicherungsgesetz, 2. Aufl., Bd. I § 397 AVG aF Anm. 3 e und 5 b). Diese Rechtslage fand der Gesetzgeber des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) vor; an sie hat er, wie die Gleichheit der Gesetzesformulierungen zeigt, erkennbar anknüpfen wollen.
Das BSG hat allerdings bisher in zwei Entscheidungen zum vorzeitigen Altersruhegeld Erörterungen mit angestellt, nach denen die Anwendung der §§ 75 Abs. 2, 66 AVAVG neben der Vorschrift des § 1248 Abs. 2 Satz 4 RVO für möglich gehalten wird (BSG 14, 53 und BSG SozR § 1248 RVO nF). In beiden Fällen handelt es sich um die Frage, ob die Ausübung von Notstandsarbeiten für die Dauer mehrerer Monate die Arbeitslosigkeit während des Jahres unterbricht, das der Gewährung des vorzeitigen Altersruhegeldes vor aufzugehen hat. Dabei ist jeweils zunächst geprüft worden, ob das Beschäftigungsverhältnis als geringfügig im Sinne des Rechts der Arbeitslosenversicherung anzusehen sei und die Zeit der Beschäftigung deshalb als Zeit der Arbeitslosigkeit gelte. Dies ist in beiden Fällen verneint und sodann auf Grund der besonderen Regelungen des Rentenrechts (§ 25 Abs. 2 Satz 4 AVG, § 1248 Abs. 2 Satz 4 RVO) geprüft worden, ob die einjährige Dauer der Arbeitslosigkeit unterbrochen war. Hiervon weicht der erkennende Senat mit der von ihm vertretenen Ansicht über die Unanwendbarkeit der §§ 75 Abs. 2, 66 AVAVG bei der Auslegung des § 1248 Abs. 2 RVO ab. Er brauchte jedoch keine Entscheidung des Großen Senats des BSG nach § 42 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) herbeizuführen, weil die Auffassung der anderen Senate zu anderen Sachverhalten geäußert wurde und die damaligen Entscheidungen nicht getragen hat (RGZ 134, 17, 22). Im Gegensatz zum vorliegenden Rechtsstreit war in jenen Fällen zu beurteilen, ob Vollbeschäftigungen von mehreren Monaten den Zustand der Arbeitslosigkeit beeinflussen. Die lange Dauer der Beschäftigungsverhältnisse ließ dabei die Annahme von Arbeitslosigkeit nicht zu. Das Ergebnis jener Entscheidungen des BSG hing nicht von der Anwendung des § 75 Abs. 2, § 66 AVAVG ab, so daß die Rechtsansicht, von der der erkennende Senat abweicht, nicht die wesentliche Grundlage der früheren Urteile bildete.
Bei der Bestimmung des Begriffs der gelegentlichen Aushilfe (§ 1248 Abs. 2 Satz 4 RVO) ist der Senat im Ergebnis der bisher vom BSG vertretenen Auffassung gefolgt (vgl. BSG SozR § 1248 RVO nF Nr. 26). Eine gelegentliche Aushilfe ist danach eine zeitlich begrenzte Beschäftigung oder Tätigkeit, die der Überwindung eines vorübergehenden erhöhten Bedarfs an Arbeitskräften dient; auch mehrere kurzfristige Beschäftigungen oder Tätigkeiten können eine gelegentliche Aushilfe im Sinne des § 1248 Abs. 2 Satz 4 RVO bilden, wenn sie insgesamt innerhalb einer bestimmten zeitlichen Höchstgrenze verbleiben. Diese Grenze liegt bei einer Beschäftigungsdauer von insgesamt 75 Arbeitstagen innerhalb eines Jahres. Während des Jahres, das § 1248 Abs. 2 Satz 1 RVO als Anspruchsvoraussetzung verlangt, ist demnach bei wiederholten tageweisen Beschäftigungen eine gelegentliche Aushilfe noch anzunehmen, wenn eine Beschäftigungsdauer von insgesamt 75 Arbeitstagen nicht überschritten wird.
Der Senat begrenzt damit den Begriff der gelegentlichen Aushilfe im Sinne des § 1248 Abs. 2 Satz 4 RVO nach Maßstäben, die auch sonst im Recht der engeren Sozialversicherung, nämlich in § 168 Abs. 1 RVO und § 1228 Abs. 2 RVO in der Fassung des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1965 zur Kennzeichnung von Beschäftigungen oder Tätigkeiten als "gelegentliche" aufgestellt sind. Beiden erwähnten Vorschriften ist zu entnehmen, daß als gelegentliche, insbesondere zur Aushilfe übernommene Dienstleistungen solche verstanden werden, die auf drei Monate oder insgesamt 75 Arbeitstage - letzteres ergibt sich allerdings nur aus § 1228 Abs. 2 RVO nF - der Natur der Sache nach begrenzt zu sein pflegen. Der Senat hält es für gerechtfertigt, diese Vorstellungen des Gesetzgebers der Rentenversicherung über den Umfang einer gelegentlichen Beschäftigung oder Tätigkeit auch bei der Auslegung des § 1248 Abs. 2 Satz 4 RVO heranzuziehen. Eine Beschäftigungsdauer von 75 Arbeitstagen steht noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem Jahr der Arbeitslosigkeit. Die Festlegung des Begriffs "gelegentliche Aushilfe" auf diese Dauer führt auch für vergleichbare oder ähnlich liegende Fälle zu einer vertretbaren Vereinheitlichung.
Die Aushilfsbeschäftigungen, die der Kläger während des Jahres von April 1957 bis März 1958 ausübte, übersteigen die Dauer von insgesamt 75 Arbeitstagen; dieses Jahr fällt als Anspruchsvoraussetzung für das dem Kläger zugesprochene Altersruhegeld vom 1. April 1958 an aus, weil die Arbeitslosigkeit unterbrochen war. Auf dieses Jahr entfällt nach den Arbeitstagen, die das LSG für die einzelnen Monate festgestellt hat, schon eine Beschäftigungsdauer von 66 Tagen. Weitere Arbeitstage sind zu berücksichtigen für die Monate Januar und März 1958, für die nur die erzielten Entgelte mit rund 164,- DM und rund 60,- DM ermittelt werden konnten. Für diese Monate sind mindestens 10 weitere Arbeitstage anzurechnen; denn die erwähnten Arbeitsverdienste entsprechen bei einem Vergleich mit den sonstigen Einkünften des Klägers sicher einer Arbeitsleistung von 10 Tagen. Ein Anspruch auf das vorzeitige Altersruhegeld stand dem Kläger demnach vom 1. April 1958 an nicht zu, so daß das angefochtene Urteil nicht zu bestätigen ist.
Das LSG wird nunmehr zu entscheiden und dazu die notwendigen tatsächlichen Feststellungen zu treffen haben, ob und seit wann der Kläger "seit mindestens einem Jahr ununterbrochen arbeitslos war" und für welchen Zeitraum diese Arbeitslosigkeit fortgedauert hat. Es wird dabei zu berücksichtigen haben, daß an das maßgebende Jahr, in dem der Kläger ununterbrochen arbeitslos gewesen sein muß, sich die weitere Dauer der Arbeitslosigkeit unmittelbar anschließen muß. Dies läuft, weil die tatsächlichen Verhältnisse von Monat zu Monat unterschiedlich sind, praktisch darauf hinaus, daß von der Antragstellung an für jeden Monat zu prüfen ist, ob die Tatbestandsmerkmale des § 1248 Abs. 2 Satz 1 RVO vorliegen.
Hierüber selbst zu entscheiden, hält der Senat für untunlich. Das angefochtene Urteil ist daher aufgehoben und der Rechtsstreit gemäß § 170 Abs. 2 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen worden. Dieses wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen