Verfahrensgang
SG Mannheim (Urteil vom 19.11.1991) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19. November 1991 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse der Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten Otto Rode (O.R.) einen laufenden Geldbetrag zu den durch die Pflege des O… R.… in der Pflegeabteilung eines Altenheims entstandenen Pflegekosten zahlen muß. O.… R.… war seit 1. Dezember 1932 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Seit November 1988 wurde er in der Seniorenresidenz N.… GmbH gepflegt. Die Kosten der Unterkunft und Verpflegung betrugen 44,44 DM und für pflegerische Betreuung 66,66 DM täglich. Am 2. Januar 1991 beantragte O.… R.… bei der Beklagten Pflegegeld in Höhe von monatlich 750,-- DM. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, die Pflegehilfe könne als grundsätzliche Sachleistung nur im Haushalt des Versicherten oder seiner Familie erbracht werden, um entsprechend der gesetzgeberischen Zielsetzung die pflegenden Angehörigen zu entlasten (Bescheid vom 28. Februar 1991 und Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 1991).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage könne nicht auf § 55 Abs 1 Satz 1 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V) gestützt werden, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt seien. O.… R.… lebe weder in seinem eigenen noch in einem Haushalt seiner Familie. Die gesetzliche Regelung sei auch nicht verfassungswidrig. Der Gesetzgeber habe die Geldleistungen für Schwerpflegebedürftige, die im eigenen Haushalt oder im Haushalt ihrer Familie gepflegt würden, eingeführt, um die Angehörigen, die die Pflege eines Schwerpflegebedürftigen übernähmen, zu entlasten. Damit sollten die von den Krankenkassen zu gewährenden Leistungen lediglich die familiären Bemühungen ergänzen. Dies sei ein sachgerechter Gesichtspunkt, der es rechtfertige, diejenigen anders zu behandeln, die nicht in der Familie gepflegt würden. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) liege daher nicht vor. Das Gesetz verstoße aber auch nicht gegen das in Art 20 Abs 1 GG enthaltene Sozialstaatsgebot. Falls ein Versicherter über die zu seiner Pflege erforderlichen Mittel nicht verfüge und sich auch nicht an unterhaltspflichtige Angehörige wenden könne, werde sein notwendiger Pflegebedarf über den Träger der Sozialhilfe abgedeckt.
Mit der – vom SG zugelassenen – Revision vertritt die Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten die Auffassung, der Gesetzgeber habe willkürlich zwischen Schwerpflegebedürftigen unterschieden, die von Angehörigen gepflegt würden, und denjenigen, die sich auf einer Pflegestation befänden. Gerade die Pflege auf einer Pflegestation verursache besonders hohe Kosten. Zwar könne aus dem Sozialstaatsprinzip nicht hergeleitet werden, daß der Gesetzgeber jede hart oder unbillig erscheinende Einzelregelung korrigieren müsse. Das Sozialstaatsprinzip begründe aber die Pflicht des Staates, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen. Deshalb dürfe der Gesetzgeber bei einer Regelung – wie er sie mit den §§ 53 ff SGB V getroffen habe – nicht nur einen Teil der Pflegebedürftigen berücksichtigen.
Die Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19. November 1991 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 1991 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum Tode des Versicherten am 10. Mai 1992 für 25 erforderliche Pflegeeinsätze im Monat DM 750,-- zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung der §§ 53 ff SGB V weder den Gleichheitssatz noch das Sozialstaatsprinzip verletzt.
Nach dem Tod des Klägers am 10. Mai 1992 hat die Alleinerbin als Rechtsnachfolgerin erklärt, daß sie den Rechtsstreit fortsetze (Schriftsatz vom 29. Juli 1992).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –).
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision ist nicht begründet.
1. Der Anspruch auf Zahlung von monatlich 750,-- DM für die Zeit von Januar 1991 bis zum Tode des Klägers scheitert nicht schon an den Vorschriften der §§ 56 ff des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB I). Dabei kann der Senat offenlassen, ob es sich bei den begehrten Leistungen um laufende Geldleistungen handelt und ob der Verstorbene seine Tochter wesentlich unterhalten hat. Sollte dies der Fall sein, so wäre sie nach § 56 Abs 1 SGB I Sonderrechtsnachfolgerin, da die Ehefrau des früheren Klägers bereits vor diesem verstorben war.
Sind die Voraussetzungen für eine Sonderrechtsnachfolge indessen nicht erfüllt, gelten gemäß § 58 Abs 1 Satz 1 SGB I die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Fällige Ansprüche auf Geldleistungen, die dem verstorbenen Kläger im Zeitpunkt seines Todes zugestanden haben, wären somit kraft Erbfolge auf seine Alleinerbin übergegangen.
Dabei kommt es für die Anwendung der Vorschriften der §§ 56 und 58 SGB I nicht darauf an, ob ein Gesetz bei dem zugrundeliegenden Sachverhalt derartige Ansprüche auf Geldleistungen vorsieht, entscheidend ist vielmehr, ob mit der Klage aufgrund eines bestimmten Sachverhalts sozialrechtliche Geldleistungsansprüche erhoben werden. Das ist hier der Fall. Mit der Revision wird weiterhin geltend gemacht, daß dem verstorbenen Kläger aufgrund der Schwerpflegebedürftigkeit, die in der hier streitigen Zeit vorgelegen hat, eine Geldleistung von monatlich 750,-- DM zu gewähren gewesen wäre.
Schließlich steht dem erhobenen Anspruch auch nicht die Vorschrift des § 59 Satz 2 SGB I entgegen. Danach erlöschen Ansprüche auf Geldleistungen, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist. Zwar hat die Beklagte mit dem Bescheid vom 28. Februar 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 1991 die Gewährung des verlangten Pflegegeldes gegenüber dem Verstorbenen abgelehnt. Diese Bescheide sind aber von dem verstorbenen Kläger rechtzeitig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage angefochten worden. Dadurch blieb das Verwaltungsverfahren anhängig. Denn das Verwaltungsverfahren endet erst, wenn die Bescheide unanfechtbar werden (vgl dazu Hauck/Haines, SGB I, Komm, § 59 RdNr 5; Heinze in Sozialrechtshandbuch (SRH) – herausgegeben von von Maydell und Ruland – Beitrag 8 RdNr 250).
2. Die Revision kann aber keinen Erfolg haben, weil dem Verstorbenen kein Anspruch auf Geldleistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit zustand.
a) Nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz, an die der Senat gemäß § 163 SGG gebunden ist, weil die Beteiligten sie nicht mit begründeten Revisionsrügen angegriffen haben, steht fest, daß O.… R.… in dem hier strittigen Zeitraum vom 1. Januar 1991 bis zu seinem Tode am 10. Mai 1992 in der Pflegestation eines Altenheims untergebracht war. Deshalb können – auch nach Auffassung der Revision – die Vorschriften der §§ 53 ff SGB V nicht unmittelbar zugunsten der Rechtsnachfolgerin des Verstorbenen angewendet werden. Denn das Gesetz sieht – wie insbesondere aus § 53 Abs 1 und § 55 Abs 1 Satz 1 SGB V zu entnehmen ist – eine häusliche Pflegehilfe (als Sachleistung) nur dann vor, wenn der schwerpflegebedürftige Versicherte sich in seinem Haushalt oder dem seiner Familie aufhält und dort gepflegt wird. Hiervon läßt § 56 SGB V nur für den Fall einer zeitweisen Verhinderung der Pflegeperson, zB wegen Urlaubs, eine Ausnahme zu. Ein solcher Fall hat hier aber nicht vorgelegen.
Auch § 57 SGB V gibt Schwerpflegebedürftigen, die in einem Pflegeheim untergebracht sind, keinen Anspruch auf Geldleistungen. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift kann auf Antrag schwerpflegebedürftiger Versicherter die Krankenkasse ihnen anstelle der häuslichen Pflegehilfe einen Geldbetrag von 400,-- DM je Kalendermonat zahlen, wenn die Schwerpflegebedürftigen die Pflege durch eine Pflegeperson in geeigneter Weise und in ausreichendem Umfang selbst sicherstellen können. Aus der Systematik und dem inneren Zusammenhang der §§ 53 ff SGB V folgt aber zwingend: Auch die in § 57 Abs 1 SGB V vorgesehene Geldleistung darf nur für die Pflege im häuslichen Bereich gewährt werden (vgl dazu Schellhorn in Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – herausgegeben von von Maydell, § 57 RdNr 10; Moldenhauer, BKK 1991, 113, 117). Denn die Geldleistung ist nur “anstelle der häuslichen Pflegehilfe” (§ 57 Abs 1 SGB V) zu zahlen. Bei der Geldleistung handelt es sich somit um ein Sachleistungssurrogat (Zipperer in Maaßen/Schermer/ Wiegand/Zipperer, SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, Komm, § 57 SGB V RdNr 3a; vgl ferner Moldenhauer aaO; Volger, Berliner Ärzteblatt 1991, 422, 425).
b) Eine analoge Anwendung der genannten krankenversicherungsrechtlichen Leistungsvorschriften auf Versicherte, die sich in einem Pflegeheim befinden, kommt nicht in Betracht. Zu einer derartigen Rechtsfortbildung wäre der Senat nur befugt, wenn eine Regelungslücke vorläge, dh wenn der Gesetzgeber mit Absicht schweigt, um der Rechtsprechung die offene Frage zu überlassen, oder das Schweigen des Gesetzes auf einem Versehen oder darauf beruht, daß sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach dem Erlaß des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat (vgl dazu BSGE 39, 143, 146 = SozR 2200 § 1251 Nr 11; BSGE 60, 176, 178 = SozR 2600 § 57 Nr 3). Keine dieser Voraussetzungen ist gegeben. Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen des Gesundheits-Reformgesetzes zunächst bewußt darauf beschränkt, unterstützende Leistungen für die häusliche Pflege zu regeln. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu (BR-Drucks 200/88, S 182):
“Die Leistungen des Sechsten Abschnitts sind neu. Mit der häuslichen Pflegehilfe, den Leistungen bei Urlaub oder Verhinderung der Pflegeperson und der Geldleistung bei Selbstversorgung trägt die GKV wesentlich zur besseren Versorgung der Schwerpflegebedürftigen im häuslichen Bereich bei. Sie unterstützt und entlastet sowohl die Pflegebedürftigen als die pflegenden Angehörigen spürbar, ohne deren Eigenverantwortung zu schmälern. Die Leistungen werden gezielt auf den häuslichen Bereich konzentriert, weil Pflegebedürftige möglichst in der ihnen vertrauten Umgebung versorgt werden sollen. Deshalb sind Fähigkeit und Bereitschaft der Angehörigen zur häuslichen Pflege zu stärken. Zugleich wird davon ausgegangen, daß die häusliche Pflege zu einer Entlastung der Krankenhäuser von Fehlbelegungen durch Pflegefälle führt bzw den Anreiz vermindert, Pflegebedürftige in das Krankenhaus einzuweisen, ohne daß die Voraussetzungen für Krankenhausbehandlung (§ 38) vorliegen …”
“Dieser Beitrag der GKV zur Lösung des Pflegeproblems macht deutlich, daß Staat und Gesellschaft die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen nicht allein lassen. Mit ihm hat die GKV das ihr im Rahmen ihrer Aufgabenstellung Erforderliche und finanziell Zumutbare geleistet. Weitere Schritte, die zur vollständigen und insgesamt befriedigenden sozialen Absicherung der Pflegebedürftigen noch erforderlich sind, müssen außerhalb der GKV getan werden. Dafür muß noch ein Gesamtkonzept entwickelt werden.”
Hat der Gesetzgeber aber – wie hier – bewußt seine Regelungen auf die häusliche Pflege beschränkt (vgl dazu auch Schellhorn, aaO, Vorbemerkung 14 vor §§ 53 bis 57 und insbesondere Stamm, MEDSACH 1991, 92) und will er für die Absicherung des Pflegefallrisikos im übrigen erst noch eine gesetzliche Grundlage schaffen, ist es den Richtern verwehrt, die für einen begrenzten Bereich geltenden Normen auf andere, noch nicht geregelte Bereiche entsprechend anzuwenden.
c) Zu einem zusprechenden Urteil zwingt auch nicht das Verfassungsrecht.
Entgegen der Auffassung der Revision liegt kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG darin, daß der Gesetzgeber die Schwerpflegebedürftigen, die sich in einer Pflegestation befinden, nicht in die Regelung der §§ 53 ff SGB V einbezogen hat. Die genannte Verfassungsnorm gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Demgemäß ist dieses Grundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; 71, 146, 154 f mwN). Maßgeblicher Bezugspunkt für die Prüfung eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz ist also die Frage, ob eine Personengruppe gegenüber einer anderen ohne hinreichend sachlichen Grund unterschiedlich behandelt wird (BVerfGE 78, 232, 247).
Wie sich schon aus der zitierten Gesetzesbegründung (BR-Drucks 200/88, S 182) ergibt, hat der Gesetzgeber mehrere Gründe, die ihn dazu bewogen haben, im Rahmen der Gesundheits-Reformgesetzgebung zunächst nur Bestimmungen für die häusliche Pflege Schwerpflegebedürftiger zu schaffen. Er wollte damit ua Anreize bieten, daß Schwerpflegebedürftige in ihrem Haushalt oder den ihrer Familie gepflegt werden können, daß Fehlbelegungen in Krankenhäusern durch Pflegefälle vermieden werden und daß dem Schwerpflegebedürftigen – wenn irgend möglich – seine häusliche Atmosphäre erhalten bleibt. Darüber hinaus war die Beschränkung auf Leistungen für häusliche Pflege schon deshalb – wie sich ebenfalls der Begründung des Regierungsentwurfs entnehmen läßt – geboten, weil eine weitergehende finanzielle Belastung der gesetzlichen Krankenkassen nicht möglich erschien. Dieses alles sind sachlich einleuchtende Gründe, die dem Gesetzgeber gestatten, im Rahmen der ihm obliegenden Gestaltungsfreiheit zunächst nur die Schwerpflegebedürftigen in häuslicher Pflege zu begünstigen.
Zwar sind – und darin ist der Revision zuzustimmen – die Schwerpflegebedürftigen in Pflegeheimen finanziell in der Regel in noch schwierigerer Lage und müssen häufig Sozialhilfe in Anspruch nehmen, um die hohen Pflegekosten aufbringen zu können. Aus der Sicht dieser Versicherten mag deshalb die vom Gesetzgeber getroffene Regelung, nur Schwerpflegebedürftige in häuslicher Pflege zu begünstigen, als ungerecht erscheinen. Die Gerichte haben indessen – wie das Bundesverfassungsgericht (vgl BVerfGE 33, 171, 189) in ständiger Rechtsprechung angenommen hat, nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraums die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat. Vielmehr endet der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum erst dort, wo eine ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist und mangels einleuchtender Gründe als willkürlich beurteilt werden muß. Von einem willkürlichen Verhalten des Gesetzgebers kann hier indessen keine Rede sein. Die Maßnahmen im Rahmen der Gesundheits-Reformgesetzgebung sind nach dem Willen des Gesetzgebers ein erster Schritt, dem – nach Erarbeitung einer Gesamtkonzeption – weitere Schritte folgen sollen, die zu einer befriedigenden und umfassenden Absicherung des Pflegefallrisikos führen sollen. Daß nach Auffassung des Gesetzgebers ua aus finanziellen Gründen nicht sofort eine Gesamtlösung geschaffen werden konnte, ist im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG nicht verfassungswidrig (aA Schellhorn, aaO, Vorbemerkung 15 vor §§ 53 bis 57). Im übrigen darf der Gesetzgeber bei komplexen Sachverhalten – wie das BVerfG in ständiger Rechtsprechung (BVerfGE 33, 171, 189; 37, 104, 118) annimmt – zunächst eine angemessene Zeit Erfahrungen sammeln und sich in diesem Anfangsstadium mit gröberen Typisierungen und Generalisierungen begnügen. Auch das spricht dafür, die derzeitige begrenzte Regelung für die häusliche Pflege Schwerpflegebedürftiger und die Nichtberücksichtigung von Pflegebedürftigen in Pflegeheimen als jedenfalls im Hinblick auf den Gleichheitssatz verfassungsrechtlich unbedenklich anzusehen.
Nichts anderes ergibt sich im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip des Art 20 GG. Aus dieser Verfassungsnorm können unmittelbare Ansprüche nur hergeleitet werden, soweit das Existenzminimum nicht mehr gewährleistet ist. Das Sozialstaatsprinzip verpflichtet den Staat, für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen. Es darf jedoch nicht dahin ausgelegt werden, daß mit seiner Hilfe jede Einzelregelung, deren Anwendung in bestimmten Fällen zu Härten oder Unbilligkeiten führt, modifiziert werden könnte (BVerfGE 26, 44, 61 f; 34, 118, 136; 36, 73, 84). Die Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips obliegt vielmehr im wesentlichen dem Gesetzgeber (BVerfGE 1, 97, 105; 8, 274, 329; 36, 73, 84). Wenn er sich – wie hier – zunächst auf eine Leistungsregelung für Versicherte beschränkt, die sich in häuslicher Pflege befinden, können Versicherte in Pflegeheimen nicht aufgrund des Sozialstaatsprinzips von der Verwaltung oder dem Gesetzgeber eine Gleichstellung verlangen. Da über die Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) auch das Existenzminimum von Versicherten in Pflegeheimen in jedem Falle gesichert ist, stellt Art 20 GG keine geeignete Rechtsgrundlage für den hier erhobenen Anspruch dar.
Die Revision war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1062283 |
NJW 1993, 3021 |